An der Biegung des großen Flusses

An der Biegung des großen Flusses

An der Biegung des großen Flusses ist ein im Jahre 1979 im englischen Original unter dem Titel „A Bend in the River“ erschienener Roman von V. S. Naipaul. Das Buch gliedert sich in vier Kapitel mit insgesamt siebzehn Abschnitten. Im Mittelpunkt der Handlung steht Salim, Sohn einer aus Indien stammenden muslimischen Kaufmannsfamilie, die schon seit Generationen an der Küste Ostafrikas lebt.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Im Jahre 1980 erschien der Roman in einer deutschen Übersetzung. Er beginnt mit folgenden Worten: „Die Welt ist was sie ist; Menschen die nichts sind, die sich erlauben nichts zu sein, haben in ihr keinen Platz.[1] Salim erwirbt günstig von seinem Freund Nazruddin einen Gemischtwarenladen für Schreibhefte, Rasierklingen, Seife, Zahnpasta, Stoff, Eisentöpfe und emaillierte Teller in einer Stadt an der Biegung eines großen Flusses in Zentralafrika. Er fährt mehrere Tage in einem alten Peugeot von der Ostküste Afrikas in die Mitte des afrikanischen Kontinentes.

Nazruddin ist ungefähr zwanzig Jahre älter als Salim. Er spricht französisch, trägt dunkle Brillen und Anzüge, spielt Tennis und trinkt Wein. Aufgrund der Beschreibungen Naipauls kann man davon ausgehen, dass es sich bei der Stadt um Kisangani, dem früheren Stanleyville, in der heutigen Demokratischen Republik Kongo handelt. Die Stadt, mit im Jahre 2010 über einer halben Million Einwohnern, liegt am Ende einer alten arabischen Handelsroute nach Zentralafrika. Naipaul beschreibt die Stadt als wichtigen Ort für die Geschichte des Islams in Afrika. Hier trafen europäisch-amerikanische Afrikaforscher und einfache Handelskaufleute aus Europa auf die islamische Welt.[2] Die arabische Expansion nach Afrika wurde in dieser Stadt an der Quelle des Kongos vorläufig gestoppt und blieb bis heute anscheinend nur ein Wegbereiter für die Kultur Europas.

Salims Entschluss auszuwandern erweist sich als richtig. Inzwischen haben sich die Afrikaner der Ostküste gegen die Zuwanderer aus Indien, die dort oft schon hunderte von Jahren lebten, blutig erhoben. Es erreichen ihn Briefe von Familienangehörigen, die ihm erklären, dass das Leben seiner Verwandten an der Ostküste Afrikas für immer beendet ist.

Eine seiner ersten Kundinnen ist Zabeth, eine afrikanische Händlerin aus einem weit entfernten kleinen afrikanischen Fischerdorf. Sie gibt später ihren fünfzehn Jahre alten Sohn Ferdinand in die Obhut von Salim. Er kann bei Salim gegen ein geringes Entgelt wohnen und das aus der Kolonialzeit stammende Gymnasium der Stadt besuchen.

Im vierten Abschnitt des Romans besucht Salim das Gymnasium. Dabei trifft er auf den belgischen Pater Huismans. Der Pater ist um die vierzig Jahre alt und ein Sonderling. Er widmet sich in seiner freien Zeit afrikanischen Masken und sonstigen kultischen Holzschnitzereien. Salim und Huismans kommen ins Gespräch. Angesprochen auf den Leitspruch des Gymnasiums Ex Africa semper aliquid novi[3] gälte das damalige Wort von Plinius dem Älteren über Afrika immer noch. Der Pater ist lange Zeit anerkannt, weil er sich um die Kunst der Afrikaner kümmert. Er hat aber wenig Interesse an aktuellen sozialen und politischen Fragen Afrikas. Er erklärt seinen Schülern die Welt in dem großen historischen Zeitraum vom Römischen Reich bis in die Gegenwart. Er wird unglücklicherweise im Busch von Unbekannten erschlagen.

Am Rande der afrikanischen Stadt errichtet der Präsident des imaginären zentralafrikanischen Staates eine Staatsdomäne. Sie soll dokumentieren, dass auch in Afrika nach dem Ende der Kolonialisierung moderne Menschen wohnen. Eines Tages trifft Salim dort bei einer Party Indar, seinen Freund aus Jugendtagen. Er wohnt als Gast der Regierung in der Staatsdomäne. Dabei lernt er auch den Leiter der Betriebes Raymond und seine dreißig Jahre jüngere Frau Yvette kennen. Salim hatte bisher nur erotische Erfahrungen mit Prostituierten gesammelt. Er betritt mit Yvettes europäischen Vorstellungen von Liebe und Leidenschaft Neuland. Yvette tanzt mit Salim. Später treffen sie einander regelmäßig mittags und abends und lieben sich.

Irgendwann brechen auch in der Stadt wieder Unruhen aus. Salim reist für sechs Wochen zu Nazruddin nach London. Nach Umwegen über Uganda und Kanada hatte Nazruddin sich in London niedergelassen. Dort wird er mit Nazruddins Tochter Kareisha verlobt.

Angekommen in London, wird Salim klar, dass das die Welt mit seinen Bauten und sonstigen Errungenschaften dominierende Europa seiner Kindheitsvorstellungen nicht mehr existiert. Es war, so führt Naipaul weiter aus, noch das Europa seiner Kindheit, das mit Briefmarken ihm die Welt erklärte.[4]

Nach dem Aufenthalt in London fliegt Salim in die Stadt in Afrika zurück, um sein Geschäft zu verkaufen. Der Große Mann hat eine weitere, von ihm so bezeichnete Radikalisierung der einheimischen Bevölkerung gegenüber Ausländern empfohlen. Salim wird inhaftiert und sein Gemischtwarenladen verstaatlicht.

Ferdinand, der Sohn von Zabeth der Händlerin, ist inzwischen ein hoher Staatsbeamter. Er verwendet sich für Salim. Dieser kann dann das Land mit Hilfe eines Kongo-Flussdampfers nahezu mittellos wieder verlassen.

Motive und Rezeption

In diesem Buch setzt sich Naipaul sehr kritisch mit dem Islam und seinen extremistischen Strömungen auseinander. Im 15. Kapitel lässt er einen der Protagonisten, den Kaufmann Nazruddin räsonieren:

Ich bin abergläubisch wegen der Araber. Sie haben uns und der halben Welt die Religion gegeben, aber ich kann mir nicht helfen, ich habe das Gefühl, dass der Welt schreckliche Dinge bevorstehen, wenn sie Arabien verlassen.[5]

Auf der anderen Seite kann Naipaul, der mit indischen Wurzeln auf Trinidad geboren wurde und inzwischen in London lebt, mit seinem Blick von außen einen unbefangenen neutralen Standpunkt gegenüber dem Weltgeschehen einnehmen.[6]

In der bibliographischen Notiz zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Naipaul im Jahre 2001 verweist die Schwedische Akademie darauf, dass der Roman mit Joseph Conrads Herz der Finsternis verglichen wird.[7] Anant Kumar versteht das Interesse der westlichen Welt an dem Buch insofern, dass einmal nicht die üblichen Minderheiten auf der Flucht vor Verfolgung sind, sondern eine indische Händlergeneration vor afrikanischen Ureinwohnern zuerst ins Innere Afrikas flieht.[8]

Ausgabe

Weblinks

Einzelnachweise

  1. V. S. Naipaul: An der Biegung des großen Flusses: Roman / Dt. von Karin Graf, München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1993, S. 5
  2. V. S. Naipaul: An der Biegung des großen Flusses: Roman / Dt. von Karin Graf, München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1993, S. 24
  3. V. S. Naipaul: An der Biegung des großen Flusses: Roman / Dt. von Karin Graf, München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1993, S. 69
  4. V. S. Naipaul: An der Biegung des großen Flusses: Roman / Dt. von Karin Graf, München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1993, S. 259
  5. V. S. Naipaul: An der Biegung des großen Flusses : Roman / Dt. von Karin Graf, München : Dt. Taschenbuch-Verl., 1993, S. 265
  6. FAZ: Man darf ruhig schlecht von mir denken, eingesehen am 24. Januar 2011
  7. Svenska Akademien: The Nobel Prize in Literature 2001 V. S. Naipaul - Bibliographische Notizen, eingesehen am 25. Januar 2011
  8. interculture journal: Anant Kumar - The empire strikes back: die postkoloniale indische Literatur von außen nach innen, eingesehen am 25. Januar 2011

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