Darmstädter Schloss (Groß-Umstadt)

Darmstädter Schloss (Groß-Umstadt)
Darmstädter Schloss (Groß-Umstadt)
Das Schloss in einer Zeichnung von 1655[1] aus der in der Topographia Germaniae erschienen Topographia Hassiae von Matthäus Merian. Blick vom südöstlichen Herrnberg nach Norden über den östlichen Teil der Stadt[2]

Das Schloss in einer Zeichnung von 1655[1] aus der in der Topographia Germaniae erschienen Topographia Hassiae von Matthäus Merian. Blick vom südöstlichen Herrnberg nach Norden über den östlichen Teil der Stadt[2]

Alternativname(n): Hanauisches Schloss, Unterschloss[3]
Entstehungszeit: Wasserburg vor 1350
Stadtschloss 1727 - 1747
Burgentyp: Ehem. Wasserburg, ab 18. Jhh. umgebaut in Stadtschloss
Erhaltungszustand: Zweiflügliger rechtwinkliger Schlossrest
Ständische Stellung: Schlossresidenz ehemals Hanau, später Darmstadt
Bauweise: Sandstein- Mauerwerk
Ort: Groß-Umstadt
Geographische Lage 49° 52′ 10″ N, 8° 55′ 46,7″ O49.8694444444448.9296388888889162Koordinaten: 49° 52′ 10″ N, 8° 55′ 46,7″ O
Höhe: 162 m ü. NN
Darmstädter Schloss (Groß-Umstadt) (Hessen)
Darmstädter Schloss (Groß-Umstadt)

Das Darmstädter Schloss (auch Hanauer Schloss oder Unterschloss genannt) liegt im Nordosten der Stadt Groß-Umstadt im Landkreis Darmstadt-Dieburg in Hessen und ist ein aus einer ehemaligen Wasserburg entstandener Adelssitz, der im ausgehenden Mittelalter zum Residenzschloss ausgebaut wurde. Er ist einer der ehemals sieben Adelssitze der Stadt.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Heutiger Südflügel des Schlosses mit Hofeinfahrt
Infotafel und Wappenrest am Torbogen des Eingang des Südflügels des Schlosses

Im Mittelalter war die Burg Sicherungsburg des östlichen Zugangs zur Stadt über Pferdsbach (hier auch Mühlbach genannt) und Stadtgraben mit direkter Lage an der Stadtmauer. Es markiert heute neben der Stadthalle den östlichen Zugang zur Altstadt.

Geschichte

Die vormalige Burg wurde wohl schon im 12. Jahrhundert im Auftrag des Klosters Fulda, den Besitzern der Stadt Umstadt (Omestat majoris), erbaut. Die Burg diente als Amtssitz der fuldischen Vögte und späteren Lehensträger, der Grafschaft Katzenelnbogen und des Hauses Münzenberg, denen es bereits gelingt die Burg als Allodialbesitz zu erlangen. Umstadt wurde als Kondominat verwaltet. Das Lehen der Münzenberger wurde nach derem Aussterben im Mannesstamm 1255 von den Hanauern übernommen: Ein Erbteil fiel an Reinhard I von Hanau, der als Tochtermann mit Adelheid von Münzenberg verheiratet war (Münzenberger Erbschaft). Die Katzenelnbogener Herrschaft wurde verdrängt.

1374 verpfändet das Kloster auch die andere Hälfte der Stadt an Hanau, verkauft aber 1390 die Stadt komplett an die Pfalz. Hanau bekommt damit seine Hälfte statt als Fuldaisches Lehen nun als Kurpfälzer Lehen. Rechtskräftig wird es erst 1427, nachdem die Pfalz endlich den Kaufpreis bezahlte. 1376 erfolgte dann die Ersterwähnung (anlässlich Streitigkeiten mit dem Hause Wertheim)[4] als Wasserburg. Von hier aus regierten die Hanauer ihre Hälfte der Stadt.

1458 "vollzogen" Anna von Lichtenberg und Philipp I. der Ältere in der Burg die Ehe. Es ist anzunehmen, dass damit auch das Umstädter Lehen nun der Grafschaft Hanau-Lichtenberg zuzuordnen ist[5]. Die Burg wird ab 1460 im gotischen Stil umgebaut und erweitert.

Bis 1504 ist es von den Hanauern unter Philipp III. von Hanau-Lichtenberg bewohnt. In der Bayrischen Fehde von 1504 bis 1521 wird Stadt und Burg vom hessischen Landgraf Wilhelm II. erobert[5] und geht nach einem Vergleich 1524 endgültig an die Landgrafschaft Hessen unter Philipp I.. Philipp III. von Hanau-Lichtenberg wird mit einer Zahlung von 16.000 fl im Jahr 1521 und der Herrschaft über die Zehntdörfer Langstadt und Kleestadt abgefunden. Die Burg wird Amtmannssitz der hessischen Landgrafen.

Mitte des 18. Jahrhunderts wird die Burg als Barockschloss komplett umgebaut. Nach 1787 beherbergt es noch die Amtsschreiberei und Registratur.

Baugeschichte

Lage und Größe des Schlosses an der ehemaligen Nordostecke der alten Stadtmauer: um 1787 (schwarz gepunktet umrissen), vor 1940 (farbiger Grundriss), heutige Größe (ausgefüllte Fläche).
Schematisierter Grundriss des Schlosses um 1940. N- Nord-, S- Süd, W- 1952 abgebrochener Westflügel, Tor- Durchfahrt in den Innenhof. Reste der Stadtmauer sind nur an der bezeichneten Stelle noch erhalten.
Hanauisches Vollwappen, darunter Sparrenwappen und Lichtenberger Löwe an der Ecke des heutigen Eingangs (Palasreste) nach der Durchfahrt des Südflügels mit Bauinschrift "Anno Domini ... 1465 uf Sant Gingulfi..." und darunter die Neidfigur, ein Affe

Als Wasserburg erbaut, sind genauere Baudaten erst mit dem Kupferstich von Matthäus Merian um 1645 überliefert. Damals bestand die Burg aus einem hohen und mächtigen vierstöckigen Wehrturm, der an die Stadtmauer direkt angebaut war. Er war mit vier kleinen zweigeschössigen Ecktürmen besetzt und besaß ein spitz zulaufendes Dach, wobei wohl jede Seite mit einer Gaube besetzt war. Der Turm war von einem Haus mit beidseitigem Treppengiebel flankiert. Der dahinterliegende (nordwestliche) kleinere Turm (nur Haushöhe) war der Torturm zur Stadtmauer und zum Schlosszugang. 1640 wird der noch vorhandene Bergfried oder Wohnturm (Palas) wegen Baufälligkeit abgebrochen. Das Wirtschaftsgebäude vorhanden sind, ist selbstverständlich anzunehmen.

Von 1727 bis 1747 wird die ehemalige Burg repräsentativ komplett umgestaltet und zu einer barocken Dreiflügelanlage umgebaut. Keines der alten Gebäude ist dabei erhalten geblieben. Nördlich schließt die Anlage mit der Stadtmauer ab, die heute viel niedriger und mit kleinen Unterbrechungen noch auf etwa siebzig Meter Länge zu sehen ist. Das zur Straße Am Darmstädter Schloss nach Osten zeigende Untergeschoss des Nordflügels (Blickrichtung Stadthalle) war früher direkter Teil der Stadtmauer.

Wie das Schloss umgebaut wurde, lässt sich auf dem Grundriss des Geometer Balthasar Blum von 1787 ersehen[6]: Turm und Palas aus der Entstehungszeit existieren nicht mehr (vgl. im Merian Bild). Ob das Gebäude des Amtsschreibers, was nun an dessen Stelle steht, um- oder neugebaute Reste sind, ist nicht mehr verifizierbar. Auch die Amtsschreiberei wurde im 20. Jahrhundert abgerissen. Durch das westwärtige zweiflügelige Hoftor gelangte man in den großen Innenhof, den "Vordersten Hofblatz mitsamt dem Mistblatz" (B). Nördlich schloss sich der Westflügel (Gebäude IV) an, das sogenannte Kelterhaus. Darin befand sich auch die Wohnung des Amtmannes. Noch weiter nördlich von einem Teil der Stadtmauer eingerahmt, lag der barocke Garten (A) nach französischem Vorbild. Er war nur über den Vorhof (D) zu betreten. der auch Zugang zu den übrigen Schlossflügeln war. Die Amtsschreiberei (Gebäude II) grenzte Garten und Vorhof voneinander ab. Daneben lag das zweigeschössige Waschhaus (Gebäude III), das direkt an die nördliche Stadtmauer angebaut war. Als rechtwinkliges Ensemble lagen Nord- und Südflügel (Gebäude I) um den Vorhof gruppiert. Südlich davor lag der Gemüsegarten als Teil des großen Innenhofes. An der östlichen Stadtmauer befand sich der Marstall (Gebäude V) und südlich die Zehntscheuer (Gebäude VI) mit zwei kleinen vorgelagerten Schweineställen (*). Südlicher Abschluss des großen Innenhofes war der zweigeschössige Fruchtspeicher, Langes Haus genannt (Gebäude VII). Aufbau und Zweck der Gebäude VIII bis X sind nicht bekannt, dienten aber wahrscheinlich Versorgungs- bzw. Wohnzwecken für das Gesinde. Das Hoftor wurde südlich vom großen Schweinestall eingerahmt. Alle Dächer waren als Walmdächer gekennzeichnet. Die breiten Längsbauten, der Südflügel und das Lange Haus bestimmten den Gesamteindruck.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts stehen nur noch restaurierter Nord- und Südflügel mit Durchfahrt. Beide sind unter einem Mansarddach vereinigt. Der Nordflügel hat auf hohem Sockel ein Geschoss, während der Südflügel zweigeschossig ist. Der dritte Flügel, der wiederum senkrecht an den Westflügel anschloss, und dem ganzen Ensemble den S-förmigen Grundriss gab, wurde im Jahr 1952 abgerissen. An dessen Stelle steht heute das Mahnmal mit Menora zur Erinnerung an die alte jüdische Synagoge[7] und dahinter die Stele mit dem Verzeichnis aller (Groß-)Umstädter Juden, die dem Rassenwahn zwischen 1933 und 1945 zum Opfer fielen. Nur noch Teile des ehemaligen Vorhofes gehören heute zum Schlossensemble. Der Garten wurde Teil des sich heute darauf befindlichen Alters- und Seniorenstifts.

Das Schloss wurde 1974 umfassend restauriert und in Landeseigentum überführt.

Heutige Nutzung

Das Schloss gehört dem Land Hessen, der es der Evangelische Kirche in Hessen und Nassau zur Nutzung übereignet hat. Im Südflügel sitzt das Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald mit dem Dekan und der Dekanatsjugendstelle. Dort befindet sich ebenfalls der Ökumenische Hospizverein Groß-Umstadt und die Außenstelle Groß-Umstadt des Diakonischen Werks Darmstadt-Dieburg. Aus den Räumen im Südflügel sendet jetzt auch jährlich das Radio Weinwelle zum Winzerfest Groß-Umstadt.

Literatur

  • Max Herchenröder Die Kunstdenkmäler in Hessen, Landkreis Dieburg, Darmstadt, 1940, S. 129 ff.
  • Siegfried R.C.T. Enders Landkreis Darmstadt-Dieburg (Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in Hessen), Braunschweig/Wiesbaden, 1988,
  • G. Brenner - ein Umstädter und seine Stadt. Aufsätze zur Geschichte, Schriftenreihe Autmundisstat, Sonderband, Hrg. Museums- und Geschichtsverein Groß-Umstadt, 2009, 1. Ausgabe
  • W. Schröck-Schmidt: Darmstädter Schloß, S. 188 f.; in 1250 Jahre Groß-Umstadt 743-1993, Hrg. Magistrat der Stadt, Geiger-Verlag, Horb am Neckar, 378 Seiten, ISBN 3-89264-771-2
  • Rudolf Knappe Mittelalterliche Burgen in Hessen, Gudensberg, 2000.
  • Schlösser, Burgen, alte Mauern, Hrg. Hessendienst der Staatskanzlei, Wiesbaden, 1990, ISBN 3-89214-017-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Da der Turm um 1640 abgerissen und der Dreißigjährige Krieg viele Verheerungen angerichtet hatte, muss der Kupferstich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor 1620 (vor)gezeichnet gewesen sein.
  2. Das am Horizont eingezeichnet "Diepurg" ist entweder nicht korrekt oder das rechts davon gezeichnete Hügelland ist falsch, denn in diese Richtung sieht man nur den flachen Forstwald zwischen Groß-Umstadt und Dieburg.
  3. Diente zur Unterscheidung des Pfälzer Schlosses, das auch als Oberschloss bezeichnet wurde.
  4. nach M. Herchenröder: Die Kunstdenkmäler in Hessen. Landkreis Dieburg, Darmstadt 1940
  5. a b Christoph Rommel Geschichte von Hessen, Dritter Teil, Erste Abtheilung, Kassel 1827, Selbstverlag, S. 155
  6. Staatsarchiv Darmstadt, Akte Nr. E 14A, Konv. 97/4 auch in P. Füßler, Das Darmstädter Schloss vor 200 Jahren in Der Odenwälder Bote, Groß-Umstadt, 5. Januar 1988
  7. 1938 wurde die Synagoge geschändet und schließlich 1978 gegen den Willen von Ortsbeirat und Kreistag abgebrochen und in den Hessenpark verbracht. Bilder unter Groß-Umstadt im 19. und 20. Jahrhundert

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