Das Leben: Eine Lüge

Das Leben: Eine Lüge
Filmdaten
Deutscher Titel Das Leben: Eine Lüge
Originaltitel Un héros très discret
Produktionsland Frankreich
Originalsprache Französisch
Erscheinungsjahr 1996
Länge 105 Minuten
Stab
Regie Jacques Audiard
Drehbuch Jacques Audiard, Alain Le Henry, nach einem Roman von Jean-François Deniau
Musik Alexandre Desplat
Kamera Jean-Marc Fabre
Schnitt Juliette Welfling
Besetzung

Das Leben: Eine Lüge ist die zweite Regiearbeit des französischen Filmemachers Jacques Audiard, der auch das Drehbuch mitverfasste. An den Filmfestspielen von Cannes 1996 uraufgeführt, erhielt er dort den Großen Preis für das beste Drehbuch zugesprochen. Die Erzählung beruht auf dem Roman Un héros très discret (1989) von Jean-François Deniau. Sie handelt von einem jungen Franzosen, an dem die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs in einem Provinzkaff fast spurlos vorbeigegangen sind, und der sich nach der Befreiung Ende 1944 eine Vergangenheit als Résistance-Kämpfer andichtet. Die Erzählung vom Hochstapler, dem die Menschen allzu gerne Glauben schenken, geht über den Einzelfall hinaus. Sie zielt auf eine im Nachkriegsfrankreich verbreitete Haltung, wonach jeder während des Krieges ein Held, keiner ein Kollaborateur gewesen sein will. Audiard : „Und dann gab es diese große Lüge, daß ganz Frankreich Widerstand geleistet habe. Eine Nation, die sich selbst anlügt, weil die Wahrheit nicht schön anzusehen und auszusprechen ist. (...) Neben den wahrhaft heroischen Akteuren dieser Zeit gab es auch Lügner und jene, die belogen werden wollten.“[1]

Kritik

Schon lange, meinte die Kritikerin von Les Echos, habe das französische Kino seinem Publikum einen so starken und so verstörenden Film geschenkt. Audiard habe einen kühlen, feststellenden Ton und setze seine Mittel, die den Rhythmus nie bremsen, sparsam ein. Sekundiert von perfekten Nebendarstellern, spiele Mathieu Kassovitz verblüffend gelassen und sogar im Unwahrscheinlichen natürlich. Der Film erzähle von der kolossalen Fähigkeit unserer Gesellschaft (hier, damals, aber...), sich zum Besten halten zu lassen, wenn ihr das entgegenkommt, sich die Geschichte zusammenzusetzen für ein gutes Gewissen, und Betrüger zu vergöttern, wenn sie selbstgewiss und schneidig auftreten.[2] Ablehnend äußerte sich Jean-Michel Frodon in Le Monde. Der Regisseur zeige zwar seine inszenatorischen Fähigkeiten und Kassovitz spiele mit fragloser Wirksamkeit. Der Umgang mit dem heiklen historischen Stoff sei Audiard aber nur teilweise geglückt. Letztlich sei das kein Geschichtsfilm, sondern einer über das Spektakel, und die Figuren halten mehrfach Lobreden auf den falschen Schein. Noch peinlicher sei, dass diese Botschaft auf formaler Ebene mit visuellen Tricks und Traumbildern verdoppelt werde. Der Zuschauer solle zum Komplizen gemacht und manipuliert werden, indem man ihn Illusionisten beklatschen lasse. Niemand sei verpflichtet die These sympathisch zu finden, die Wahrheit sei nichts als ein Köder für Naive.[3]

Das Leben: Eine Lüge war in Deutschland erstmals am Filmfest Hamburg 1996 zu sehen, kam jedoch nicht ins reguläre Kinoprogramm. Die Süddeutsche Zeitung rühmte das „hinreißende Porträt eines im Grunde ganz schüchternen Windhunds, der selber am meisten über seine Tollkühnheit erstaunt ist.“ Wie andere erfolgreiche Geschichten auch, verhelfe diese dem Ohnmächtigen zu einem Gefühl von Macht und Stärke. „Ein bißchen Magie gehört eben nun einmal dazu. Und genau dies ist Audiard auf beeindruckend leichte, fast selbstironische Weise gelungen.“[4] Als „ebenso charmant wie sarkastisch-bissig“ bezeichnete die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Streifen, dessen Hauptdarsteller „die Eleganz des Unscheinbaren in Vollendung beherrscht.“ Der Kritiker resümmierte: „Niemand nimmt das Ernste leichter als die Franzosen, ohne es leichtzunehmen.“[5] Die taz-Kritikerin fand die Komödie und Kassovitz beide „fantastisch“. Die Vorwürfe der Libération, der Film sei zu leichtgewichtig gerade in Zeiten, in denen Revisionismus aufblühe, wies sie zurück: „als wäre nicht gerade so ein Film Zeichen allergrößter Souveränität und Gelassenheit und als müsste man nicht eher den großen Offenbarern und Enttarnern misstrauen.“[6] Die Rezensentin des film-dienstes war entzückt: „Die Glaubwürdigkeit und der Erfolg des Films sind nicht zuletzt der großartigen Interpretation von Mathieu Kassovitz zu verdanken, der den Film trägt. Sein zurückhaltendes und zugleich nuancenreiches Spiel verleiht der Figur so viel Charme, daß der Zuschauer nicht umhin kann, diesen Anti-Helden sympathisch zu finden.“[1]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Roswitha Naddaf: Dem Charme der Helden erlegen. Neue französische Filme. In: film-dienst, Nr. 21/1996
  2. Annie Coppermann: Cinéma en competition à Cannes. Un héros très discret. In: Les Echos, 15, Mai 1996, S. 47
  3. Jean-Michel Frodon: Un efficace et discutable éloge du mensonge. In: Le Monde, 17. Mai 1996
  4. Peter Buchka: Ein bißchen Magie gehört einfach dazu. In: Süddeutsche Zeitung, 18. Mai 1996, S. 14
  5. Hans-Dieter Seidel: Lieber Schneeschippen in Minnesota. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Mai 1996, S. 41
  6. Mariam Niroumand: Cannes Cannes. In: taz, 17. Mai 1996, S. 15

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Das Leben ist Lüge — Filmdaten Deutscher Titel Leben ist Lüge Originaltitel Lonelyhearts Produk …   Deutsch Wikipedia

  • Das Leben ist ein Spiel — Filmdaten Deutscher Titel Das Leben ist ein Spiel Originaltitel Rien ne va plus …   Deutsch Wikipedia

  • Leben ist Lüge — Filmdaten Deutscher Titel: Leben ist Lüge Originaltitel: Lonelyhearts Produktionsland: USA Erscheinungsjahr: 1958 Länge: 100 Minuten Originalsprache: Englisch …   Deutsch Wikipedia

  • Lüge — Eine Lüge ist eine Aussage, von der der Sender (Lügner) weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist, und die mit der Absicht geäußert wird, dass der oder die Empfänger sie trotzdem glauben.[1] Dies geschieht meist, um einen Vorteil zu erlangen oder… …   Deutsch Wikipedia

  • Das Sein und das Nichts — Das Sein und das Nichts[jps 1], Versuch einer phänomenologischen Ontologie (orig. L être et le néant. Essai d ontologie phénoménologique von 1943) ist das philosophische Hauptwerk von Jean Paul Sartre, in dessen Zentrum die Frage nach der… …   Deutsch Wikipedia

  • Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman — ist ein Roman, den der deutsche Schriftsteller Wilhelm Genazino 2003 veröffentlichte. Er erzählt aus der Ich Perspektive die Entwicklung eines jungen Mannes vom Schulversager zum Schriftsteller. Der Roman spielt um 1960[1] in einer ungenannten… …   Deutsch Wikipedia

  • Das dreißigste Jahr — ist ein von Ingeborg Bachmann zuerst 1961 veröffentlichter Zyklus von sieben Erzählungen, die sich mit Themen der Nachkriegszeit in Österreich und Deutschland beschäftigen. Obgleich die Öffentlichkeit auf diesen ersten Prosatext der Autorin… …   Deutsch Wikipedia

  • Das große Heft — ist ein Roman von Ágota Kristóf. Er erschien 1986 unter dem Titel Le grand cahier auf Französisch und wurde zum ersten Band einer Trilogie. Der Roman wurde 1987 als „Livre Européen“ ausgezeichnet und in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Im… …   Deutsch Wikipedia

  • Das grosse Heft — (Le grand cahier) ist der Titel eines Romans von Agota Kristof. Der Roman wurde 1986 in französischer Sprache veröffentlicht und zum ersten Band einer Trilogie. In den folgenden Jahren wurde Das grosse Heft in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt… …   Deutsch Wikipedia

  • Das Böse — (ahd. bôsi, von germanisch *bausja „gering, schlecht“, genaue Etymologie unklar)[1] ist der Gegenbegriff zum Guten und ein zentraler Gegenstand der Religion, Religionswissenschaft, Kulturwissenschaft, Religionsphilosophie, und philosophischer… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”