Cyriakusstift (Braunschweig)

Cyriakusstift (Braunschweig)
Braunschweig um 1550; die Türme des Cyriakusstifts sind rechts im Bild mit dem Buchstaben „N“ gekennzeichnet.
Das Stift (rechts im Bild) im Jahre 1539.

Das St. Cyriakusstift war ein im 11. Jahrhundert gegründetes Kollegiatstift, südlich der mittelalterlichen Stadtgrenze Braunschweigs. Das Stift wurde 1545 abgebrochen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Stift wurde um 1060 von Graf Ekbert I. († 1068), aus der Familie der Brunonen, gestiftet und wohl zwischen 1068 und 1090 von seinem Sohn Ekbert II. (* 1059/1061; † 1090) errichtet. Das genaue Jahr seiner Fertigstellung ist unbekannt. Es ist möglich, dass die Kirche bereits vor 1079 durch Bischof Hezilo von Hildesheim (* 1020/1025; † 1079) geweiht wurde.[1] Die Krypta war zur Familiegrabstätte der Brunonen bestimmt worden. Ekbert II. wurde dort im Jahr 1090 beigesetzt[2].

Lage und Architektur

Die ausgedehnte Klosteranlage befand sich außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern Braunschweigs, vor dem Wilhelmitor und dem Bruchtor im Süden der Stadt, auf dem Gelände des im 19. Jahrhundert errichteteten Alten Bahnhofs, heute Sitz der Braunschweigischen Landessparkasse.

Die Stiftskirche wurde zu Ehren der heiligen Märtyrer Cyriakus und Quirinus und des heiligen Kreuzes geweiht und war vermutlich eine romanische Basilika mit zwei Türmen auf viereckiger Basis. Neben der Kirche befanden sich der Kreuzgang, Refektorium, anfangs das Dormitorium und die Stiftsschule. Im 14. Jahrhundert wurde eine Marienkapelle gestiftet, neben der im 15. Jahrhundert die Stiftsbibliothek errichtet wurde. Im Umkreis der klösterlichen Kernanlage sollen sich ein Krankenhaus, das Schlafhaus der Stiftsschüler, ausgedehnte Wirtschaftsgebäude und später auch die Wohnhäuser der Stiftsherren befanden haben.[1]

Stiftskonvent

Das Patronat über das Stift ging nach dem Aussterben der Brunonen über Kaiser Lothar III. auf die Welfen über. Der Patronatsherr ernannte die zwölf Kanoniker, die im Mittelalter das Kapitel des Stifts bildeten und den Propst, der Verwalter des Stiftsvermögens. Das Kapitel seinerseits ernannte den Rektor der Stiftsschule, den Vizedominus, der die Stiftseinnahmen eintrieb und den Dechanten. Der Dechant war der geistliche Vorstand des Stifts und hatte, gemeinsam mit dem Kapitel, die polizeiliche Gewalt und weltliche Gerichtsbarkeit über die Mitglieder des Stifts und der Angehörigen des weitläufigen Güterbesitzes.[3]

Güterbesitz

Einen ersten ausführlichen Nachweis über den Grundbesitz des Stifts gibt ein Güterinventar aus der Zeit 1195 bis 1227. Durch Pfalzgraf Heinrich V. (* 1173/1174; † 1227), werden darin dem Stift Besitzungen in 34 Ortschaften bestätigt, die meist östlich der Oker im Derlingau lagen, dem Stammgebiet der Brunonen. Die größten Besitzungen befanden sich in Büddenstedt bei Helmstedt, Apelnstedt, heute ein Ortsteil der Gemeinde Sickte, und Eisenbüttel, eine Ortschaft, die im 19. Jahrhundert in der Kernstadt Braunschweigs aufgegangen ist.

Im 13. Jahrhundert wurde der Landbesitz durch Erwerb von Gütern westlich der Oker wesentlich ausgedehnt, darunter Orte der heutigen Gemeinde Vechelde, wie Sonnenberg und Vallstedt, sowie eine Saline, wahrscheinlich bei Salzhemmendorf im heutigen Landkreis Hameln-Pyrmont.[4]

Die Einkünfte des Stifts begründeten umfangreiche Finanzaktivitäten des Stifts. So betätigte sich das Cyriakusstift als Darlehensgeber für den Rat der Stadt Braunschweig sowie den Herzögen, wie 1480 Wilhelm I., und adeligen Familien, wie 1478 denen von Veltheim.

Laut eines Güterinventars aus dem Jahr 1542 war der Güterbesitz bereits vor der Reformation deutlich zurückgegangen und die zuvor glänzenden Vermögensverhältnisse des Stifts hatten sich derartig verschlechtert, dass es erhebliche Schulden angehäuft hatte.[5]

Das Cyriakusstift (rechts im Bild) im 16. Jahrhundert
Das Cyriakusstift (rechts im Bild) im 16. Jahrhundert

Reformation und Zerstörung

Nachdem im Jahr 1528 der Rat der Stadt Braunschweig beschlossen hatte, die Reformation in der Stadt durchzuführen, trat auch das Stiftskapitel 1542 zur Reformation über, noch vor dem Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel (1568).

Um sich in einem militärischen Konflikt mit Herzog Heinrich II. vor einer drohenden Belagerung zu schützen, entschied der Rat, die Befestigungsanlagen der Stadt zu verstärken und dazu die Stiftsgebäude niederzureißen. Im Jahr 1545 wurde die gesamte Anlage des St. Cyriakusstifts abgebrochen. Die Grabstätte Ekberts II. wurde in das Braunschweiger Stadtgebiet, in die Krypta der Stiftskirche St. Blasius überführt.[2][6]

Auch der Stiftskonvent wich in das St. Blasiusstift aus, wo ihm die Johanniskapelle zur Verfügung gestellt wurde. Als Körperschaft bestand das St. Cyriakusstift bis zur Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts.[6] Zeitweise standen beiden Braunschweiger Stiften ein gemeinsamer Propst vor, so Herzog Ernst Ferdinand (* 1682; † 1746) und zuvor dessen Bruder Ferdinand Christian (* 1682; † 1706). Zu den letzten bekannten Kanonikern zählten der Museumsdirektor und Braunschweiger Hofrat Ferdinand Emperius[7] (* 1759; † 1822) sowie der Schriftsteller und Verleger Joachim Heinrich Campe[8] (* 1746; † 1818), der auch 1805 zum Dechant des Stifts ernannt wurde.

Von den liturgischen Geräten des Klosters sind einige Reliquienbehältnisse erhalten, darunter eine geschnitzte, mit Silberblech überzogene Statue des heiligen Cyriakus. Mit weiteren Statuen, Monstranzen und Armreliquiare gelangte die Cyriakusstatue, wohl zur Zeit der Zerstörung des Stiftes, in den Reliquienschatz des Braunschweiger Doms und bildet einen Teil des sogenannten Welfenschatzes.

Von den Gebäuden der Anlage sind keinerlei Baureste vorhanden. Zeitgenössische Abbildungen der Stiftskirche sind rar. Lediglich zwei Holzschnitte aus der Mitte des 16. Jahrhunderts zeigen Ansichten der Stadt Braunschweig, mit den Türmen von St. Cyriakus.

Zu der 1973 in Braunschweig an anderer Stelle errichteten katholischen Kirche St. Cyriakus besteht außer der Übernahme des Patroziniums keine historische Verbindung.

Literatur

  • L. Fenske, C. Ehlers, T. Zotz (Hrsg.): Die Deutschen Königspfalzen − Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthalstsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-36513-6
  • Gerhard Himmelmann: Das Stift St. Cyriacus zu Braunschweig, Landkreis Gifhorn, Gifhorn 1996, ISBN 3-929632-28-4.
  • Patrick M. De Winter: Der Welfenschatz − Zeugnis sakraler Kunst des deutschen Mittelalters, Verlag Touristbuch, Hannover 1986, ISBN 3-924415-07-2
  • Ernst Döll: Die Kollegiatstifte St. Blasius und St. Cyriacus zu Braunschweig, Waisenhaus-Buchdruckerei und Verlag, Braunschweig 1967
  • Hermann Dürre: Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter, Verlag Grüneberg, Braunschweig 1861. S. 419−445

Einzelnachweise

  1. a b Hermann Dürre: Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter, Verlag Grüneberg, Braunschweig 1861, S. 420−421
  2. a b L. Fenske, C. Ehlers, T. Zotz (Hrsg.): Die Deutschen Königspfalzen − Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthalstsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999, S. 141−142
  3. Hermann Dürre: Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter, Verlag Grüneberg, Braunschweig 1861, S. 425−434
  4. Hermann Dürre: Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter, Verlag Grüneberg, Braunschweig 1861, S. 436−437
  5. Hermann Dürre: Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter, Verlag Grüneberg, Braunschweig 1861, S. 445
  6. a b L. Fenske, C. Ehlers, T. Zotz (Hrsg.): Die Deutschen Königspfalzen − Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthalstsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999, S. 150
  7. Ferdinand Spehr: Emperius, Joh. Ferd. Friedrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 6, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 93 f.
  8. Gustav Baur: Campe, Joachim Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 733–737.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Geschichte der Stadt Braunschweig — Der Braunschweiger Löwe: entstanden um 1166 und seither das Wahrzeichen der Stadt. Die Geschichte der Stadt Braunschweig begann der Sage nach im Jahre 861, ist jedoch erst ab 1031 urkundlich belegt. Die Stadtgeschichte ist stark durch zahlreiche… …   Deutsch Wikipedia

  • Oker in Braunschweig — Die Oker in Braunschweig besteht aus der Okerumflut und den Wasserläufen im historischen Innenstadtbereich, den so genannten Stadtgräben. Die Okerumflut teilt sich in zwei künstlich angelegte Wassergräben, die als Umflutgraben bezeichnet werden… …   Deutsch Wikipedia

  • Weststadt (Braunschweig) — Wappen Karte Weststadt Stadt: Braunschweig …   Deutsch Wikipedia

  • Cyriacus — ist der Name von Cyriacus (Heiliger) (gr. Kyriakos; † um 309), Heiliger der katholischen und der orthodoxen Kirche: Märtyrer aus der Zeit der Christenverfolgung in Rom Cyriacus, auch Quiriacus von Jerusalem, Heiliger, zeigte Helena, der Mutter… …   Deutsch Wikipedia

  • Stift Sankt Cyriakus — ist der Name folgender Klöster: Cyriakusstift (Braunschweig) Stift Sankt Cyriakus (Eschwege) Stift Gernrode Frauenstift Geseke Cyriakusstift (Worms) Diese Seite ist ei …   Deutsch Wikipedia

  • Eisenbüttel — Historische Landkarte um 1714−1750 …   Deutsch Wikipedia

  • Wahle (Vechelde) — Wahle Gemeinde Vechelde Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Ferdinand Friedrich Emperius — (* 23. Januar 1759 in Braunschweig; † 21. Oktober 1822 ebenda) war ein deutscher Hochschullehrer, Museumsdirektor und Braunschweiger Hofrat. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 1.1 Museumsdirektor und Professor in Braunschweig …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Joachim Eschenburg — (* 7. Dezember 1743 in Hamburg; † 29. Februar 1820 in Braunschweig) war ein deutscher Literaturhistoriker und Hochschullehrer. Inhaltsverzeich …   Deutsch Wikipedia

  • Sickte — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”