Evangelische Kirche Niedereggenen

Evangelische Kirche Niedereggenen
Evangelische Kirche Niedereggenen

Die Evangelische Kirche Niedereggenen im Schliengener Ortsteil Niedereggenen geht auf ein Gotteshaus zurück, das in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts urkundlich erstmals erwähnt wurde. Die älteste bauliche Substanz geht nach einem Befund auf das 10. oder 11. Jahrhundert zurück. Nach Meinung des Denkmalpflegers Martin Hesselbachers ist der Kirchturm neben dem von St. Cyriak in Sulzburg sogar der älteste am Oberrhein.[1] Die unter Denkmalschutz stehende Kirche ist im Chor und Langhaus mit wertvollen Fresken aus dem 15. Jahrhundert geschmückt, die im Rahmen eines Ablasshandels durch Papst Martin V. ermöglicht wurden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ursprünge

Die erste eindeutig auf Niedereggenen bezogene Benennung einer Kirche („ecclesia Eggenhein inferius cum filabus videlicet Welberg et Gennenbach“geht auf die Jahre 1360 bis 1370 zurück.[2] Eine frühere Erwähnung 1275 lässt keine Unterscheidung zwischen den beiden Orten Nieder- und Obereggenen zu. Untersuchungen des Mauerwerks ergaben, dass die älteste Substanz des Glockenturms zum späten 10. oder frühen 11. Jahrhundert zuzuordnen ist und damit so alt ist wie die ehemalige Klosterkirche St. Cyriak in Sulzburg.[3] Auch Teile der nördlichen Langhauswand gehören noch dieser ersten Bauperiode an.[4]

Um 1200 wurde der Turm erhöht. Da die Kirche im oberen Geschoss neue rundbogige Klangarkaden erhielt wurden die alten zugemauert; diese wurden teilweise 1966 wieder freigelegt und sind als solche erkennbar.[5]

Umbau und Gestaltung im 15. Jahrhundert

Giebelkreuz von 1429

Der bauliche Zustand muss um 1420 sehr schlecht gewesen sein. Da die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinde und deren Herrschaft nicht ausreichten, stellten man Bittgesuche um Renovierungsarbeiten durchführen zu können. Das Eintreten vom Markgrafen Wilhelm bei seinem Bruder, dem Konstanzer Bischof Otto und dessen Eintreten bei Papst Martin V. führte am 18. Oktober 1429 zu einer Ablassbulle zugunsten der Niedereggener Kirche.[6] Der Ablasshandel und zusätzliche Schenkungen ließen es zu, dass um 1450 das Langhaus vergrößert und ein neuer Chor gebaut werden konnte. Durch die Verbreitung des Langhauses nach Süden steht der Turm nicht mehr exakt in seiner Hauptachse. Neben schmalen Fenstern erweiterte man die Kirche um eine Sakristei am Chor.[7] An der Neugestaltung des Chors wirkten wahrscheinlich drei verschiedene Künstler mit. Die Bilder im Rippengewölbe des Chors entstanden etwa zwischen 1440 bis 1450.[8] Von einem um 1500 eingebrachten Flügelaltar ist nur noch die Predella vorhanden.[9]

Umgestaltung seit dem 17. Jahrhundert

Der Taufstein stammt aus dem Jahr 1661. Eine Seitenempore wurde ebenfalls im 17. Jahrhundert eingerichtet. Zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs verschlechterte sich der Zustand der Kirche. Ein Teil der Innenausstattung wurde dabei geraubt. Eine Visitation 1698/99 stellte fest „in Niedereggenen ist der Boden [der Kirche] nicht belegt, das Gestühl verfault und droht einzufallen“.[10]

1830 wurden die Fenster im Langhaus und Chor vergrößert und erhielten ihre heutige Form. Ein neues Gestühl, die Kanzel sowie der Altar wurden in den Jahren 1902 bis 1904 erneuert.[11]

Umfangreiche Renovations- und Restaurationsarbeiten wurden in den Jahren 1966 bis 1971 durchgeführt. Unter anderem gestaltete Rudolf Scheurer den Altar sowie die Portalgriffe neu, die seitliche Empore wurde ausgebaut und das Gestühl modernisiert. Darüber hinaus wurden Forschungsarbeiten an der Bausubstanz unternommen. Mit Abschluss der Arbeiten wurde das Gotteshaus am 26. September 1971 geweiht.

Beschreibung

Kirchenbau

Die Kirche in Niedereggenen steht etwas erhöht und abseits der Dorfstraße am südlichen Ortsrand. Die Kirche besteht aus einem Satteldach bedeckten rechteckigen Langhaus und verfügt über in gleicher Höhe sich fortsetzenden, fünfseitig-polygonalen Chorabschluss. Außen am Chor stützen abgetreppte Strebepfeiler die Wände. Der zum Langhaus vergleichsweise niedrige Glockenturm wirkt massig und wehrhaft. Er wird von einem Satteldach in Langhausrichtung abgeschlossen. Im oberen Geschoss verfügt der romanische Turm über zweigeteilte Klangarkaden, die an den Giebelseiten etwas höher ausfallen. An der Südseite ist in der linken oberen Ecke neben der Schallöffnung ein Zifferblatt platziert. Der Turm verfügt nicht über die im Markgräflerland sonst übliche Eckquaderung, was als zusätzliches Indiz für das hohe Alter gilt.[12] Am Turm sind beidseitig des Hauptportals zwei Epitaphe in die Wand eingelassen. Sie erinnern an Johann Kibi(n)ger, Vogt († 21. Oktober 1673) und an Maria Magdalena Gebhard, geb. Lindwurm, die erste Ehefrau des Pfarrers Jeremias Gebhard († 16. August 1684).

Südlich des Langhauses ist eine kleine Sakristei mit spitzem Satteldach angebaut. Der rechtwinklig zum Hauptbau abzweigende Baukörper bleibt mit seinem Dachfirst unterhalb der Langhausdachkante. Über der Sakristeitüre befindet sich eine Grabtafel für Catharina Barbara Cramer, Tochter von Pfarrer Heinrich Cramer († 22. Oktober 1698).

Inneres und Ausstattung

Langhaus mit Blick zum Chor

Die Kirche wird durch das Hauptportal am Turm betreten. Die Turmhalle besteht aus einem niedrigen, röhrenförmig verlaufenden Tonnengewölbe. Dies lässt auf ein ehemals niedrigeres Bodenniveau und damit altes Fundament schließen. Langhaus und Turmhalle sind mit einer dem Gewölbe angepassten milchigen Glastüre abgeschlossen.

Das einschiffige Langhaus ist hell und mit einer flachen Decke eingehängt. Der Kirchenraum ist beidseitig des Mittelgangs mit einzelnen Holzstühlen ausgestattet. Von der Decke hängen an dünnen Kabeln zylinderförmige, weiße Leuchten, die den Blick auf die Freskenpartien aufgrund ihrer unauffälligen Gestaltung nicht ablenken sollen. Freskenfragmente finden sich sowohl an der Süd- wie auch an der älteren Nordwand. An der Nordwand in der Nähe zum Chor erinnert ein Epitaph an den Pfarrer Jeremias Gebhard († 27. Juni 1696). Zwischen Langhaus und Chor befindet sich ein durch Malereien geschmückter Triumphbogen. Der Bogen, der den Eingang zum himmlischen Jerusalem versinnbildlicht,[13] stellt über gemalten Quadersteinen (Diamantschnitt) das Gleichnis der klugen und törichten Jungfrauen dar. Sie sind als Halbfiguren zwischen Wolkenbändern gemalt; Engel halten das Schweißtuch der Veronika.

Der Chor wird durch ein Schirmgewölbe architektonisch geprägt. Das farbenfrohe Fresko an der gesamten Gewölbedecke reicht bis zur oberen Kante der drei rechteckigen, schmalen Fenster. Rippen, Konsolen und Köpfe sind für eine Dorfkirche besonders präzise gearbeitet.[14] Der Schlussstein hat die Form einer goldenen Rosette. Im ansonsten schlichten und hellen Chorraum steht ein moderner Altartisch von Rudolf Scheurer. An der Chorwand sind einzelne Stühle aufgestellt. Bis 1898 existierte ein spätgotisches Chorgestühl, dessen Rückwand von einem geschnitzten Ornamentfries bekrönt war.[15] Dies erlitt bei der Renovierung einen Schaden und ist nicht erhalten geblieben. Lediglich ein kleiner Rest des Ornamentfries konnte konserviert werden und ist an der Nordwand aufgehängt. Hinter dem Altar ist eine Predella mit der Darstellung Christi und den zwölf Aposteln aufgestellt. Sie ist ein Überbleibsel eines Hochaltars aus dem 15. Jahrhundert.[16]

Fresken

Fresken im Chorgewölbe

Nachdem die Wandbilder 1966 aufgedeckt worden waren, geht man davon aus, dass der gesamte Innenraum mit Bildern geschmückt war.[17] Nur noch ein kleiner Teil konnte freigelegt werden.

Unterhalb des Dachs in der oberen Zone der Nordwand wird in zwölf Bildern die Schöpfung der Welt dargestellt. Das erste Bild ist nicht zu erkennen, muss jedoch von der Erschaffung des Alls und die Trennung von Licht und Finsternis handeln. Im zweiten Bild wendet sich der Gottvater in einem strahlend hellen Gewand zur eben von ihm erschaffenen Himmelsscheibe. Im dritten Bild beugt sich der Schöpfer zur Erschaffung der Erde nach unten. In den nachfolgenden Bildern ist zu erkennen: Erschaffung von Sonne und Mond (Bild 4), Erschaffung von Vögel und Wassertiere (Bild 5), Erschaffung der Landtiere (Bild 6), der Schöpfer sitzt frontal ohne Beigaben (Bild 7), Erschaffung Adams (Bild 8), Erschaffung Evas (Bild 9), Vermählung des Paars (Bild 10), Verführung der Schlange (Bild 11) und Vertreibung des Menschenpaars durch Michael aus dem Paradies (Bild 12).

Zwischen den Fenstern ist die Erlösungsgeschichte dargestellt, die an der Nordwand beginnt. Einige Szenen sind durch die Vergrößerung der Fenster unwiederbringlich verloren gegangen. Zu den am besten erhaltenen Darstellungen gehört die Kreuztragung. Das Böse und Christus kontrastiert dabei in einem auffälligen Farbkontrast. Die Stationen Kreuzabnahme und Grablegungen fehlen. In der unteren Wandregion ist die biblische Erzählung nach der Auferstehung weitergeführt.

Glocken und Orgeln

Die ältesten Glocken stammen aus den Jahren 1656, 1698 und 1700. Sie wurden im 18. Jahrhundert durch verschiedene Glockengießer umgegossen bzw. ersetzt. Nachdem Glocken infolge des Ersten Weltkrieg abgegeben werden mussten wurden sie 1924 durch den Bochumer Verein ersetzt. Das dreistimmige Geläut aus Gussstahl setzt sich wie folgt zusammen:

Name Schlagton Gussjahr Inschrift
Große Glocke d′ 1924 Haltet an am Gebet – Dem Andenken unserer Toten
Mittlere Glocke f′ 1924 Seid geduldig in Trübsal
Kleine Glocke g′ 1924 Seid fröhlich in Hoffnung

Die erste Orgel wurde 1783 von Blasius Bernauer aus Rheinfelden erbaut. Sie wurde 1898 auf eine inzwischen nicht mehr vorhandene Empore am Chor versetzt. [18] Das heutige Werk stellte 1938 Eberhard Friedrich Walcker her; es wurde 1971 restauriert. Das Instrument verfügt über Taschenladen, eine elektrische Traktur und hat zwei Manuale, ein Pedal und 13 Register.[19]

Im Dezember 2004 wurde eine neue Orgel von Hartwig Späth eingeweiht. Das 143.000 Euro teure Instrument wurde aus Spenden der letzten 20 Jahren von der Kirchengemeinde aufgebracht. Sie verfügt über eine rein mechanische Spiel- und Registertraktur, über 14 klingende Register, acht Transmissionen und hat folgende Disposition:

Orgel
I Hauptwerk C–g3
Bourdon 16′
Prinzipal 8′
Holzflöte 8′
Oktave 4′
Traversflöte 4′
Oktave
(aus Mixtur)
2′
Mixtur III–IV 2′
Fagott 16′
Trompete 8′
II Schwellwerk C–g3
Bourdon 8′
Salicional 8′
Offenflöte 4′
Nasard
(aus Sesquialtera)
2 2/3′
Sesquialter II
Flageolett 2′
Basson-Hautbois 8′
Pedal C–f1
Subbass (aus HW) 16′
Oktavbass (aus HW) 8′
Bassflöte (aus HW) 8′
Choralbass (aus HW) 4′
Fagott (aus HW) 16′
Trompete (aus HW) 8′

Literatur

  • A. Heimann-Schwarzweber: Niedereggenen, Schnell & Steiner Kunstführer Nr. 1214, Regensburg 1980, ISBN.
  • Johannes Helm: Kirchen- und Kapellen im Markgräflerland, Müllheim/Baden 1989, ISBN 3-921709-16-4, S. 301–304.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. A. Heimann-Schwarzweber: Niedereggenen, S. 5
  2. W. Haid: Liber marcarum in diocesi Constanciensis in: F.D.A. 5, 1870, S. 88
  3. Badische Zeitung: Nach der Renovierung. Aus der Geschichte der unter Denkmalschutz stehenden Niedereggener Kirche, Ausgabe 60, 14. März 1966
  4. Helm: Kirchen- und Kapellen im Markgräflerland, S. 301 (11.1)
  5. Helm: Kirchen- und Kapellen im Markgräflerland, S. 301 (11.2)
  6. R. Wielandt: Unser Niedereggenen, 1915, S. 22
  7. Helm: Kirchen- und Kapellen im Markgräflerland, S. 302
  8. Dehio, (Bearbeitung durch F. Piel): Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Baden-Württemberg, 1964, S. 348
  9. Helm: Kirchen- und Kapellen im Markgräflerland, S. 303 (11.3)
  10. H. Weidner: Die Kirchenvisitationen der Jahre 1698 und 1699 in den beiden Diözesen Sausenberg und Rötteln. In. Das Markgräflerland, 1935, Heft 4, S. 144
  11. Helm: Kirchen- und Kapellen im Markgräflerland, S. 303 (11.5)
  12. A. Heimann-Schwarzweber: Niedereggenen, S. 6
  13. Heimann-Schwarzweber: Niedereggenen, S. 14
  14. Heimann-Schwarzweber: Niedereggenen, S. 9
  15. Heimann-Schwarzweber: Niedereggenen, S. 9
  16. Heimann-Schwarzweber: Niedereggenen, S. 15
  17. Heimann-Schwarzweber: Niedereggenen, S. 8
  18. R. Wielandt: Unser Niedereggenen, 1915, S. 50–51
  19. Helm: Kirchen- und Kapellen im Markgräflerland, S. 303 (11.6)
47.7544261766677.6254987716667

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