Carl Mennicke

Carl Mennicke

August Carl Mennicke (* 5. September 1887 in Elberfeld; † 15. November 1958 in Frankfurt am Main) war ein einflussreicher deutscher Sozialpädagoge und religiöser Sozialist.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Jahre

Mennicke stammte aus einer reformierten religiösen kleinbürgerlichen Familie. Da die Familie keine höhere Schulbildung finanzieren konnte, wurde er mit vierzehn Jahren Büroangestellter. Daneben bildete er sich fort und holte das Abitur nach. Teilweise von der reformierten Kirche unterstützt studierte er Theologie in Bonn, Halle und Berlin. Er studierte ab 1912 mit einem Stipendium in Utrecht. Nach dem Abschluss des Studiums kehrte er nach 1914 nach Deutschland zurück, um eine Vikariatsstelle in Godesberg zu übernehmen. Im Ersten Weltkrieg war er zeitweise Soldat. Im Jahr 1917 wurde er Hilfsprediger in Holten im Ruhrgebiet und lernte dort die schlechten Lebensbedingungen der Arbeiter kennen.

Weimarer Republik

Ein Jahr später schloss er sich der „Sozialen Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost“ an. Diese zielte einerseits auf die Förderung der Arbeiterbildung, andererseits versuchte sie das Zusammenleben von Studenten, akademisch Gebildeten und Arbeitern zu fördern.[1]

Während der Novemberrevolution 1918/19 gehörte er neben Paul Tillich bereits zu den namhaften Teilnehmern eines Gesprächskreises Religiöser Sozialisten („Kairos-Kreis“)[2]

Mennicke gehörte zeitweise der USPD und dann der SPD an. Er blieb aber einer der bedeutendsten religiösen Sozialisten. Er gehörte neben Eduard Heimann und anderen dem Tillich-Kreis an. Er schrieb unter anderem für die Neue Blätter für den Sozialismus – Zeitschrift für geistige und politische Gestaltung. Er trat 1927 aus der evangelischen Kirche aus und begann sich auch vom religiösen Sozialismus zu entfernen. [3]

Mennicke war seit 1923 Gründer und Leiter des „Seminars für Jugendwohlfahrt“ an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin. War die Sozialpädagogik bisher fast ausschließlich ein Frauenberuf, war die Einrichtung von Mennickes die erste Ausbildungsstelle für Männer. Hintergrund der Gründung war das Reichsjugendgesetz von 1923. Die Schüler stammten meist aus dem Umfeld der Jugendbewegung. Im Jahr 1925 wurde die Einrichtung in „Wohlfahrtsschule“ umbenannt und bot einen den sozialen Frauenschulen vergleichbaren Bildungsgang für Männer an. Im Jahr 1927 wurde sie staatlich anerkannt. Der Lehrkörper bestand aus damals anerkannten Fachleuten.[4]

Seit 1925 war Mennicke Vorsitzender des Bundes Deutscher Sozialbeamter, des männlichen Gegenstücks zum weiblichen Deutschen Verband der Sozialbeamtinnen. Unter seiner Leitung schlossen sich beide Organisationen 1927 zur Vereinigung des Deutschen Verbandes der Sozialbeamtinnen und des Bundes Deutscher Sozialbeamten zusammen.[5]

Seit 1929 war Mennicke auch Dozent an der Universität Frankfurt. Im Jahr 1930/31 wurde er dort Professor und war Leiter des Berufspädagogischen Instituts.[6]

Zeit des Nationalsozialismus

Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft ging er in die Emigration in die Niederlande. Werke von ihm wurden anlässlich der Bücherverbrennung in Frankfurt am Main verbrannt. Im Jahr 1934 wurde ihm in Deutschland die akademische Lehrbefugnis entzogen.

In Amersfoort war er Leiter der Internationalen Schule für Philosophie (International School voor Wijsbegeerte). Dies war eine einzigartige Einrichtung für Erwachsene, die auf hohem Niveau philosophisch orientierte Kurse anbot.[7]

Er beschäftigte sich weiter intensiv mit sozialpädagogischen Fragen. Er veröffentlichte 1937 einen Entwurf der Sozialpädagogik. Dieses Werk gilt teilweise als erste sozialtheoretische Grundlegung einer Sozialpädagogik.[8]

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in den Niederlanden wurde er verhaftet. Mennicke kam zunächst in das Arbeitslager Wuhlheide. Nach einer schweren Erkrankung wurde er ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Nach zwei Jahren Haft wurde er entlassen. Er blieb unter polizeilicher Arbeit und lebte als Metallarbeiter.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg ging er zunächst nach Amersfoort zurück. Später ging er wieder nach Frankfurt, wo er bis 1952 als Honorarprofessor für Soziologie an der Universität lehrte.

1958 erhielt er das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Kurz vor seinem Tod wurde er mit der Goetheplakette der Stadt Frankfurt ausgezeichnet. Er ist Ehrenbürger der Stadt Wuppertal.

Werke (Auswahl)

  • Sozialpädagogik: Grundlagen, Formen und Mittel der Gemeinschaftserziehung. Hrsg. von Hildegard Feidel-Mertz. Weinheim, 2001 ISBN 3-407-32022-1
  • Sozialpsychologie: die allgemeinen Grundlagen und deren Anwendung auf die gesellschaftlichen und politischen Erscheinungen, vor allem der gegenwärtigen Zeit. Hrsg. von Hildegard Feidel-Mertz. Weinheim, 1999 ISBN 3-89271-811-3
  • Zeitgeschehen im Spiegel persönlichen Schicksals: ein Lebensbericht. Hrsg. von Hildegard Feidel-Mertz. Weinheim, 1995 ISBN 3-89271-430-4.
  • Sociale paedagogie: grondslagen, vormen en middelen der gemeenschapsopvoeding. Utrecht, 1937.
  • Der Mensch im All: eine Einführung in das Verständnis Rainer Maria Rilkes. Amsterdam, 1937.
  • Schicksal und Aufgabe der Frau in der Gegenwart. 2.Aufl. Potsdam, 1932.
  • Der Sozialismus als Bewegung und Aufgabe. Berlin, 1926.

Einzelnachweise

  1. Joachim Henseler: Wie das Soziale in die Pädagogik kam: zur Theoriegeschichte universitärer Sozialpädagogik am Beispiel Paul Natorps und Herman Nohls. Juventa Verlag, 2000 S.184
  2. Claudia Becker: Versuche religiöser Erneuerung in der Moderne am Beispiel des evangelischen Theologen Friedrich Rittelmeyer (1872-1938) Diss. Berlin, 2008
  3. Bernd Dollinger: Die Pädagogik der sozialen Frage: (sozial-)pädagogische Theorie vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der Weimarer Republik. VS Verlag, 2006 S.334
  4. Ralph Christian Amthro: Die Geschichte der Berufsausbildung in der sozialen Arbeit: Auf der Suche nach Professionalisierung und Identität. Juventa-Verl. 2003, S.385
  5. Henseler S.184
  6. Erziehungswissenschaften und Pädagoik in Frankfurt
  7. Rudolf Tippelt: Handbuch Erwachsenenbildung, Weiterbildung. VS Verlag, 1999. S.44
  8. Fabian Kessl/Hans Uwe Otto

Weblinks


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