Dreifaltigkeitsfresko Urschalling

Dreifaltigkeitsfresko Urschalling
Das Dreifaltigkeitsfresko im Chorgewölbe von St. Jakobus, Urschalling

Das Dreifaltigkeitsfresko Urschalling befindet sich in der St.-Jakobus-Kirche im oberbayerischen Ort Urschalling im Chiemgau. Das Fresko ist Teil einer figurenreichen Wand- und Deckenbemalung aus dem 14. Jahrhundert und füllt die untere Spitze eines Gewölbezwickels.

Bemerkenswert ist das Bild wegen seines Gegenstands. Dargestellt ist die heilige Dreifaltigkeit – nach christlicher Lehre der eine Gott in drei Personen. Dabei weicht das Urschallinger Bild von den Haupttypen der westlichen und östlichen Dreifaltigkeitsikonografie auf originelle Weise ab.

Die Dreiheit zeigt sich in drei Gesichtern und drei Oberkörpern mit (dort) zwei Ober- und drei Untergewändern. Nach unten zu, wo sich die Gewölberippen treffen, verschmelzen jedoch die drei Körper zu einem einzigen; die beiden Obergewänder und die drei Untergewänder der Gestalten vereinen sich zu einem Ober- und einem Untergewand. Die Gesamtgruppe hat nur zwei Arme. Die drei Heiligenscheine, die die Köpfe umgeben, sind nicht gegeneinander abgegrenzt und werden durch die drei Balken eines einzigen Kreuznimbus verklammert.

Umstritten ist die Deutung der mittleren Gestalt. Zwischen dem weißbärtigen Greis zur Rechten (unstrittig Gott der Vater) und dem braunbärtigen Mann zur Linken (Gott der Sohn), die sich halb zur Mitte wenden, ist als Verkörperung des Heiligen Geistes ein rundes und bartloses Gesicht mit langem hellbraunem Haar zu sehen, das den Betrachter direkt anschaut. Das weiße Obergewand bedeckt diese Gestalt nicht, sondern nur das dunklere Untergewand, das unterhalb der Brust in Falten gerafft ist.

Umstritten ist, ob es sich bei dieser Gestalt um eine Frau handelt oder, innerhalb des klassischen Greis-Mann-Jüngling-Schemas, um einen sehr jungen Mann. Die neuere kunstgeschichtliche Forschung neigt zur letzteren Deutung.

Theologische Deuter sind jedoch fasziniert von den weiblichen Zügen dieser Gestalt und sehen darin einen Hinweis auf die im Hauptstrom der Christentumsgeschichte verdrängte weibliche Seite Gottes und auf die alttestamentliche Rede vom Gottesgeist (hebr. ruach ist ein Femininum). Auch an Maria wird gedacht, der im Neuen Testament der Heilige Geist auf einzigartige Weise nahe kommt und deren Gestalt dann hier mit dem göttlichen Geist geradezu verschmölze. Nach Leonardo Boff kann man im unteren Teil des Bildes sogar deutlich (weibliche wie männliche) sexuelle Symbole entdecken. Andere Deuter sind zumindest überzeugt, dass eine uralte, auch christliche, Glaubens-Einsicht in dem Bild enthalten ist: die göttliche Liebe in Person.

Die direkte Identifikation der Figur mit Maria entspräche allerdings der Trinitäts-Vorstellung, die vom Islam den Christen zugeschrieben und heftig bekämpft wird; ein mittelalterlicher Christ hat schwerlich so gedacht.

Literatur

  • Verena Wodtke-Werner: Der Heilige Geist als weibliche Gestalt im christlichen Altertum und Mittelalter. eine Untersuchung von Texten und Bildern; Theologische Frauenforschung, 3; Centaurus-Verlags-Gesellschaft, Pfaffenweiler 1994; ISBN 3-89085-871-6. Zugleich Dissertation an der Universität Tübingen, 1993.

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