Carl Faulmann

Carl Faulmann

Johann Christoph Carl Faulmann, meist kurz Karl Faulmann, (* 24. Juni 1835 in Halle an der Saale; † 28. Juni 1894 in Wien) war Schriftsetzer, Privatgelehrter und Stenografie-Theoretiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frontispiz von Faulmanns Illustrierter Geschichte der Schrift (1880)

Carl Faulmann wuchs als Sohn eines Tagelöhners aus Halle in ärmlichsten Verhältnissen auf. Er wurde 1849 Setzerlehrling bei der Buchdruckerei von Gebauer und Schwetschke in Halle. Nach Beendigung seiner Lehre ging er auf Wanderschaft und kam über Magdeburg, Berlin, Frankfurt/Oder, Schlesien, Sachsen, Thüringen sowie Coburg nach München, wo er 1854 zur Zeit der „Allgemeinen Ausstellung Deutscher Industrie- und Gewerbeerzeugnisse“ eintraf.

Bei dieser Ausstellung sah er die von der Königlichen Hof- und Staatsdruckerei in Wien ausgestellten Drucktypen in Stolze’scher Kurzschrift. Von dieser Zeit an beschäftigte er sich mit dem Plan, solche Typen auch für das weit verbreitete Stenografiesystem Gabelsbergers auszuarbeiten. Tatsächlich wurde er 1855 vom Direktor der Hof- und Staatsdruckerei in Wien, Aloys Auer, als „Schriftsetzer für fremde Sprachen“ angestellt und mit der Ausführung seines Plans beauftragt. Schon im folgenden Jahr gelang ihm eine erste Version seiner Gabelsbergerschen Typen, die er dann in immer wieder verbesserten Versionen fast vier Jahrzehnte lang zum Druck von Stenografie-Zeitschriften und -Lehrbüchern nutzte.

1859 trat er aus den Diensten der Staatsdruckerei aus, arbeitete als Stenografielehrer an höheren Schulen sowie als Setzer. Faulmann gelang es, sich in Wien eine sichere Existenz aufzubauen: 1860 heiratete er Karoline Schmidt (aus der Ehe sollten elf Kinder hervorgehen, von denen ihn vier überlebten), im folgenden Jahr bestand er die Lehramtsprüfung für Stenografie und 1866 wurde er österreichischer Staatsbürger. Zugleich erweiterte er – weithin autodidaktisch – seine Sprachkenntnisse, besonders befasste er sich mit Hebräisch, Persisch und Sanskrit. Auch verbesserte er seine Gabelsberger’schen Typen weiter.

Faulmanns Hauptbeschäftigung blieb jedoch die Stenografie, so dass er schon 1868 Mitglied der Lehramts-Prüfungskommission wurde und ab 1876 als Lektor für Stenografie an der Universität Wien wirkte. Weitere Lehrbücher sowie historische Darstellungen der Kurzschriftsysteme zeigten Faulmanns theoretische Durchdringung der komplexen Materie. Sein Engagement in den Bemühungen um eine Vereinfachung des Gabelsberger’schen Systems führten Faulmann schließlich 1874 zur Entwicklung eines eigenen, weit einfacheren Stenografiesystems namens Phonographie.

Wie der Name („Lautschrift“) andeutet, sollte die Phonographie Schnelligkeit v.a. durch eine radikale Vereinfachung der Orthographie erzielen, indem Faulmanns System nicht Buchstabe für Buchstabe die übliche Schreibung, sondern Laut für Laut die Aussprache der Wörter aufzeichnete. Die Schrift wurde zunächst nicht von Faulmann selbst veröffentlicht, der negative Beurteilungen wegen privater Konflikte fürchtete, sondern 1874 von dem Wiener Bürgerschullehrer Braut. Erst 1880 gab Faulmann sich als Erfinder seiner Schrift zu erkennen und nannte sie von da an „phonetische Stenographie“. Nachdem er die eigene Orthografie 1884 wegen zu großer Widerstände wieder aufhob und die Schrift auch sonst nochmals überarbeitete, erlangt Faulmanns System v.a. in Österreich zeitweise große Verbreitung; noch um 1900 existierten dort 17 Phonographie-Vereine mit 1351 Mitgliedern.

Eine Seite aus Faulmanns Buch der Schrift (2. Aufl. 1880)

Daneben experimentierte Faulmann weiter mit dem Druck fremder Schriften und veröffentlichte Bücher zum Thema Schrift, die zum Teil noch mehr als 120 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung 1880 unverändert neu aufgelegt wurden. So überarbeitete er im Auftrag der Wiener Staatsdruckerei Auers Buch Schriftzeichen des gesamten Erdkreises, woraus Faulmanns Buch der Schrift (1878, 2. Aufl. 1880) hervorging, das in bis dahin unerreichter Vollständigkeit alle bekannten Schriftsysteme behandelte. Faulmann stellte seine Alphabete auf Grund von Reiseberichten, Grammatiken, Fachzeitschriften und kulturgeschichtlichen Werken zusammen. Seine Sammlung der verschiedenen Schriftsysteme der Welt ist sehr verdienstvoll. In seinen theoretischen Schriften über Entstehung und Entwicklung der Schriften (v.a. Illustrierte Geschichte der Schrift, 1880) verstieg Faulmann sich allerdings zu Theorien, mit denen er zum Beispiel Zusammenhänge zwischen Runen und Hieroglyphen herstellen wollte, was wissenschaftlich nicht haltbar ist. Auch die Illustrierte Geschichte der Schrift behält jedoch bis heute als umfangreiche Materialsammlung sowie durch die damals neuartige Wiedergabe historischer Schriftbeispiele in Farblithographie ihren Wert.

Ermutigt durch seine Erfolge, wagte sich Faulmann noch auf andere Gebiete der Wissenschaft, etwa durch eine Illustrierte Kulturgeschichte für Leser aller Stände (Wien 1881), eine wiederum bebilderte Wissenschaftsgeschichte Im Reiche des Geistes (Wien 1894) sowie mit einem Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache (Halle 1893). Alle diese Werke waren aber unsystematisch und in der Argumentation oft willkürlich, insbesondere das Wörterbuch erntete nur Kritik. Dennoch fanden Faulmanns Verdienste weite öffentliche Anerkennung: die Wiener Weltausstellung brachte ihm 1873 eine Verdienstmedaille ein, 1884 wurde ihm für seine Verdienste von der Universität Wien der Titel eines Professors für Stenografie verliehen.

Er ruht auf dem Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf (Gruppe 21, Nr. 65) in Wien. Zu Ehren Karl Faulmanns sind eine Straße in seinem Geburtsort Halle sowie eine Straße im 4. Wiener Bezirk benannt.

Karl Faulmann war nach mündlicher Familienüberlieferung ein Glied der Faulmann-Familie im Saalekreis, die urkundlich seit dem 16. Jh. in Lochau und im Nachbarort Raßnitz in der Nähe Halles nachgewiesen ist. Die männliche Linie der Faulmanns starb in Raßnitz in den 40er Jahren des 20. Jh. aus.

Werke

Literatur

  • Christian Johnen: Faulmann, Karl. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 48, Duncker & Humblot, Leipzig 1904, S. 500–504.
  • Rudolf Weinmeister: Faulmann, Karl. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, S. 32 f.
  • Leopold Elsinger: Professor Karl Faulmanns Leben und seine Werke. Wien, 1908
  • Eva-Maria Hanebutt-Benz / Dirk H. Veldhuis: Vom Bildzeichen zum Alphabet. Ein Nachwort zu Karl Faulmanns „Illustrierte[r] Geschichte der Schrift“. In: Faulmann, Illustrierte Geschichte der Schrift, Nachdruck Nördlingen, Greno, 1989, S. 633-940
  • Christian Johnen: Allgemeine Geschichte der Kurzschrift. 4., völlig neubearb. Aufl., Berlin, Apitz, 1940
  • Franz Kreuter / Karl W. Schmidt: Karl Faulmann, Leben und Werk. 2. Auflage, Berlin, 1935
  • Laurenz Schneider / Georg Blauert: Geschichte der Deutschen Kurzschrift. Wolfenbüttel, Heckners, 1936
  • Bernd Zimmermann: Fremde bringen Fortschritt. Zum 100. Todestag von Karl Faulmann, In: Saat - Evangelische Kirchenzeitung für Österreich, 41. Jg., Nr. 17, 4. Sept. 1994, S. 7

Weblinks

 Wikisource: Carl Faulmann – Quellen und Volltexte

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