Deutsche Zeitung im Ostland

Deutsche Zeitung im Ostland

Die Deutsche Zeitung im Ostland (DZO) war eine Tageszeitung, die während des Deutsch-Sowjetischen Krieges vom 5. August 1941 bis 10. Oktober 1944 im Reichskommissariat Ostland mit Redaktionssitz in Riga erschien. Herausgeber war der Europa-Verlag, ein von Rolf Rienhardt geleitetes Tochterunternehmen des Franz-Eher-Verlags, unter Max Amann. Die DZO war die wichtigste zivile östliche Besatzungszeitung und wurde nach der letzten regulären Ausgabe noch bis in die letzten Kriegsmonate hinein an einem westlicher gelegenen neuen Standort in Form einer Notausgabe weitergeführt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gründungsphase

In den westlichen Besatzungsgebieten bestanden bereits einige Besatzungszeitungen wie z. B. die Pariser Zeitung, Deutsche Zeitung in den Niederlanden und die Deutsche Zeitung in Norwegen, doch trotz der bereits vorhandenen Erfahrung mit dem Aufbau dieser Zeitungen war die Gründung der östlichen Besatzungsblätter in personeller und materieller Hinsicht nicht unproblematisch. Obwohl sich aus dem Namen der DZO schließen ließe, dass sie im Reichskommissariat einen exklusiven Status hatte, erschienen mit der Revaler, Minsker, Kauener und Wilnaer Zeitung noch weitere Besatzungsblätter. Diese waren ursprünglich als Ausgaben der DZO vorgesehen, dieser Plan musste jedoch u. a. wegen der Verkehrsbedingungen fallen gelassen werden.[1]

Trotz der Anlaufschwierigkeiten konnte bereits anderthalb Monate nach Kriegsbeginn die Erstausgabe herausgegeben werden. Als Hauptschriftleiter hatte man Fritz Michel, vormals bei der Kieler Nordischen Rundschau, geholt. Michel war eine lokale Größe im Kulturbetrieb und Pressewesen des Kreises Schleswig und auch als Lyriker recht erfolgreich gewesen. Ursprünglich von nationalliberaler Gesinnung (er war in den 1920er Jahren Mitglied der Deutschen Volkspartei und Freimaurer) hatte er sich erst später dem Nationalsozialismus zugewandt und 1933 eine Bücherverbrennung in Schleswig in der örtlichen Zeitung in einem Gedicht gefeiert.[2]

Umfang, Auflage und Nebenausgaben

Die DZO erschien an allen Wochentagen im Berliner Format mit 12–18 Seiten und erreichte nach Angaben der östlichen Reichskommissare im August 1942 eine Auflage von 90.000 Exemplaren.[3] Damit lagen Umfang und Auflage deutlich über denen der westlichen Besatzungszeitungen, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Mehrzahl der deutschen Soldaten seit dem Angriff auf dem östlichen Kriegsschauplatz befand. Auch wenn die anderen Zeitungen des Reichskommissariats nun als eigenständige Zeitungen heraus kamen, so wurden sie nach Angaben von Michel dennoch gelegentlich auf die DZO ausgerichtet, außerdem seien Leitartikel und Redakteure untereinander ausgetauscht worden.[1]

Die DZO erschien als Feld- bzw. Frontzeitung noch unter drei weiteren Namen: Feldzeitung, Marine-Frontzeitung und Luftflotte Nordost. Die Gesamtauflage dieser Ausgaben betrug 37.000 Exemplare, als reine Soldatenzeitungen wurden sie nur in einer Zahl von 2.000 Exemplaren an den zivilen Bereich abgegeben.[1] Die DZO wurde ebenfalls an die Front ausgeliefert und auch von Flugzeugen über Kesseln abgeworfen.

Inhalt und Überwachung

Amanns Behauptung, dass seine Besatzungszeitungen mehr Freiheiten als die Inlandspresse gehabt hätten und manche Redakteure aufgrund von Verstößen gegen Vorgaben in ernste Schwierigkeiten gekommen seien, war, wie Vorkommnisse bei den Schwesterzeitungen zeigten, nicht völlig unberechtigt.[4] So konnten Schriftsteller wie Frank Thieß, Hans Franck[5] und Manfred Hausmann, die im Reich von einem Veröffentlichungsverbot betroffen waren, in der DZO weiter publizieren, zudem band die Zeitung lettische und russische Autoren ein, womit sie gegen eine Anordnung von Alfred Rosenberg verstieß, der die Verwendung von Beiträgen einheimischer Autoren untersagt hatte.[6] Diese „Ausscherungen“ führten dazu, dass Michel einer Vorladung zu Rosenberg Folge leisten musste und beinahe verhaftet worden wäre.[7]

Zu den weiteren Mitarbeitern zählten der zu jener Zeit als Kriegsberichtserstatter arbeitende Musikwissenschaflter Kurt Honolka sowie eine Reihe anderer Autoren, die ansonsten auch für Publikationen wie Signal schrieben oder deren Beiträge ebenfalls in Schwesterblättern der DZO erschienen.[8]

Vorläufiges Ende und Weiterführung als Notausgabe

Sowohl zu Anfang als auch zu Ende machte der Zeitung ihre abgeschnittene Lage zu schaffen, sodass sie auf Informationen aus zweiter Hand (Rundfunkberichte und Zeitungen aus dem Reich), Archivmaterial und Frontberichte angewiesen war. Die letzte reguläre Ausgabe erschien zu einem Zeitpunkt, als bei der DZO nur noch drei Redakteure und einige lettische Mitarbeiter verblieben waren und die Rote Armee bereits die Vorstädte Rigas erreicht hatte. Mittels der fahrbaren Druckerei wurde die Zeitung vom 16. Oktober an noch bis 1945 in Libau in rudimentärer Weise mit einem nur noch zweiseitigen Umfang fortgeführt.[9]

Nachdem Michel bereits in den Jahren 1923 bis 1937 Hauptschriftleiter der Schlewsiger Nachrichten gewesen war, konnte er von 1949 bis 1965 dort wieder in seiner früheren Position an diese Zeit anschließen.[10]

Literatur

Hans-Dieter Handrack: Das Reichskommissariat Ostland: Die Kulturpolitik der deutschen Verwaltung zwischen Autonomie und Gleichschaltung 1941–1944. Gauke, München 1981, ISBN 3-87998-038-1, S. 194–196

Einzelnachweise

  1. a b c Handrack, S. 194.
  2. Lawrence D. Stokes: Der Eutiner Dichterkreis und der Nationalsozialismus 1936–1945, Wachholtz, Neumünster 2001, ISBN 3-529-02211-X, S. 384–389.
  3. Handrack, S. 194 u. Helmut Schaller: Der Nationalsozialismus und die slawische Welt. Pustet, Regensburg 2002, ISBN 3-7917-1820-7, S. 242.
  4. Oron J. Hale: Presse in der Zwangsjacke 1933–45. Droste, Düsseldorf 1965, S. 281. Zu den Verstößen siehe die Artikel zur Deutschen Zeitung in den Niederlanden und Pariser Zeitung
  5. Bei Handrack fälschlicherweise ohne c (S. 195).
  6. Heinz-Werner Eckhardt: Die Frontzeitungen des deutschen Heeres 1939–1945. Wilhelm Braumüller Universitäts-Verlagsbuchhandlung, Wien/Stuttgart 1975, S. 8.
  7. Handrack, S. 195.
  8. Zu Honolka Peter Köpf: Schreiben nach jeder Richtung. Goebbels-Propagandisten in der westdeutschen Nachkriegspresse. Ch. Links, Berlin 1995, ISBN 3-86153-094-5, S. 67. Andere Autoren finden sich über das Medienregister auf S. 289.
  9. Handrack, S. 196.
  10. Uwe Danker, Astrid Schwabe: Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus. Wachholtz, Neumünster 2005, ISBN 3-529-02810-X, S. 39

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