Derby (Mannschaftssport)

Derby (Mannschaftssport)

Der Begriff Derby (Aussprache britisch [ˈdɑːbɪ] oder US-amerikanisch [ˈdɜrbi]), häufig auch Lokalderby, im spanischen Sprachgebrauch Clásico, in Nordamerika crosstown rivalry bezeichnet ein spezielles Ereignis im Mannschaftssport, bei dem zwei meist rivalisierende Sportvereine einer Region aufeinander treffen. Für die Fans der betroffenen Vereine haben solche Ereignisse eine hohe symbolische Bedeutung und starke Emotionen werden hervorgerufen.

Als die bekanntesten Beispiele für Fußballderbys gelten das als Old Firm bekannte Glasgower-Duell zwischen dem Celtic FC und dem Rangers FC sowie das als Superclásico bezeichnete Spiel zwischen Boca Juniors und River Plate in Buenos Aires. Eines der bekanntesten deutschen Derbys ist das Revierderby zwischen den beiden Vereinen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04, welche sich seit Jahrzehnten um den Rang der besten Fußballmannschaft des Ruhrgebietes streiten. Allerdings ist das Frankenderby zwischen dem 1. FC Nürnberg und der SpVgg Greuther Fürth das in Deutschland am häufigsten ausgetragene Derby.[1] In Österreich ist das Wiener Derby zwischen Rapid und Austria wohl das bekannteste Beispiel. Es ist nach dem Old Firm das am zweithäufigsten ausgetragene Fußballderby Europas.

Ein Beispiel für ein Derby in einer anderen Sportart als Fußball sind die New Yorker Subway Series in der Major League Baseball.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Der Begriff „Derby“ geht im Zusammenhang von Mannschaftssportarten auf ein mittelalterliches „Sportereignis“ – das „Shrovetide-Fußballspiel“ – in England zurück. Teilnehmer waren Einwohner benachbarter Gemeinden des Dorfes Ashbourne in der Region Derbyshire. Bei dem Spiel des „derby village“ ging es darum, dass die Spieler versuchten, mit einem Ball das gegnerische Tor – einen Mühlstein – zu berühren. Die Entfernung der Mühlsteine zueinander betrug etwa 3 Meilen. Weder die Regeln des Spiels, noch die Anzahl der Spieler (teilweise bis zu 1000 Teilnehmer) waren genau definiert.[2] Das erste nachweisbare Fußball-Derby der Moderne wurde 1866 in Nottingham zwischen zwei der ältesten Fußballvereinen der Welt ausgetragen, zwischen Nottingham Forest (gegründet 1865) und Notts County (gegründet 1862).

Heutige Verwendung

Der Ausdruck „Derby“ wird heutzutage unterschiedlich gebraucht. Im deutschen Sprachgebrauch steht es fast ausschließlich für Spiele zwischen Vereinsmannschaften, im angelsächsischen Raum spricht man von Derbys ebenso bei bedeutenden Länderspielen wie beispielsweise Schottland gegen England oder Österreich gegen Ungarn. Die Ausdehnung des Spitzenfußballs in den überregionalen Raum hat in Deutschland mit der Zeit zu einem immer inflationäreren Gebrauch des Begriffs geführt.[3] Duelle von Vereinen aus gemeinsamen Regionen oder Bundesländern werden von den Medien, aber auch von den Vereinen selbst in aller Regel schon als „Derby“ beschrieben, auch zwischen vergleichsweise weit auseinanderliegenden Clubs wie dem Bayern München und 1. FC Nürnberg, Werder Bremen und dem Hamburger SV (Nordderby) oder Teams aus der ehemaligen DDR-Oberliga (Ost-Derbys). Begriffe wie Nord-Süd-Derby (für das Duell zwischen dem Hamburger SV und dem FC Bayern München[4]) zeigen, dass der Begriff heute mitunter auch synonym für ein allgemein prestigeträchtiges Traditionsduell verwendet wird.

Arten von Derbys

Stadtderbys

Das Stadtderby ist das Duell zweier Vereine aus derselben Stadt. Häufig geht es hier um den Faktor der regionalen Vorherrschaft, der inoffiziellen Stadtmeisterschaft, zwischen zwei Stadtteilen.

Das wohl bekannteste Stadtderby Deutschlands seit Gründung der Bundesliga dürfte das Münchner Duell zwischen dem FC Bayern München und dem TSV 1860 München sein, weil beide Vereine lange Zeit – insgesamt 18 Spielzeiten – gemeinsam in der höchsten Liga vertreten waren. Andere Stadtderbys gab es in der Bundesliga zwischen dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli, Hertha BSC und Tennis Borussia Berlin, VfB Stuttgart und den Stuttgarter Kickers, dem VfL Bochum und der SG Wattenscheid 09 sowie dem 1. FC Köln und dem SC Fortuna Köln.

International bekannt ist u. a. das Merseyside Derby in Liverpool. Eine Besonderheit ist, dass die beiden Stadien der jeweiligen Konkurrenten FC Liverpool und FC Everton weniger als einen Kilometer voneinander entfernt liegen, getrennt nur durch einen Park. Weiterhin ist die Rivalität der beiden Klubs mit dem Heimstadion des FC Liverpool, dem Stadion an der Anfield-Road, verbunden, denn ursprünglich wurde es für den 1878 gegründeten FC Everton erbaut. 1892 wurde die Pacht aber derart erhöht, dass der Verein den Umzug in den Goodison Park vorzog und der Stadionbesitzer den FC Liverpool gründete.

Regionalderbys zwischen zwei Nachbarstädten

Neben dem Konkurrenzkampf innerhalb einer Stadt gibt es auch Rivalitäten zu benachbarten Orten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um vergleichsweise kleine Städte handelt oder aber die Konkurrenz innerhalb der Stadt für eine „richtige“ Rivalität nicht ausreichend ist.[5] So werden z. B. Spiele zwischen Vereinen, die im Rheinland beheimatet sind, als Rheinische Derbys bezeichnet oder bei Duellen zwischen Städten aus dem Ruhrgebiet als Revierderby. Diese Konkurrenzsituationen bestehen teilweise schon seit mehreren Jahrhunderten und setzen sich in den Duellen zweier Fußballclubs fort. So im Falle der beiden niedersächsischen Vereine Hannover 96 und Eintracht Braunschweig, deren Heimatstädte seit Jahrhunderten auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet rivalisieren[6] und die erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit in einem Staatsgebiet vereint sind.

Als das traditionsreichste Regionalderby in Deutschland kann das fränkische Lokalderby zwischen der SpVgg Greuther Fürth (ehemals SpVgg Fürth) und dem 1. FC Nürnberg angesehen werden. In über 250 Begegnungen trafen sich die beiden Teams bereits seit 1903. In den 1910er und 1920er Jahren sowie noch mal Anfang der 1950er zählte es zu den hochklassigsten Derbys in ganz Deutschland.[1] Die gegenseitige Abneigung zueinander wird durch eine Anekdote aus dieser Zeit gut verdeutlicht: Zum Länderspiel am 21. April 1924 in Amsterdam gegen die Niederlande hatte der DFB nur Fürther und Nürnberger Spieler berufen. Sie reisten im gleichen Zug an und ab, die Nürnberger aber im ersten und die Fürther Spieler im letzten Wagen.[7]

Derbys im Zusammenhang mit politischen/religiösen Einflüssen

Besondere Brisanz herrscht bei Derbys, bei denen nicht nur zwei Vereine, sondern auch zwei von den jeweiligen Fangruppen getragene Weltanschauungen aufeinander treffen. So wird das Hamburger Stadtderby FC St. Pauli gegen den Hamburger SV immer wieder von politisch orientierten Fangruppen als Plattform für ein Duell der (links-) alternativen Szene gegen die deren Ansicht nach rechte Szene des HSV benutzt. Ähnliches ließ sich auch in Berlin bei Spielen von Tennis Borussia Berlin gegen einen anderen der drei großen Berliner Vereine (Hertha BSC, 1. FC Union Berlin oder BFC Dynamo) beobachten, jedoch nicht in der Bedeutung und Größenordnung wie in Hamburg.

Aufgrund der hohen politischen Einflussnahme auf den Sport in der ehemaligen DDR besaßen Derbys dort ebenfalls eine politische Brisanz, die auch in die heutige Zeit transportiert wurde. Im Kern basieren diese Differenzen auf dem Ansinnen der DDR-Führung, das sportliche Potential in so genannten Leistungszentren zu bündeln, was im Endeffekt dazu führte, dass einige Vereine besondere Vorzüge und Förderungen genossen, während die anderen in der Region angesiedelten Vereine das Nachsehen hatten. Dies äußerte sich z. B. in Leipzig zwischen dem 1. FC Lokomotive und Chemie Leipzig oder auch im Thüringer Derby zwischen dem FC Carl Zeiss Jena und dem FC Rot-Weiß Erfurt. Ganz besonders zum Vorschein kamen die Spannungen im Ost-Berliner Stadtderby zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem BFC Dynamo. Union galt als Verein der Arbeiter und Regimekritiker, während der – von Erich Mielke geförderte – BFC in den Augen vieler Fans nur der „Stasiklub“ war.

Neben politischen trennen auch religiöse Anschauungen die Fanlager zweier Mannschaften voneinander. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Old Firm genannte Glasgower Duell zwischen dem Celtic FC als Verein der Katholiken und dem Rangers FC als Klub der Protestanten. Nebenher hat diese Partie ebenfalls einen politischen Aspekt. So werden in den Fan-Blöcken der Celtic-Fans, in Anlehnung an die keltischen und irischen Wurzeln des Vereins, irische Flaggen geschwenkt, von den Fans der Rangers wird der Union Jack (die Flagge des Vereinigten Königreiches) präsentiert.

Derbys im Zusammenhang mit Klassenunterschieden

In Österreich gibt es eine starke Rivalität zwischen den Wiener Vereinen FK Austria Wien und SK Rapid Wien. Das Wiener Derby resultiert nicht nur aus lokaler Nähe, hinzu kommen noch starke ideologische Unterschiede: Rapid gilt als Verein der Arbeiterklasse, Austria als Verein des Bürgertums. Gleich verhielt es sich ursprünglich im Grazer Derby zwischen dem SK Sturm Graz (ursprünglich Arbeiterklasse) und dem Grazer AK (ursprünglich Akademikerverein). Ebenso ist das Stadtderby in Zürich traditionell eine Auseinandersetzung eines Arbeiterklubs (FC Zürich) mit einem bürgerlichen Verein (Grasshoppers Zürich). Diese Grenzen verschwimmen jedoch zunehmend, aufgrund der gesellschaftliche Durchmischung bei den Besuchern und aufgrund der Vereinspolitik.

Derbys im Zusammenhang mit Katastrophen und Gewalt

Wenn besonders starke Emotionen im Spiel sind, werden gewalttätige Auseinandersetzungen wahrscheinlicher. Fast jedes Derby wird so zu einer Herausforderung für die Sicherheitskräfte. El Superclásico, das „Superderby“, in Buenos Aires zwischen den Klubs River Plate und Boca Juniors gilt als eines der brisantesten Derbys der Fußballwelt. Oft genug entlud sich die Energie in Gewalt. 1994 konnte River Plate das Spiel mit 2:0 für sich entscheiden, was dazu führte, dass einer der Anführer der Boca-Fans den Mord an zwei Fans von River Plate in Auftrag gab. Die zynische Bemerkung, die im argentinischen Fernsehen und als Graffiti in der Stadt zu finden war, lautete schlicht: „Empatamos“, „wir haben zum 2:2 ausgeglichen“.[8] Bereits im Juni 1968 starben bei dem Spiel River Plate gegen Boca Juniors 73 Menschen und über 150 wurden verletzt, als ein Ausgang verschlossen war und die Massen immer weiter versuchten, das Stadion zu verlassen.

Auch in Deutschland gab es immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen im Rahmen von Fußballderbys, so zum Beispiel zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund, dem Hamburger SV und Werder Bremen oder Kickers Offenbach und Eintracht Frankfurt. In den 90er Jahren hat sich die Gewalt und das Hooliganproblem jedoch in die unteren Ligen verlagert, sodass es in den Profiligen nur noch selten zu Auseinandersetzungen kommt (wie zum Beispiel beim Berlin-Brandenburg-Derby zwischen Hertha BSC und Energie Cottbus im März 2007 oder im Mai desselben Jahres beim Revierderby).

Im Rahmen des Ostberliner Derbys zwischen dem BFC Dynamo und Union Berlin im Mai 2006 kam es ebenfalls zu schweren Ausschreitungen, als während der Partie der BFC-Anhang das Spielfeld stürmte und versuchte, sich Zugang zum Gästefanblock (in dem die Union-Fans untergebracht waren) zu verschaffen. Der Union-Block floh daraufhin aus dem Stadion. Das Spiel wurde abgebrochen und im Nachhinein 2:0 für Union Berlin gewertet.

Siehe auch

Literatur

  • Omar Gisler: Fußballderbys - Die 75 fußballverrücktesten Städte der Welt. Copress Sport Verlag, 2007, ISBN 978-3-7679-0883-3.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Derby – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Jürgen Schmidt: Die Geschichte des Frankenderbys. In: www.greuther-fuerth.de. SpVgg Greuther Fürth GmbH & Co. KGaA, abgerufen am 16. April 2009.
  2. Die Geschichte des Fussballs. In: home.datacomm.ch/barca. Penya Barcelonista Suiza Berna, abgerufen am 9. September 2010.
  3. Jens Kirschneck und Thorsten Schaar: Wenn Leidenschaft über Leichen geht. In: Spiegel Online. 25. Februar 2010, abgerufen am 9. September 2010.
  4. Die Stimmen zum Nord-Süd-Derby. FC Bayern München, 28. Februar 2010, abgerufen am 9. September 2010.
  5. Michael Ebert: Das besondere Derby für Dutt. In: kicker Sportmagazin. 9. September 2010, abgerufen am 9. September 2010.
  6. Thomas Fröhlich: Eintracht und 96 – Rivalen seit mehr als 100 Jahren. In: Braunschweiger Zeitung. 24. Februar 2007, abgerufen am 15. Juni 2011.
  7. Michael Jahn: Drittklassig und ausverkauft. In: Berliner Zeitung. 31. August 1996, abgerufen am 9. September 2010.
  8. Udo Löffler: Der Ball muß rollen - um jeden Preis. In: Matices. 1999, abgerufen am 9. September 2010.

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