Call Center

Call Center
Blick in die Großraumvariante eines Callcenters mit abgeteilten Agentenarbeitsplätzen und kommunikativer Sichtverbindung durch blickfreie Wände

Als Callcenter (von engl. call center; dt. „Telefon-Beratungszentrum“) oder Customer Care Center (zu dt. „Kundenberatungszentrum“ oder „Kundenbetreuungszentrum) wird ein Unternehmen oder eine Organisationseinheit bezeichnet, welche Marktkontakte telefonisch schafft: aktiv (outbound: Das Callcenter startet den Anruf) oder passiv (inbound: Das Callcenter wird angerufen). Ein Callcenter setzt neben Dienstleistungsangeboten auch häufig Telefonverkauf als Form des Direktmarketing operativ um.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Geburtsstunde von Callcentern war die Idee, die in einem Unternehmen eingehenden Anfragen nicht dezentral, also durch Mitarbeiter in einzelnen Abteilungen sondern zentral, in einer speziell dafür geschaffenen Abteilung aufzunehmen und zu bearbeiten. So waren z. B. die telefonischen Bestellannahmen von Warenversandhäusern wie etwa Quelle die ersten Vorläufer moderner Callcenter. Die weitere Entwicklung von Callcentern begann in den 1970er Jahren in den USA. Eine der ersten Branchen, welche die durch die Organisationsform erweiterten Möglichkeiten des Kundenkontaktes nutzte, war die Tourismusindustrie; hier bot man telefonische Buchung von Hotels und Flügen an. In Europa begannen sich Callcenter zunächst in Großbritannien und Irland sowie in Deutschland und den Beneluxstaaten durchzusetzen. In Irland wurde die Ansiedlung von Callcentern durch ein niedriges Lohnniveau, steuerbegünstigte Zonen und EU-Subventionen forciert.[1] In Österreich war die Boomphase der Callcenter in den Jahren 1998 bis 2001.[2]

Durch die rasch voranschreitende Entwicklung der Informationstechnik unterzog sich die Branche einer starken Wandlung.

Die steigende Relevanz der Callcenter lässt sich auch anhand der steigenden Anzahl wissenschaftlicher Publikationen zu diesem Thema darstellen. So zeigt eine Recherche in Google Scholar, dass im Zeitraum von 1980 bis 1990 lediglich 30 Publikationen verzeichnet sind. In den Jahren 1991 bis 1995 sind es immerhin 101, von 1995 bis 2000 hingegen bereits über 2.000 Publikationen. In den letzten Jahren setzte sich der Anstieg weiter fort (über 4.000 Publikationen von 2001 bis 2006).

Aufgaben

Callcenter können vielfältige Aufgaben erfüllen. Sie dienen zu Informationszwecken (Hotline, Produktinformationen), Kundendienst, Beschwerdemanagement, Marktforschung, Meinungsforschung, Auftrags- und Bestellannahme (Versandhäuser, Ticket Services), Rufnummernauskunft oder auch als Notfall-Dienst (ADAC, AvD) und dem Verkauf mit Vertragsabschluss. Zunehmend werden Callcenter auch in hoch qualifizierten Bereichen wie z. B. in der Medizin zur Betreuung von chronisch erkrankten Patienten eingesetzt. In jüngster Zeit reguliert der Gesetzgeber die Outbound-Marketingaktivitäten: Kaltakquise (auch cold calls genannt) ist in Deutschland gesetzeswidrig. Der aktive Anruf ohne Kundenaufforderung im Privatkundenbereich soll damit unterbunden werden, ein beratender Anruf bei Bestandskunden ist jedoch weiterhin erlaubt. Durch werbende Angebote wird dennoch häufig ein möglicher Rückruf forciert.

Die Callcenter-Branche ist aufgrund der technischen Möglichkeiten stark gewachsen. In Deutschland arbeiteten im Jahr 2004 rund 250.000 Menschen in diesem Dienstleistungsbereich. 2006 waren es 400.000, 2007 kamen geschätzte 40.000 dazu. Notwendigerweise stellen sich dabei auch geringer qualifizierte Unternehmen in dieser Branche ein.

Um den wachsenden Bedarf an ausgebildeten Personal decken zu können, wurden die beiden branchenspezifischen Ausbildungsberufe Servicefachkraft für Dialogmarketing und Kaufmann für Dialogmarketing geschaffen, in denen seit 2006 ausgebildet werden kann.

Arten und Struktur

  • Inbound-Callcenter nehmen den Anruf des Kunden entgegen. Der Kunde beauftragt Bestellungen, fordert Informationen, meldet Störungen, beschwert sich, möchte vermittelt werden – es handelt sich somit um den traditionellen Kundendienst.
  • Outbound-Callcenter rufen potentielle Kunden und Bestandskunden gezielt an. Dabei kann es sich um Aktionen im Rahmen des Telefonmarketing handeln. Der Auftraggeber des Callcenters beabsichtigt den Verkauf von Produkten. Andere Einsatzgebiete: statistische Daten erheben, Bedarf ermitteln (Pre-Sale), Rückfragen zur Kundenzufriedenheit (After-Sale), Ansprechpartner aktivieren, Adressen aktualisieren. Agenturen, die mit geringem technischen Bedarf arbeiten, sind in diesem Sinne keine Callcenter.[3][4]
  • Customer Service Center verbinden den Bereich Inbound mit der aktiven Outbound-Tätigkeit. Personal und Technik, die im Callcenter bereitstehen, werden in Phasen geringer Inbound-Auslastung für Outbound-Kampagnen eingesetzt.

Zwei Drittel der Callcenter waren 2007 im Outbound tätig.

Im April 2008 arbeiten 435.000 Frauen und Männer in Deutschland in 5700 Callcentern, bei einem monatlichen Bruttoverdienst zwischen 1800 und 1900 Euro pro Vollzeitbeschäftigten. Der Branchenumsatz mit 20 Millionen Calls (inbound und outbound) liegt in Deutschland bei zwölf Milliarden Euro, davon vier Milliarden Euro durch Dienstleister. Rund vier Milliarden Euro hat die Branche 2007 investiert. [5]

Komponenten von Callcentern

Die Entstehung einer eigenständigen Callcenter-Branche seit den 1990er Jahren basierte auf dem Fortschritt in der Telekommunikationstechnik.

Arbeitsumgebung

Die Arbeitsumgebung eines Callcenters ist zumeist ein Großraumbüro mit akustisch abgeteilten Arbeitsplätzen[6]. Die Mitarbeiter sind mit Sprechgarnituren und Bildschirmarbeitsplätzen ausgerüstet, um nötige Informationen zu erhalten und zu speichern. Am Computer können zeitgenau Historie und Angelegenheit des Kunden abgeglichen werden.[7]

Neben internen Callcenter-Abteilungen und externen Agenturen, die als gesondertes Callcenter eingerichtet sind, werden auch konventionelle Büros mit weniger Mitarbeitern, aber im anspruchsvollen Service als Callcenter bezeichnet. Interne oder externe Auftraggeber vergeben Projekte an die Organisation "Callcenter".[8] Zumeist sind interne Callcenter als Profitcenter eingerichtet.

Mitarbeiter

Wurden in der Anfangsphase der Callcenter-Branche geringfügig Beschäftigte, alleinerziehende Mütter, Hausfrauen oder Studenten als Agenten bevorzugt so wurde seit 2000 das Berufsbild des Telefonagenten geschaffen. Galt anfangs die These "telefonieren kann jeder" so zeigte sich, dass eine qualifizierte Beratung und Betreuung von Kunden auch eine qualifizierte Mitarbeiterführung bedingt. Das einfache Qualifikationsniveau[9] der Agenten brachte der Branche das Negativ-Image von Telefonagenturen. Customer Service Agents verkörpern den Außenauftritt des Auftraggebers und vermitteln den entscheidenden „ersten Eindruck“.

In hochspezialisierten Callcentern für besondere Projekte, wie in der Medizin oder in der professionellen Telekommunikation, wird auch hochqualifiziertes Personal eingesetzt, im genannten Themenkreis also Ärzte und Krankenschwestern oder Ingenieure. Da die Ausbildung zum Agenten IHK-fähig ist, darf mit der Zunahme qualifizierter Kräfte in der Branche und einer Stabilisierung des Branchenniveaus gerechnet werden. [10][11] Es sind unter den Führungskräften immer häufiger Akademiker zu finden.[12]

Andererseits verbleiben Callcenter auch in Regionen mit niedrigen Lohnkosten, im ländlichen Raum oder an Standorten von Universitäten, wo Studenten als Mitarbeiter "jobben" wollen. Multinationale Konzerne haben ihre zentralen Callcenter auch international ausgelagert, in Irland, Belgien und den Niederlanden, um den gesamten europäischen Markt abzudecken. Auch Indien und andere geeignete Länder wurden durch die schnelleren weltweiten Netze zu Sitzen für Callcenter, die auf deutsche Kunden ausgerichtet sind.[13]

Die Mitarbeiteranzahl wird durch viele äußere und innere Faktoren beeinflusst.

Im Inbound wirken sich externe Faktoren (Wetter, Sport, Wahlen, Werbung, saisonale Schwankungen im Versandhandel) aus und können das Call-Aufkommen in kürzester Zeit drastisch ändern. Dieses Geschäft wird kundenseitig gesteuert.

Outboundgeschäfte wie Terminvereinbarungen oder Storno-Rückgewinnungen arbeiten gleichmäßiger mit einer vorwählbaren Call-Anzahl pro Schicht und Soll-Quoten. Die Call-Anzahl wird aktiv also centerseitig beeinflusst. Für spezielle Projekte können zusätzliche Mitarbeiter geplant und befristet eingestellt werden.

Telekommunikationstechnik

  • Private [Automatic] Branch Exchange (PBX) wird die Telefonanlage genannt, welche über Telefonleitungen das öffentliche Telefonnetz mit den Telefonen im Callcenter verbindet.
  • Automatic Call Distribution (ACD) ist das Kernstück des Callcenters zwischen der Telefonanlage und den Agenten[14]. Diese Anlage teilt alle eingehenden Anrufe in geeigneter Form auf die verfügbaren Agenten auf. Im Regelfall gilt für den Anrufer FIFO (First In – First Out) und für die Agentenseite das longest idle-Prinzip. Der nächste (am längsten wartende) Call in der Warteschlange wird an denjenigen Mitarbeiter geleitet, dessen letztes Gespräch am längsten zurückliegt. Andere Verteilungsregeln lassen sich in der ACD ebenfalls einstellen: So können A-Kunden (Premium, GoldCard) an der Warteschlange vorbei vermittelt werden, oder Anrufer bestimmter Rufnummern werden nur an definierte Agentengruppen geleitet. Ist kein freier Agent verfügbar, leitet die ACD den Anrufer automatisch an eine Warteschlange (Queue) weiter. Diese Wartezeit kann durch geeignete ACD-Einstellungen mit einem Hinweis (auch mit eventuellen Angaben der Wartezeit) auf den nächsten freien Mitarbeiter, untermalender Musik oder Werbeeinblendungen verbunden werden. Die ACD-Anlage registriert auch Anzahl und Dauer von Calls, sortiert nach Projekten, nach Agenten. Die sogenannten Skills können beim ACD ebenfalls hinterlegt werden. Skills sind die spezifischen Eignungen jedes Agenten, wie besonderes Fachwissen (Kundenberatung) oder geeignete Fähigkeiten (Ruhe im Beschwerdemanagement). Somit ist es möglich, bei eingehenden Anrufen (incoming Calls) den Anruf je nach benötigtem Skill zu den qualifizierten Agenten weiterzuleiten.
  • Interactive Voice Response (IVR) befreit Agenten von Routineauskünften oder kann durch den Anrufer beeinflusst bestimmte Anfragen an die qualifizierte Mitarbeitergruppe weiterleiten. Eine aufgezeichnete Begrüßung bietet Anrufern verschiedene Möglichkeiten an, die per Tastendruck oder sprachgesteuert ausgewählt werden können. Die IVR ersetzt bei häufigen gleichen Nachfragen zu einfachen Informationen eine Vermittlung zum Agenten, unternehmerisch werden durch diese Computerstimme Personalkosten gespart.
  • Computer Telephony Integration (CTI) ist eine Technik, die die Callcenter-PBX mit dem Computersystem des Callcenters verbindet. Der Anrufer wird durch die eingehende Telefonnummer oder die Eingabe von Kontonummer oder einer PIN im IVR-System identifiziert[15]. So kann die Kundenhistorie mit Beginn des Gesprächs am Bildschirm dem Agenten angezeigt werden. Der Agent kennt so Vorgänge, die der Anrufer bereits mit anderen Mitarbeitern besprochen hat, und ist nicht genötigt, den Kunden erneut zu befragen oder intern Rücksprache zu nehmen. Der Bearbeitungsprozess wird erheblich beschleunigt (Zeitersparnis). Die empfundene Servicequalität ist allerdings von der dokumentierten Historie abhängig, letztlich von der Eingabemaske, die Supervisor oder Projektleiter erstellt hatten.
  • Predictive Dialer (Dialer) werden zunehmend im Outbound-Bereich eingesetzt. In Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren des Projektes (Anzahl eingesetzter Agenten, durchschnittliche Gesprächsdauer, erwartete Dauer laufender Gespräche, erwartete Erreichbarkeit von Kunden) wählt das System permanent Rufnummern aus der Gesamtmenge der Kunden-Datenbank an. Der Dialer erkennt bestimmte Ereignisse (Anrufbeantworter, Faxgeräte und Besetztzeichen) und sortiert diese Calls aus. Ein erreichter Kunde wird unverzüglich an einen freien Agenten vermittelt. Bei passender Konfiguration wird eine enorme Produktivitätssteigerung in Calls/Agent erreicht. Nach Gesprächsende wird dem Agenten sofort der nächste Kunde in der Leitung vermittelt. Allerdings funktioniert diese Technik erst ab einer bestimmten Anzahl Rufnummern und Agenten. Kommt eine Verbindung zustande, ohne dass ein freier Agent verfügbar ist, so legt der Dialer auf. Das wird vom Angerufenen, zumal wenn es mehrmals geschieht, als Belästigung empfunden.

Kennzahlen

Die ACD-Anlage registriert automatisch während der Verteilung der Calls die Daten. Registrierte Daten sind:

  • Uhrzeit von Beginn und Ende des eingehenden (incoming) Calls,
  • Zeitpunkt der Vermittlung an den Agentenplatz und somit, welcher Agent die Bearbeitung übernahm,
  • Zeitpunkt, wann der Kunde eventuell den Ruf abgebrochen hat.

Daraus ergeben sich Kennzahlen des Callcenters[16]:

  • Nachverfolgung von Kundenbeschwerden über schlechte Beratung, das Qualitätsmanagement erhält somit grundlegende Angaben
  • Gesamtanzahl eingehender Calls im Wochen- und Tagesintervall,
  • entgegengenommene Calls, verbunden mit der Belastung des einzelnen Agenten,
  • abgebrochene Anrufe, als Maß für unzufriedene Kunden, die zu lange warten mussten,
  • die Zeit, die der Anrufer in der Warteschlange wartete,
  • die Dauer der einzelnen Calls und somit eine Verteilung der Call-Dauer.

Somit lassen sich unternehmensspezifische Kenngrößen ableiten[17]:

  • Servicelevel[18]: bearbeitete Calls innerhalb einer vordefinierten Dauer (zum Beispiel 80 % innerhalb von 20 Sekunden), eine werbewirksame Kenngröße im Vergleich bei Angeboten an Auftraggeber
  • durchschnittliche Gesprächsbearbeitungsdauer (auch Average Handling Time, AHT)
  • Unterschiede der Bearbeitungszeit zwischen Projekten oder Agentengruppen verweisen auf notwendiges Training oder Coaching
  • „mittlere Nachbearbeitungszeit je Projekt“, um die Abläufe der Kundenanfragen zu optimieren.
  • Call-Verteilung über den Tages- oder Wochenverlauf, die Einfluss auf die Personaleinsatzplanung haben.

Aktuelle online-Werte werden zur Steuerung des Ablaufs durch den Supervisor eingesetzt:

  • Die Anzahl Calls in der Warteschlange kann informativ im Raum als Aufforderung an alle Agenten gezeigt sein.
  • Die durchschnittliche Wartezeit der handled und abandonned Calls kann zum zusätzlichen Einsatz einer anderen Agentengruppe durch den Supervisor führen.

Mitarbeiterauslastung und Erreichbarkeit

Die Erreichbarkeit eines Callcenters hängt unmittelbar von der Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter ab. Zu viele Agenten bringt eine Überdeckung, die Überkapazitäten der Callzeit durch nicht ausgelastete Mitarbeiter sind teuer, da die betriebswirtschaftliche Kontrollgröße Callzeit je Mitarbeiter sinkt.

Zu wenige Agenten führen zur (Unterdeckung). Diese verschlechtert die Servicequalität, was besonders in Nachfragespitzen zu verlorenen Calls führt. Lost calls, also nicht bearbeitete Anrufe verbessern zwar die Kenngröße Callzeit je Mitarbeiter, aber die eingesparten Kosten im Personaleinsatz werden durch entgangene Verkaufsumsätze und durch Unzufriedenheit der Auftraggeber auf Dauer wieder ausgelöscht.

Die Motivation der Mitarbeiter durch Überlastung ohne genügend Nachbearbeitungszeit oder durch lange uneffektive Leerlaufzeiten ohne Callzeit sinkt und führt zu schlechteren Beratungsleistungen.

Eine Hohe Auslastung während der die Agenten (fast) pausenlos telefonieren und ständig Anrufe in der Warteschlange sind führt zu Dauerstress. Lange Zeit in der Warteschlange senkt den Servicelevel, der möglichst hoch sein soll. Kein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen kann in kurz auftretenden Spitzenzeiten jeden Anruf direkt annehmen. Da die Agenten nach den Spitzenzeiten sofort eine Unterdeckung erreichen würden. Teilweise werden die Wartezeiten nach Wichtigkeit oder potenzieller Kaufkraft des Anrufers voreingestellt. Stammkunden werden mit besonderen Rufnummern geschaltet oder Anrufer aus statistisch kaufkraftstarken Wohnorten werden schneller bedient.

Bei der Kapazitätsplanung müssen die Kosten der Mitarbeiterauslastung gegen die „indirekten Wartekosten“, die dem Kunden mangels Erreichbarkeit des Callcenters entstehen, abgewogen werden.

Längere Nichterreichbarkeit bei alternativ zur Verfügung stehenden Kontaktwegen (E-Mail, Fax, Brief…) kann Zusatzkontakte von Kunden in diesen Bereichen hervorrufen, deren Bearbeitung üblicherweise wesentlich zeit- und kostenintensiver ist als die Bearbeitung des Kundenanliegens am Telefon. Zum Anderen kann je nach Technologie im Callcenter dieser „Berg“ durch Agenten abgearbeitet werden, die in Spitzenzeiten dann zur Rufbearbeitung eingesetzt sind.

Operative Personalplanung

Die operative Personalplanung sieht in Callcentern im Regelfall wie folgt aus:

  • Prognose des Anrufaufkommens je Zeitabschnitt
  • Ermittlung der erforderlichen Anzahl von Agenten je Zeitabschnitt unter Berücksichtigung eines vorgegebenen Servicelevels
  • Planung der erforderlichen Schichten
  • Zuordnung der Agenten zu den Schichten.

Hieran schließt sich eine Echtzeitplanung an, die es ermöglicht, kurzfristige Verschiebungen in der Planung vorzunehmen und so z. B. Toilettenpausen der Agenten oder Besprechungen zu berücksichtigen.

Bei der operativen Personalplanung muss ein erhebliches Datenvolumen verarbeitet werden. Diese Verarbeitung ist nur rechnergestützt sinnvoll möglich. Man nutzt hierzu sogenannte Workforce-Management-Systeme.

Wissenschaft

Zur Berechnung der benötigten Anzahl an Agenten im Callcenter ist die Erlang-C-Formel geeignet, diese wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom dänischen Mathematiker und Telekommunikations-Ingenieur Agner Krarup Erlang entwickelt. Die Anzahl der benötigten Telefonleitungen kann mit der Erlang-B-Formel errechnet werden.

In Workforce-Management-Systemen werden verschiedene auf Erlang-C basierende Algorithmen verwendet, die genauere Ergebnisse liefern. In der Regel sind diese Algorithmen in fertige Software verpackt und werden nicht veröffentlicht. Zudem existieren neuere Warteschlangenmodelle, die jedoch wenig eingesetzt werden, da sie in der Branche nicht weit verbreitet sind. Modernere Rechentechnik ermöglicht in zunehmendem Maße rechenintensive Simulationsprogramme mit unternehmensspezifischen Vorgaben. Zumal mit gutem mathematischem Hintergrund hier grafisch anspruchsvolle Lösungen von Spieleentwicklern möglich sind.

Unerwünschte Werbung aus Callcentern

Hauptartikel: Unerwünschte telefonische Werbung

Mit den technischen Möglichkeiten eines Callcenters sind die „Haustürgeschäfte“ des 20. Jahrhunderts in die neue Mediengesellschaft fortentwickelt. Eine schnellere „Durchforstung“ des Marktpotenzials der Zielgruppen ist somit möglich. Die Praxis einiger unseriöser Agentur-Betreibern, mit Cold Calls Produkte in den Markt zu drücken, brachte der Branche ein deutliches Negativ-Image.[19] Dabei werden im Outbound-Telefonverkauf rechtswidrig willkürlich Telefonnummern ausgewählt und die Angerufenen in Verkaufsgespräche verwickelt, ohne dass ihre vorherige Einwilligung bestünde. Der Angerufenen wird hierdurch teilweise überrumpelt und durch die psychologisch vorbereitete Gesprächsführung zu Vertragsabschlüssen gedrängt, ohne dass dies vom Angerufenen gewollt ist.

Der Journalist und Schriftsteller Günter Wallraff war im Jahre 2007 als Undercover-Mitarbeiter in einigen Kölner Callcentern tätig und berichtete in der Zeit kritisch über die Situation von Anrufern und Angerufenen.[20] Er überträgt damit die Kritik, die er bereits vorher an anderen Branchen geübt hat, auch auf die Branche der Call-Center.

Dieter Altmann von der Gewerkschaft ver.di erklärte, es gebe zwar nicht nur schwarze Schafe, doch in vielen Callcentern seien die Löhne zu niedrig und die Arbeitsbedingungen zu hart.[21]

Die Branche will mit einem Ehrenkodex und einem Gütesiegel die freiwillige Selbstkontrolle im Kampf gegen unseriöses Geschäftsgebaren verstärken.[22]

Projektablauf am Outbound-Beispiel

Ein typisches Projekt im Telefonmarketing ist der Verkauf eines hochpreisigen Produktes oder einer erklärungsbedürftigen Dienstleistung mittels Callcenter. Der Prozess wird in mehrere, zeitlich versetzte Stufen unterteilt. Ähnlich dem normalen Marketing ist der Ablauf des Geschäftsprozesses bei einem Business-to-Business-Verkauf der folgende:

  1. erster Anruf zur Adressaktualisierung vorgegebener Daten um den Ansprechpartner (Entscheidungsträger) zu bestimmen: Geschäftsleiter, Kantinenpächter…
  2. Telefongespräch mit dem Entscheidungsträger, um den Bedarf zu ermitteln und Marketingdaten zu sammeln. Diese „Qualifizierungsphase“ dient dem Informationssammeln über vorhandene Produkte, technische Anforderungen und die Investitionsplanung.
  3. Informationsmaterial wird nach Absprache per Brief, Fax oder E-Mail versandt, je nach Aufwand direkt durch das ausführende Callcenter oder durch spezialisierte Versender.
  4. Anrufen der positiv qualifizierten Ansprechpartner mit dem Ziel, das Produkt, die Dienstleistung zu verkaufen. Dieser Anruf erfolgt nach geraumer Zeit, in der das Infomaterial gelesen wurde, aber das Erstgespräch noch nicht durch Tagesereignisse überdeckt ist.
  5. „Nachfass“telefonat nach angemessener Zeit um Ersatzbedarf (Calls auf Wiedervorlage) zu erfragen, mittlerweile entstandenen Bedarf zu ermitteln (Interessenten) oder um das Produkt in der Aufmerksamkeit zu halten (Nichtreagierer).

Projekt-Abwicklung: Es werden die erfolgversprechenden Adressen qualifiziert, so ergeben sich Volumen und Kapazität (Calls/Tag) des Projektes. Für jede Stufe wird den Agenten ein schriftlicher Gesprächsleitfaden erarbeitet. Mit dem Auftraggeber wird aufgrund der ermittelten Daten die Vergütung des Callcenters ausgehandelt. Bei verkaufsorientierten Projekten ist eine Provisionsregelung unumgänglich. Die Agenten werden zum Produkt geschult. Im Projektzeitraum erhält der Auftraggeber tagesaktuelle Erfolgsstatistiken, um die laufenden Aktionen zeitnah zu steuern und zu korrigieren.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Call Centers (Irgendein Script der Universität Wien)
  2. FORBA: Qualität der Arbeit in Callcentern, Mai 2005
  3. heise online: Telekom will seriöseres Telefonmarketing, 20. September 2007
  4. heise online: Bericht: Telekom steht vor Verkauf ihrer Telefonauskunft, 30. September 2007
  5. Information vom Call Center Forum Deutschland
  6. Arbeitsplatz- und Arbeitsstättenbeschaffenheit
  7. Günter Greff, Jan Peter Kruse: Das ABC des Call Center Management. Gabler, Wiesbaden 1999. ISBN 3-409-11424-6
  8. F. Schümann, H. Tisson: Call Center Management. Gabler, Wiesbaden 2006.
  9. CCall-Initiative
  10. Gute Presse für Call Center
  11. Qualität statt Quantität
  12. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Telefon für Sie!, 16./17. Februar 2008
  13. Arbeiten, relaxen und helfen im Call Center in Südafrika
  14. ACD (Automatische Anrufverteilung)
  15. Computer und Telefon wachsen zusammen
  16. Scorecard im Callcenter
  17. Wirtschaftlichkeitsaspekte
  18. Service mit Garantie
  19. heise online:Telefonwerbung mit "Cold Calls" bleibt unzulässig, 27. August 2003
  20. Die Zeit: Günter Wallraff ist zurück, 24. Mai 2007
  21. heise online: Gewerkschaft kritisiert Ausbeutung in Callcentern, 3. November 2007
  22. Auf dem Weg zum einheitlichen Ehrenkodex

Literatur

  • T.A. Grossman u.a.: Call Centers. In: S.I. Gass und C.M. Harris (Hrsg.): Encyclopedia of Operations Research and Management Science. 2. Aufl., Kluwer, Boston u. a. 2001, S. 73ff.
  • H. Henn, J.P. Kruse und Olav V. Strawe (Hrsg.): Handbuch Call Center Management. 2. Aufl., telepublic, Hannover 1998.
  • M. Pinedo, S. Seshadri, und J. G. Shanthikumar: Call Centers in Financial Services. Strategies, Technologies and Operations. In: E.L. Melnick u.a. (Hrsg.): Creating Value in Financial Services. Strategies, Technologies and Operations. Kluwer, Boston 2000. S. 357ff.
  • W. Wiencke und D. Koke: Call Center Praxis. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1999. ISBN 3-7910-1388-2.
  • Frank Kleemann und Ingo Matuschek (Hrsg.): Immer Anschluss unter dieser Nummer. Rationalisierte Dienstleistung und subjektivierte Arbeit in Call Centern. edition sigma, Berlin 2003.
  • F. Schümann, H. Tisson: Call Center Management. Gabler, Wiesbaden 2006.
  • R. Krumm, C. Geissler: Outbound-Praxis. Aktives Verkaufen am Telefon erfolgreich planen und umsetzen. 2. erw. Auflage, Gabler, Wiesbaden 2006. ISBN 3-409-12382-2.
  • S. Rupp, O. Kremers: Call Center Praxis. So bringen Sie Ihren Vertrieb voran. 2. Auflage, Hermann Luchterhand, Neuwied/Gríftel 2000. ISBN 3-472-04056-4
  • J. Weiß, M. Kleer, S. Engel: Ausbildung im Dialogmarketing. Band 1, Bildungsverlag EINS, Troisdorf 2007. ISBN 978-3-427-23001-4.
  • J. Fuderholz, U. Propach: Dialog statt Marketing. Der Weg aus der Imagekrise. Fürth 2008. ISBN 978-3-939480-05-1.

Weblinks


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