Erdbebensicheres Bauen

Erdbebensicheres Bauen

Erdbebensicheres Bauen bezeichnet die gesamten Bemühungen, Gebäude so anzulegen, auszustatten oder nachzurüsten, dass sie Erdbeben bis zu einer gewissen Stärke überstehen.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

„Alle Häuser dieser Welt sind gebaut, um der Schwerkraft zu trotzen. An horizontale Belastungen wird weniger gedacht, denn Windkräfte sind vergleichsweise gering und gefährliche Erdbebenstöße selten.“[1]

Norm

Als Bemessungregeln gelten europaweit die Eurocode 8 Normen. Um lokale Reglungen einzubeziehen, gibt es nationale Anlagen zum Eurocode, die sowohl die unterschiedlichen Anforderungen der nationalen Vorschriften als auch die verschiedenen Erbebenstärken berücksichtigen.

Deutschland

Logo des Deutschen Instituts für Normung DIN 4149
Bereich Bauwesen
Titel Bauten in deutschen Erdbebengebieten - Lastannahmen, Bemessung und Ausführung üblicher Hochbauten
Letzte Ausgabe 4.2005
ISO -
Erdbebenzonen nach DIN 4149:2005

Exkurs: 475-jähriges Erdbeben
k: jährliche Wahrscheinlichkeit eines Erdbebens bestimmter Stärke;
h=1-k: Gegenwahrscheinlichkeit in jenem Jahr heil zu bleiben.
Die 10%-Überschreitungswahrscheinlichkeit in fünfzig Jahren ist gleich der 90%-Wahrscheinlichkeit, heil zu bleiben.
h50=0,9
50lnh=ln0,9
h=e^{\frac{\mathit ln\mathrm0,9}{50}}
h=0,997895=99,7895%
k=1-h=0,002104992=2,104992{}^{0\!}\!/\!_{00}
En: Erwartungswert der Erdbeben in n Jahren
E1=k
En=n·E1=n·k
E~1 bei n=475 (475k=0.999871;1/k=475.0613)
 

Für Deutschland gilt die DIN-Norm DIN 4149 − Bauten in deutschen Erdbebengebieten - Lastannahmen, Bemessung und Ausführung üblicher Hochbauten als Maßgabe; in einigen Bundesländern ist sie verbindlich[2].

Zu Grunde liegt der Norm eine Erdbebenzonenkarte, die sich nach dem 475-jährigen Erdbeben richtet (10% Überschreitungswahrscheinlichkeit in 50 Jahren). Der Großteil des Bundesgebietes gilt als nicht erdbebengefährdet, d.h.: Das statistisch in 475 Jahren zu erwartende Erdbeben weist eine Intensität \leq6 auf der Europäischen Makroseismischen Skala auf. Zone 0 (EMS-Intensität 6\leq l\leq7,5) darf gemäß dieser Norm als nicht erdbebengefährdet behandelt werden. Die am stärksten gefährdeten Gebiete der Zone 3 (EMS-Intensität l\geq7,5) liegen um Basel und Aachen sowie im südlichen Württemberg. Als an sich gefährdet (einschließlich Zone 0) gelten große Gebiete beiderseits des Rheins, Südwürttemberg, das Donautal bis etwa zur Altmühlmündung sowie das Vogtland und seine weitere Umgebung bis etwa Leipzig; schließlich die Alpen und das nähere Alpenvorland.

Entscheidend für die konkrete Gefährdung am Standort ist darüber hinaus der dortige Untergrund.

Bauweise

Als förderlich gelten Bauweisen, die bei horizontaler Belastung große Verformungen zulassen und nur mit Vorankündigung (duktil, nicht spröde) versagen. Wird erdbebengerecht konstruiert und ausgeführt, können das u. a. sein:

  • Stahlbauten
  • Stahlbetonkonstruktionen in Ortbetonbauweise
  • Stahl–Stahlbeton–Verbundbauweise
  • Holzbauweise
  • Fachwerk[1]

Zudem wirken folgende Konstruktionsprinzipien günstig auf den Widerstand gegen Erdbebenbelastung:

  • statisch überbestimmte Systeme,
  • redundante Bauteile,
  • symmetrische Grundrisse der Gebäude,
  • Anordnung vertikal durchlaufender massiver Kerne,
  • horizontale Aussteifungen durch z. B. Schubwände,
  • duktile Materialien und Verbindungen.

Seismische Isolierung

Die Entkopplung von Bauwerken von ihrem Untergrund, um die Wirkung der Erdbebenwellen auf das Gebäude zu verringern, kann durch verschiedene Arten von Lagerungen erreicht werden. Das wesentliche Prinzip beruht auf einer Erhöhung der Eigenschwingzeit des Gebäudes gemeinsam mit der Lagerung. Die auftretenden horizontalen Kräfte werden durch Verschiebung im Antwortspektrum des Bauwerkes verringert.

Elastomerlager

Elastomerlager wie sie auch im Brückenbau eingesetzt werden, wirken dämpfend und sind bei großer Schubverformungsfähigkeit auch zur Erdbebenisolierung geeignet.

Bleikernlager

Bleikernlager bestehen aus einem Gummilager mit einem zusätzlichen Bleikern, der durch plastische Verformung dämpfend wirkt und Energie absorbiert.

Gleitlager

Gleitlager ermöglichen die horizontale Bewegung des Bauwerks auf dem Untergrund und werden meist in Kombination mit anderen Verfahren der Absorption und Dämpfung eingesetzt.

Gleitpendellager

Diese Bauwerklager kombinieren verschieden Verfahren und verwenden eine konkave Gleitplatte. Sie wurden unter anderem beim Akropolismuseum[3] angewendet.


Weiche Bauteile wie eine schwimmende Lagerung oder die Aufhängung einer Hängebrücke sind weitere Möglichkeiten der Lagerung von Bauwerken zur Verringerung der Belastung aus Erdbeben.


Wissenschaftler an der Universität Marseille haben eine Simulation entwickelt, die nahelegt, dass Rayleigh-Wellen durch konzentrische Ringe aus ausgewählten Materialien abgeleitet werden können und so Gebäude im Zentrum der Anlage geschützt würden[4]. Eine praktische Anwendung ist dafür aber nicht absehbar.

Besondere Gebäude

Kernkraftwerke

Die Nuklearkatastrophe von Fukushima seit März 2011 lenkte weltweit das Augenmerk darauf, das Kernkraftwerke nicht jedem Beben trotzen können und dass sie trotz ihrer teilweise massiven Bauweise von Flutwellen (hier: Welle eines Tsunami) erheblich beschädigt werden können.

Nach dem verheerenden Erdbeben von Kōbe 1995, bei dem mehr als 6400 Menschen starben, wurden in Japan die Vorschriften verschärft. Seitdem gebaute Reaktoren müssen mindestens Erdstößen der Stärke 7,75 standhalten können; in besonders gefährdeten Regionen sogar Beben bis 8,25. Das Tōhoku-Erdbeben von 2011 hatte allerdings eine Momenten-Magnitude von 9,0.

In Kalifornien arbeiten (Stand November 2011) zwei alte Kernkraftwerke, die im Zusammenhang mit dem Thema Erdbebensicherheit oft erwähnt werden: das Kernkraftwerk San Onofre (seit 1968)[5] und das Kernkraftwerk Diablo Canyon (seit 1984/1985). Letzteres liegt 3 km entfernt von einer Erdbebenspalte (die man während des Baus entdeckte); beide liegen in der Nähe der San-Andreas-Verwerfung.


Belege

  1. a b Hamid Isfahany und Georg Pegels: Erdbebensichere Häuser für Entwicklungsländer. Alexander von Humboldt-Stiftung. Abgerufen am 8. August 2009.
  2. Udo Meyer: Erdbebensicheres Bauen mit Ziegelmauerwerk. Arbeitsgemeinschaft Mauerziegel im Bundesverband der deutschen Ziegelindustrie. Abgerufen am 8. August 2009.
  3. http://www.faz.net/s/RubCD175863466D41BB9A6A93D460B81174/Doc~EE8E97534ED9E4667B8BD4494CC47317D~ATpl~Ecommon~Scontent.html
  4. Suzanne Krause: Tarnkappe gegen Erdbeben. Konzentrische Ringe sichern Gebäude. Abgerufen am 8. August 2009.
  5. Jenseits von Japan: Reaktoren in Risikogebieten , sueddeutsche.de, 16. März 2011

Weblinks


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