Caritas Pirkheimer

Caritas Pirkheimer
Caritas Pirckheimer
(1467–1532)

Caritas Pirckheimer (* 21. März 1467 in Eichstätt; † 19. August 1532 in Nürnberg) war eine hochgebildete Äbtissin des Nürnberger Klaraklosters, die sich gegen die Einführung der Reformation wehrte. Die Nonne pflegte einen Gedankenaustausch mit zahlreichen Humanisten. Sie stand unter anderem in regem Briefkontakt mit ihrem Bruder Willibald, dem Dichter Conrad Celtis und dem Propst von St. Lorenz Sixtus Tucher. Auch ist von ihr ein Brief an den Maler Albrecht Dürer überliefert. Unerwartete Unterstützung erhielt Caritas in ihrem Kampf um das Fortbestehen des Klosters von Philipp Melanchthon, einem engen Freund Martin Luthers. Caritas war eine Verfechterin der Religions- und Gewissensfreiheit.

Weitere Namensformen: Charitas Pirckheimer, Caritas Pirkheimer.

Caritas bedeutet aus dem Lateinischen übersetzt „schenkende Liebe“ bzw. „Nächstenliebe“. Sie ist jedoch nicht die Namensgeberin für die soziale Hilfsorganisation der katholischen Kirche, der „Caritas“.

Inhaltsverzeichnis

Die Quellenlage

Aufgrund der Quellenedition von Josef Pfanner und August Syndikus sind uns heute die Originaltexte der Äbtissin frei zugänglich. Sie wurden ursprünglich teils in frühneuhochdeutscher und teils in lateinischer Sprache verfasst.

Die Edition besteht aus vier Bänden:

  • Band 1: Das Gebetbuch der Caritas Pirckheimer (1961),
  • Band 2: Die „Denkwürdigkeiten“ der Caritas Pirckheimer (1962),
  • Band 3: Briefe von, an und über Caritas Pirckheimer (1967) und
  • Band 4: Das Grab der Caritas Pirckheimer (1961).

Rund zwanzig Jahre später gab Georg Deichstetter die ersten drei Bände in einer übersetzten Fassung heraus, die unserem heutigen Neuhochdeutsch entspricht.

Während es über die Kindheit der Caritas bis hin zu ihrer Wahl zur Äbtissin des Klaraklosters nur wenig gesicherte Anhaltspunkte gibt, lassen sich ihre Erlebnisse zur Zeit der Reformation in Nürnberg sehr genau nachvollziehen. In den Jahren 1524 bis 1528 schrieb sie als kritische Beobachterin alle Ereignisse in Form einer Chronik auf. Constantin Höfler, der bereits 1852 die Handschrift veröffentlichte, nannte sie „Denkwürdigkeiten“.

Caritas Pirckheimer stand im regen Briefwechsel mit großen Persönlichkeiten ihrer Zeit. In den erhaltenen Schreiben an und über die Äbtissin findet besonders ihre Bildung große Anerkennung. Wichtige Angelegenheiten besprach sie gerne mit ihrem Bruder Willibald. Ihre Beziehung stellte jedoch kein einseitiges Verhältnis dar, da auch Caritas ihrem Bruder mit guten Ratschlägen zur Seite stand und mit ihm über theologische Streitpunkte diskutierte. Neben Willibald Pirckheimer, dem Ratsherrn Christoph Scheurl und dem Klosterpfleger Kaspar Nützel erhielt vor allem Sixtus Tucher, der Propst von St. Lorenz, zahlreiche Schreiben der Äbtissin. Er pflegte mit Caritas ein enges freundschaftliches Verhältnis.

Leben

Ihre Kindheit

Caritas wurde am 21. März 1467 in Eichstätt als Tochter des Juristen und Diplomaten Johannes Pirckheimer geboren. Ihren Taufnamen Barbara erhielt sie von ihrer gleichnamigen Mutter, einer geborenen Löffelholz. Als Älteste von vermutlich zwölf Kindern wuchs Barbara Pirckheimer in einer der wohlhabenden, tiefreligiösen Nürnberger Patrizierfamilien auf. Von ihren Brüdern überlebte jedoch nur Willibald sowie außerdem sieben Schwestern. Auffallend ist, dass sechs von ihnen ebenfalls in ein Klarissen- bzw. in ein Benediktinerinnenkloster eintraten; lediglich eine von ihnen heiratete. Selbst ihr Vater verbrachte als Witwer seine letzten Lebensjahre im franziskanischen Barfüßerkloster und wurde vier Jahre vor seinem Tod im Jahre 1497 Priester.

Bereits im Alter von zwölf Jahren kam Barbara zu ihrem Großvater Hans Pirckheimer nach Nürnberg. Die zweite Ehefrau des Großvaters, Walburga Pirckheimer, die selbst kinderlos war und die unverheiratete Schwester des Großvaters, Katharina Pirckheimer, galten als sehr gebildet und unterrichteten Barbara zu Hause, bevor sie die Klosterschule besuchte. An ihrer Erziehung war auch ihr Großvater, ein kämpferischer Ratsherr, beteiligt, der sich intensiv mit dem Humanismus befasste. Darüber hinaus lehrte er seine Enkelin Latein, die damalige Weltsprache.

Zur weiteren Erziehung und zum Unterricht kam Barbara schließlich in die Klosterschule der Klarissen. Dies war kein ungewöhnlicher Schritt, da die vier Nürnberger Lateinschulen nur Jungen aufnahmen. Nur zwei Jahre später, im Jahre 1481, sorgten Barbaras überragende Lateinkenntnisse für Aufsehen, da sie Latein verstehen und sprechen konnte. Doch ihre Bitte um Aufnahme in die Schwesterngemeinschaft wurde abgelehnt, weil sie noch keine 16 Jahre alt war. Das entsprach in etwa dem damals üblichen Mindestalter, um in ein Konvent eintreten zu können. Um das Jahr 1483 erfüllte sich Barbaras Wunsch. Sie legte ihre Profess ab und gehörte von nun an zu den Klarissen. Ab diesem Zeitpunkt nahm sie Caritas als ihren Ordensnamen an.

Leben im Kloster

Einerseits dürfte es Caritas den Eintritt in den Konvent erleichtert haben, dass sie dort sowohl auf viele Altersgenossinnen als auch auf Verwandte traf. Im Klarakloster selbst lebten bereits Tanten von ihr. 1491 trat ihre leibliche Schwester Klara in die Gemeinschaft ein und 1513 folgten ihre Nichten Crescentia und Katharina Pirckheimer. Andererseits erschwerte sicherlich die Befolgung der strengen Ordensregel die Gewöhnung an ein dauerhaftes Leben hinter Klostermauern. Zu den übrigen Familienmitgliedern und Freunden sollte sich der Kontakt von nun an auf Gespräche am Redefenster, einer mit schwarzem Stoff abgedeckten Maueröffnung, beschränken. Nicht nur die Einhaltung der Klausurvorschrift, sondern auch das strenge Fasten, die vielen Gebetszeiten und die Nachtwachen stellten für die Frauen eine große Herausforderung dar.

Caritas stand jedoch weiterhin im regen Briefwechsel mit Willibald, der sie von Zeit zu Zeit am Redefenster besuchen kam. Nicht nur er, sondern auch seine Freunde, die dem humanistischen Kreis angehörten, tauschten sich mit ihr aus. Zu ihnen zählte unter anderem der Ratsherr Christoph Scheurl, der ein Loblied auf die Familie Pirckheimer schrieb. Der Dichter und Humanist Conrad Celtis widmete Caritas seine Herausgabe der Werke der Roswitha von Gandersheim sowie eine lateinische Ode, die er 1502 verfasste. Willibald ließ Caritas humanistische Bücher für die Klosterbibliothek zukommen, unter anderem auch von Erasmus von Rotterdam, die ihr und ihren Mitschwestern die Möglichkeit gaben, auch hinter Klostermauern an der aktuellen Diskussion teilzunehmen.

Caritas unterrichtete zunächst die Klosterschülerinnen, ordnete die Klosterbibliothek und übernahm anschließend das Amt der Novizinnenmeisterin, bis sie am 20. Dezember 1503 zur Äbtissin gewählt wurde. Die Hauptaufgabe der Äbtissin umfasste einerseits die Aufrechterhaltung des geistlichen Lebens im Konvent und andererseits auch die Sorge um das leibliche Wohl der fünfzig bis sechzig Mitschwestern. Des Weiteren verwaltete sie, gemeinsam mit dem Pfleger, den Besitz des Klosters. Sie fertigte eine Klosterabrechnung für den Rat an und entschied über die Verwendung von eingehenden Zinszahlungen. Viel Zeit nahm zudem das Verfassen von Briefen oder Dankschreiben für erhaltene Spenden in Anspruch.

Als Äbtissin legte Caritas großen Wert auf eine geistig-religiöse Ausbildung der Nonnen. Alle Schwestern des Konvents erhielten Lateinunterricht. Sie sollten die Sprache, in der sie beteten, verstehen und darüber hinaus die Fähigkeit besitzen Bibelstellen in Latein sowie auf Deutsch zu studieren. Nach Meinung der Äbtissin kann nur mit Hilfe einer formalen Bildung eine tiefgehende Frömmigkeit entstehen. Durch eine umfassende, humanistisch geprägte Bildung sollte den Schwestern eine Auseinandersetzung mit ihrem Glauben ermöglicht werden.

Neben der Ausbildung der Schwestern bereitete Caritas die finanzielle Lage des Klosters große Sorgen. Schon vor Beginn der Reformation hatte sich die Situation drastisch verschlechtert. Die Ursache hierfür lag in den sinkenden Einnahmen und den extrem gestiegenen Ausgaben. Hohe Kosten verursachten die Erweiterung der Klarakirche und die daran anschließenden Renovierungsarbeiten an den Klostergebäuden. In einem Schreiben an den Papst schilderte Caritas 1505 die bedrohliche Situation des Konvents und bat deshalb um die Bewilligung eines Ablasses. Auf diese Weise wurde auch für weniger gut bemittelte Nürnberger, die keine Stiftungen tätigen konnten, ein Anreiz geschaffen, einen Beitrag zur Erhaltung des Klosters zu leisten. Rom schickte daraufhin die Genehmigung eines Ablassbriefes.

Unterstützung erhielten die Klarissen vom ersten Losunger (Bürgermeister) Anton Tucher, einem Bruder von Sixtus Tucher, der im Jahre 1517 dem Konvent eine Orgel stiftete. Musikinstrumente in Kirchen gab es damals äußerst selten.

Die finanzielle Situation des Klaraklosters verschlimmerte sich jedoch erneut, als der Rat 1525 beschloss, ein „Ungelt“ zu erheben. Diese Verbrauchssteuer wurde auf Bier und Wein erhoben. Nachdem die Schwestern selbst Bier brauten, bekamen sie die Folgen des Erlasses deutlich zu spüren.

Neben den Geldsorgen bekümmerte die Klarissen die Einführung der Reformation im Jahre 1525. Alle Klöster Nürnbergs sollten geschlossen werden. Aufgrund hartnäckigen Widerstands konnte das Klarakloster zunächst weiter bestehen. Der Rat verurteilte jedoch den Konvent zum Aussterben, indem er die Neuaufnahme von Schwestern untersagte und die Befolgung des Verbots überwachte. Bevor es zu dieser Entscheidung kam, hatten die Schwestern bereits unter anderen Entbehrungen zu leiden.

Die Einführung der Reformation

Zurückblickend begannen die schlechten Zeiten für das Klarakloster mit Beendigung des Nürnberger Religionsgesprächs, welches vom 3. bis 14. März 1525 stattfand. Nur fünf Tage später erschienen zwei Ratsherren als Abgesandte mit der Nachricht, dass es den bisherigen Beichtvätern und Predigern, die dem Franziskanerorden angehörten, nicht länger gestattet war ihre Ämter auszuüben. Mit den Barfüßermönchen fühlte sich das Klarakloster bereits seit mehr als 250 Jahren eng verbunden. Gerade durch die Franziskaner hatten die Nonnen Zugang zu gegenreformatorischen Schriften, die Caritas als geistiges Rüstzeug für ihre Mitschwestern zu Tisch vorlesen ließ und anschließend in der ganzen Stadt verbreitete. Dies alles war dem Rat ein Dorn im Auge. Deshalb zwang man die Nonnen, sich mit der lutherischen Lehre auseinanderzusetzen, indem nur noch evangelische Geistliche predigen durften. Auf diesem Weg sollten die Schwestern von der neuen Lehre überzeugt werden. Die Äbtissin zählte insgesamt 111 Predigten von Andreas Osiander, mit dem sie zuletzt eine vierstündige Diskussion geführt hatte.

Caritas wehrte sich, im Auftrag aller Mitschwestern, gegen den Beschluss des Rates. Sie entgegnete, dass es niemals Beschwerden über die Franziskaner gegeben hätte und dass ihre Ordenssatzung vorsehe, nur von Ordensmitgliedern seelsorglich betreut zu werden. Die Äbtissin appellierte an die Freiheit des Gewissens und daran, dass niemand zur Beichte gezwungen werden kann. Die Ratsherren beachteten den Protest Caritas’ nicht und setzten ihre Forderungen durch. Da sich die Schwestern aber nicht vom Rat einen Beichtvater vorschreiben lassen wollten, beschlossen sie ganz auf die Beichte zu verzichten. Caritas berichtete darüber in ihren „Denkwürdigkeiten“ wie folgt:

Es wäre „uns lieber und nützlicher, Ihr schicket einen Henker in unser Kloster, der uns allen die Köpfe abschlüge, als daß Ihr uns einen vollen, trunkenen, unkeuschen Pfaffen zuschickt. Man nötigt keinen Dienstboten, noch einen Bettler, daß er beichten muß, wo seine Herrschaft will. Wir wären ärmer als arm, sollten wir denen beichten, die selber keinen Glauben an die Beichte haben, sollten wir das hochwürdige Sakrament von denen empfangen, die so abscheulichen Missbrauch damit treiben, daß es eine Schande ist davon zu hören, sollten wir denen gehorsam sein, die weder dem Papst, dem Bischof, dem Kaiser, noch der ganzen heiligen, christlichen Kirche gehorsam sind. Sollten sie auch den schönen göttlichen Dienst abschaffen und nach ihren Köpfen ändern, so wollte ich lieber tot als lebendig sein.“:

Aufgrund der Verbreitung der lutherischen Lehre mussten die Nonnen die Beichte sowie die heilige Messe, die Kommunion und das Sterbesakrament entbehren. Trotzdem versuchte die Äbtissin, das geistliche Leben fortzuführen. Mit Hilfe der im Gebetbuch vorhandenen Bußandachten und Reuegebete besannen sich die Schwestern auf ihre Verfehlungen und baten um Vergebung.

Dominicus Schleupner, Prediger von St. Sebald, schlug dem Rat vor, Caritas zum Verlassen der Stadt aufzufordern. Ihm missfiel der rege Briefwechsel, den sie sowohl mit Geistlichen als auch mit anderen Konventen führte. Wenn es aber dem Magistrat gelingen würde, sie von der neuen Lehre zu überzeugen, würde sich nicht nur das Klarakloster der Reformation anschließen, sondern auch gleichzeitig andere Konvente. Es war nämlich bekannt, dass sich viele der umliegenden Klöster Beistand suchend an Caritas wandten und ihre Meinung sehr schätzten. Deshalb blieb der Rat mit seiner Überzeugungsarbeit hartnäckig.

Der Beschluss des Rates und seine Folgen

In der Pfingstwoche des Jahres 1525 erging erneut ein Beschluss des Rates an die Nürnberger Klöster, der folgende fünf Forderungen beinhaltete:

  • Alle Mitschwestern sollten von der Äbtissin von ihren Gelübden entbunden werden.
  • Keine Nonne sollte gegen ihren eigenen oder den Willen ihrer Eltern gezwungen werden, im Kloster zu bleiben. Das Kloster wurde darüber hinaus dazu verpflichtet heiratswilligen Schwestern ihre Mitgift auszuzahlen.
  • Statt der Ordenskleidung sollten bürgerliche Kleider getragen werden.
  • Der Rat sollte eine Aufstellung über alle Einkünfte, Besitztümer und sonstiger Wertgegenstände des Konvents erhalten.
  • Schließlich sollten die bisherigen Redefenster durch Gesichtsfenster ausgetauscht werden, damit der Besucher sicher sein konnte, dass das Gespräch von keiner anderen Person belauscht würde.

Solange die Anliegen des Magistrats weltliche Dinge betrafen, zeigte sich Caritas kompromissbereit. Bei theologischen Streitpunkten hingegen zögerte sie nicht gegebenenfalls zu widersprechen. Allerdings wollte Caritas nicht prinzipiell den Gehorsam gegenüber dem Stadtregiment anfechten.

Die Äbtissin besprach zunächst die Lage mit jeder einzelnen Schwester und erbat deren Meinung. Anschließend protestierte sie gegen die Abschaffung des Redefensters, da sie hierin eine schrittweise Öffnung der Klausur sah sowie gegen die Aufhebung der Gelübde. Caritas betonte, dass die Nonnen in erster Linie nicht ihr, sondern Gott ein Versprechen abgegeben hatten.

Nur eine der Schwestern, Anna Schwarz, verließ den Konvent freiwillig. Sie sympathisierte mit den reformatorischen Gedanken. Es existiert eine Quittung, auf der sie am 10. März 1528 bescheinigte, dass sie ihre Mitgift zurückerhalten hatte. Sie blieb die einzige Nonne bis zum Aussterben des Konvents, die diesen Schritt ging.

Aufgrund der vielerorts nachgewiesenen Missstände in den Klöstern, neben den moralischen Verfehlungen wurde vor allem auch bemängelt, dass die Ordensleute die Heilige Schrift gar nicht kannten, übertrug man diese Feststellungen vorbehaltlos auf alle Klöster. Auch das Klarakloster geriet dank dieser Verallgemeinerung in Verruf, obwohl in diesem Konvent bisher keinerlei Übertretungen der Regel bekannt waren und die Klarissen die Bibel studiert hatten. Caritas wehrte sich gegen die Verleumdungen und Drohungen. Ihre Mitschwestern motivierte sie, durchzuhalten und nicht von ihrem Glauben abzufallen, auch wenn die Gottesdienste gestört, der Friedhof verwüstet und Kirchenfenster eingeworfen wurden.

Die Situation eskalierte schließlich am Tag vor Fronleichnam 1525 als drei Nonnen gewaltsam von ihren Müttern aus dem Konvent entfernt wurden, nachdem die Töchter in vorangegangenen Versuchen nicht zu einem freiwilligen Verlassen des Klaraklosters zu bewegen waren. Der Rat stellte sich hinter die Mütter und schritt nicht ein. Die Frauen sahen sich im Recht und beriefen sich auf den Gehorsam, den die Kinder ihren Eltern gegenüber schuldig seien. Alle verbalen Angriffe seitens der Mütter vermochten die Töchter mit Bibelstellen zu widerlegen. Caritas blieb jedoch nichts anderes übrig als sie freizugeben, da ihr die Räumung des kompletten Konvents, notfalls mit Gewalt, angedroht wurde.

Das Verhalten Caritas’ stand im Widerspruch zur Lehre Luthers, der die Gelübde für nichtig erklärte. Seiner Meinung nach verstieß dieser Eid gegen die Bibel, da es in Mt 5,34 heißt: „Schwört überhaupt nicht“. Jedoch überließ Luther jedem Einzelnen, ob er sich an diese Gelübde gebunden fühlt. Man warf den Ordensleuten daraufhin vor, dass sie durch ihre Gelübde und durch das tägliche Gebet ihr Seelenheil aus eigener Kraft heraus erwirken wollten, ohne auf die Gnade Gottes zu vertrauen.

Nachdem der Klosterpfleger erfolglos versuchte die Klarissen von der neuen Lehre zu überzeugen, zog der Magistrat Philipp Melanchthon hinzu. Dieser sollte im November 1525 in die Stadt kommen, um ein neues Gymnasium aufzubauen und einzuweihen. Bei dieser Gelegenheit arrangierte man ein Treffen zwischen dem engen Vertrauten Luthers und der Äbtissin des Klaraklosters. Jedoch anstatt der erhofften Unterstützung Melanchthons musste sich der Rat schwere Vorwürfe anhören. Dem Reformator missfiel nicht nur die Amtsenthebung der Franziskaner, sondern auch der damit verbundene Wegfall des Gottesdienstes und der Sakramente sowie der gewaltsame Abzug der drei Nonnen. Melanchthon ging noch einen Schritt weiter und sprach den Eltern das Recht ab, eine der Ordensfrauen gegen ihren Willen zu zwingen den Konvent zu verlassen. Des Weiteren sei es nicht im Sinne Luthers, die Klöster zu zerstören. Diese deutlichen Worte sorgten schließlich dafür, dass der Rat davon absah, weiterhin gewaltsam gegen das Klarakloster vorzugehen.

Die letzten Jahre im Kloster

Im Jahre 1529 feierte Caritas ihr 25-jähriges Äbtissinnenjubiläum und ihr 50-jähriges Ordensjubiläum. Katharina Pirckheimer, die Nichte von Caritas, berichtete ihrem Vater Willibald in einem Brief ausführlich über den Verlauf des Jubiläums. Er selbst unterstützte die Feierlichkeiten, indem er ein Fass Wein und sein Silbergeschirr in das Kloster bringen ließ. Auch Juliana Geuderin, die einzige verheiratete Schwester von Caritas, stiftete Forellen und Süßigkeiten zum Ehrentag. Die Gaben, die der Konvent zur Feier erhielt, zeigen, dass Caritas es trotz der Klostermauern schaffte einen engen Kontakt zu ihrer Familie aufrecht zu halten.

Obwohl das Fest als sehr fröhlich und ausgelassen beschrieben wird, geschah nichts, was die Ordensregel verletzt hätte. Als Zeichen ihrer gegenseitigen Treue und der Treue zu ihrem geistlichen Bräutigam Jesus Christus erhielten die Schwestern von der Äbtissin einen Ring. Caritas schlug das Hackbrett und alte wie junge Schwestern tanzten. Dies bezeugt, wie stark sich der Konvent verbunden fühlte und sich eine lebensfrohe Atmosphäre innerhalb der Klostermauern bewahren konnte. Dazu leistete Caritas aufgrund ihrer Persönlichkeit einen wesentlichen Beitrag.

Abgesehen von den Feierlichkeiten wurde auch davon berichtet, dass die Äbtissin mit gesundheitlichen Beschwerden zu kämpfen hatte. Bereits ein Jahr später, im Jahr 1530, verstarb ihr Bruder Willibald. Caritas folgte ihm am 19. August 1532. Sie wurde 65 Jahre alt. Die genaue Todesursache ist nicht bekannt, jedoch existieren Berichte, wonach sie schon seit einiger Zeit an einem schmerzhaftem Steinleiden und an Gicht litt. Ihr Amt übernahm ihre leibliche Schwester Clara. Zuletzt stand Caritas’ Nichte Katharina Pirckheimer dem Konvent als Äbtissin vor. Die Nachfolgerinnen versuchten sich weiterhin gegen die Beschlüsse des Rates zu wehren; jedoch ohne Erfolg. 1591 verstarb schließlich die letzte Klarissin in Nürnberg. Caritas konnte zwar langfristig betrachtet die Vernichtung des Klaraklosters nicht verhindern, aber sie erreichte zumindest, dass der Konvent bis zum Ableben der letzten Klarissin bestehen blieb und niemals freiwillig an den Rat übergeben wurde.

Literatur

  • Deichstetter, Georg (Hrsg.): „Die Denkwürdigkeiten“ der Äbtissin Caritas Pirckheimer des St. Klara-Klosters zu Nürnberg. Übertragen von Benedicta Schrott. St. Ottilien 1983
  • Deichstetter, Georg (Hrsg.): Briefe der Äbtissin Caritas Pirckheimer des St. Klara-Klosters zu Nürnberg. Übertragen von Benedicta Schrott. St. Ottilien 1984
  • Deichstetter, Georg (Hrsg.): Caritas Pirckheimer. Ordensfrau und Humanistin – ein Vorbild für die Ökumene. Festschrift zum 450. Todestag. Köln 1982
  • Hess, Ursula: Oratrix humilis. Die Frau als Briefpartnerin von Humanisten, am Beispiel der Caritas Pirckheimer, in: Worstbrock, Franz J. (Hg.): Der Brief im Zeitalter der Renaissance (Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung, 9), Weinheim 1983.
  • Kurras, Lotte / Machilek, Franz: Caritas Pirckheimer 1467 – 1532. Eine Ausstellung der Katholischen Stadtkirche Nürnberg. Kaiserburg Nürnberg 26. Juni – 8. August 1982. München 1982
  • St. Klara. Nürnberg. Hrsg. vom Verlag Schnell & Steiner GmbH. Kunstführer Nr. 1518. Regensburg 2000
  • Krabbel, Gerta: Caritas Pirckheimer. Ein Lebensbild aus der Zeit der Reformation. Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung. Heft 7. Münster 1982
  • Schlemmer, Karl: Caritas Pirckheimer. Die frommen Nürnberger und die Äbtissin von St. Klara. Nürnberg als religiöse Stadt in der Lebenszeit der Caritas Pirckheimer 1467- 1532. Münsterschwarzach 1982

Weblinks


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