Bürgerort

Bürgerort
Bürgerrechtsurkunde der Stadt Zürich

Der Bürgerort (auch Heimatort) bezeichnet in der Schweiz die Gemeinde, in der ein schweizerischer Staatsangehöriger heimatberechtigt ist. Der Bürgerort ist unabhängig vom jeweiligen Wohnort. Heutzutage ist der Bürgerort von geringer praktischer Bedeutung, wird aber im Reisepass und auf der Identitätskarte aufgeführt, während in anderen Ländern auf entsprechenden Dokumenten der Geburtsort vermerkt ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In der Alten Eidgenossenschaft war der Bürgerort der Ort, an dem die Vorfahren gelebt und Rechte und Pflichten erworben hatten und dadurch heimatberechtigt waren. Der Bürgerort war derjenige Ort, an dem ein Bürger Rechte an den gemeinsamen Gütern hatte; dazu gehörten zum Beispiel Allmendweide und Holzgerechtigkeiten, also geldwerte Vorteile. Am Bürgerort hatte er zudem dem Landesherrn seine Wehrkraft zur Verfügung zu stellen. Wer neu dazu kam, hatte sich in der Regel einzukaufen wie ein neuer Partner in ein Unternehmen.

Der Bürgerort war es auch, der für seine Bürger aufkommen musste, falls diese verarmten und ihren Lebensunterhalt nicht mehr selber bestreiten konnten. Daher versuchten im 19. Jahrhundert etliche in finanziellen Schwierigkeiten steckende Schweizer Gemeinden ihre Armen loszuwerden, indem sie ihnen die Überfahrt nach Amerika bezahlten und sie dafür auf ihr Bürgerrecht verzichten liessen.

Erwerb

Hauptartikel: Schweizer Bürgerrecht

Durch den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts wird gleichzeitig das Bürgerrecht einer Gemeinde angenommen, diese ist daraufhin Bürgerort. Umgekehrt erlangt, wer ein Gemeindebürgerrecht annimmt, auch das Bürgerrecht des jeweiligen Kantons und dasjenige der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Dabei wird das Gemeindebürgerrecht zusammen mit dem Schweizer Bürgerrecht entweder von Gesetzes wegen – etwa durch Geburt oder Adoption – oder durch Einbürgerung erworben.

Durch Geburt erhält ein Kind von verheirateten Eltern den Bürgerort des Vaters. Besitzt dieser kein Gemeindebürgerrecht, so erbt das Kind das Bürgerrecht der Mutter. Bei Kindern unverheirateter Eltern zählt der Bürgerort der Mutter, es sei denn, sie besitze keinen.[1] Heiraten die Eltern nach der Geburt, so erhält das unmündige Kind nachträglich das Gemeindebürgerrecht des Vaters und verliert dasjenige der Mutter.[2]

Weiter erlangt eine Schweizer Bürgerin durch die Heirat den Bürgerort ihres Schweizer Ehemannes, ohne den Bürgerort zu verlieren, den sie als Ledige hatte.[3] Auch nach einer Scheidung behält die Frau diesen Bürgerort.[4] Das Eingehen einer eingetragenen Partnerschaft hat im Gegensatz zur Heirat keinen Einfluss auf den Bürgerort.

Bedeutung

Für die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten ist nicht der Bürgerort, sondern der Wohnsitz massgebend. Auch in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit von Gerichten ist der Heimatort von geringer Bedeutung. So sieht das Gerichtsstandsgesetz vor, dass für Klagen gegen eine natürliche Person grundsätzlich das Gericht am Wohnsitz zuständig ist.[5] Weiter haben die meisten Schweizer nie im Bürgerort gewohnt. Der Bürgerort muss aber in etlichen Formularen angegeben werden. Lange Zeit wurde am Bürgerort das Familienregister geführt, welches Aufschluss über Geburt, Heirat, Tod und Bürgerrecht gab. 2004 wurde dieses durch das Personenregister ersetzt, das gesamtschweizerisch vom System Infostar verwaltet wird. Der Bürgerort stellt den Heimatschein aus, der bei der Wohngemeinde für die Dauer des Aufenthaltes zu hinterlegen ist.

Der Heimatort ist auf der Identitätskarte und im Pass aufgeführt. Bei der Ausarbeitung des Ausweisgesetzes wurde geprüft, ihn in diesen Dokumenten durch den Geburtsort zu ersetzen. Die Idee wurde jedoch wieder fallen gelassen.[6]

In vielen Schweizer Gemeinden bestehen heute noch Bürgergemeinden mit eigenem Vermögen neben den Einwohnergemeinden, wobei die Grenzen nicht deckungsgleich sein müssen. Aktive Bürgergemeinden dienen unter anderem der kulturellen Identitätsstiftung, befinden aber auch über die Verleihung des Ortsbürgerrechts. Mancherorts haben heute aber die Einwohnergemeinden Aufgaben der Bürgergemeinden (insbesondere Einbürgerungen) übernommen.

Es besteht für den Heimatort grundsätzlich keine Verpflichtung mehr, seinen Bürgern Sozialhilfe zu leisten. Diese Aufgabe wird nach der Regelung des Zuständigkeitsgesetzes vom Wohnort – ungeachtet des Bürgerrechts – wahrgenommen. Hierdurch hat auch die Möglichkeit der Heimatgemeinde, in bestimmten Fällen gegen die Begründung eines Vater-Kinds-Verhältnisses Einspruch zu erheben,[7] an Bedeutung verloren.[8] In bestimmten Fällen muss der Heimatort bzw. der Heimatkanton, also der Kanton, in dem die Bürgerort liegt, jedoch für den Unterhalt einer Person ohne festen Wohnsitz aufkommen.

Da das Gemeindebürgerrecht für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts Voraussetzung ist, ist die Verleihung des Bürgerrechts durch eine Gemeinde bei der ordentlichen Einbürgerung bedeutsam. Dabei variieren die Voraussetzungen für den Erwerb des Ortsbürgerrechts zwischen den Gemeinden zum Teil erheblich, etwa bezüglich geforderter minimaler Wohnsitzdauer in der Gemeinde oder Integrationsleistungen.

Ein praktisches Problem des Bürgerorts ist, dass in nicht-schweizerischen Formularen oft der Geburtsort gemäss offiziellem Dokument einzutragen ist, in den amtlichen Dokumenten der Schweiz jedoch ausschliesslich der Bürgerort steht.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Art. 271 ZGB und Art. 4 Bürgerrechtsgesetz
  2. Art. 259 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 271 ZGB, Art. 4 Abs. 3 Bürgerrechtsgesetz
  3. Art. 161 ZGB
  4. Art. 119 Abs. 2 ZGB
  5. Art. 3 Gerichtsstandsgesetz
  6. Botschaft zum Ausweisgesetz, Bundesblatt 2000 4758
  7. Art. 259 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB, Art. 260a Abs. 1 ZGB, Art. 269a Abs. 1 ZGB
  8. Heinz Hausherr, Regina Aebi-Müller: Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches; Stämpfli Bern, 2005; S. 92 f.

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