Philosophy & Economics

Philosophy & Economics

Philosophy & Economics (P&E) ist ein interdisziplinärer, konsekutiver Studiengang an der Universität Bayreuth. Er wurde im Jahr 2000 von dem Philosophie-Professor Dr. Rainer Hegselmann und dem Volkswirtschaft-Professor Dr. Bernhard Herz eingeführt. Das Studium kann mit dem Erwerb des akademischen Grades eines Bachelor of Arts (B.A.) oder eines Master of Arts (M.A.) abgeschlossen werden. Der Studiengang ist offiziell akkreditiert und vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft als Reformstudiengang ausgezeichnet worden.

Inhaltsverzeichnis

Grundgedanke

Die Kombination von Wirtschaftswissenschaften und Philosophie in einem Studiengang geht von einem besonderen Bedarf an Menschen aus, die schwierige Entscheidungsprobleme in Unternehmen, Verbänden, Körperschaften, internationalen Organisationen, Parteien, Stiftungen oder Gemeinwesen mit analytischer Grundsätzlichkeit angehen können. Schwierige Entscheidungsprobleme sind dabei Entscheidungen, die von großer Tragweite sind, viele konfligierende Bewertungsdimensionen haben und ggfs. auf Basis unsicheren Wissens gefällt werden müssen.

Analytisch grundsätzliches Angehen heißt hierbei, Entscheidungsprobleme umfassend zu strukturieren, deskriptive und normative Komponenten zu trennen, quantitative Analysen (Kosten, Risiken etc.) zu erstellen, systematisch die Qualität gemachter Annahmen zu beurteilen, gegebenenfalls normativ-ethische Implikationen zu identifizieren und normativ-ethische Beurteilungsstandards zu entwickeln. Es schließt die logische Analyse von einschlägigen Argumentationen, die transparente Präsentation bzw. die an strikten Sachlichkeitsnormen orientierte Moderation von Standpunkten mit ein.

Mit der Kombination von Philosophie und Ökonomie in einem Studiengang soll eine besondere Verbundqualifikation erworben werden: Philosophische Grundsätzlichkeit und ökonomischer Anwendungsbezug sollen im Rahmen eines entscheidungsorientierten Studiengangs miteinander verbunden werden. Der Studiengang führt zwei Disziplinen wieder zusammen, deren Probleme an vielen Stellen ineinandergreifen. So sind Aristoteles, David Hume oder Adam Smith in heutiger Terminologie sowohl Ökonomen wie Philosophen. Es ist ebenso kein Zufall, dass ökonomische Nobelpreisträger wie James M. Buchanan (1986), John Harsanyi (1994) oder Amartya Sen (1998) als Ökonomen und als Philosophen betrachtet werden.

Das Ineinandergreifen beider Fächer in einem Studiengang ist in dieser Form in Deutschland neu. Die angelsächsische Welt kennt diese Kombination hingegen schon lange. So bietet zum Beispiel die London School of Economics einen Bachelorstudiengang Philosophy and Economics an. An der Universität Oxford und an anderen Universitäten vor allem in Großbritannien gibt es die bekannte PPE–Kombination, nämlich Philosophy, Politics, Economics. Anders in den traditionellen deutschen Magisterstudiengängen: In der Regel können geistes– und kulturwissenschaftliche Fächer nur mit weiteren geistes– und kulturwissenschaftlichen Fächern kombiniert werden — nicht aber mit Physik, Mathematik oder eben Ökonomie. Im Rahmen natur–, ingenieur– oder auch wirtschaftswissenschaftlicher Diplomstudiengänge gibt es in der Regel ganz analoge Restriktionen. Diese Restriktionen bezüglich zulässiger Fächerkombinationen laufen auf ein Verbot des Erwerbs bestimmter Verbundqualifikationen hinaus, die in vielen Problem– und Aufgabenfeldern dringend benötigt würden – zum Beispiel eben eine Verbundqualifikation mit einer ökonomischen und einer philosophischen Komponente.

Studienmöglichkeiten in Deutschland

Neben der Universität Bayreuth bieten ein dem Bayreuther Studium ähnliches, jedoch jeweils auf die Hochschule zugeschnittes Lehrkonzept aktuell fünf weitere Hochschulen in Deutschland an: An der ehemaligen Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt (Frankfurt School of Finance and Management) wird mit „Management, Philosophy & Economics“ ein besonders praxisnahes Studienangebot aufgebaut. An der TU Darmstadt wird die Fächerkombination „Philosophie & Wirtschaftswissenschaften“ als ein 2-Fach-Bachelor (Joint Bachelor of Arts) angeboten. Seit Herbst 2010 bietet die Universität Witten/Herdecke zudem einen BA "Philosophie,Politik und Ökonomik (PPE)" an [1]. Ähnliche Studienkonzepte sind an weiteren Hochschulen in Planung, so z. B. an der Universität Bremen. Die Ruhr-Universität Bochum erlaubt die Kombination der Fächer BWL oder VWL mit Philosophie. An der Universität Duisburg-Essen war die gleiche Fächerkombination bis zum Jahr 2007 im Rahmen des 1-Fach-Bachelors Kulturwirt wählbar. Die Universität Mannheim bietet im Rahmen ihres Bachelor "Kultur und Wirtschaft" ebenfalls Philosophie als Kernfach an.

Ein komplett englischsprachiger Master-Studiengang wird von der Universität Bayreuth[2] angeboten. Ähnliche weiterführende Studienkonzepte bieten die Universität Hamburg[3] und die Universität des Saarlandes[4].An der Ludwig-Maximilians-Universität München wird berufsbegleitend der executive Master "Philosophie, Politik und Wirtschaft"[5] angeboten.

Curriculum

Das Ziel des Studiengangs ist die Ausbildung von Absolventen, die in der Lage sind, schwierige Entscheidungsprobleme mit analytischer Grundsätzlichkeit anzugehen. Dazu verbindet er die Fächer Philosophie und Ökonomie. Das Curriculum des Studienganges ist strikt vom Ausbildungsziel her bestimmt. Im philosophischen Curriculum wird daher genau das vermittelt, was die Philosophie zum analytisch grundsätzlichen Umgehen mit schwierigen Entscheidungsproblemen beitragen kann. In Konsequenz davon wird eine Schwerpunktsetzung im Bereich der praktischen Philosophie vorgenommen. Im ökonomischen Curriculum werden zunächst ähnlich wie in einem traditionellen volkswirtschaftlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Studium mit einführenden Veranstaltungen Grundlagen geschaffen (u.a. Mikroökonomik, Makroökonomik, Absatz, Finanzen, Bilanzen und Statistische Methodenlehre). Schon im Bachelor–, insbesondere aber im Master–Studium bleibt Raum für eigene Schwerpunktsetzungen wie z. B. Wirtschafts- und Unternehmensethik oder die Modellierung und Simulation sozialer Dynamiken.

Berufschancen

Dem Studiengang liegt kein einheitliches Berufsbild wie z. B. bei Medizinern oder Ingenieuren zugrunde. Vielmehr wird ein Grundlagen- und Methodenwissen vermittelt, das die Absolventen generalistisch ausbildet. Bisherige BA-Absolventen des Studiengangs haben diese Ausbildung anschließend zumeist durch Master- oder Promotionsprogramme im In- und Ausland ergänzt und arbeiten nun, ebenso wie die MA-Absolventen des Studiengangs, in Wissenschaft (Ökonomie oder Philosophie), Wirtschaft (Unternehmensberatungen, Finanzwesen, Industrie, Werbung, Medien), Journalismus, Politik bzw. Verbandswesen (Nichtregierungsorganisationen, Bundes- oder Landtag, Ministerien oder Diplomatischer Dienst) sowie der internationalen Entwicklungshilfe. Den größten Anteil unter den Arbeitgebern der P&E-Absolventen stellt aktuell die Unternehmensberatungs-Branche.

Der berufliche Werdegang der Absolventen wird in einer vom Förderverein des Studiengangs durchgeführten Evaluation erhoben und auf der Internetseite des Vereins veröffentlicht. Über die sehr verschiedenen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten nach dem P&E-Studium informieren darüber hinaus u.a. die jährlich organisierten „Job-Vorträge“, bei denen Alumni aktuellen Studenten über ihre Berufe berichten.

Der für deutsche Personalabteilungen noch unbekannte Bachelor-Abschluss sowie die für die deutsche Bildungslandschaft ungewohnte Studienkombination bedeutete für die Absolventen der ersten Jahrgänge einen z. T. erheblichen Erklärungsbedarf der vermittelten Ausbildung, der mittlerweile einem hohen Bekanntheitsgrad des Studiengangs gewichen ist.

Initiativen

Förderverein

Der Förderverein Philosophy & Economics e.V. wurde im Sommer 2004 gemeinsam von Studenten, Absolventen und Dozenten des Studienganges Philosophy & Economics an der Universität Bayreuth gegründet. Gemeinnütziges Ziel ist es, den Studiengang Philosophy & Economics an der Universität Bayreuth und seine Studierenden ideell und materiell zu unterstützen, ein Netzwerk aus Studierenden, Absolventen, der Wissenschaft und insbesondere der Praxis zu etablieren sowie den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft zu philosophisch-ökonomischen Themen zu stärken.

Bayreuther Dialoge und Bayreuther Vorbildpreis

Die Bayreuther Dialoge bringen in einem Symposium Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an einen Tisch, die gemeinsam mit den Teilnehmern Antworten auf zukunftsentscheidende Fragen suchen. Im Oktober 2005 wurde während der II. Bayreuther Dialoge erstmals der „Bayreuther Vorbildpreis“ vergeben: ausgezeichnet wurde Drogerie-Unternehmer Götz Werner für sein Unternehmenskonzept, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt und so wirtschaftliche Effizienz und ethische Grundsätze verbindet. Für seine außergewöhnlichen Leistungen bei der Gründung der Star Alliance sowie seine weit über Lufthansa-Kreise hinaus bekannte Bescheidenheit zeichneten die P&E-Studenten bei den III. Bayreuther Dialogen den langjährigen Lufthansa-Chef Jürgen Weber mit dem Bayreuther Vorbildpreis aus. Bei den IV. Bayreuther Dialogen im Oktober 2007 schließlich wurde Thomas Middelhoff (Arcandor, vormals Bertelsmann) für seine außergewöhnliche Management-Fähigkeit im Umgang mit unternehmerischen Risiken ausgezeichnet.

Kritik

Anfang April 2005 hatte der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gemeinsam mit dem Studiengang Philosophy & Economics an der Universität Bayreuth eine Konferenz zum Thema „Der Bachelor in den Geistes- und Sozialwissenschaften“ ausgerichtet.[6] Dabei hatten einige der anwesenden Philosophiedozenten aus anderen deutschen Universitäten kritisch angemerkt, das Bayreuther Curriculum biete Studierenden wenig Gelegenheit, philosophische Texte umfassend im Original zu lesen.

Kritiker werfen dem Studiengang darüber hinaus vor, die Studierenden sowohl mit der Philosophie, als auch mit der Ökonomie nur oberflächlich vertraut zu machen, was der grundsätzlichen Bachelor-Struktur sowie der interdisziplinären Kombination zweier Fächer innerhalb eines Studiengangs geschuldet ist. Durch die Verknüpfung der Fächer könnten beide Disziplinen nicht in der nötigen fachlichen Tiefe durchdrungen werden, sondern in beiden Fächern nur eine 'Halbbildung' vermittelt werden. Dem wird entgegen gehalten, dass es nicht Ziel sei Ökonomen und Philosophen auszubilden, sondern vielmehr Experten auf dem Verzahnungsgebiet dieser beiden Disziplinen.

Die Vorlesungen zur 'Einführung in die Philosophie' von Professor Hegselmann seien zudem eine stark subjektive Auswahl von Autoren und Themen, die vom Weltbild der analytischen Philosophie besonders dominiert wird und nur einen begrenzten Einblick in die allgemeine Philosophie vermittelt.

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive wird darüber hinaus kritisiert, dass in diesem Bereich nur minimalistische Kenntnisse vermittelt würden. Der Anspruch des Studienganges, eine qualifizierte Reflexion über die Ökonomie zu leisten könne angesichts des begrenzt vermittelten Grundlagenwissens kaum eingelöst werden.

Insgesamt wird dem Bayreuther P&E Studiengang vorgeworfen, das aus Sicht der einfachen Unternehmenspraxis in vielen Teilen ohnehin schon stark theorielastige Studium der Wirtschaftswissenschaften durch die Einbindung philosophisch-analytischen Methodenwissens zur Grundlagenreflexion auf eine noch höhere Abstraktionsebene zu stellen bzw. theoretisch erneut zu erhöhen.

Quellen

  1. http://www.uni-wh.de/wirtschaft/studium-wirtschaftsfakultaet/philosophie-politik-oekonomik/
  2. Universität Bayreuth
  3. "Politics, Economics and Philosophy"
  4. "Economics, Finance and Philosophy"
  5. „Philosophie, Politik, Wirtschaft“
  6. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/campus/364727/

Literatur

  • Rainer Hegselmann; Bernhard Herz: Der Bachelor- und Masterstudiengang Philosophy & Economics an der Universität Bayreuth S. 356-364 In: Welbers, U. (Hrsg.): Studienreform mit Bachelor und Master - Luchterhand, Neuwied/Kriftel 2001.

Weblinks


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