Bürgerinitiative Rettet Lübeck

Bürgerinitiative Rettet Lübeck

Die Bürgerinitiative Rettet Lübeck (BIRL) e.V. ist eine im Bereich Denkmalschutz aktive Bürgeriniative in Lübeck. Durch ihr erfolgreiches Arbeiten verschaffte sie sich Anerkennung, die weit über die Grenzen der alten Hansestadt hinaus reicht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gerettet und unter Denkmalschutz gestellt durch die Arbeit der BIRL: Holstentorhalle in Lübeck

Die Bürgerinitiative Rettet Lübeck (BIRL) e.V. wurde 1975, im Jahr des Denkmalschutzes, als eingetragener Verein gegründet. Sie geht zurück auf eine um 1970 sich erstmals bildende Protestbewegung gegen großflächige Abrissmassnahmen in der Lübecker Altstadt im Zuge sogenannter Flächensanierungen. Rettet Lübeck war das Thema eines 1972 abgehaltenen internationalen Kolloquiums, das einen Bewusstseinswandel herbeiführte.[1] Durch den öffentlichen Protest und die Gründung der BIRL war die Alstadt knapp davongekommenn und der diskutierte Abriß von 40 Prozent der erhaltenen Bausubstanz verhindert worden.[2] Schon bald nach ihrer Gründung wurde über die Iniatitive in überregionalen Medien berichtet.[3] 1981 startete sie eine erfolgreiche Initiative gegen den damals geplanten Abriss der Holstentorhalle zugunsten eines Kaufhaus-Neubaus.[4] Als Konsequenz wurde die Halle 1990 unter Denkmalschutz gestellt. Die BIRL gilt heute als eine der ersten Bürgerinitiativen, die gegen verfehlte Stadtplanung mobil machten.[5][6]

Seit 1995 versuchte die BIRL eine Neubebauung am Lübecker Markt zu verhindern, sie konnte sich trotz längjährigen Widerstandes nicht durchzusetzen, sodass 2002 mit dem Bau begonnen wurde.[7]

Das Ziel der politisch ungebundenen Organisation von hauptsächlich auf der Lübecker Altstadtinsel wohnenden Bürgern war und ist es, die Innenstadt Lübecks zu erhalten und den Denkmalschutz-Gedanken zu fördern. Neben Protesten, die überdimensioniteren Kaufhaus-Bauten[8] ebenso wie Abrissen von denkmalwürdigen Häusern oder unsachgemässer „Sanierung“ durch Privatpersonen galten, arbeiteten Mitglieder in kommunalen Ausschüssen mit, gründeten die Althaus-Sanierer GmbH und betrieben nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit. Damit wurde die BIRL ein erfolgreiches Beispiel mit Vorbildcharakter für ähnliche Iniatiativen in Bamberg und Potsdam.[9] Die BIRL hat als Verein heute annähernd 500 Mitglieder – neben engagierten Lübeckern am Ort auch viele an der Arbeit der BIRL und ihren Publikationen interessierte Historiker, Denkmalpfleger, Stadtplaner und Architekten im gesamten Bundesgebiet.

Die Initiative war daran beteiligt, dass die Altstadt als erstes Flächendenkmal 1987 in die UNESCO-Welterbe-Liste eingetragen wurde. Diese Ziele wurden von der BIRL grundsätzlich auch erreicht. So attestierte die Direktorin des Archivs der Hansestadt Lübeck der BIRL bereits in der 1989 erschienen 2. Auflage ihrer Lübeckischen Geschichte seit dem Sinneswandel im Umgang mit der Lübecker Altstadt, den „Bewußtseinswandel und Veränderungen im Umgang mit der historischen Bausubstanz“ entscheidend mit geprägt und ihre Sanierung konstruktiv kritisch begleitet zu haben.[10]

Silberne Halbkugel, Deutscher Preis für Denkmalschutz

Die BIRL wird bei Landesgesetzgebungsverfahren zum Denkmalschutz in die Beratungen der Landesbehörden einbezogen. Sie stellt ein ständiges Mitglied im Arbeitskreis für Archäologie und Denkmalpflege der Lübecker Kulturverwaltung, der die städtische Verwaltung in Fragen von Unterschutzstellungen und des Umgangs mit Kulturdenkmalen berät.[11][12] Als Partner der Bürgerakademie Lübeck beteiligt sich die BIRL als Veranstalter von Rundgängen, Besichtigungen und Vorträgen.[13]

Im Rahmen von Ausstellungen, Vorträgen und Besichtigungen informiert die BIRL über Fragen zur Baugeschichte Lübecks und deren Maßgeblichkeit für die Entwicklung von Nachfolgegründungen im Ostseeraum. Sie gibt Hilfestellungen zu Sanierungspraktiken in der privaten Altbausanierung und überwacht kritisch alle Sanierungsvorhaben der öffentlichen Hand.[14][15][16] Aufgrund der Intervention und begleitenden Berichterstattung erreichte die BIRL, dass eines der letzten unsanierten Großdenkmale Lübecks, der Gertrudenherberge, schließlich doch unter Denkmalschutz gestellt wurde und wichtige Teile wie die im Rahmen des bisher verfolgten Sanierungsmodells bereits nach dem Wohnungeigentumsgesetz in einzelne zu errichtende Wohnungen aufgeteilten Pilgerhalle erhalten bleiben konnten.[17][18]

Für ihren Einsatz für mehr und besseren Denkmalschutz wurden 1981 die mit der BIRL verbundene Althaussanierer-Gemeinschaft und 2000 der langjährige Sprecher der BIRL Manfred Finke mit der Silbernen Halbkugel, dem Deutschen Preis für Denkmalschutz des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz ausgezeichnet.[19] Die BIRL ist Mitglied in einem freien Netzwerk der in allen größeren oder bauhistorisch bedeutenden Städten angesiedelten Denkmalpflegeinitiativen.

Die BIRL publiziert die meist quartalsweise erscheinende Zeitschrift Bürgernachrichten mit einer Auflage von derzeit rund 5.000 Exemplaren, die bei den deutschen Landesdenkmalbehörden, der Stadtbibliothek (Lübeck) und im Archiv der Hansestadt Lübeck archiviert werden.[20]

Publikationen

  • Manfred Finke: 116 mal Lübeck. Denkmalschutz - Sanierung - Neue Architektur. 25 Jahre Umgang mit einem Stadtdenkmal. Lübeck: Schmidt-Römhild 2000, ISBN 3-7950-1239-2
  • Manfred Finke: Unesco Weltkulturerbe Altstadt von Lübeck : Stadtdenkmal der Hansezeit. Neumünster: Wachholtz 2006, ISBN 978-3-529-01335-5
  • Bürgernititiative Rettet Lübeck (BIRL) e.V.: Bürgernachrichten. Lübeck: Zeitschrift im Eigenverlag.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Walter Hallerbach (Red.), Lübecker Nachrichten (Hrg.): Rettet Lübeck! Eine Dokumentation; Kolloquium am 4. u. 5. Febr. 1972. Lübeck: Lübecker Nachrichten 1972, siehe auch den Spiegel-Artikel vom 18. September 1972: Gewinn mit Baudenkmälern
  2. Klaus von Beyme, Hans Berger: Neue Städte aus Ruinen: deutscher Städtebau der Nachkriegszeit. München: Prestel 1992, ISBN 9783791311647, S. 116
  3. Viola Roggenkamp: „Rettet Lübeck“. Tatort Altstadt. Bürgerinitiative kämpft gegen den „Kahlschlag“ Lübeck Artikel in Die Zeit vom 18. Juli 1980, abgerufen am 25. Oktober 2011
  4. Der Baumeister: Zeitschrift für Architektur, Planung, Umwelt 78 (1981), ebenso in Werk, Bauen + Wohnen, hrg. vom Bund Schweizer Architekten 68 (1981), S. 563
  5. Stadtentwicklung in Deutschland: Eingemischt – Stuttgart 21 ist Symptom für ein neues bürgerschaftliches Engagement, Artikel von Jürgen Tietz für das Goethe-Institut online vom Februar 2011, abgerufen am 25. Oktober 2011
  6. Anntjekathrin Graßmann, S. 416, Das neue Lübeck Lexikon, Lübeck 2011, ISBN 978-3-7950-7779-2
  7. Kaufhof, Platz und Öffentliche Meinung, Christoph Ingenhovens Entwurf für den Lübecker Markt, S. 392 bis 398 in: Zwischen Tradition und Innovation - Historische Plätze in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945 von Andrew Macneille, Dissertation von 2004, veröffentlicht auf dem Kölner Universitätspublikationsserver
  8. Viola Roggenkamp: Schläfrig-Holstein. Ist Lübeck noch zu retten? Artikel in Die Zeit vom 10. April 1992, abgerufen am 25. Oktober 2011
  9. Michael Westerberg: Städte als Welterbe- im Welterbe leben, eine besondere stadtplanerische Herausforderung. Norderstedt: GRIN 2007, ISBN 9783638806657, S. 13
  10. Graßmann (1989), S. 792.
  11. Änderung des Denkmalschutzgesetzes des Landes Schleswig-Holstein. Stellungnahme zu den Entwürfen der Landesregierung und der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen von Manfred Finke vom 12. Januar 2009, abgerufen am 29. Oktober 2011
  12. Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Denkmalschutzgesetzes Drucksache 17 / 1617 (neu) von Manfred Finke vom 8. September 2011, abgerufen am 29. Oktober 2011
  13. Bürgerakademie Lübeck: Veranstalter und Partner, abgerufen am 1. November 2011
  14. Krach um den Kranenkonvent Artikel von Josephine von Zastrow auf LN-Online vom 20. August 2010, abgerufen am 20. August 2010
  15. Widerstand gegen Neubau der Lübecker Hafencity, Artikel von Kai Dordowsky auf LN-Online, abgerufen am 25. September 2011
  16. Nördliche Wallhalbinsel: Bürger wollen alte Schuppen erhalten , Artikel von Josephine von Zastrow auf LN-Online, abgerufen am 1. November 2011
  17. Bürgerinitiative Rettet Lübeck (BIRL) e.V.: Gertrudenherberge. In: Bürgernachrichten, Nr. 98, 31. Jg., Mai - Juli 2007, S. 1 f.
  18. Bürgerinitiative Rettet Lübeck (BIRL) e.V.: Gertrudenherberge: Klartext. In: Bürgernachrichten, Nr. 100, 31. Jg., März/ April 2008, S. 15.
  19. Preisträger, abgerufen am 30. Oktober 2011
  20. Katalog der Stadtbibliothek Lübeck, abgerufen am 29. Oktober 2011 (Digitalisat)

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