Bund zur Erneuerung des Reiches

Bund zur Erneuerung des Reiches

Der Bund zur Erneuerung des Reiches (BER, auch: Erneuerungsbund, Lutherbund) war eine Organisation in der Endphase der Weimarer Republik, die mittels einer Reichsreform, eine territoriale Neugliederung der Länder und eine Neuregelung des Verhältnisses zwischen Reich und Ländern, und die Stärkung der Stellung des Reichspräsidenten auf Kosten des Parlaments anstrebte.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Ziele

Den Auftakt zur Gründung gab Ludwig Kastl auf der Jahrestagung des RDI Anfang September 1927. Er forderte eine umfassende Senkung der Gesamtsteuerlast der Unternehmen, durch Einsparung öffentlicher Ausgaben, dazu solle die Verwaltung und die Verfassung reformiert werden.

Geburtsstunde des BER war ein Treffen am 19./20. September 1927 von Paul Reusch, Hans Luther, Max Warburg, Ludwig Kastl und Siegfried von Roedern in Reuschs Landsitz dem Schloss Katharinenhof. Hier wurde eines Büro L. (Luther) vereinbart.

Am 20. Oktober 1927 schloss sich unabhängig vom BER entstandene „Hannover-Kreis“ an, dem Hermann Schmidt (Braunschweiger Kaliindustrieller, Ewald Hecker, Walter Jänecke (Verleger) und Gustav Heintze (Textilindustrieller aus Hannover) angehörten.

Der Bund wurde am 6. Januar 1928 in Berlin gegründet. Den Gründungsaufruf unterzeichneten u.a. Carl Bergmann (Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank), Jakob Goldschmidt, Louis Hagen, Franz von Mendelssohn, Albert Vögler, Fritz Thyssen, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Paul Reusch, Fritz Springorum, Wilhelm Cuno, Hermann Röchling, Carl Friedrich von Siemens, Robert Bosch und Abraham Frowein.

Ziel der Reichsreform war es die Staatsausgaben zu senken. Besonderes Ziel war den Dualismus zwischen Preußen und dem Reich zu beenden. Zudem wirkte der Bund auf eine autoritäre Präsidialregierung hin. Im Mitteilungsblatt des BER im Oktober 1932 hieß es dazu:

„Daß der Erneuerungsbund die ‚Stärkung des Führergedankens’ als eines der Hauptprobleme unseres politischen Lebens frühzeitig erkannt hat, beweist seine 1929 erschienen Schrift über ‚Die Rechte des Deutschen Reichspräsidenten nach der Reichsverfassung’. Hier wurde die Überwindung der Parlaments- und Fraktionsherrschaft gefordert und nachgewiesen, daß der Reichspräsident selbst ohne Verfassungsänderung in der Lage ist, zum ausschlaggebenden Faktor der deutschen Politik zu werden. Der Erneuerungsbund kann wohl für sich in Anspruch nehmen, durch Herausstellung der entscheidenden staatsrechtlichen Gesichtspunkte sowie durch Aufklärung de öffentlichen Meinung wesentliche Vorarbeiten zur Durchsetzung des Systems einer autoritären Präsidialregierung geleistet zu haben.“[1]

Dazu entfaltete der Bund eine rege publizistische Tätigkeit.

Zur extremen Rechten stand der Bund distanziert. Alfred Hugenberg bekämpfte die Vorschläge des Bundes, da sie ihm nicht weit genug gingen. Gegenüber der NSDAP verhielt sich der Bund zurückhaltend.

Die KPD bezeichnete den Gründungsaufruf des Bundes, als „Angriff des Trustkapitals“ und als „Programm der kapitalistischen Rationalisierung des Staates“[2].

1933 stellte der Bund seine Arbeit ein.

Organisation

Der Mitgliedsbetrag war sehr niedrig, er betrug 6 Reichsmark für Einzelpersonen, und 60 Reichsmark für eine juristische Person im Jahr. Die Organisationsform war äußerst locker. Das Organisationsleben beschränkte sich auf die Sitzungen des Vorstands und des Arbeitsauschusses, und die jährliche Mitgliederversammlung in Berlin, nach der sich in den ersten Jahren ein Presseempfang mit der Darlegung der Ziele für die Öffentlichkeit anschloß. Es entstanden einzelne Landesgruppen, die Vortragsabende und Mitgliederversammlungen veranstalteten.

Die Führung des Bundes bestand aus: Paul Reusch, Hans Luther, Max Warburg, Siegfried von Roedern, Thilo Freiherr von Wilmowsky (seit 1930), Paul Kempner (Schatzmeister seit 1930) und Otto Geßler (seit 1931), die sich regelmäßig im Reuschs Villa trafen.

Vorsitzende

Mitglieder

Der Bund hatte rund 300 Mitglieder. Zu ihnen gehörten:[3]

Erste Gruppe (westdeutsche und Berliner Großwirtschaft und Kommunalpolitiker)

  • Abraham Frowein (Stellvertretender Vorsitzender des RDI)
  • Hans Kraemer (Stellvertretender Vorsitzender des RDI)
  • Ludwig Kastl (Geschäftsführendes Präsidialmitglied des RDI)
  • Bernhard Grund (Stellvertretender Vorsitzender des DIHT)
  • Eduard Hamm (Geschäftsführendes Präsidialmitglied des DIHT)
  • Paul Reusch (Generaldirektor der Gutehoffnungshütte)
  • Karl Haniel (Aufsichtsratsvorsitzender der Gutehoffnungshütte)
  • Hans Luther
  • Otto Most (Geschäftsführer der IHK Duisburg, MdR der DVP)
  • Walther Adametz
  • Martin Sogemeier (Geschäftsführer d. Zweckverband d. Nordwestlichen Industrieverbände)
  • Paul Moldenhauer (Aufsichtsratsmitglied der I.G. Farben, MdR der DVP)
  • Walther Frisch (Vorstandsmitglied der Dresdner Bank)
  • Paul Kempner (Mitarbeiter des Bankhauses Mendelsohn)
  • Rudolf von Bitter (Vorstandsmitglied der Deutschen Landesbankzentrale)
  • Hermann Röchling
  • Franz Bracht (Oberbürgermeister von Essen)
  • Karl Jarres (Oberbürgermeister von Duisburg, DVP)
  • Dr. Dickmann (Landeshauptmann von Münster)
  • Johannes Horion (Landeshauptmann der Rheinprovinz, Zentrum)
  • Wilhelm Kitz (Landrat von Düsseldorf, Zentrum)
  • Dr. Kühl (Landrat von Münster)

Zweite Gruppe (Landwirtschaft)

  • Achim von Arnim (Rittergutsbesitzer, Mellenau)
  • Georg Ernst Graf von Bernstorff (Rittergutsbesitzer, Junkerwehningen)
  • Felix Busch (Gutsbesitzer, Neumark)
  • Thilo Freiherr von Wilmowsky

Dritte Gruppe (Hamburger Großwirtschaft)

Vierte Gruppe (Hannover-Kreis)

  • Walter Jänecke (Verleger des „Hannoverschen Kuriers“ Zentralratsmitglied der DVP)
  • Gustav Heintze (Textilindustrieller aus Hannover)

Fünfte Gruppe (Politik, Wissenschaft und sonstiges)

  • Franz Schweyer (Bayrischer Innenminister a.D.)
  • Karl Brandi (Historiker, Professor an der Universität Göttingen)
  • Bernhard Otte (Vorsitzender des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften Deutschlands)
  • Otto Henne (Flaschnermeister, Tübingen)
  • Hans Remshard (Vorstandsmitglied der Bayrischen Hypotheken- und Wechselbank)

Industrie und Banken

  • Konrad Piatscheck (Vorsitzender des Deutschen Braunkohlen-Industrie-Vereins)
  • Wolfgang Reuter (Generaldirektor der Demag)
  • Jakob Riesser (Aufsichtsratsvorsitzender der Rheinischen Braunkohlen AG, Zentralvorstandsmitglied der DDP)
  • Phillip Rosenthal (Generaldirektor der Porzellanfabrik Ph. Rosenthal und Co.)
  • Kurt Schmitt
  • Oskar Sempell (Vorstandsmitglied der Vereinigten Stahlwerke)
  • Kurt Sorge
  • Carl Stimmig (Generaldirektor der Norddeutsche Lloyd)

Landwirtschaft

Politik

Arbeiterbewegung

  • Friedrich Baltrusch
  • Hans Bechly
  • Otto Becker (Vorsitzender des Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs)

Wissenschaft und Jungkonservative

Schriften

  • Reichsreform. Mitteilungen des Bundes zur Erneuerung des Reiches e.V. (erschien monatlich ab Januar/Februar 1929)
  • Reich und Länder. Vorschläge Begründung, Gesetzentwürfe. Berlin 1928.
  • Die Rechte des Deutschen Reichspräsidenten nach der Reichsverfassung. Eine gemeinverständliche Darstellung. Berlin 1929.
  • Das Problem des Reichsrats. Leitsätze mit Begründung. Gesetzentwürfe mit Begründung. Vergleiche mit anderen Staaten. Berlin 1930.
  • Wann kommt die Reichsreform? Auszüge und Ergänzung der früheren Bundesschrift: Reich und Länder. Berlin 1931.
  • Die Reichsreform, Bd. 1: Allgemeine Grundlagen für die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Reich, Ländern und Gemeindeverbänden. Berlin 1933.

Weblinks

Literatur

  • Kurt Gossweiler: Bund zur Erneuerung des Reiches (BER) 1928 – 1933. In: Dieter Fricke (Hrsg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland, Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945. Bd. 1, Leipzig 1968. S. 195 – 200.
  • Hak-Ie Kim: Industrie, Staat und Wirtschaftspolitik. Die konjukturpolitische Diskussion in der Endphase der Weimarer Republik 1930–1932/33. Berlin 1997, S. 11 ff.

Einzelnachweise

  1. Gossweiler, S. 199.
  2. Gossweiler, S. 199.
  3. entnommen aus: Hak-Ie Kim, S. 26 ff. Es ist keine Aufstellung der Mitglieder vorhanden. Die Liste stammt aus der von Kurt Gossweiler betreuten Dissertation von Werner Müller: Die Monopolbourgeoisie und die Verfassung der Weimarer Republik. Berlin 1970, S. 70–95. die sich auf Zeitungsberichte und Unterzeichnern der Reichsreformleitsätze stützt.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Allerheiligstes Sakrament des Altares — Das letzte Abendmahl von Jacopo Bassano Das Abendmahl (auch Eucharistie, Kommunionfeier, Herrenmahl, Altarsakrament, Brotbrechen oder Messopfer genannt) ist eine Handlung im Rahmen eines christlichen Gottesdienstes, die an das heilvolle Sterben… …   Deutsch Wikipedia

  • Deutscher Bund — Der Deutsche Bund war ein Staatenbund überwiegend deutschsprachiger Staaten zwischen 1815 und 1866. Er wurde am 8. Juni 1815 auf dem Wiener Kongress ins Leben gerufen. Er folgte dem 1806 aufgelösten Heiligen Römischen Reich und dem napoleonischen …   Deutsch Wikipedia

  • Diktatur des Nationalsozialismus — Dieser Artikel handelt von der Aufstiegs und Regierungszeit der Nationalsozialisten in Deutschland von 1918 bis 1945. Zu ihrer Ideologie siehe Nationalsozialismus. Zu dem von ihnen errichteten Staatswesen siehe Deutsches Reich 1933 bis 1945. Zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Herrschaft des Nationalsozialismus — Dieser Artikel handelt von der Aufstiegs und Regierungszeit der Nationalsozialisten in Deutschland von 1918 bis 1945. Zu ihrer Ideologie siehe Nationalsozialismus. Zu dem von ihnen errichteten Staatswesen siehe Deutsches Reich 1933 bis 1945. Zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Zeit des 3. Reiches — Dieser Artikel handelt von der Aufstiegs und Regierungszeit der Nationalsozialisten in Deutschland von 1918 bis 1945. Zu ihrer Ideologie siehe Nationalsozialismus. Zu dem von ihnen errichteten Staatswesen siehe Deutsches Reich 1933 bis 1945. Zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Zeit des 3. Reichs — Dieser Artikel handelt von der Aufstiegs und Regierungszeit der Nationalsozialisten in Deutschland von 1918 bis 1945. Zu ihrer Ideologie siehe Nationalsozialismus. Zu dem von ihnen errichteten Staatswesen siehe Deutsches Reich 1933 bis 1945. Zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Zeit des Dritten Reichs — Dieser Artikel handelt von der Aufstiegs und Regierungszeit der Nationalsozialisten in Deutschland von 1918 bis 1945. Zu ihrer Ideologie siehe Nationalsozialismus. Zu dem von ihnen errichteten Staatswesen siehe Deutsches Reich 1933 bis 1945. Zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland — Dieser Artikel handelt von der Aufstiegs und Regierungszeit der Nationalsozialisten in Deutschland von 1918 bis 1945. Zu ihrer Ideologie siehe Nationalsozialismus. Zu dem von ihnen errichteten Staatswesen siehe Deutsches Reich 1933 bis 1945. Zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte des Bistums Mainz — Bistumswappen seit 1250 …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte des Königreichs Preußen — Königreich Preußen Wappen Flagge …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”