Bombenangriff auf Freiburg am 10. Mai 1940

Bombenangriff auf Freiburg am 10. Mai 1940

Durch den irrtümlichen Bombenangriff auf Freiburg am 10. Mai 1940 durch die Deutsche Luftwaffe starben 57 Einwohner der Stadt Freiburg im Breisgau.

Inhaltsverzeichnis

Zeitlicher Ablauf

Die drei beteiligten Flugzeuge vom Typ He 111 waren mit ihrem Geschwader vom Fliegerhorst Landsberg/Lech um 14:27 Uhr aus gestartet, um im Rahmen des Westfeldzugs die französische Stadt Dijon oder das Ausweichziel Dole-Tavaux zu bombardieren. Durch Navigationsfehler verloren sie allerdings die Orientierung und kamen nie dort an. Sie waren zwar nicht in der Lage, ihre genaue Position zu bestimmen, hielten die Stadt unter sich allerdings für eine französische. Da die Freiburger Flugwache im Hildaturm auf dem Lorettoberg die Flugzeuge als deutsche identifizierte, wurde erst nach Beginn des Angriffs Fliegeralarm ausgelöst. Die Flugzeuge warfen ab 15:59 Uhr insgesamt 69 Bomben auf die Stadt ab.

Zeitnahe Folgen

Die deutsche Führung versuchte, den Irrtum zu vertuschen und ihn den Kriegsgegnern zuzuschreiben. Die deutschen Medien griffen das Ereignis bereitwillig auf. Die UFA Tonwoche berichtete z.B. in ihrer Ausgabe Nr. 506 am 15. Mai 1940 am Ende eines längeren Beitrages auch über den „brutalen und skrupellosen Angriff auf eine unbefestigte deutsche Stadt.[1] Die Freiburger Zeitung berichtete am 11. Mai 1940 von einem „feigen Luftangriff“[2] auf die Stadt. Bei dem „hinterhältigen, feigen und allen Gesetzen der Menschlichkeit und des Völkerrechts hohnsprechenden Bombenangriff“,[2] so die Zeitung weiter, seien „24 Zivilpersonen in den Tod gerissen“ worden. Gleichzeitig nutzte man den Vorfall, um weitere Angriffe auf die Gegner zu rechtfertigen. So würde „jeder weitere planmäßige Bombenangriff auf die deutsche Bevölkerung durch die fünffache Anzahl von deutschen Flugzeugen auf eine englische oder französische Stadt erwidert werden.“[2] In einer Rede vor den Borsig-Werken am 10. Dezember 1940 beschuldigte Adolf Hitler den britischen Premierminister Winston Churchill, mit der Bombardierung Freiburgs die Terrorangriffe gegen die Zivilbevölkerung begonnen zu haben. [3]

Die Piloten wiederum protokollierten, das Ausweichziel Dole-Tavaux angegriffen zu haben. Dies geschah aber erst im weiteren Verlauf des Jahres. Die Behauptung, dass die Blindgänger des Angriffs keine deutschen seien, wurde bereits damals durch die Produktionskennzeichnungen widerlegt. Dennoch hielt sich lange in der Bevölkerung der Mythos, dass es ausländische Flugzeuge gewesen seien, die Freiburg bombardiert hätten. Anknüpfungspunkt dafür könnten unter anderem die Erinnerungen an die Luftangriffe während des ersten Weltkrieges gewesen sein. Damals wurde Freiburg 25 mal durch alliierte Flugzeuge bombardiert.[4] Ein weiterer Anknüpfungspunkt könnte der Beschuss Freiburgs durch Artillerie aus Frankreich am 11. und 13. Juni 1940 gewesen sein. Bei Beschuss schlugen Granaten am südlichen Lorettoberg, Merzhausen, Günterstal, sowie in der Gegend um den Flugplatz, Rhodia und dem Gaswerk, ein. Durch den Vormarsch der deutschen Truppen in Frankreich wurde diese Angriffsmöglichkeit ab dem 15. Juni 1940 beseitigt.[5]

Spätere Folgen

Gedenkstein am Hildaspielplatz

Vom damaligen Kommandeur des Fliegerhorstes Landsberg/Lech Josef Kammhuber wurde eine Zeit lang behauptet, dass es nie aufzuklären sein werde, wer für die Bombardierung Freiburgs an diesem Tag verantwortlich sei. Im August 1980 trug er allerdings seine Kenntnisse zur Bombardierung Freiburgs am 10. Mai 1940 zwei Militärhistorikern vor: »Die Tatsache, daß der Angriff auf Freiburg durch eine Kette der III/K.G.51 irrtümlich durchgeführt wurde, steht einwandfrei fest[6]

Wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Ereignisse vom 10. Mai 1940 sind den Historikern Anton Hoch, Wolfram Wette und Gerd R. Ueberschär zuzurechnen. Durch ihre Arbeit konnten ab 1956 die Verantwortlichen genannt werden. Am 5. April 1956 meldete New York Times, dass das Rätsel, wer am 10. Mai 1940 Freiburg bombardiert habe, gelöst sei.[7]

Auf dem Hildaspielplatz48.000567.8423 im Freiburger Stadtteil Stühlinger, neben[8] welchem damals 20 Kinder getötet wurden,[9] erinnert heute ein Gedenkstein an den Vorfall. Die Errichtung des Gedenksteines geht auf die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes zurück. Eine nur kurze Zeit vorhandene provisorische Gedenktafel wurde zum 40. Jahrestag angebracht und knüpfte an die später widerlegte Annahme an, Freiburg sei absichtlich durch die Deutsche Luftwaffe bombardiert worden.[10] Erst zum 45. Jahrestag wurde der jetzige Gedenkstein enthüllt. Die jetzige Inschrift der Gedenktafel basiert auf den Erkenntnissen der historischen Forschung zum Ereignis.[11] Zur Einweihung des Gedenksteines sprachen neben dem Oberbürgermeister Rolf Böhme, dem Vorsitzenden der VVN und der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Stühlinger.[12]

Literatur

  • Anton Hoch: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 4, 1956, S. 115 - 144.
  • Anton Hoch: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. B XXI/ 56 vom 23. April 1956, S. 321 - 332.
  • Die Akte zum 10. Mai 1940 im Stadtarchiv Freiburg: C 4/ XI/ 31/ 3, der städt. Hauptverwaltung Freiburg i. Br. Rubrik: Militärwesen, Betreff: Luftangriff am 10. Mai 1940, Heft 1 Jahr 40/43.
  • Gerd R. Ueberschär und Wolfram Wette: Bomben und Legenden. Die schrittweise Aufklärung des Luftangriffs auf Freiburg am 10. Mai 1940. Rombach, Freiburg im Breisgau 1981, ISBN 3-7930-0292-6
  • Gerd R. Ueberschär: Freiburg im Luftkrieg 1939–1945. Ploetz, Freiburg im Breisgau 1990, ISBN 978-3876403328

Weblinks

Einzelnachweise

  1. UFA-Tonwoche Nr. 506 vom 15. Mai 1940
  2. a b c Der feige Luftangriff auf Freiburg in: Freiburger Zeitung vom 11./12. Mai 1940
  3. Transkript der Rede unter der Überschrift Wir sind gerüstet für jeden Fall in: Freiburger Zeitung vom 11. Dezember 1940, S. 9, unten, Mitte
  4. British bomb Freiburg munition factories in: New York Times vom 14. März 1918, letzter Aufruf 19. November 2009
  5. Heiko Haumann/ Hans Schadek (Hg.), Geschichte der Stadt Freiburg. Bd. 3. Von der badischen Herrschaft bis zur Gegenwart. S. 359. Stuttgart 2001, ISBN 3-8062-1635-5
  6. Große Sache. In: Der Spiegel. Nr. 17, 1982, S. 74 (online).
  7. Lost Luftwaffe Craft Raided German City; Germans Bombed Own City in '40; Baring of Blunder Clears R.A.F. in: The New York Times vom 5. April 1956, letzter Aufruf 19. November 2009
  8. Die betreffende Bombe schlug nicht auf dem Spielplatz, sondern in das benachbarte Haus Kolmarerstr. 7 ein, in dessen Richtung die Kinder geflüchtet waren, vgl. Günther Klugermann: Vom Keuchhustengarten zum Tollplatz - eine Spielplatzgeschichte. In: Carola Schelle-Wolff, Hartmut Zoche (Hgg.): Kinder spielen in ihrer Stadt. Spielräume in Freiburg 1900–2000, S. 142-150, hier S. 145. ISBN 3-922675-78-6
  9. Jörg Stadelbauer, Wiederaufbau, Strukturwandel und funktionale Umgestaltung. In: Ulrich P. Ecker (Hrsg.): Freiburg 1944–1994, Zerstörung und Wiederaufbau, Waldkircher Verlag, Waldkirch 1994, ISBN 978-3-87885-293-3, S. 107–132
  10. Der 10. Mai mahnt! Hier und in nächster Nähe wurden an diesem Tage 20 Kinder - insgesamt 57 Freiburger Mitbürger - Opfer eines unmenschlichen Luftangriffs durch ein nazistisches Kampfgeschwader. Die Nazis verbreiteten s.Zt. die Zwecklüge alliierte Flugzeuge hätten diesen Terrorangriff geflogen und zerbombten offene Städte analog dem vorgetäuschten Angriff auf den Sender Gleiwitz 1939, mit dem der Zweite Weltkrieg ausgelöst und über 55 Millionen Menschen ermordet wurden. Dies erfordert unsere Tat. Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Beendet das Wettrüsten. Wehret den Anfängen. in: Ute Scherb, Wir bekommen die Denkmäler, die wir verdienen. Freiburger Monumente im 19. und 20. Jahrhundert. S. 212, Anm. 109. Freiburg 2005, ISBN 3-923272-31-6
  11. Unter den 57 Todesopfern, die der irrtümliche Bombenangriff auf Freiburg forderte, waren 20 Kinder. 13 von ihnen starben auf diesem Spielplatz. Die nationalsozialistische Propaganda stellte den Vorfall als Terrorangriff feindlicher Flugzeuge dar, um damit sogenannte Vergeltungsschläge der deutschen Luftwaffe zu rechtfertigen. Lasst uns die Toten nicht vergessen - nie wieder Krieg
  12. Ute Scherb, Wir bekommen die Denkmäler, die wir verdienen. Freiburger Monumente im 19. und 20. Jahrhundert. S. 212 ff. Freiburg 2005, ISBN 3-923272-31-6

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