Calgacus

Calgacus

Calgacus (* um 55 n. Chr; † nach 115 n. Chr.) war ein kaledonischer Heerführer (im heutigen Schottland) Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr.

Er ist nur bekannt aus einer Passage bei Tacitus, der in der Biographie seines Schwiegervaters Gnaeus Iulius Agricola dessen Feldzüge in Britannien beschrieb. Agricola führte die römischen Truppen und britannische Hilfstruppen im Jahre 83 oder 84 n. Chr. im Kampf gegen die Kaledonier, den letzten unbesiegten Stamm im Norden der britischen Insel, an.

Laut Tacitus rief Calgacus, der unter den kaledonischen Anführern herausragte[1], vor der Schlacht am Mons Graupius wohl im Jahr 84 n. Chr. seine Landsleute in einer flammenden Rede[2] zur Einigkeit auf und klagte die Römer als Aggressoren an. Calgacus’ bekanntester Satz, der wie die ganze Rede nicht authentisch ist, sondern von Tacitus stammt, wird immer wieder zur Kritik des römischen Imperialismus herangezogen: „Plündern, Morden, Rauben nennen sie mit falschem Namen Herrschaft, und wo sie Einöde schaffen, sprechen sie von Frieden.“ (aufferre trucidare rapere falsis nominibus imperium, atque ubi solitudinem faciunt, pacem appellant.)[3]

Obwohl die Kaledonier den Römern zahlenmäßig überlegen waren, wurden sie in dieser Schlacht besiegt. Wenig später wurde Agricola jedoch von Kaiser Domitian nach Rom zurückbeordert, so dass die Römer den Sieg im schottischen Hochland nicht zur Ausweitung ihres Imperiums nutzen konnten.

Rede des Calgacus laut Tacitus

Calgacus hält seine Rede an keltische Krieger

"So oft ich die Gründe dieses Krieges und unsere Not betrachte, gewinne ich das gewisse Vertrauen, der heutige Tag und eure Einmütigkeit werde der Anfang der Freiheit für ganz Britannien sein. Denn allesamt seid ihr zusammengetreten, der Knechtschaft ledig, hinter uns ist kein Land mehr und das Meer selbst ohne Sicherheit, denn dort droht uns die römische Flotte. So sind Kampf und Waffen, für die Tapferen ehrenhaft, auch für die Feigen das Sicherste. Die frühen Schlachten, in denen mit den Römern in wechselndem Kriegsglück gekämpft wurde, hatten Hoffnung und Rückhalt an unserer Kraft, weil wir, die Edelsten von ganz Britannien und daher sein Innerstes bewohnend, ohne Ausblick auf der Knechtschaft Küsten selbst unsere Augen von der Berührung mit der Zwingherrschaft unbefleckt erhielten. Und hier am Rande der Erde, uns letzte Söhne der Freiheit, hat gerade unsere Entlegenheit und Verborgenheit von der Welt bis zum heutigen Tage verteidigt - und alles Unbekannte gilt als großartig. Doch jetzt liegt die Grenzmark Britanniens offen - kein Volk weiter ist mehr hinter uns, nichts als Wogen und Felsen und noch feindlicher die Römer; und ihrem Frevelmut wird man vergeblich durch Fügsamkeit und Bescheidung zu entrinnen suchen. Räuber der Welt, durchspüren sie, nachdem den alles Verwüstenden die Länder ausgingen, nun auch das Meer - habgierig, wenn der Feind reich, ruhmsüchtig, wenn er arm ist; nicht der Osten, nicht der Westen hat sie gesättigt; als einziges von allen Völkern begehren sie Fülle wie Leere mit gleicher Leidenschaft. Stehlen, Morden, Rauben heißen sie mit falscher Bezeichnung "Herrschaft", und wo sie Einöde schaffen, nennen sie das "Frieden". Dass einem jeden seine Kinder und Verwandten das Liebste seien, hat die Natur gewollt: gerade sie werden durch Aushebung zum Sklavendienst außer Landes verschleppt; unsere Gattinnen und Schwestern werden, wenn sie der Gier des Feindes entrannen, unter dem Namen der Freundschaft und des Gastrechts geschändet. Güter und Vermögen werden zum Tribut, des Ackers jährlicher Ertrag zur Fruchtabgabe, die Leiber selbst und Hände unter Schlägen und Schimpf dazu verbraucht, Wälder und Sümpfe gangbar zu machen. Zum Knechtdienst geborene Leibeigene stehen nur einmal zum Verkauf und werden des Weiteren von ihren Herren ernährt - Britannien erkauft sich seine Knechtschaft täglich, füttert sie täglich. Und wie beim Gesinde jeweils der neueste Sklave den Mitsklaven zum Gespötte dient, so werden in diesem alten Sklavenhaufen "Weltkreis" wir als die jungen und wohlfeilen bis zur Vernichtung heimgesucht; wir haben nämlich keine Felder oder Bergwerke oder Häfen, die zu betreiben man uns erhalten müsste. Weiterhin sind Tapferkeit und wildes Wesen an Unterworfenen den Herrschenden unlieb und gerade Ferne und Abgeschiedenheit um so verdächtiger, je mehr sie Schutz bieten. So fasset denn, da die Hoffnung auf Nachsicht genommen, endlich Mut, - ihr denen das Leben, wie ihr, denen der Ruhm das Liebste ist. Die Briganten haben unter Führung einer Frau eine Kolonie verbrannt, ein Lager erobert und hätten, wenn sich ihr Glück nicht in Sorglosigkeit verkehrte, das Joch abwerfen können: da wollen wir, die unversehrt und ungezähmt zur Freiheit, nicht zur Reue die Waffen erheben, beim ersten Zusammenstoß schon zeigen, was für Männer Caledonien sich noch aufspart. Oder glaubt ihr, den Römern stünde im Kriege Tapferkeit im gleichem Maße zu Gebot wie im Frieden Zügellosigkeit? Durch unsere Uneinigkeit und Zwietracht glänzen sie und wandeln die Fehler ihrer Feinde um in Ruhm für ihr Heer, das - zusammengetrieben aus den verschiedensten Völkern - widrige Umstände auflösen werden, wie es glückliche zusammenhalten; außer ihr müsstet glauben, dass Gallier und Germanen und auch - man schämt sich, es auszusprechen - von den Britanniern viele, obwohl sie für die Fremdherrschaft ihr Blut hingeben, dennoch länger ihre Feinde als ihre Sklaven, durch Zuneigung und Treue gebunden seien! Furcht und Schrecken sind schwächliche Liebesbande: nimm sie weg, und die zu fürchten aufhören, werden zu hassen beginnen. Jedweder Anreiz zum Sieg ist auf unserer Seite: Keine Gattinnen entflammen die Römer, keine Eltern werden ihre Flucht schelten; die meisten haben gar kein Vaterland oder ein anderes. In geringer Zahl. unruhig ob ihrer Unkenntnis, nach dem Himmel selbst, nach Meer und Wald, nach allem wie nach Unbekannten umherspähend, gewissermaßen eingeschlossen und gefesselt haben sie die Götter uns ausgeliefert. Es schrecke euch nicht der eitle Anblick und des Goldes Blitzen und des Silbers, das weder schützt noch verwundet! In der Feinde Schlachtreihe selbst werden wir unsere Verstärkungen finden: Erkennen werden die Britannier ihre eigene Sache, erinnern werden sich die Gallier ihrer früheren Freiheit, im Stiche lassen werden die übrigen Germanen sie ebenso wie neuerlich die Usiper sie verließen. Nichts ist darüber hinaus zu fürchten: Leer sind die Festungen, in Greisenhand die Kolonien und die Landstädte, wo man ungern gehorcht und ungerecht regiert, missmütig und voller Zwietracht! Hier ist ein Führer, hier ein Heer - dort Auflagen und Bergwerksfron und andere Sklavenplagen; ob wir diese ewig tragen oder sofort ahnden, darüber wird auf diesem Feld entschieden! Geht ihr also nun in die Schlacht, so gedenkt eurer Ahnen und Nachfahren!" (Aus: Tacitus, Agricola 30, 1 - 31, 4)

Anmerkungen

  1. Tacitus, Agricola 29, 4.
  2. Tacitus, Agricola 30-32.
  3. Tacitus, Agricola 30, 3.

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