Das weite Land

Das weite Land

Das weite Land ist eine Tragikomödie in fünf Akten von Arthur Schnitzler, die am 14. Oktober 1911[1] am Volkstheater in Wien uraufgeführt wurde.[2][3] Der Text erschien im selben Jahr bei S. Fischer in Berlin.[4]

Der Wiener Fabrikant Friedrich Hofreiter bricht mehrfach die Ehe, kann aber die darauf folgende Untreue seiner Gattin Genia nicht verzeihen. Der gemeinsame halbwüchsige Sohn Percy kann die zerbrochene Ehe nicht kitten.

Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Ehemänner in dem Stück stehen ratlos vor einem Phänomen. Sie betrügen ihre Frauen und werden betrogen. Auf die Frage nach dem Warum fällt ihnen als Antwort nur ein, der Mensch sei ein „kompliziertes Subjekt“ und seine Seele „ein weites Land“.[5]

Inhalt

Der Glühbirnenfabrikant Friedrich Hofreiter hat eine Affäre mit Adele, der Gattin seines Bankiers Natter, hinter sich. Dieser verbreitet das Gerücht, der weltberühmte russische Pianist Korsakow habe sich aus unglücklicher Liebe zu Hofreiters Frau Genia umgebracht.

Adele Natter hält Hofreiter vor, dass er mit dem 20jährigen Fräulein Erna Wahl in geradezu unverschämter Weise flirte. Dr. Franz Mauer, den Hofreiter seinen einzigen Freund nennt, macht Erna einen Antrag, bekommt aber nicht die erhoffte Zusage. Genia versteht nicht, warum ihr Mann unerwartet mit Freunden zu einer längeren Bergtour aufbrechen will. Von Hofreiter erhält sie zur Antwort, er halte es neben einer Frau nicht aus, deren Tugend Korsakow in den Tod getrieben habe. Zuvor hatte Genia ihrem Gatten einen Brief Korsakows vorgewiesen, aus dem ihre eheliche Treue hervorging.

Hofreiter beginnt mit Erna in den Dolomiten ein Verhältnis und macht ihr darauf einen Heiratsantrag. Erna ist zwar seit ihrer Kindheit in den Fabrikanten verliebt, will aber noch ledig bleiben. Otto von Aigner, Fähnrich in der Marine und Genia Hofreiter gestehen einander ihre Liebe. Hofreiter vermutet, Bankier Natter habe das Gerücht, nach dem Korsakow einem amerikanischen Duell zum Opfer gefallen sei, aus Rachsucht in die Welt gesetzt. Zunächst atmet er auf, als seine Frau mit dem Fähnrich Otto die Ehe gebrochen hat.

Der Bankier Natter eröffnet Hofreiter, er liebe seine Frau Adele immer noch und habe in der Tat das Gerücht von dem Duell verbreitet. Dass die Geschichte mit dem Duell nicht wahr sei, könne Hofreiter nicht beweisen. Er mag sich nicht mit Hofreiter duellieren. Genia will sich ihrem Mann offenbaren, erfährt aber zu ihrem Schrecken, dass dieser schon Bescheid weiß. Hofreiter fordert Fähnrich Otto zum Duell. Genia teilt Erna in einem Vier-Augen-Gespräch mit, dass sie von dem Abenteuer in den Dolomiten weiß. Die Mutter des Fähnrichs, ebenfalls in einem Gespräch unter vier Augen mit Genia, bringt Verständnis für die Liebesbeziehung ihres Sohnes auf.

Hofreiter tötet den Fähnrich im Duell, trifft danach zu Hause auf die beiden Frauen und verschweigt der Mutter des Toten seine Tat. Er will sich aber den Behörden stellen und gibt Erna den Laufpass.

Form

Schnitzler stellt zwar Hofreiter als den Bösewicht im Stück hin, doch der Protagonist zeigt immerhin Schuldbewusstsein, wovon auch der Schluss zeugt. Erna will Hofreiter bedingungslos folgen. Aber er gehöre „niemandem auf der Welt… Will auch nicht“. Als der Sohn Percy aus England kommt, wird Hofreiter schmerzlich bewusst, was er verloren hat.[6]

Schnitzler hat die Geschehnisse mit Geschick auf die Bühne gestellt. Als Mittel verwendet er Gerüchte, den Botenbericht und kleinere und größere zeitliche Lücken zwischen den Akten. Letztere Technik regt den Zuschauer zum Nachdenken über die Vorgänge hinter den Kulissen an. Überhaupt erweist sich Schnitzler im Weiten Land als Meister der indirekten Aussage. Wenig Bestimmtes kommt zur Sprache und doch wird dem Zuschauer alles klar, obwohl er zeitweise auf falsche Fährten gelockt wird.[7]

Zitate

  • „Es gibt Herzen, in denen nichts verjährt.“[8]
  • „Es gibt vielleicht wirklich nur ein schweres [Wort] auf der Welt - und das heißt Lüge.“[9]

Selbstzeugnisse

  • Schnitzler notiert am 31. Mai 1909: „… als ganzes mein bestgebautes Stück,… inhaltlich viel zukunftweisendes; in Nebendingen manches conventionell und billig.“[10] Und am 26. April 1910: „Finde das Stück gut - ja möglicherweise zu gut für einen Theatererfolg.“[11]
  • Tagebucheintrag vom 14. Oktober 1911: Anlässlich der Premiere in Wien wurde Schnitzler vierundzwanzigmal vom Publikum auf die Bühne gerufen.[12]
  • Tagebucheintrag vom 14. Juni 1915: „Empfind ich bei so vielem von mir, dass ich etwas weniger bin, als das was ich selbst einen Künstler nenne; - hier bin ich - etwas mehr.“[13]

Rezeption

  • Brahm nennt am 21. Juni 1910 in einem Brief an Schnitzler das Stück „durchaus neuartig im Stil“, den er „als pointillistisch“ bezeichnet.[14]
  • Brandes am 19. Oktober 1911: „In der hier vorgeführten, sehr reichen und schillernden Welt ist aber jedes Vertrauen unmöglich.“[15]
  • Polgar bezeichnet das Stück als ein „wohlorganisiertes Konzert der Würmer im Holz“.[16] Grossmann und Kraus[17] warfen Schnitzler Nähe zum Pariser Boulevardtheater vor.
  • 29. Oktober bis 17. November 1911: Schnitzler begibt sich an Aufführungsorte seines Stückes; wird in Prag, Berlin, Hamburg und München gefeiert.[18]
  • Nach Sabler hat Schnitzler die Grenze des Darstellbaren hinausgeschoben: Die außereheliche Beziehung wird in Form von Konversation auf die Bühne gestellt.[19]
  • Der Protagonist vom neuen Typus ist in dem Stück bezeichnenderweise ein Glühbirnenfabrikant. Das Faszinosum an diesem Hofreiter sei nicht seine Persönlichkeit, sondern die Courage, mit der er das Althergebrachte beseitigt.[20]
  • Das Ehepaar Hofreiter stecke in einer Midlife Crisis.[21]
  • Furtmüller hat das Stück psychoanalytisch zergliedert.[22]
  • Pankau nennt weiter führende Stellen zum Studium des Stücks (Christian Benne, Alfred Doppler, Konstanze Fliedl, Heike Söhnlein, Reinhard Urbach und Heiner Willenberg).[23] Arnold gibt noch die Arbeit von Patricia Howe (New York 1990) an.[24] Zudem weist Perlmann[25] auf Arbeiten von Sol Liptzin (1931), Anna Stroka (1971), Kilian (1972), Offermanns (1973), Rena Schlein (1973), Martin Swales (1977), Cäcilie Madl (1979) und Kurt Bergel (1986) hin.

Verfilmungen

Eintrag 39 in: Verfilmungen

Hörspiele

Eintrag 90 bis 93 in: Hörspiele

Literatur

Quelle
  • Arthur Schnitzler: Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten S. 7 bis 124 in Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Arthur Schnitzler: Komödie der Verführung. Zeitstücke 1909 - 1924. Mit einem Nachwort von Hermann Korte. S. Fischer, Frankfurt am Main 1961 (Ausgabe 2000). 553 Seiten, ISBN 3-10-073559-5
Ausgaben
  • Arthur Schnitzler: Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten. S. Fischer Berlin 1920. Kartoniert. 174 Seiten
  • Reinhard Urbach (Hrsg.): Arthur Schnitzler: Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten. Reclams Universal-Bibliothek 18161. Dezember 2002. 183 Seiten, ISBN 978-3-15-018161-4
Sekundärliteratur
  • Hartmut Scheible: Arthur Schnitzler. rowohlts monographien. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg Februar 1976 (Aufl. Dezember 1990). 160 Seiten, ISBN 3-499-50235-6
  • Therese Nickl (Hrsg.), Heinrich Schnitzler (Hrsg.): Arthur Schnitzler. Jugend in Wien. Eine Autobiographie. Mit einem Nachwort von Friedrich Torberg. Fischer Taschenbuch. Frankfurt am Main 2006. 381 Seiten, ISBN 978-3-596-16852-1 (© Verlag Fritz Molden, Wien 1968)
  • Michaela L. Perlmann: Arthur Schnitzler. Sammlung Metzler, Bd. 239. Stuttgart 1987. 195 Seiten, ISBN 3-476-10239-4
  • Wolfgang Sabler: Moderne und Boulevardtheater. Bemerkung zur Wirkung und zum dramatischen Werk Arthur Schnitzlers. S. 89 - 101 in: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Arthur Schnitzler. Verlag edition text + kritik, Zeitschrift für Literatur, Heft 138/139, April 1998, 174 Seiten, ISBN 3-88377-577-0
  • Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Arthur Schnitzler. Verlag edition text + kritik, Zeitschrift für Literatur, Heft 138/139, April 1998, 174 Seiten, ISBN 3-88377-577-0
  • Giuseppe Farese: Arthur Schnitzler. Ein Leben in Wien. 1862 - 1931. Aus dem Italienischen von Karin Krieger. C. H. Beck München 1999. 360 Seiten, ISBN 3-406-45292-2. Original: Arthur Schnitzler. Una vita a Vienna. 1862 - 1931. Mondadori Mailand 1997
  • Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1900 - 1918. München 2004. 924 Seiten, ISBN 3-406-52178-9
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A - Z. S. 555, 2. Spalte, 14. Z.v.u. Stuttgart 2004. 698 Seiten, ISBN 3-520-83704-8
  • Johannes G. Pankau: Das weite Land. Das Natürliche als Chaos. S. 134 - 147 in Hee-Ju Kim und Günter Saße (Hrsg.): Interpretationen. Arthur Schnitzler. Dramen und Erzählungen. Reclams Universal-Bibliothek Nr. 17352. Stuttgart 2007. 270 Seiten, ISBN 978-3-15-017532-3
  • Jacques Le Rider: Arthur Schnitzler oder Die Wiener Belle Époque. Aus dem Französischen von Christian Winterhalter. Passagen Verlag Wien 2007. 242 Seiten, ISBN 978-3-85165-767-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Quelle, S. 536, 1. Z.v.o.
  2. Uraufführung
  3. Zeitgleich wurde das Stück am Lessingtheater Berlin, am Lobe-Theater Breslau, am Residenztheater München, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, am Deutschen Landestheater Prag, am Alten Stadttheater Leipzig, an der Schauburg Hannover und am Stadttheater Bochum aufgeführt (Nickl, H. Schnitzler, S. 370, 17. Z.v.u.).
  4. Quelle, S. 551, erster Eintrag
  5. Quelle, S. 80, 14. Z.v.u. und S. 80, 7. Z.v.u.
  6. Quelle, S. 124
  7. siehe zum Beispiel Quelle, S. 44, 3. Z.v.u. oder S. 88, 12. Z.v.u.
  8. Quelle S. 53, 1. Z.v.u.
  9. Quelle S. 110, 2. Z.v.u.
  10. Zitiert bei Farese, S. 140, 6. Z.v.o.
  11. Zitiert bei Farese, S. 143, 11. Z.v.o.
  12. Sabler S. 89, 12. Z.v.u.
  13. zitiert bei Farese, S. 153, 3. Z.v.u.
  14. zitiert bei Farese, S. 152, 3. Z.v.u.
  15. zitiert in Farese, S. 153, 21. Z.v.o.
  16. zitiert bei Sprengel, S. 472, 2. Z.v.o.
  17. Le Rider, S. 30, 10. Z.v.o.
  18. Farese, S. 154 unten
  19. Sabler S. 96, 17. Z.v.o.
  20. Scheible, S. 100
  21. Perlmann S. 92 unten
  22. Le Rider, S. 119, 2. Z.v.o.
  23. Pankau S. 146, 147
  24. Arnold (1998), S. 167, linke Spalte, Kap. 3.5.34
  25. Perlmann, S. 107, zweiter Eintrag

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