Brückenkatastrophe in Koblenz

Brückenkatastrophe in Koblenz
Bergungsarbeiten an der Unglücksstelle in Koblenz-Lützel
Die Feuerwehr sucht mit Stangen den Wassergrund nach Toten ab, Reste der Brücke sind im Hintergrund sichtbar
Überblick über die Unglücksstelle während der ersten Rettungsmaßnahmen

Die Brückenkatastrophe in Koblenz war die größte zivile Katastrophe in der Geschichte der Stadt Koblenz. Beim Einsturz einer Behelfsbrücke über den Sicherheitshafen in Koblenz-Lützel am 22. Juli 1930 verloren 38 Menschen ihr Leben. An diesem Tag fanden in Koblenz und am Deutschen Eck die nationalen Feierlichkeiten zum Ende der Alliierten Rheinlandbesetzung statt. An dieser Hauptbefreiungsfeier nahm auch Reichspräsident Paul von Hindenburg teil, der zuvor bereits bei vielen Befreiungsfeiern entlang des Rheins anwesend war. Die Räumung des Rheinlands erreichte Außenminister Gustav Stresemann auf der Haager Friedenskonferenz im August 1929. Die letzten französischen Truppen verließen Koblenz daraufhin am 29. November 1929.

Die Stadt bereitete sich enthusiastisch auf die Befreiungsfeier vor, die Häuser waren mit Girlanden und Flaggen geschmückt. Das Schiff von Reichspräsident Hindenburg legte zusammen mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun gegen 11.30 Uhr am Deutschen Eck an, wo er von Oberbürgermeister Karl Russell begrüßt wurde. Im Anschluss an die offizielle Begrüßung folgte ein Festakt der Preußischen Staatsregierung in der Städtischen Festhalle mit Empfängen und Banketten sowie eine Rundfahrt durch die Stadt.

Der Höhepunkt des Tages war das Feuerwerk von der Festung Ehrenbreitstein gegen 22.30 Uhr. Rhein- und Moselanlagen waren gesäumt von hunderttausenden Menschen, die Teils extra mit Sonderzügen angereist waren. Nach Ende des Feuerwerks gegen 23 Uhr drängten viele Menschen, die sich am Neuendorfer Eck in Lützel direkt gegenüber dem Deutschen Eck befunden hatten, über eine schmale Pontonbrücke, die sich an der Einfahrt zum Sicherungshafen befand, um eine Abkürzung zu nehmen. In der dunklen Nacht sahen die Menschenmassen nicht was vor ihnen geschah, als die Behelfsbrücke gegen 23.15 Uhr unter der Last einbrach.

Die Pontonbrücke lagerte an den Seiten auf einer drei Meter hohen Mauer. Durch die Last von etwa 200 Menschen, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks auf der Brücke befanden, sanken die Schwimmkörper in das Wasser ein. Die Brückenenden wurden dadurch aus ihrer Verankerung gerissen. Unter panischen Schreien der Menschen neigte sich die Brücke zur Seite und alle auf ihr befindlichen Personen fielen in das Wasser. In der allgemeinen Panik dauerte es lange, bis die ersten Rettungskräfte vor Ort waren. Zudem hatten sie es an dieser unbeleuchteten Stelle schwer, die im Wasser treibenden Menschen mit Booten, Stangen und Stöcken zu retten. Nachdem nun auch Polizei, Feuerwehr und Rotes Kreuz die Rettungsmaßnahmen unterstützen, konnten in den ersten drei Stunden 34 Menschen nur noch tot geborgen werden. Die Zahl der Opfer stieg bis zum nächsten Tag auf 38 an.

Am nächsten Morgen erfuhr Reichspräsident Hindenburg von der schrecklichen Katastrophe und brach sofort seine weitere Reise durch das Rheinland ab. Vorgesehen waren noch Besuche in Trier und Aachen. Der Tag, der eigentlich so fröhlich begann und sich in einen Trauertag verwandelte, löste in ganz Deutschland Mitgefühl und Trauer aus. Die Titelseiten der großen Zeitungen in Deutschland waren tagelang von den Ereignissen in Koblenz geprägt. Viele Menschen spendeten Geld für die Opfer der Katastrophe, so dass bereits drei Wochen später schon 79.794,25 Reichsmark eingegangen waren.[1] Auch im Ausland teilte man die Trauer um die Opfer. Das Reichsverkehrsministerium veranlasste eine Untersuchung des Unglücks. Dabei konnte man ein Fremdverschulden ausschließen. Der Grund für das Unglück lag in der Überlastung durch so viele Menschen, denn die Brücke war nur für das Überqueren von wenigen Menschen geeignet.

Die Beerdigungsfeierlichkeiten fanden am 26. Juli 1930 unter großer Anteilnahme der Koblenzer Bevölkerung statt. Der Trauerzug mit 38 Särgen, bei der Schulkinder und Vereine das Spalier bildeten, führte durch die Straßen der Stadt zum Koblenzer Ehrenfriedhof. Reichsverkehrsminister Theodor von Guérard legte im Namen des Reichspräsidenten und der Reichsregierung Kränze nieder. 14 der verunglückten Personen wurden im Gräberfeld 20 gegenüber dem Ehrenfriedhof 1914/18 begraben, die übrigen überführte man in ihre Heimatorte. Die Grabanlage besteht aus einem schmalen Weg, an dem jeweils rechts und links sieben mit Kissensteinen markierte Grabstätten liegen. Am Ende des Weges befindet sich ein schlichter Gedenkstein.[2]

Literatur

  • Energieversorgung Mittelrhein GmbH (Hrsg.): Geschichte der Stadt Koblenz. Gesamtredaktion: Ingrid Bátori in Verbindung mit Dieter Kerber und Hans Josef Schmidt.
    • Bd. 2: Von der französischen Stadt bis zur Gegenwart. Theiss, Stuttgart 1993, S. 161ff., ISBN 3-8062-1036-5.
  • H. Kampmann: Koblenzer Presse-Chronik. 80 Zeitungen aus drei Jahrhunderten, Koblenz 1988
  • H.J. Schmidt: Nach dem Jubel kam die Trauer. Die Koblenzer Befreiungsfeier am 22. Juli 1930 und ihr tragischer Ausgang in: Ein Stück Koblenz, hg. von der Pfarrei Liebfrauen, Bd. 3, Koblenz 1987, S. 27–33.
  • Albert Herrmann: Katastrophen Naturgewalten und Menschenschicksale. G. Schönfeld’s Verlagsbuchhandlung, Berlin 1936, S. 319

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hauptfriedhof Koblenz. Dokumentation zum 160jährigen Bestehen des Hauptfriedhofes. Koblenz: Stadt Koblenz 1981, S. 54. (Dokumentationen der Stadt Koblenz, 9).
  2. Hauptfriedhof Koblenz., S. 54.
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