Euro-Rettungsschirm

Euro-Rettungsschirm

Mit Euro-Rettungsschirm werden verschiedene Maßnahmen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten der Euro-Zone bezeichnet, die dazu dienen sollen, „die finanzielle Stabilität im gesamten Euro-Währungsgebiet zu sichern“.[1]

Dazu werden gezählt:[2][3]

  • Bilaterale Kredite als Unterstützungspaket für Griechenland mit einem Gesamtvolumen von 80 Milliarden Euro („Griechenland-Hilfe“);[4]
  • der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), bestehend aus[5]
    • der VO (EU) Nr. 407/2010[6]
    • und der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), die das aufgrund der VO 407/2010 zu vergebende Kreditvolumen erhöhen soll;[7]
  • der (geplante) ständige Krisenmechanismus („Europäischer Stabilitätsmechanismus“, ESM).
  • Teils werden auch die Kreditvergaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) als Teil des Rettungsschirms angesehen.

Inhaltsverzeichnis

Bilaterale Kredite an Griechenland

Am 11. April 2010 haben die Mitglieder der Euro-Zone beschlossen, außerhalb des rechtlichen Rahmens der Europäischen Unions, also völkerrechtlich, Hilfskredite an Griechenland zu gewähren (→Griechische Finanzkrise). [8]

Diese Kredite haben ein Gesamtvolumen von 80 Milliarden Euro.

In Deutschland hat der Bundestag diesem Abkommen durch Erlass des Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetzes[9] zugestimmt.

Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM)

Der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) beruht zum einer auf einer Verordnung der Europäischen Union, zum anderen auf einem völkerrechtlichen Vertrag der Mitgliedstaaten der Euro-Zone. Nach beiden Maßnahmen können Hilfskredite nicht mehr nur an Griechenland, sondern an jedes notleidende Land der Euro-Zone vergeben werden.

VO (EU) Nr. 407/2010

Die Verordnung[10] wurde auf Grundlage des Art. 122 AEU-Vertrag erlassen, der der Europäischen Union die Kompetenz zum Erlass von Rechtsakten zur gegenseitigen Unterstützung in Notfällen verleiht.

Die Verordnung erlaubt die Kreditvergabe an Mitgliedstaaten der Euro-Zone. Mitgliedstaaten können bei der Europäischen Kommission Kredite beantragen; über die Vergabe entscheidet der Rat der Europäischen Union (Art. 3 der Verordnung). Die Kommission erlangt das zu vergebende Kreditvolumen, indem sie im Namen der Europäischen Union Anleihen am Kreditmarkt aufnimmt (Art. 2 der Verordnung).

Teilweise wird darin ein Verstoß gegen Art. 125 AEU-Vertrag, der sog. No-bailout-Klausel, gesehen, wonach es den Staaten verboten ist, die Haftung für die Schulden anderer Staaten zu übernehmen.[11]

Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)

Die EFSF ist eine intergouvernementale Konstruktion – ihr liegt also kein nach Europarecht zu beurteilender Rechtsakt der Europäischen Union, sondern eine völkerrechtlich zu beurteilende Vereinbarung der am Euro beteiligten Staaten zugrunde ‑, die allein dem Zweck dient, das Volumen der aufgrund der VO (EU) Nr. 407/2010 gewährten Kredite zu erhöhen;[12]

Sie wurde am 10. Mai 2010 von den Regierungen der Euro-Staaten beschlossen.[13]

Ihr Kern sind Kreditausfallbürgschaften in Höhe von bis zu 440 Mrd. Euro. Die Gelder werden von einer Aktiengesellschaft nach luxemburgischen Recht verwaltet.[14]

In Deutschland hat der Bundestag diesem Abkommen mit dem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus zugestimmt.

Ebenso wie die Verordnung 407/2010 ist auch die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses nach Maßgabe des Unionsrechts umstritten. [15] In Betracht kommt ebenfalls ein Verstoß gegen die No-bailout-Klausel des Art. 125 AEU-Vertrag. An diesen sind die Mitgliedstaaten auch bei Abschluss völkerrechtlicher Verträge gebunden. Bei einem Verstoß kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten; die Einleitung eines solchen Verfahrens seitens der Kommission wird aber allgemein nicht erwartet.

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen das deutsche Zustimmungsgesetz abgewiesen; die Beschwerdeführer hatten einen Verstoß gegen die Art. 14 und Art. 38 gerügt.

Bisher haben Irland und Portugal Kredite erhalten. Eine Übersicht findet sich auf der Homepage der EFSF.[16]

Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM)

Mit dem ESM soll ein dauerhafter Mechanismus zur Stabilisierung des Euro eingerichtet werden.

Der Europäische Rat vom 16./17. 12. 2010 hat dazu beschlossen, das vereinfachte Vertragsänderungsverfahren des Art. 48 Abs. 6 AEU-Vertrag einzuleiten mit dem Ziel, Art. 136 AEU-Vertrag um folgenden 3. Absatz zu ergänzen:[17]

„Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“

Maßnahmen des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank

Der internationale Währungsfond hat Kredite in Höhe von 250 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.[18]

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Bonitätsanforderungen für europäische Staatsanleihen gesenkt und kauft Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt, d.h., nicht unmittelbar von den Staaten, sondern von Marktteilnehmern, die diese zuvor unmittelbar von den Staaten gekauft haben. Dies wird teils als Verletzung des Art. 123 AEU-Vertrag angesehen, der den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln der Staaten durch die EZB verbietet. Der mittelbare Erwerb soll nach Ansicht einiger eine Umgehung darstellen[19]. Andere sehen den mittelbaren Erwerb als zulässigen Teil der sog. Offenmarktpolitik der EZB an[20]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vom 11. 2. 2010 und Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets vom 25. 3. 2010, beide abrufbar bei www.consilium.europa.eu.
  2. Wolfgang Bandilla, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 44. Ergänzungslieferung 2011, Art. 125 AEUV, Rn. 14 ff.
  3. Daniel Thym, Euro-Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kontrolle, in: EuZW 2011, S. 167 ff.
  4. Statement on the support to Greece by Euro area Member States, Presseerklärung vom 11. 4. 2010, und Statement by the Eurogroup, vom 2. 5. 2010, beide abrufbar bei www.consilium.europa.eu, unter Eurogroup.
  5. Das Bundesverfassungsgericht versteht unter „Rettungsschirm“ nur den (aus der Verordnung und der EFSF bestehenden) EFSM an; Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 37/2011 vom 9. Juli 2011 hier online (Abruf am 11. November 2011).
  6. VO (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. 5. 2010 zur Einführung eines Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus, ABl. 2010 L 118/1.
  7. Wolfgang Bandilla, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 44. Ergänzungslieferung 2011, Art. 125 AEUV, Rn. 14 ff.
  8. Statement on the support to Greece by Euro area Member States, Presseerklärung vom 11. 4. 2010, und Statement by the Eurogroup, vom 2. 5. 2010, beide abrufbar bei www.consilium.europa.eu, unter Eurogroup.
  9. Gesetz vom 7. 5. 2010, BGBl 2010-I, S. 537
  10. VO (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. 5. 2010 zur Einführung eines Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus, ABl. 2010 L 118/1-
  11. Daniel Thym, Euro-Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kontrolle, in: EuZW 2011, S. 167 ff.(169).
  12. Wolfgang Bandilla, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 44. Ergänzungslieferung 2011, Art. 125 AEUV, Rn. 14 ff.
  13. Beschluss in Rats-Dokument 9614/10
  14. Daniel Thym, Euro-Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kontrolle, in: EuZW 2011, S. 167 ff. (169).
  15. Daniel Thym, Euro-Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kontrolle, in: EuZW 2011, S. 167 ff. (169).
  16. Übersicht über vergebene Kredite an alle Staaten; Kredite anderer Institutionen finden sich unter den länderspezifischen Programmen, siehe die Programme für Irland hier und für Portugal hier (Abruf beider Links am 10.11.2011).
  17. Schlussfolgerungen ER 16./17. 12. 2010, Rats-Dok. EUCO 30/10, S. 1 sowie die Anlagen 1 und 2.
  18. Daniel Thym, Euro-Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kontrolle, in: EuZW 2011, S. 167 ff. (169).
  19. Markus C.Kerber, Stefan Städter: Die EZB in der Krise: Unabhängigkeit und Rechtsbindung als Spannungsverhältnis, in: EuZW 2011, S. 536 ff.
  20. Ulrich Häde, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 123 AEUV, Rn. 10.
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