Connally-Vorbehalt

Connally-Vorbehalt
Der Sitz des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag

Als Connally-Vorbehalt, im Englischen Connally Amendment oder Connally Reservation, wird ein Teil der von 1946 bis 1986 gültigen Unterwerfungserklärung bezeichnet, mit der die Vereinigten Staaten während dieser Zeit die Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs als obligatorisch anerkannten. Dieser nach dem Senator Tom Connally benannte Abschnitt war Teil der Vorbehalte, die in dieser Erklärung enthalten waren.[1] Im Connally-Vorbehalt war festgelegt, dass die Anerkennung der Gerichtsbarkeit des IGH durch die USA nicht gelten sollte für Angelegenheiten, die nach Auffassung der Vereinigten Staaten der Zuständigkeit ihrer nationalen Gerichte unterliegen würden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Tom Connally, Namensgeber des Connally-Vorbehalts

Tom Connally, zur damaligen Zeit Vorsitzender des Senatausschusses für auswärtige Angelegenheiten, hatte eine entsprechende Ergänzung (Amendment) zur Senatsbeschlussvorlage über die Unterwerfungserklärung vorgeschlagen, mit welcher der damalige US-Präsident Harry S. Truman im Auftrag der Regierung der Vereinigten Staaten am 14. August 1946 die Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs (IGH) als obligatorisch anerkannte. Die im Connally-Vorbehalt formulierte Einschränkung stand dabei in Widerspruch zum Statut des IGH, in welchem in Artikel 36 die Befugnis, in Fragen der Gerichtsbarkeit zu entscheiden, dem Gerichtshof übertragen wurde.[2] Darüber hinaus konnten andere Staaten in Verfahren, in denen die Vereinigten Staaten Partei waren, nach dem Prinzip der Reziprozität diese Klausel für sich ebenfalls in Anspruch nehmen und sich damit dem Verfahren entziehen.[2] Dies wurde von Bulgarien im Fall Aerial Incident of 27 July 1955 (United States of America v. Bulgaria) genutzt, in welchem die USA daraufhin im Mai 1960 auf die Fortführung des Verfahrens verzichteten.[3] Die Vereinigten Staaten beriefen sich auf den Connally-Vorbehalt im Verfahren Interhandel (Switzerland v. United States) gegen die Schweiz.[4]

Alle nach Harry S. Truman folgenden amerikanischen Präsidenten von Dwight D. Eisenhower bis Jimmy Carter[5] unterstützten ebenso wie nahezu alle Hochschullehrer für Völkerrecht an amerikanischen Universitäten[6] und der spätere amerikanische Richter am IGH Stephen Myron Schwebel[7] Bemühungen zu einer Außerkraftsetzung des Connally-Vorbehalts, die allerdings erfolglos blieben. Die Wirksamkeit des Connally-Vorbehalts endete mit der Rücknahme der Unterwerfungserklärung der Vereinigten Staaten durch eine von George P. Shultz, US-Außenminister in der Regierung von Präsident Ronald Reagan, am 7. Oktober 1985 an den UN-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar übermittelte Erklärung, die sechs Monate später in Kraft trat.[8] Als Hauptgründe für diese Entscheidung gaben die Vereinigten Staaten unbefriedigende Erfahrungen mit der obligatorischen Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs sowie den Verlauf des Verfahrens Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America) zwischen Nicaragua und den USA vor dem IGH an.[8]

Praktische Relevanz

Gegenwärtig haben fünf andere Staaten – Liberia, Malawi, Mexiko, die Philippinen und der Sudan – in ihre Unterwerfungserklärung eine mit dem Connally-Vorbehalt vergleichbare Einschränkung aufgenommen, Indien und Pakistan nahmen vergleichbare Vorbehalte aus ihren Unterwerfungserklärungen später zurück.[9] Auch die 1967 zurückgenommene Unterwerfungserklärung von Südafrika enthielt einen entsprechenden Passus.[10] Frankreich verzichtete 1959 auf einen entsprechenden Vorbehalt in seiner Unterwerfungserklärung von 1949,[1] zog jedoch 1974 die Unterwerfungserklärung ebenfalls zurück.[11] Zuvor hatte sich Norwegen in dem 1957 entschiedenen Fall Certain Norwegian Loans (France v. Norway) nach dem Reziprozitätsprinzip auf den französischen Vorbehalt berufen.

Die Zulässigkeit des Connally-Vorbehalts, dessen Begründung sich auf das in Artikel 2 Absatz 7 der UN-Charta formulierte Verbot des Eingreifens der Vereinten Nationen und ihrer Organe in die inneren Angelenheiten eines Staates stützte,[12] und vergleichbarer Einschränkungen ist gemessen an etablierten Prinzipien des Völkerrechts umstritten.[13] Der Internationale Gerichtshof hat bisher allerdings keine Entscheidung oder Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit solcher Vorbehalte und zu den möglichen Konsequenzen einer Unwirksamkeit abgegeben. Es hat sich jedoch gezeigt, dass solche Einschränkungen insbesondere aufgrund des Umgangs des IGH mit dem Connally-Vorbehalt in der Interhandel-Entscheidung und wegen der sich aus dem Reziprozitätsprinzip ergebenden Konsequenzen in der Praxis kaum von Bedeutung sind.[14]

Einzelnachweise

  1. a b Francis O. Wilcox: The United States Accepts Compulsory Jurisdiction. In: American Journal of International Law. 40(4)/1946. American Society of International Law, S. 699–719, ISSN 0002-9300
  2. a b In: John Francis Murphy, Cambridge und New York 2004, S. 254 (siehe Literatur)
  3. Leo Gross: Bulgaria Invokes the Connally Amendment. In: American Journal of International Law. 56(2)/1962. American Society of International Law, S. 357–382 ISSN 0002-9300
  4. Kenneth R. Simmonds: The Interhandel Case. In: International and Comparative Law Quarterly. 10(3)/1961. British Institute of International and Comparative Law, S. 495–547, ISSN 0020-5893
  5. Howard N. Meyer: The World Court in Action: Judging Among the Nations. Rowman & Littlefield, New York 2001, ISBN 0-74-250924-9, S. 209
  6. Rudolf B. Schlesinger: The Connally Amendment. Amelioration by Interpretation? In: Virginia Law Review. 48(4)/1962. Virginia Law Review Association, S. 685–697
  7. Faculty Notes. Schwebel Testifies on Connally Amendment. In: Bulletin of the Harvard International Law Club. 1/1960. Harvard International Law Club, S. 52, ISSN 0888-2576
  8. a b United States: Department of State Letter and Statement Concerning Termination of Acceptance of I.C.J. Compulsory Jurisdiction. In: International Legal Materials. 24(6)/1985. American Society of International Law, S. 1742–1745, ISSN 0020-7829
  9. In Stanimir A. Alexandrov, Dordrecht und Boston 1995, Fußnote 363 auf S. 76 (siehe Literatur)
  10. John Dugard, Daniel Bethlehem, Max Du Plessis: International Law: A South African Perspective. Dritte Ausgabe. Juta & Co. Ltd, Lansdowne 2005, ISBN 0-70-217121-2, S. 463/464
  11. In: Stanimir A. Alexandrov, Dordrecht und Boston 1995, S. 15 (siehe Literatur)
  12. Stephan Hobe, Otto Kimminich: Einführung in das Völkerrecht. Neunte Auflage. Reihe; UTB Rechtswissenschaft. Band 496. UTB, Tübingen 2004, ISBN 3-82-520469-3, S. 297
  13. Article 36(2). In: Malcolm Shaw: International Law. Sechste Ausgabe. Cambridge University Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-72814-0, S. 1081–1086 (insbesondere S. 1083/1084)
  14. Dirk Ehlers, Friedrich Schoch: Rechtsschutz im öffentlichen Recht. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 3-89-949497-0, S. 15

Literatur

  • Connally amendment. In: Michael A. Genovese: Encyclopedia of the American Presidency. Zweite Auflage. Infobase Publishing, New York 2010, ISBN 0-81-607366-X, S. 113
  • The United States and the Court’s Compulsory Jurisdiction. In: John Francis Murphy: The United States and the Rule of Law in International Affairs. Cambridge University Press, Cambridge und New York 2004, ISBN 0-52-152968-9, S. 250–283 (insbesondere S. 253/254)
  • A. Reservation Excluding Disputes Falling under the Domestic Jurisdiction of a State. 2. As Determined by the State Itself. In: Stanimir A. Alexandrov: Reservations in Unilateral Declarations Accepting the Compulsory Jurisdiction of the International Court of Justice. Reihe: Legal Aspects of International Organization. Band 19. Martinus Nijhoff Publishers, Den Haag und Boston 1995, ISBN 0-79-233145-1, S. 76–90
  • Domestic Jurisdiction and the Connally Amendment. In: Michla Pomerance: The United States and the World Court as a "Supreme Court of the Nations": Dreams, Illusions, and Disillusion. Reihe: Legal Aspects of International Organization. Band 26. Martinus Nijhoff Publishers, Den Haag und Boston 1996, ISBN 9-04-110204-3, S. 222–237

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