Kastell Kisoroszi

Kastell Kisoroszi
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Kastell Kisoroszi
Alternativname Kisoroszi-Kapelle
Limes Pannonischer Limes
Abschnitt 2
Typ Kastell
Größe rund 40 × 50 m
Bauweise Stein
Erhaltungszustand oberirdisch nicht erhalten
Ort Szentendre
Geographische Lage 47° 48′ 34,7″ N, 19° 0′ 3,8″ O47.80962519.001063888889108
Höhe 108 m
Vorhergehend Kastell Visegrád–Sibrik (Pone Navata) (südwestlich)
Anschließend Burgus Verőcemaros-Dunamező (nördlich)
Kastell Dunabogdány (Cirpi) (südlich)
Burgus Tahitótfalu-Balhavár (südöstlich)

Das Kastell Kisoroszi, auch Festung Kisoroszi-Kapelle genannt, ist ein nur wenig bekanntes ehemaliges römisches Militärlager, das als spätantike Kleinfestung am Nordende der ungarischen Donauinsel Szentendrei (St. Andrä) den pannonischen Limes sicherte. Die Anlage wurde im Südteil des Inseldorfes Kisoroszi an einer Kapelle entdeckt.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Forschungsgeschichte

Der Limes Pannonicus am Pilisgebirge
Der westliche Donauarm bei Kisoroszi. Blick von der Donauinsel Szentendrei auf das Donauknie und das Nordende der Insel (Bildmitte). Dort stand das Grenzkastell Kisoroszi. Am gegenüberliegenden Ufersaum (links im Bild), lagen in der Spätantike mindestens zwei Burgi.

Westlich der Fortifikation teilt sich die Donau in zwei Seitenarme und bildet in ihrer Mitte die große Donauinsel St. Andrä, auf der die spätantike Befestigung situiert war. Ab hier umfließen die beiden Donauarme in einem weiten, sich nach Süden ziehenden Bogen das Pilisgebirge.

Von der Kleinfestung aus, die am nördlichsten Punkt des Donauknies auf einer überschwemmungssicheren Anhöhe lag, konnte die aus südwestlicher Richtung vorbeifließende Donau kontrolliert werden. Das Kastell hatte Sichtkontakt zu dem am Südufer der Donau, auf einem Hügel liegenden Kastell Visegrád–Sibrik und zu der darunter verlaufenden dichten Wachturmkette entlang des Flusses. Außerdem konnte die Besatzung von hier Kontakt mit den Türmen auf der Donauinsel selbst aufnehmen und noch zusätzlich das nördliche Barbaricum überwachen.

Zunächst noch für einen Wachturm gehalten, wurde die Anlage später als Kleinfestung erkannt. 1974 fand an einer der Lagerecken eine kleine Grabung statt.[1] Ohne weitere Untersuchungen lässt sich jedoch keine weitgehendere Analyse des Bauwerks mehr vornehmen.

Baugeschichte

Von dem rund 40 × 50 Meter großen Kastell Kisoroszi wurde teilweise der geschwungene Wandabschnitt eines Eckturms angegraben, der möglicherweise zu einem fächerförmigen Turm gehört.[2] Es scheint, dass diese Anlage der Kleinfestung von Visegrád-Gizellamajor ähnlich gewesen ist. Als Fundgut sind Ziegelstempel des Frigeridus dux aus dem Schutt der Dachabdeckung bekannt geworden.[3][4] Frigeridus amtierte zwischen 371 und 373 n. Chr. als militärischer Oberbefehlshaber der Provinz Valeria (Dux Valeriae ripensis),[5] zu dessen Territorium Kisoroszi gehörte.[6][7]

Limesverlauf vom Kastell Kisoroszi bis zum Burgus Verőcemaros-Dunamező

Spuren der Limesbauwerke zwischen Kisoroszi und Verőce auf der Donauinsel St. Andrä.
Strecke[A 1] Name/Ort Beschreibung/Zustand
2 Kisoroszi (Burgus Solva 36)[A 2] Auf der zum Gemeindegebiet Kisoroszi gehörenden Flur Pusztatemplom (Gazirétek – Gaziwiesen), am Nordende der Insel von Szentendrei, fand der Archäologe und Limesforscher Sándor Soproni[2] direkt in der Uferzone des Donauhauptarms 1958 während einer mehrtägigen Rettungsgrabung einen heute nicht mehr sichtbaren Burgus, der durch Überschwemmungen der Donau ans Licht getreten war. Es wurden zwei 24 Meter auseinanderstehende, je 60 Zentimeter starke Mauerreste festgestellt, die von Norden nach Süden verliefen und mit schlechtem Mörtel gesetzt worden waren. Zwischen den beiden Mauerstümpfen konnte eine ungefähr von Ost nach West ausgerichtete, 1 Meter starke fragmentierte weitere Mauer festgestellt werden, mit der die beiden äußeren Mauerstränge jedoch keinen rechten Winkel bildeten. Die Suchschnitte bargen römische Dachziegel und das Fragment eines Ziegelstempels mit der Inschrift V]P DVX[2] sowie einige Bruchstücke grauer Gefäßkeramik. Stratigraphische Altersbestimmungen waren so gut wie nicht möglich, da das Gebiet des Wachturms im Mittelalter und möglicherweise darüber hinaus als Friedhof genutzt wurde und durch eingetiefte Grablegen immer wieder Umgrabungen erfuhr. Es ließ sich anhand der schlechteren Mörtelqualität jedoch die Aussage machen, dass die beiden 60 Zentimeter starken Mauerreste einer jüngeren Bauphase angehören mussten. Die ostwestliche Mauer dürfte als letzter Überrest zu dem eigentlichen Burgus gehört haben, der nach Oberflächenbefunden rund 10 × 10 Meter groß gewesen sein mag. Da eine genauere Altersbestimmung dieser aus dem 4. Jahrhundert stammenden Anlage nicht mehr möglich war, könnte er anhand seiner teils mutmaßlichen Abmessungen der valentinianischen Ära zugeordnet werden.[8] Würde das Inschriftenfragment V]P DVX zu dem bekannten Stempel FRIGERIDVS V P DVX aufgelöst werden, ergäbe sich ebenfalls ein Hinweis auf Bau- oder Renovierungstätigkeiten unter Kaiser Valentinian I. an diesem Platz.
2 Kisoroszi (Burgus Solva 37)[A 3] Auch der nächste, östlich des zuvor besprochenen Bauwerks gelegene Burgus wurde von Soproni untersucht, nachdem bereits Flóris Rómer (1815–1889) die damals noch gut erhaltene Ruine gesehen und ausführlich beschrieben hatte. Zu Rómers Zeit waren die am Donauhauptarm gelegenen Mauerreste noch 1,20 Meter hoch erhalten gewesen. Er konnte feststellen, dass die 12,33 × 12,33 Meter umfassende Befestigung bis zu dieser Höhe in einer 2,85 Meter starken Steinbauweise ausgeführt worden war, darüber fand er noch zwei aus Ziegeln gesetzte Lagen vor, deren Stärke um 62 Zentimeter schwächer gewesen war, als der untere Turmansatz.[9] Der aus dem örtlich vorkommenden Andesit errichtete Burgus lag auf der gleichfalls zu Kisoroszi gehörenden Flur Hosszúréti (Pásztorkert) und stand dem am anderen Donauufer liegenden Ländeburgus von Verőcemaros-Dunamező genau gegenüber. Aus dem nicht parallel zum Flussbett errichteten, Burgus stammten zahlreiche Ziegelstempel der Tribunen Caris und Lupicinus (Caris trb., Lupicinus trb.). Diese hohen Stabsoffiziere dienten unter der Herrschaft Kaiser Valentinians I. Lupicinus war in der Provinz Valeria, zu der dieser Donauabschnitt zählte, nach 368 bzw. vor 377 als Tribun tätig.[10] Heute ist an dem Platz nur ein rund 1 Meter hoher, gestörter Schutthügel zu sehen.[9] Soproni nahm an, dass diese Anlage wahrscheinlich der Überrest eines Ländeburgus gewesen ist.[11]
2 Verőce (Burgus Solva 38)[A 4] Am gegenüberliegenden Ufer des Donauhauptarms liegt der Burgus Verőcemaros-Dunamező.


Denkmalschutz

Die Denkmäler Ungarns sind nach dem Gesetz Nr. LXIV aus dem Jahr 2001 durch den Eintrag in das Denkmalregister unter Schutz gestellt. Zuständig ist das Staatliche Amt für das Kulturelle Erbe (Kulturális Örökségvédelmi Hivatal; KÖH) in Budapest. Das Kastell Kisoroszi sowie alle anderen Limesanlagen gehören als archäologische Fundstätten nach § 3.1 zum national wertvollen Kulturgut. Alle Funde sind nach § 2.1 Staatseigentum, egal an welcher Stelle der Fundort liegt. Verstöße gegen die Ausfuhrregelungen gelten als Straftat bzw. Verbrechen und werden mit Freiheitsentzug von bis zu drei Jahren bestraft.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Jenő Fitz (Hrsg.): Der Römische Limes in Ungarn. Fejér Megyei Múzeumok Igazgatósága, 1976.
  • Sándor Soproni: Der spätrömische Limes zwischen Esztergom und Szentendre. Akademiai Kiado, Budapest 1978, ISBN 9630513072.
  • Sándor Soproni: Die letzten Jahrzehnte des pannonischen Limes. C. H. Beck, München 1985, ISBN 3406304532.
  • Zsolt Visy: The ripa Pannonica in Hungary. Akadémiai Kiadó, Budapest 2003, ISBN 9630579804.

Einzelnachweise

  1. Zsolt Visy: The ripa Pannonica in Hungary. Akadémiai Kiadó, Budapest 2003, ISBN 9630579804, S. 53–54.
  2. a b c Zsolt Visy: The ripa Pannonica in Hungary. Akadémiai Kiadó, Budapest 2003, ISBN 9630579804, S. 54.
  3. Jenő Fitz (Hrsg.): Der Römische Limes in Ungarn. Fejér Megyei Múzeumok Igazgatósága, 1976, S. 71.
  4. Sándor Soproni: Der spätrömische Limes zwischen Esztergom und Szentendre. Akadémiai Kiadó. Budapest 1978, ISBN 9630513072, S. 72.
  5. Notitia Dignitatum, IN PARTIBUS OCCIDENTIS, XXXIII.
  6. János György Szilágyi: Inscriptiones tegularum pannonicarum. DissPann II. Budapest, 1933, Taf. XXVIII, S. 53-58.
  7. Barnabás Lőrinc: A későrómai hídfőállások bélyeges téglái Valeriában. In: Attila Gaál (Hrsg.): Pannoniai kutatások. A Soproni Sándor emlékkonferencia előadásai (Bölcske, 1998. október 7.). Szekszárd 1999, S. 53–68.
  8. Sándor Soproni: Der spätrömische Limes zwischen Esztergom und Szentendre. Akadémiai Kiadó. Budapest 1978, ISBN 9630513072, S. 73.
  9. a b Sándor Soproni: Der spätrömische Limes zwischen Esztergom und Szentendre. Akadémiai Kiadó. Budapest 1978, ISBN 9630513072, S. 74.
  10. Barnabás Lőrinc: A későrómai hídfőállások bélyeges téglái Valeriában. In: Attila Gaál (Hrsg.): Pannoniai kutatások. A Soproni Sándor emlékkonferencia előadásai (Bölcske, 1998. október 7.). Szekszárd 1999, S. 53–68. Fussnote 12.
  11. Jenő Fitz (Hrsg.): Der Römische Limes in Ungarn. Fejér Megyei Múzeumok Igazgatósága, 1976, S. 73.
  12. Siehe hierzu: Kulturális Örökségvédelmi Hivatal

Anmerkungen

  1. Strecke = Nummerierung folgt Zsolt Visy: Der pannonische Limes in Ungarn (Theiss 1988) sowie Zsolt Visy: The ripa Pannonica in Hungary. (Akadémiai Kiadó 2003)
  2. Bei 47° 48′ 53,62″ N, 19° 0′ 5,69″ O47.81489444444419.001580555556.
  3. Bei 47° 48′ 48,29″ N, 19° 3′ 2,49″ O47.81341388888919.050691666667.
  4. Bei 47° 49′ 6,82″ N, 19° 3′ 5,46″ O47.81856111111119.051516666667.

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