Recht Dänemarks

Recht Dänemarks

Das Recht Dänemarks bezeichnet die Gesamtheit gerichtlich durchsetzbarer gesellschaftlicher Normen in Dänemark.

Inhaltsverzeichnis

Rechtsgeschichte

Die dänische Rechtsgeschichte ist lange Zeit durch starke Rechtszersplitterung gekennzeichnet. Eine Rezeption des römischen Rechts, die in anderen europäischen Staaten zu einem gewissen Maß an Rechtseinheit führte, hat kaum stattgefunden. Ab dem Spätmittelalter galten in größeren Gebietseinheiten sog. Territorialgesetze, die allmählich durch Reichsgesetzgebung ergänzt wurden – eine Tendenz, die sich mit dem Absolutismus seit 1660 verstärkte. Rechtsaufzeichnungen der Territorialgesetze, des Schonischen Rechts, der Seeländischen Gesetze von Erich und Waldemar eigenhändige Rechtsaufzeichnungen. Eine Ausnahme bildet das Jütische Recht, das 1241 von Waldemar II. erlassen wurde.[1]

Einen Einschnitt in der dänischen Rechtsgeschichte stellt die Reformation 1536 dar. Der auf Kosten der Kirche gestärkte König erließ mit dem neu gegründeten Reichsrat zahlreiche Reichsgesetze. Das königliche Gericht, das Gerichtsthing, erwarb hohes Ansehen; viele seiner Entscheidungen sind bis heute erhalten. Echte Rechtseinheit entstand in Dänemark erst mit der Einführung des Absolutismus 1683 durch den Erlass des Danske Lov, der ersten europäischen Kodifikation in der Landessprache. Der Einfluss der übrigen europäischen Rechtswissenschaft, besonders der Naturrechtslehre und der Aufklärung, verstärkte sich. Die Lehre von der Gewaltenteilung wurde schon 1700 zumindest insoweit umgesetzt, als faktisch die Ausübung der Staatsgewalten durch verschiedene Staatsbeamte geschah. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, allgemeine Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Religionsfreiheit, der Grundsatz nulla poena sine lege und das Recht auf den gesetzlichen Richter setzten sich nach und nach durch und wurden formal schließlich im Grundgesetz von 1849 eingeräumt.[1]

Das Niveau der dänischen Juristenausbildung lag lange Zeit deutlich unter dem der übrigen europäischen Staaten: Ungeachtet der Gründung der Universität Kopenhagen 1479 konnten dänische Studenten noch 1600 nur im Ausland eine solide Ausbildung erhalten. Dies wandelte sich erst mit der Einführung der juristischen Staatsprüfung für alle Richter, Rechtsanwälte und Beamte 1736, die Grundlage für die verbesserte Verwaltung des zentralistischen Staats sein sollte.[1]

Im 19. Jahrhundert wirkten weiterhin die großen europäischen Rechtskulturen auf Dänemark ein, besonders der französische Code civil. Die wissenschaftliche Aufbereitung und Systematisierung des Rechts orientierte sich an der deutschen Pandektenwissenschaft, besonders an Friedrich Carl von Savigny und Rudolf von Ihering, im Strafrecht an Franz von Liszt. Die überragende Gestalt in Wissenschaft und Praxis in Dänemark selbst war zu Beginn des 19. Jahrhunderts Anders Sandøe Ørsted. Nach dem Vorbild des Deutschen Juristentags und der englischen Society for the promotion of Social sciences entstanden 1872 die Nordischen Juristentagungen (De nordiske Juristenmøder), die bis in die Gegenwart Grundlage für die intensive juristische Zusammenarbeit der skandinavischen Staaten sind. Als wichtige Ergebnisse dieser Arbeiten sind zu nennen: das Wechselgesetz von 1880, Gesetze über Handelsregister, Firma und Prokura 1881, Gesetze über Warenzeichen 1884 und 1890, sowie ein neues Seegesetz 1887.[1]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wichen Liberalismus und Individualismus als Grundprinzipien des Privatrechts zugunsten starker Intervention des Staates. Die Sozialreformen der letzten Jahre des 19. Jahrhunderts bildeten die Grundlage für das sog. Skandinavische Modell und wurden in den 1930 Jahren noch erweitert: 1890 führte man eine allgemeine Altersversorgung nach Bedürftigkeitsprinzip ein und eine Arbeitsunfallversicherung, 1892 ein von den Bismarckschen Sozialreformen beeinflusstes Krankenkassenmodell. 1933 folgten weitere große Reformen: Sozialversicherung, Unfallversicherung, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.[1]

Rechtsquellen

Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts unterschied die dänische Rechtswissenschaft fünf Rechtsquellen:

  1. Gesetz,
  2. Gewohnheitsrecht,
  3. Präjudizien,
  4. Analogie und
  5. Natur der Sache.[2]

Unter dem Einfluss der Arbeiten Alf Ross’ hat diese Einteilung ihre Gültigkeit verloren. Ross legte dabei den Grad der Objektivierung zugrunde und definierte drei Gruppen:

  1. Das Gesetz,
  2. das Gewohnheitsrecht und die Präjudizien und
  3. die Natur der Sache.

Die Analogie hat ihre Anerkennung als Rechtsquelle seitdem verloren. Gleiches wird in der neueren Lehre für die Natur der Sache gefordert, die demnach nur noch Auslegungsmethode sein soll. Andere Stimmen in der Literatur wollen den Kanon der Rechtsquellen um das wissenschaftliche Schrifttum erweitern.[2]

Gerichtsorganisation

Siehe auch: Højesteret

Öffentliches Recht

Die dänische Rechtswissenschaft unterscheidet wie die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht. Bis etwa 1800 zählte man zum Privatrecht neben dem Personen-, Familien-, Erb-, Sachen- und Schuldrecht auch das Straf- und Prozessrecht. Mittlerweile zählen diese Gebiete neben dem Staatsverfassungs- und Verwaltungsrecht zum Öffentlichen Recht. Das allgemeine Verwaltungsrecht erfuhr erst im 20. Jahrhundert eine Aufwertung, die maßgeblich der Rezeption des deutschen Verwaltungsrechts und dessen wissenschaftlicher Analyse durch Otto Mayer geschuldet ist. Das lange Schattendasein des Verwaltungsrechts gegenüber dem Staatsverfassungs- und Polizei- bzw. Ordnungsrecht ist in Zusammenhang mit der späten Ausbildung einer eigenen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu sehen.[3]

Verfassungsrecht

Steuerrecht

Privatrecht

Gesellschaftsrecht

Literatur

Amtsblätter, Gesetzes und Urteilsammlungen

  • Lovtidende for Kongeriget Danmark. Schultz, Kopenhagen 1896 ff., ISSN 0106-8458.

Einführung

  • Inger Dübeck (Hrsg.): Einführung in das dänische Recht. Nomos, Baden-Baden 1994.

Rechtsgeschichte

  • Ditlev Tamm: Retshistorie. I. Dansk retshistorie, Jurist- og Økonomforbundets Forlag, 1990.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Inger Dübeck (Hrsg.): Einführung in das dänische Recht. Nomos, Baden-Baden 1994, S. 13–18.
  2. a b Inger Dübeck (Hrsg.): Einführung in das dänische Recht. Nomos, Baden-Baden 1994, S. 21–27.
  3. Inger Dübeck (Hrsg.): Einführung in das dänische Recht. Nomos, Baden-Baden 1994, S. 18–21.

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