Erich Wagner (SS-Sturmbannführer)

Erich Wagner (SS-Sturmbannführer)

Erich Wagner (* 15. September 1912 in Komotau; † 22. März 1959 in Oberkirch) war ein deutsch-österreichischer SS-Sturmbannführer (1944) und deutscher Lagerarzt im KZ Buchenwald.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wagner studierte nach seiner abgeschlossenen Schullaufbahn unter anderem an der Universität Graz und Innsbruck Medizin und schloss sein Studium im Dezember 1938 mit dem Staatsexamen ab. Noch vor dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 engagierte er sich bei der in Österreich verbotenen NSDAP und SS.[1] Danach besuchte er eine SS-Junkerschule und erhielt die Approbation. Im November 1939 wurde Wagner im KZ Buchenwald als Lagerarzt eingesetzt, wo er bis Januar 1941 tätig war.[2]

Im Juni 1940 wurde sein Dissertationsvorhaben: Ein Beitrag zur Tätowierungsfrage durch Professor Friedrich Timm an der Universität Jena angenommen. Bereits Ende November 1940 reichte Wagner die später mit sehr gut bewertete Dissertation ein.[1] Wagner wurde im September 1941 zum Dr. med. promoviert. Für diese Studie wurden 800 tätowierte Buchenwaldhäftlinge nach Inhaftierungsgründen, Herkunft, Motivation zur Tätowierung und Art der Tätowierung untersucht. Insbesondere sollten Zusammenhänge zwischen „Tätowierung und Verbrechertum“ erforscht werden. Diese Arbeit wurde hauptsächlich von dem Buchenwaldhäftling Paul Grünewald verfasst und durch Wagner lediglich begleitet. Dies war der Universität Jena jedoch nicht bekannt.[1]

„Vom Herbst 1940 an war SS-Hauptsturmführer Müller in der Pathologie tätig, […] Müller hat mit dem Lagerarzt Dr. Wagner zusammengearbeitet, der eine Doktorarbeit über Tätowierungen schrieb. Beide durchforschten das ganze Lager nach Tätowierten und ließen sie fotografieren. Die Häftlinge wurden dann vom Kommandanten Koch ans Tor gerufen, nach der Pracht ihrer tätowierten Haut ausgesucht und ins [Kranken-]Revier geschickt. Bald darauf erschienen die besten Hautexemplare in der ‚Abteilung für Pathologie’, wo sie präpariert und jahrelang SS-Besuchern als besondere Kostbarkeiten gezeigt wurden.“

Eugen Kogon: Der SS-Staat

Der Häftling Gustav Wegerer, Wiener Chemieingenieur und Kapo in der Pathologischen Abteilung des KZ Buchenwald, sagte später folgendes aus: „Der SS-Arzt Dr. Wagner machte eine Dissertationsarbeit über Tätowierungen, wobei auffällig war, dass die von ihm bestellten Häftlinge starben und ihre Tätowierungen abgelöst wurden. Es ist anzunehmen, dass sie von ihm im Krankenhaus liquidiert wurden.“[3] Wahrscheinlich wurde Ilse Koch, Ehefrau des Lagerkommandanten Karl Otto Koch, durch diese Arbeit zur Sammlung von Gegenständen aus präparierter Haut inspiriert.[1]

Nach seinem Einsatz in Buchenwald war Wagner wahrscheinlich als Truppenarzt bei Formationen der Waffen-SS eingesetzt. Zum Kriegsende kam Wagner in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1948 entweichen konnte. Unter einem Pseudonym lebte er unentdeckt sechs Jahre lang in Bayern. Ab 1957 praktizierte er in der Arztpraxis seiner Frau in Lahr/Schwarzwald, bis er 1958 festgenommen wurde.[4] Wagner wurde schließlich wegen seiner in Buchenwald begangenen Verbrechen vor dem Landgericht Offenburg angeklagt und beging im März 1959 in der Untersuchungshaft im Gefängnis Oberkirch Suizid.[1]

Literatur

  • Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer. 3. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1997, ISBN 3-596-14906-1.
  • Harry Stein, Gedenkstätte Buchenwald (Hrsg.): Konzentrationslager Buchenwald 1937–1945. Begleitband zur ständigen historischen Ausstellung. Wallstein, Göttingen 1999, ISBN 3-89244-222-3.
  • Christian Bode: Zur Geschichte der Gerichtlichen Medizin an der Universität Jena im Zeitraum von 1901 bis 1945, Dissertation der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Juli 2007 (pdf)

Weblink

Einzelnachweise

  1. a b c d e Christian Bode: Zur Geschichte der Gerichtlichen Medizin an der Universität Jena im Zeitraum von 1901 bis 1945, Jena 2007, S. 106f.
  2. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 649
  3. Aussage Gustav Wegerers, zitiert bei: Ralf Bernd Herden: Promotion über Tätowierungen auf gegerbter Haut - Ließ der SS-Arzt Wagner für seine Doktorarbeit Menschenhaut gerben?, April 2009
  4. Harry Stein, Gedenkstätte Buchenwald (Hrsg.): Konzentrationslager Buchenwald 1937–1945. Begleitband zur ständigen historischen Ausstellung. Göttingen 1999, S. 309

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Erich Wagner — ist der Name folgender Personen: Erich Wagner (Maler) (1890–1974), österreichischer Maler Erich Wagner (Landtagsabgeordneter) (1902–1989), österreichischer Politiker (NSDAP), Salzburger Landtagsabgeordneter Erich Wagner (SS Sturmbannführer)… …   Deutsch Wikipedia

  • Wagner (Familienname) — Wagner ist ein deutscher Familienname. Herkunft und Bedeutung Berufsname vom Beruf des Wagners (Wagenmachers). Varianten Im niederdeutschen Raum verbreitete Varianten sind Wegner und Wegener. Daneben gibt es noch die Varianten Wahner, Wehner und… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Wagner (Politiker) — Rudolf Wagner (* 18. Juli 1911 in Duliby bei Stryj in Galizien[1]; † 27. April 2004) war ein deutscher Historiker, Vertriebenenfunktionär und bayerischer Landespolitiker. Leben Mit seinen Eltern übersiedelte er nach dem Ersten Weltkrieg in das… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von NS-Ärzten und Beteiligten an NS-Medizinverbrechen — Die Liste von NS Ärzten und Beteiligten an NS Medizinverbrechen führt Ärzte und andere Personen auf, die während der nationalsozialistischen Zeit in Verbrechen im medizinischen Bereich verwickelt waren. Inhaltsverzeichnis 1 NS Ärzte 1.1 A B 1.2 C …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Schumacher (Jurist) — Hans Karl Schumacher (* 12. Juni 1907 in Barmen; † 16. September 1992 in Kassel)[1] war ein deutscher Jurist, SS Sturmbannführer, Kriminalrat, Leiter der Gestapo in Kiew und Stalino und nach dem Zweiten Weltkrieg Mitarbeiter der Organisation… …   Deutsch Wikipedia

  • Gestapa — Verhaftete Gestapo Beamte nach der Eroberung Lüttichs durch die Alliierten …   Deutsch Wikipedia

  • Gestapo — Verhaftete Gestapo Beamte nach der Eroberung Lüttichs durch die Alliierten …   Deutsch Wikipedia

  • Einsatzkommando — refers to a sub group of the five Einsatzgruppen mobile killing squads 3,000 men responsible for systematically killing every Jew and Soviet political commissar behind the Wehrmacht lines of Operation Barbarossa.As a military term, the German… …   Wikipedia

  • Léon Degrelle — Born 15 June 1906(1906 06 15) Bouillon, Wallonia, Belgium …   Wikipedia

  • Liste der Träger des Eichenlaubs zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes — Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”