Ernst Bergmann (Philosoph)

Ernst Bergmann (Philosoph)

Ernst Bergmann (* 7. August 1881 in Colditz; † 16. April 1945 in Naumburg) war ein deutscher Professor für Philosophie und Pädagogik sowie ein engagierter Nationalsozialist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bergmann war der Sohn des evangelischen Pfarrers Dr. Ernst Albin Bergmann und der Schweizerin Marie Louise Linder. Er besuchte die Fürstenschule St. Afra in Meißen und machte sein Abitur am Humanistischen Königlichen Gymnasium Dresden-Neustadt. Anschließend studierte er ab 1902 Philosophie und Philologie an der Universität Leipzig und in Berlin. Die Promotion erfolgte 1905 mit einer Arbeit über „Die ethischen Probleme in den Jugendschriften der Jungdeutschen 1833-35“. 1911 wurde Bermann mit der Arbeit über „Die Begründung der deutschen Ästhetik durch A. G. Baumgarten und G. Fr. Meier“ habilitiert. Im Anschluss lehrte als Privatdozent an der Universität Leipzig. Als Kriegsfreiwilliger nahm Bergmann am Ersten Weltkrieges teil. Bergmann stürzte 1916 bei einem Einsatz in der Militärfliegerschule Leipzig-Mockrau ab und wurde frontuntauglich aus der Armee entlassen. Daraufhin erhielt er 1916 eine Stelle als nicht beamteter außerplanmäßiger Professor an der Universität Leipzig, die er bis zu seinem Tod innehatte. Die Enttäuschung Bergmanns über die politischen Verhältnisse reichten zurück bis zu Bismarck:

„Wir haben es doch zeitweise fertig gebracht, gänzlich ohne Glauben, Überzeugtheiten, Sehnsüchte zu leben, mit einem jämmerlichen Surrogat von sogenannter Weltanschauung. Manche Zeiten nach 1870 tragen den Charakter einer trostlosen Öde.“[1]

Bergmann war in erster Ehe von 1917 bis 1921 mit einer Jüdin, der Tochter eines angesehenen jüdischen Anwalts, verheiratet, mit der er einen Sohn Peter hatte. Im Jahr 1927 heiratete er die deutschgläubige Tochter eines Leipziger Verlagsbuchhändlers. Spätestens seit dieser Zeit vermischte sich sein antidemokratisches Denken mit einer antichristlichen Grundhaltung, die sich auch in seinen Schriften äußerte. Bergmann wurde bereits am 1. Juli 1930 Mitglied der NSDAP (Nr. 329.503) und am 1. Juli 1931 im NSLB (Nr. 1.158). Im Jahr 1932 trat er aus der evangelischen Kirche aus. Er bemühte sich um die Erneuerung der deutschen Religiosität durch Schaffung einer „Deutschen Religion“ im nationalsozialistischen Sinne. In der Ende Juli 1933 in Eisenach gegründeten „Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung“ wurde er Mitglied des Führerrates.

Bergmann war in seinen Äußerungen so aggressiv, dass sein nationalsozialistischer Kollege Felix Krueger ihn eine „beschämende“ Figur nannte, dessen verächtliches Reden über seine erste Frau im Kollegenkreis Anstoß errege.[2] Als Folge der extremen Auffassungen wurde zwei seiner Bücher (Deutsche Nationalkirche am 7. Februar 1934 und Die natürliche Geistlehre. Eine deutsch-nordische Weltsinndeutung 1937) zusammen mit Alfred RosenbergsDer Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Papst Pius XI. auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Das Buch Erkenntnisgeist und Muttergeist provozierte Angriffe von allen Seiten, auch im eigenen Lager.

Statt des Christentums forderte er die Rückkehr zu einer völkischen Mystik, die das jüdisch geprägte Christentum überwindet:

„Die Odinsreligion, vom nordisch-germanischen Menschen geschaffen, war die schönste, sittlichste und wahrhaftigste Religion, die Menschen auf der Erde in alter Zeit geschaffen haben. Das Christentum erscheint neben ihr als eine Krankheits- und Entartungsreligion.“ […] „Jeder weiß, wie groß namentlich der jüdische Anteil im Christentum ist. Die Messias- und Sühneopferidee, der Sünden- und Erlösungsbegriff, die Jenseits-, Schöpfer-, Lohn- und Strafgottlehre, der frauen- und mutterfeindliche Paulusgeist und vieles andere stammt aus dem Judentum.“ […] „Diese Religion der rassisch Minderwertigen hat die germanische Seele zerstört.“[3]

Die „rassehygienischen“ Vorstellungen Bergmanns gingen soweit, dass er „den Menschenkehricht der Großstädte beiseite schaufeln“ wollte und eine „Züchtungspolitik“ forderte, die zur „Verhütung degenerativen Lebens“ eine „Vernichtung sämtlicher Ballastexistenzen“ vornehmen sollte.[4]

Die „nationalsozialistische Revolution“ betrachtete Bergmann als „das Wunder der Sammlung aller Besseren und Edleren unter den Fahnen Hitlers und ihr allmähliches zahlenmäßiges Übermächtigwerden über die männliche Faulbrut der Nation.“[5] Dies ermögliche eine „Reinigung des Volkskörpers von defekten Elementen“ und eine „Volksverjüngung durch Erbgesundheitspflege (Eugenik)“.[6]

Seine Vorstellung der Rolle der Frau entsprach ebenfalls uneingeschränkt der nazistischen Ideologie (vgl. Frauen im Nationalsozialismus). Die 24. These aus „Die 25 Thesen der Deutschreligion“ lautet: „Die Mutter mit dem Kinde ist das wahrste, lieblichste, heiligste und beglückendste aller Symbole der Welt und des Lebens. Die Muttergestalt ist die religiöse Urgestalt, von der selbst die Gottvatergestalt ihren Glanz borgt. In der Deutschkirche darf neben der männlichen Lichtheldengestalt das teure und traute Bild der allerseligsten Mutter nicht fehlen, wenn sie eine nach lebensgesetzlichen Grundsätzen errichtete Volkskirche sein will“.[7]

Zu Ehren seines an der Westfront gefallenen Sohnes verfasste Bergmann einen autobiographischen Nachruf, in dem er verschwieg, dass dieser „Halbjude“ war. Nach der Einnahme Leipzigs durch die Alliierten beging Bergmann Suizid.

Zahlreiche von Bergmanns Schriften wurden nach Kriegsende in der Sowjetischen Besatzungszone und auch noch teilweise in der Deutschen Demokratischen Republik auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[8][9]

Schriften

  • Ernst Platner und die Kunstphilosophie des 18. Jahrhunderts. Im Anhang Platners Briefwechsel mit dem Herzog von Augustenburg über die Kantische Philosophie u. a., Leipzig 1913.
  • Gesellschaft, Recht und Staat in der Ethik des deutschen Idealismus. Heidelberg 1917
  • Der Geist des Idealismus, München 1918.
  • J.G. Fichte. Der Erzieher. Leipzig 1915, 2. erh. verm. Aufl. 1928.
  • Einführung in die Philosophie. 2 Bände, Breslau 1926.
  • Weltanschauung. Philosophisches Lesebuch. 2 Bände, Breslau 1926-1927.
  • Die Entsinkung ins Weiselose. Seelengeschichte eines modernen Mystikers, Breslau 1932.
  • Erkenntnisgeist und Muttergeist. Eine Soziosophie der Geschlechter. Hirt, Breslau 1932.
  • Deutschland, das Bildungsland der neuen Menschheit. Eine nationalsozialistische Kulturphilosophie. Vorträge, Breslau 1933.
  • Die Deutsche Nationalkirche. Breslau 1933.
  • Fichte und der Nationalsozialismus. Hirt, Breslau 1933.
  • Das Geschenk aus der hohen Seele. Hirt, Breslau 1933.
  • Von der Heiligkeit des Todes. Hirt, Breslau 1933.
  • Deutschland, das Bildungsland der neuen Menschheit. Eine nationalsozialistische Kulturphilosophie. Breslau 1933.
  • Deutsch-Gottes-Lehre. Hirt, Breslau 1934.
  • Nordisch-germanischer Glaube oder Christentum? Peter, Leipzig 1934.
  • Die 25 Thesen der Deutschreligion. Ein Katechismus. Hirt, Breslau 1934.
  • Die deutsche Nationalkirche. Hirt, Breslau 1934.
  • Die formende Kraft im Weltall. Fahrenkrog, Leipzig 1935.
  • Die großen Ideen der deutschen Religion. Fahrenkrog, Leipzig 1935
  • Deutschland, das Bildungsland der neuen Menschheit. Eine national-sozialistische Kulturphilosophie. Hirt, Breslau 1936.
  • Das Gottesgeheimnis. Pfeiffer, Landsberg 1936.
  • Katechismus der Jesuitenmoral. Breitkopf u. Härtel, Leipzig 1936.
  • Die natürliche Geistlehre. System einer deutschnordischen Weltsinndeutung, Truckenmüller, Stuttgart 1937.
  • Richtlinien für den deutsch-religiösen Jugendweih-Vorbereitungs-Unterricht. Fahrenkrog, Leipzig 1938.
  • Was will die Gemeinschaft? Deutsche Volksreligion. Mit Carl Peter. Peter, Leipzig, 1939
  • Die Geburt des Gottes Mensch. Peter, Leipzig 1939.
  • Über die Gründung deutschreligiöser Fakultäten. Eine hochschulpädagogische Studie. Peter, Leipzig 1940.
  • Denkmal meines Sohnes Ulrich. Gefallen als Schütze in einem Infanterie-Regiment bei Duffel in Belgien am 18. Mai 1940. Leipzig 1940.
  • Das Büchlein von der rechten Lebensführung. Eine deutschreligiöse Jugendweihgabe für Knaben und Mädchen. Peter, Leipzig 1941.
  • Kleines System der deutschen Volksreligion. Burg-Verlag, Prag 1941.

Literatur

  • Karl-Heinrich Hunsche: Ernst Bergmann. Sein Leben und sein Werk, 1936.
  • Carl Peter (Hrsg.): Ernst Bergmann und seine Lehre, Leipzig 1941.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Bergmann: Der Geist des Idealismus, München 1918, 26, zitiert nach: Christian Tilitzki: Die Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, Akademie, Berlin 2002, 356.
  2. Christian Tilitzki: Die Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, Akademie, Berlin 2002, 695.
  3. Ernst Bergmann: Nordisch-germanischer Glaube oder Christentum? Leipzig, 1934, 6, 9 und 10, zitiert nach Kurt Meier: Kreuz und Hakenkreuz. Die evangelische Kirche im Dritten Reich, dtv, München 2001, 107 und 108.
  4. Ernst Bergmann: Erkenntnisgeist und Muttergeist. Eine Soziosophie der Geschlechter. Breslau 1932, 428ff, zitiert nach: Christian Tilitzki: Die Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, Akademie, Berlin 2002, 428.
  5. Ernst Bergmann: Deutschland, das Bildungsland der neuen Menschheit. Eine nationalsozialistische Kulturphilosophie. Vorträge, Breslau 1933, 35, zitiert nach: Carsten Heinze: Die Pädagogik an der Universität Leipzig in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945, Klinkhart 2001, 148.
  6. Ernst Bergmann: Die Deutsche Nationalkirche. Breslau 1933 140, zitiert nach Carsten Heinze: Die Pädagogik an der Universität Leipzig in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945, Klinkhart 2001, 148/149.
  7. Ernst Bergmann:(1934): Die 25 Thesen der Deutschreligion: Ein Katechismus: Hirt, Breslau 1934.
  8. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-b.html
  9. http://www.polunbi.de/bibliothek/1953-nslit-b.html

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