Bewegung (Mathematik)

Bewegung (Mathematik)

Eine Bewegung ist eine Isometrie eines Euklidischen Punktraums in sich. Es handelt sich also um eine bijektive, abstandserhaltende und winkeltreue affine Abbildung.

Da das Bild einer geometrischen Figur unter einer solchen Abbildung stets kongruent zur Ausgangsfigur ist, nennt man eine Bewegung auch eine Kongruenzabbildung, dieser Begriff ist aber nur im Fall einer Bewegung des zweidimensionalen euklidischen Punktraums gebräuchlich.

Von einer eigentlichen Bewegung spricht man, falls die Isometrie zusätzlich noch die Orientierung erhält. Andernfalls heißt die Bewegung uneigentlich.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Ausgehend von einem n-dimensionalen, affinen euklidischen Punktraum E = En und dem darauf operierenden euklidischen Vektorraum V nennt man eine Abbildung f\colon E \to E eine Bewegung, falls für je zwei Punkte P, Q in E gilt

d(f(P),f(Q)) \,=\, d(P,Q).

Hierbei ist der Abstand d(P,Q) definiert als die Länge ihres Verbindungsvektors \overrightarrow {PQ} in V

d(P,Q) := \left|\overrightarrow {PQ}\right|.

Eine solche Abbildung ist automatisch affin und bijektiv, also eine Affinität. Außerdem ist sie winkeltreu.

Beschreibung mit Hilfe von linearen Abbildungen

Ist f \colon E \to E eine Bewegung, so existiert eine orthogonale Abbildung (lineare Isometrie) \vec f \colon V \to V, so dass für alle Punkte P und Q gilt:

f(Q) = f(P) + \vec f (\overrightarrow{PQ})

Wählt man einen Ursprung O, so gilt also für die Ortsvektoren eine Punktes P und seines Bildpunktes f(P)

\overrightarrow{Of(P)} = \vec f (\overrightarrow{OP})+ \overrightarrow{Of(O)}.

Man erhält den Ortsvektor des Bildpunktes also durch die Komposition der orthogonalen Abbildung

\overrightarrow{PQ} \mapsto \vec f (\overrightarrow{PQ})

und der Translation

\vec v \mapsto \vec v +  \overrightarrow{Of(O)}.

Beschreibung in Koordinaten

Führt man in A ein affines Koordinatensystem O=X_0,\,X_1,\,\ldots,\, X_n mit dem Ursprung O ein und verwendet die zugehörige Basis e_1=\overrightarrow {OX_1},\,\ldots,\,e_n=\overrightarrow {OX_n} des Vektorraums V, so lässt sich jede affine Abbildung durch eine n \times n-Matrix

A= \begin{pmatrix}a_{11} &\dots& a_{1n}\\ \vdots & & \vdots \\ a_{n1} &\dots& a_{nn}\end{pmatrix}

und einen Translationsvektor

b = \begin{pmatrix} b_1 \\ \vdots \\ b_n \end{pmatrix}

beschreiben:

y = A\cdot x + b = \begin{pmatrix}a_{11} &\dots& a_{1n}\\ \vdots & & \vdots \\ a_{n1} &\dots& a_{nn}\end{pmatrix} \cdot \begin{pmatrix}x_1 \\ \vdots \\ x_n \end{pmatrix} + \begin{pmatrix} b_1 \\ \vdots \\ b_n \end{pmatrix}

Hierbei sind

x = \begin{pmatrix}x_1 \\ \vdots \\ x_n \end{pmatrix} \in\R^n und y = \begin{pmatrix}y_1 \\ \vdots \\ y_n \end{pmatrix}\in\R^n

die Koordinatenvektoren der Ortsvektoren \overrightarrow {OP} = \textstyle\sum\limits_{i=1}^n x_i e_i und \overrightarrow {Of(P)} = \textstyle\sum\limits_{i=1}^n y_i e_i .

Bei Wahl eines kartesischen Koordinatensystems gilt: f ist genau dann eine Bewegung, wenn die Matrix A orthogonal ist, also A^T\cdot A = E gilt. Ist hierbei det(A) = 1, so handelt es sich um eine eigentliche Bewegung.

Die Bewegungsgruppe (Euklidische Gruppe)

Die Hintereinanderausführung zweier Bewegungen ergibt wieder eine Bewegung. Die Bewegungen bilden also eine Gruppe, die Bewegungsgruppe oder euklidische Gruppe, die mit E(n) oder ISO(n) bezeichnet wird. Die Hintereinanderausführung zweier eigentlicher Bewegungen ist wieder eine eigentliche Bewegung. Diese bilden also eine Untergruppe von E(n), die mit E + (n) oder SE(n) bezeichnet wird. Beide Gruppen lassen sich als das semidirekte Produkt der zugehörigen Matrizengruppen O(n) bzw. SO(n) mit dem Vektorraum auffassen. Dies besagt konkret, dass für die Komposition zweier Bewegungen Ax + t und By + u gilt:

B(Ax + t) + u = (BA)x + (Bt + u).

Beide Gruppen sind Lie-Gruppen der Dimension

\dim(\mathrm{SO}(n)) + \dim(\R^n) = \frac{n\cdot (n-1)}{2} + n= \frac{n\cdot(n+1)}{2}.

Bewegungen in der Euklidischen Ebene

Hauptartikel: Kongruenzabbildung

Eigentliche Bewegungen der Ebene sind

Uneigentliche Bewegungen sind

Die Bewegungsgruppe ISO(2) der Ebene lässt sich durch Achsenspiegelungen erzeugen.

Bewegungen im Euklidischen Raum

Eigentliche Bewegungen im Raum sind

  • eine Parallelverschiebung
  • eine Drehung um eine beliebige Achse im Raum
    • eine Spiegelung an einer Geraden als Sonderfall einer Drehung um 180°
  • eine Schraubung, also eine Drehung gefolgt von einer Translation längs der Drehachse

Uneigentliche Bewegungen sind

  • eine Ebenenspiegelung
  • eine Gleitspiegelung, also eine Ebenenspiegelung gefolgt von einer Translation in eine Richtung parallel zu der Spiegelebene
  • eine Drehspiegelung, also eine Ebenenspiegelung gefolgt von einer Drehung um eine zu dieser Ebene orthogonale Achse
  • eine Punktspieglung

Drehungen wie auch Drehspiegelungen verfügen stets über Fixpunkte. Legt man den Koordinatenursprung in einen solchen, so wird der translatorische Anteil Null. Wie im Artikel zu orthogonalen Gruppen ausgeführt, besitzt eine Drehung im Raum stets eine Achse und einen Drehwinkel und ist durch diese Daten eindeutig festgelegt. Ähnliches gilt auch für Drehspiegelungen.

In manchen Situationen kann auf den translatorischen Teil jedoch nicht verzichtet werden: Beispielsweise bei der Beschreibung zweier Drehungen mit sich gegenseitig nicht schneidenden Achsen.

Die Bewegungsgruppe ISO(3) des Raumes lässt sich durch Ebenenspiegelungen erzeugen.

Die Bewegung eines starren Körpers im Raum oder auch eine Kamerafahrt lassen sich als eine stetige Folge von Bewegungen, also als eine Abbildung von einem reellen Zeitintervall [t0;t1] in die Gruppe der eigentlichen Bewegungen des Raumes auffassen.

Literatur

  • Gerd Fischer: Analytische Geometrie. Vieweg, 1978. ISBN 3-528-17235-5
  • Max Köcher, Aloys Krieg: Ebene Geometrie. 3. Aufl., Springer, Berlin 2007. ISBN 978-3540493273 (S. 102ff behandelt die Bewegungen der Ebene)

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