Ersatz im deutschen Militärwesen

Ersatz im deutschen Militärwesen
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Der Ersatz ist im Militärwesen im weitesten Sinne die Ergänzung der Streitkräfte durch Personal und Material. Im engeren Sinne bedeutet Ersatz die Ergänzung durch Personal, während die Ergänzung an Material als Nachschub bezeichnet wird. Dieser Artikel behandelt den Personalersatz.

Inhaltsverzeichnis

Personalersatz im Frieden

Im Frieden erfolgt der Ersatz durch junge Mannschaften, die erst die militärische Ausbildung durchlaufen und dann an die Stelle der nach Hause Entlassenen treten. Die geschieht auf verschiedene Weise, je nach Gesetzeslage entweder durch den Wehrdienst oder durch Anwerbung.

Deutschland

Bis 1914 und in der Reichswehr und Wehrmacht wurden die zum Wehrdienst einberufenen Rekruten durch die Truppenteile des stehenden Heeres selbst ausgebildet.

In der Wehrmacht gab es ab 1934 daneben auch Ergänzungsbataillone, deren Auftrag jedoch die Ausbildung der Weißen Jahrgänge (Geburtsjahrgänge 1901 bis 1913) war. Aus diesen Ergänzungsbataillonen wurden bei Mobilmachung 1939 die Divisionen der 4. Welle gebildet.

In der Bundeswehr verfügten bis zur Transformation 2002 zahlreiche Verbände, deren Auftrag eine selbständige Ausbildung des Ergänzungspersonals nicht zuließ, über sogenannte AGA-Kompanien, in denen die Allgemeine Grundausbildung der Rekruten durchgeführt wurde. Danach wurden die Rekruten evtl. noch in der Speziellen Grundausbildung (SGA) gemäß ihrer Truppengattung und dem folgenden Dienstposten ausgebildet (z. B. Militärkraftfahrer, Sanitäter oder Fernmeldesoldat). Nach erfolgter Ausbildung wurden die Soldaten in ihre Stammeinheit versetzt. Die Kampftruppenverbände bildete zumeist ihren Personalersatz in den Kompanien selbst aus, in denen dieser eingesetzt wurde. Personalergänzungen für die Stabs- und Versorgungskompanie oder die Schwerwaffenkompanie wurde zumeist im "Überhang" ausgebildet. Diese AGA-Kompanien verfügten nur über eine Stärke- und Ausstattungsnachweisung im Frieden (F-STAN), d. h. sie waren nur im Friedensfall aktiv. Im Verteidigungsfall sollten die AGA-Kompanien deaktiviert werden.

Die Musterung und die Einberufung zum Grundwehrdienst erfolgte durch das zuständige Kreiswehrersatzamt, dem die Meldebehörden die Wehrpflichtigen meldet.

Davon zu unterscheiden ist der Wehrersatzdienst, der nicht dem militärischen Ersatz dient, sondern anstelle des Wehrdienstes geleistet wird (z. B. Zivildienst, Katastrophenschutzdienst).

Mit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 erfolgt der Personalersatz durch Anwerbung Freiwilliger.

Personalersatz im Krieg

Im Krieg müssen der Armee an der Front ausgebildete Kräfte zur Verfügung stehen, die für die Toten, Verwundeten, Gefangenen und Vermissten in die Truppenteile eintreten.

Deutschland

Geschichte

Vom 17. bis in das beginnende 20. Jahrhundert wurden Ersatztruppenteile auch als Depot [1], Ausbildungseinheiten des mobilen Heeres als Rekrutendepot [2] bezeichnet.

Für die Reichswehr verbot der Friedensvertrag von Versailles Mobilmachungsvorbereitungen. Es gab daher keine Planung für den Personalersatz.

Mit der Mobilmachung 1939 wurde die Organisation des Ersatzheeres in den Wehrkreisen aufgebaut. Die Ersatz-Truppenteile hatten die Aufgabe, die neu Einberufenen auszubilden, den Ersatz dem Feldheer zuzuführen und die Genesenden der Feldtruppenteile zwischen Entlassung aus dem Lazarett und Rückkehr zum Stammtruppenteil zu betreuen. Dabei wurde für jede Division der 1. bis 4. Welle der Stab eines Infanterie-Ersatz-Regiments [3] aufgestellt. Diesen Regimentern unterstanden drei Ersatz-Bataillone (je eines für jedes Feld-Regiment) sowie eine Infanterie-Geschütz-Ersatz-Kompanie, eine Infanterie-Panzer-Abwehr-Ersatz-Kompanie und teilweise eine Infanterie-Nachrichten-Ersatz-Kompanie. Sie unterstanden dem Kommandeur der Ersatztruppen im jeweiligen Wehrkreis. Da die Führung so vieler Regimenter durch einen Kommandeur schwierig war, wurde im Oktober 1939 in jedem Wehrkreis ein zweiter Kommandeur der Ersatztruppen aufgestellt und beide am 4. November 1939 in Divisionsstäbe (Division Nr. x) umbenannt. Sie wurden im weiteren Verlauf des Krieges teilweise in Felddivisionen umgewandelt, teilweise aufgelöst. Nach den Anfangserfolgen der Wehrmacht bis 1941 mussten Teile des Ersatzheeres Aufgabe als Besatzungstruppen in den besetzten Gebieten wahrnehmen, einzelne dieser Divisionen wurden entsprechend in das Protektorat Böhmen und Mähren und nach Frankreich verlegt.
Ab August 1942 wurde das Ersatzheer neu gegliedert. Dabei wurde auf Bataillonsebene getrennt in Ersatz- und Ausbildungsverbände. „Das bisherige Ersatz-Bataillon wurde Ausbildungs-Bataillon und weitgehend von allen Verwaltungsaufgaben befreit. Das neue Ersatz-Bataillon bestand aus der Stamm-Kompanie, einer oder mehrerer Genesenden-Kompanien und aus Marsch-Kompanien mit bereits ausgebildeten Neueingezogenen oder erneut zum Einsatz bestimmten Genesenden. In der Stamm-Kompanie waren die zahlreichen Kommandierten zusammengefasst; sie hatte auch die Wache zu stellen.“ [4] Die neuen Ersatz-Bataillone blieben in den Wehrkreisen, die Ausbildungs-Bataillone verlegten in die besetzten Gebiete im Westen und wurden zuerst in Reserve-Infanterie-, am 15. Oktober 1942 in Reserve-Grenadier-Bataillone umbenannt. Die Divisions- und Regimentsstäbe folgten und wurden ebenfalls umbenannt. Im Wehrkreis V wurde so z. B die Division Nr. 165 zur 165. Reserve-Division. An die Stelle der in die besetzten Gebiete verlegten Verbände traten die bisherigen Landesschützen-Divisionen z.b.V. sowie neu aufgestellt Divisions- und Regiments-Stäbe.
Als nach der Invasion 1943/1944 die Reserve-Divisionen in Feld-Divisionen umgewandelt wurden, kehrten ihr (meist nicht kriegsverwendungsfähig (kv) gestelltes) Ausbildungs- und Funktionspersonal zum Ersatztruppenteil zurück. Dieser erhielt nun wieder Ausbildungsaufgaben und hieß ab da Grenadier-Ersatz- und Ausbildungs-Regiment bzw. –Bataillon.
Ungediente Wehrpflichtige wurden zum Teil auch in Feldausbildungs-Regimentern ausgebildet.

Geplanter Personalersatz im Verteidigungsfall

Auch bei der Bundeswehr wurde der Personalersatz geplant. Für die Korps (Korpstruppen), Brigaden und Regimenter des Heeres wurden nichtaktive Feldersatzbataillone, für selbständige Bataillone des Territorialheeres Feldersatzkompanien aufgestellt. Diese waren im Frieden nichtaktiv. Sie sollten erst im Verteidigungsfall mit bereits eingeplanten und ausgebildeten Reservisten (mit einer ATN, die der Tätigkeit der voraussichtlich zu ersetzenden Ausfälle entsprach) aktiviert werden [A 1]. Aus ihnen sollten die Ausfälle in den aktiven Einheiten ersetzt werden. Die Kreiswehrersatzämter sollten weitere bereits ausgebildete Reservisten zu den Wehrleit- und Ersatzbataillonen einberufen, die dafür in die Ersatztruppenteile nachrücken sollten.

Heutige Situation

Im Rahmen der Umgliederung zur „von Grund auf erneuerten Bundeswehr“ 2001 wurde das Territorialheer und mit ihm die für den Personalersatz vorgesehene Organisation aufgelöst. Ein Aufwuchs der Bundeswehr für den Verteidigungsfall ist aktuell nicht vorgesehen und wäre nur im Rahmen der Rekonstitution (Wiederaufbau der Befähigung zur Landesverteidigung gegen einen Angriff mit konventionellen Streitkräften innerhalb eines überschaubaren längeren Zeitrahmens) [5] möglich.

Verweise

Siehe auch

Literatur

  • Hein: Das kleine Buch vom Deutschen Heere, Reprint der Ausgabe von 1901, Weltbild Verlag GmbH Augsburg, 1998, ISBN 3-8289-0271-5
  • Georg Tessin, Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939-1945, Biblio Verlag, Osnabrück, 1977

Einzelnachweise

  1. Gleich: Die ersten 100 Jahre des Ulanen-Regiments König Wilhelm I. (2. Württemb.) Nr. 20, Stuttgart,1909, S. 11
    Theodor Griesinger: Geschichte des Ulanenregiments König Karl (1. Württembergisches) Nr. 19, S.178
  2. Eintrag in Meyers Großes Konversations-Lexikon
  3. Tessin, 1. Bd. S.128
  4. Tessin, 1. Bd. S.131
  5. Verteidigungspolitische Richtlinien 2003, Teil I, S.11

Anmerkungen

  1. Diese Ersatztruppenteile hatten nur eine V-STAN.

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