Belagerung von Antwerpen (1914)

Belagerung von Antwerpen (1914)
Die Erstürmung von Antwerpen; Postkarte (1915)

Die Belagerung von Antwerpen fand zu Beginn des Ersten Weltkrieges (1914–1918) vom 20. August bis zum 10. Oktober 1914 statt. Deutsche Truppen, verstärkt durch schwerste Artillerie der k.u.k. Armee, und das belgische Heer, unterstützt durch britische Marinesoldaten, kämpften um den Besitz von Stadt und Festung Antwerpen. Schließlich gelang den Deutschen die Eroberung von Antwerpen, während sich die belgischen Streitkräfte nach Westflandern und die Briten nach England zurückziehen mußten.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Belgien kam im Rahmen der deutschen Kriegsplanung im Jahre 1914 eine große Bedeutung zu. Um die französischen Festungen an der deutsch-französischen Grenze zu umgehen, plante die Oberste Heeresleitung (OHL), mit dem größten Teil des Heeres durch Belgien und Luxemburg zu marschieren. Die belgische Regierung des Königs Albert I. war jedoch entschlossen, die Neutralität des Landes zu verteidigen. Bereits kurz nach dem Kriegsausbruch kam es zum deutschen Angriff auf Lüttich (4.–16. August), welches als Festung und Eisenbahnknotenpunkt für den deutschen Vorstoß besonders wichtig war. Doch erst nach der Vollendung des Aufmarsches begann am 18. August 1914 die allgemeine deutsche Offensive. Die belgische Armee, die hinter der Gete Verteidigungsstellungen bezogen hatte, wurde in den folgenden beiden Tagen geschlagen und zum Rückzug gezwungen. König Albert I. lehnte einen Abzug zur französischen Grenze ab und führte die 80.000 Mann der Feldarmee in die Festung Antwerpen, die als »réduit national« angesehen wurde. Dort sollte sich die belgische Armee bis zum Eintreffen der Entente-Truppen behaupten.[1]

Verlauf

Deutsches schweres Artillerie-Geschütz
Die Räumung von Antwerpen; Gemälde von Willy Stöwer

In der Festung standen ab dem 20. August 1914 nicht nur die 80.000 Mann der Feldarmee sondern auch 70.000 der eigentlichen Besatzung mit insgesamt fünf Divisionen. Zur Blockade der Festung wurde zunächst nur das III. Reserve-Korps unter General der Infanterie z.D. Hans von Beseler von der 1. Armee abgestellt. König Albert I. entschloss sich, zur Entlastung der französisch-britischen Truppen selbst offensiv zu werden. Am 25./26. August 1914 unternahmen seine Streitkräfte einen Ausfall in Richtung Mechelen, der Verluste von etwa 4.000 Mann kostete. Ein weiterer Ausfall fand vom 8. bis zum 13. September 1914 statt, bei dem weitere 8.000 Soldaten getötet oder verwundet wurden.[1]

Nach der Schlacht an der Marne (5.–12. September 1914) beschloss die deutsche Heeresleitung, die Flankenbedrohung durch die belgische Festung zu beseitigen. Zu diesem Zweck wurden etwa 120.000 Soldaten zusammengezogen,[1] wozu neben Beselers Reservekorps als Hauptverbände noch die Marine-Division, die 4. Ersatz-Division und drei Landwehr-Brigaden gehörten. Ab Ende September wurde diese Gruppierung als Armeegruppe Beseler bezeichnet und der Obersten Heeresleitung direkt unterstellt.[2] Zu ihrer Unterstützung verfügten diese Truppen über 160 schwere Geschütze und 13 sehr schwere Mörser wie die „Dicke Bertha“.[3] Auch einige Skoda-Mörser der k.u.k. Armee waren beteiligt. Der planmäßige deutsche Angriff begann am 27. September 1914. Vom 28. bis 30. September wurden die Festung bombardiert. Die Belgier baten die Westmächte um Unterstützung, doch zwischenzeitlich mussten diese sich unter hinhaltendem Widerstand bis über die Nethe zurückziehen. Am 2. Oktober trafen 2.000 britische Marinesoldaten ein, doch erwies sich diese Verstärkung als zu schwach. Deshalb beschloss König Albert I. am folgenden Tag die Räumung der Stadt. Vom 4. bis 8. Oktober 1914 brachen die deutschen Truppen in schweren verlustreichen Kämpfen in die belgischen Stellungen bei Lier ein. Während dieser Gefechte entschied man sich am 6. Oktober im belgischen Hauptquartier zum Rückzug.[1] Noch an diesem Tag wurde die belgische Regierung nach Ostende evakuiert. In den Tagen vom 7. bis zum 9. Oktober beschossen die Deutschen die Stadt. Daraufhin setzten sich die verbliebenen belgischen und britischen Truppen ab. Am 10. Oktober 1914 kapitulierte der Bürgermeister von Antwerpen.[3]

Folgen

Propagandapostkarte zur Eroberung Antwerpens, Oktober 1914

Etwa 30.000 Mann entkamen in die Niederlande. Weitere 30.000 Mann gerieten in deutsche Gefangenschaft. Doch die Masse der verbliebenen belgischen Armee setzten sich nach Westflandern ab. Dort nahmen sie bereits Ende Oktober an der Schlacht an der Yser teil. Auch im weiteren Verlauf des Krieges blieben die belgischen Streitkräfte an der Westfront eingesetzt. Die belgische Regierung ging nach Le Havre ins Exil.[1] Die an der Belagerung beteiligten deutschen Verbände wurden zum größten Teil ebenfalls nach Westflandern verlegt. Das Oberkommando und der Oberbefehlshaber der Armeegruppe Beseler wurde vom 21. Juli - 24. August 1915 an der Ostfront zur Einnahme der russischen Festung Nowogeorgiewsk herangezogen.[2]

Anhang

Weblinks

Literatur

  • Gerhard Hirschfeld / Gerd Krumeich/ Irina Renz (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Verlag Schöningh, Paderborn 2003. ISBN 3-506-73913-1
  • Erich von Tschischwitz: Antwerpen 1914 (2. Aufl.), Verlag Oldenburg, Stalling 1925 (= Schlachten des Weltkrieges in Einzeldarstellungen, Bd.3).
  • Spencer Tucker (Hrsg.): Encyclopedia of World War I, ABC-Clio Inc, Santa Barbara 2005. ISBN 1-851-09420-2

Einzelnachweise

  1. a b c d e Laurence van Ypersele: Antwerpen, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2003, S. 336 f.
  2. a b Hermann Cron: Geschichte des Deutschen Heeres im Weltkriege 1914–1918, Berlin 1937, S.84
  3. a b William P. McEvoy: Antwerp, Siege of, in: Spencer Tucker (Hrsg.): Encyclopedia of World War I, Santa Barbara 2005, S.111

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