Badisches Judenedikt von 1809

Badisches Judenedikt von 1809
Amtstracht der Rabbiner in Baden, um 1843
Amtstracht der Vorbeter in Baden, um 1843

Das sogenannte Badische Judenedikt vom 13. Januar 1809 regelte die bürger- und kirchenrechtlichen Verhältnisse der badischen Juden.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte des Ediktes

Das 1. Konstitutionsedikt vom 14. Mai 1807 verbesserte den staatsrechtlichen Status der Juden indem es festlegte: Jeder Mensch wes Glaubens er sei, kann Staatsbürgerrechte genießen, so lange er keine Grundsätze bekennt oder übt, die der Unterwürfigkeit unter den Regenten, der Verträglichkeit mit anderen Staatsbürgern, der öffentlichen Erziehung und den guten Sitten Abbruch tun. Mit dem 6. Konstitutionsedikt vom 4. Juni 1808 wurden die Juden Inländer und badische Staatsbürger, was sie vom Makel eines "Landesfremden" befreite. Der Weg zur rechtlichen Gleichstellung der Juden in Baden war nun in den Anfängen beschritten.

Inhalt des Ediktes (Auszug)

I. Kirchliche Verfassung

Die Judenschaft des Großherzogtums bildet einen eigenen konstitutionsmäßig aufgenommen Religionsteil unserer Lande, der gleich den übrigen unter seinem eigenen angemessenen Kirchenregiemnt steht, wie solches weiter unten, näher bestimmt wird.

II. Abteilung in kirchliche Gemeinden

Er teilt sich in kirchliche Gemeinden, deren jede ihre eigene Gemeindesynagoge hat ... Bis diese Einteilung geschehen ist, gehören die Juden ferner zu derjenigen Synagoge im Lande, zu welcher sie sich bis daher hielten: und wo sie keiner bestimmt angehörten, sind sie einstweilen der im Lande nächstgelegenen zuzurechnen.

III. Gottesäcker

Jeder Synagogensprengel kann eigene Gottesäcker, die er hat, solange nicht aus polzeilichen Ursachen eine Schließung und Verlegung nötig wird, beibehalten; auch wo er keine, oder keine hinlänglich geräumige oder gelegene hat, neue auf eigentümlich erworbenen, von der Polizei dafür zulässig erkannten Plätzen solche anlegen.

IX. Eigene Umlage

Ihre besondere Mittel, woraus sie die Erfordernisse ihres Kirchenregiments, ihres Gottesdienstes und ihrer Armenversorgung zu bestreiten haben, sind in eigenen auf sie nach den Vermögensverhältnissen zu machenden Umlagen zu suchen, die jedoch nicht ohne Genehmigung der obersten Staatsbehörde jährlich ausgeschlagen werden dürfen.

X. Teilnahme an allgemeinen Schulen

Bis dahin, dass einst aus ihrer Mitte hinlänglich gebildete Männer zur guten Führung eines politischen Schulamts werden aufgewachsen sein, und ihnen alsdenn eigene Landschulanstalten bewilligt werden können, sollen sie für Lesen, Schreiben, Rechnen, Sittenlehre und Aufsätze machen, auch für Geographie und Geschichte... mit und neben den christlichen Ortskindern die Ortsschulen besuchen, und das Schulgeld gleich Christenkindern dahin entrichten (...)

XIII. Religionsunterricht

...so muß dagegen von der jüdischen Behörde gesorgt werden, dass sie einen hinlänglichen und zweckmäßigen Unterricht in ihrer Religion erhalten.

XV. Kirchliche Versammlungen

Ihre kirchlichen Zusammenkünfte müssen öffentlich in denen dazu gewidmeten Synagogen an denen dazu bestimmten Zeiten, oder wenn eine außerordentliche Versammlung nötig wird, nach vorheriger Anzeige an den Ortsvorstand geschehen, damit dieser für Ruhe, Ordnung und Stille wachen könne, da er sie gleich andern erlaubten kirchlichen Versammlungen gegen alle Störung kräftigst zu schützen hat. In ihren Gottesdiensten haben sie sowohl die gewöhnliche Fürbitte für den Regenten und dessen ganzes Haus, als jene Gebete die jeweils ausserordentlich verlangt werden, in der ihrer Religion gemäßen Art abzulegen.

XVIII. Gemeinds und Bürgerrechts-Erfordernisse

Niemand von jenen, welche dermalen noch nicht voll einundzwanzig Jahre alt sind, hat künftig Hoffnung zum Antritt eines Gemeinds- oder Bürgerechts, mithin zu einer eigenen Niederlassung im Lande gelassen zu werden, er habe den zu einem auch für Christen bestehenden Nahrungszweig sich befähiget. Von der Handelschaft gehöret dazu der Kaufmannshandel, der mit ordentlicher Buchführung, oder durch Fabrikenbetreibung, oder in offenen Läden mit einem zur Ernährung hinlänglichen Vorrate in Metall, Leder, Ellenwaren, Spezerei, Wechselgeschäften und dergleichen betrieben wird, soweit sie sich wie die Christen ordnungsgemäß dazu befähigen. (...) Hingegen wird dahin derjenige Nothandel nicht gerechnet, womit sich seither vorzüglich die jüdische Nation aus Mangel der Gelegenheit zu einem freiern Gewerbsfleiße häufig abgegeben hat, und womit sie nur ein unhinlängliches Auskommen gewöhnlich sich erwerben konnte, das nachmals sie zu unerlaubter Gewinnvermehrung geneigt machen musste.

XIX. Nothandel

Zu diesem Nothandel (auf welchem, er werde von Christen oder Juden betrieben, der Verdacht des Wuchers ruhen bleibet, und desfalls gesetzliche Fürsorge stattfindet) rechnen Wir die Mäklerei, da jemand nur für die Ausmittlung und Unterhandlung der Ein- und Verkaufsgelegenheiten den Zwischenträger macht; wo sie nicht in einer Handelsstadt zum Vorteil des Handels obrigkeitlich aufgestellt ist; (...)

XXIII. Heiratserlaubnis

Heiraten kann sich künftig jeder, der einmal zum Gemeinde- oder Schutzbürgerrecht angenommen ist, oder ein ihm angeborenes Bürgerrecht angetreten, Heiratsalter erreicht hat, und an sich alle eheordnungsgemäße Rechtserfordernisse nachweisen kann...

XXX. Ortssynagoge

Jede Ortsynagoge hat zu ihrem kirchlichen Beamten einen Ortsrabbiner, der gehörig studiert haben, ordnungsgemäß geprüft, von der Behörde ernannt, und von der Provinzregierung bestätig sein muß, und einem Ortsältesten, der aus den gebildetsten jüdischen Bürgern ernannt und von den Beamten unter welchen die Synagoge liegt, bestätig sein muß. Der erstere ist für den Religionsunterricht und beide sind für die Kirchenzucht, für die Unterstützung des Vollzugs der von der Obrigkeit ergehenden Befehle, welche die Judengemeinde betreffen, und für den Vollzug der von den kirchlichen Beamten der Provinzsynagoge erhaltenen gesetzmäßigen Aufträge verantwortlich.

XXXIV. Oberrat

Die sämtlichen Provinzsynagogen mit allen ihnen anhängigen Ortssynagogen stehen unter einem in dem Sitz der Staatsregierung aufzustellenden jüdischen Oberrat. (...)

Schlussfolgerungen

Durch Gebietsvergrößerungen wuchs die Zahl der badischen Juden von 2265 im Jahr 1802 bis 1808 auf 14.200. Im Großherzogtum Baden stellte das Konstitutionsedikt vom 13. Januar 1809 die Juden staatsbürgerlich gleich, beseitigte aber auch die bisherige traditionelle jüdische Gemeindeverfassung. Die staatliche Schulpflicht betraf auch die jüdischen Kinder, ebenso wurde die Wehrpflicht eingeführt, erbliche Familiennamen wurden vorgeschrieben. 1815 folgte die Aufhebung der Schutzgelder. Die Verfassung von 1818 machte wieder erhebliche Einschränkungen für die Einstellung in den Staatsdienst und für das passive Wahlrecht.

Trotz vieler Einzelerfolge blieben vor allem die Landjuden, die sich teilweise selbst einer Assimilation widersetzten, angefeindet. Die staatsbürgerliche Emanzipation gelang nach langer Diskussion erst 1849, die völlige Gleichstellung als Gemeindebürger landesweit 1862 und damit erstmals in Deutschland.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Konstitutionsedikt der Juden des Großherzogtums Baden. In: Großherzoglich Badisches Regierungsblatt. Nr. VI vom 11. Februar 1809.
  • Berthold Rosenthal: Heimatgeschichte der badischen Juden seit ihrem geschichtlichen Auftreten bis zur Gegenwart. Bühl 1927, S. 242–248. (Reprint: Magstadt bei Stuttgart 1981, ISBN 3-7644-0092-7)
  • Heinz Schmitt (Hrsg.): Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung. Badenia-Verlag, Karlsruhe 1988, ISBN 3-89735-339-3, S. 551–560.
  • Jüdisches Leben in Baden 1809 bis 2009. 200 Jahre Oberrat der Israeliten Badens. Ostfildern 2009, ISBN 978-3-7995-0827-8, S. 265–270.

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