Bündelfunk

Bündelfunk

Bündelfunk, engl. Trunked radio system, ist der Überbegriff für verschiedene Standards von Funksystemen mit Kanalbündelung. Der Begriff ist im deutschsprachigen Raum als Synonym für Professionellen Mobilfunk (engl. Professional Mobile Radio, PMR) verbreitet.

Die bekanntesten digitalen Bündelfunkstandards sind TETRA, Tetrapol, DMR und APCO P25; MPT 1327, Smartnet und Smartzone sind die bekanntesten analogen Systeme. Nach diesen Standards arbeiten die unterschiedlichsten Mobilfunkdienste.

Inhaltsverzeichnis

Kanalbündelung

Der Vorteil der Kanalbündelung (daher der Name) liegt darin, dass einer geschlossenen Benutzergruppe, z.B. der Müllabfuhr eines städtischen Entsorgungsbetriebs, nicht mehr eine (oder mehrere) feste Frequenz (ein fester Kanal) zugewiesen werden muss (die dann ggf. nur gering genutzt wird), sondern dass sich mehrere Benutzergruppen eines oder mehrerer Betriebe sich ein Bündel von Frequenzen teilen können. Dies ist im Hinblick auf den Bedarf an Frequenzen sehr viel effizienter; bei gleichem Kommunikationsbedarf werden bedeutend weniger Ressourcen (Frequenzen) benötigt. Im Falle öffentlicher Bündelfunknetze besteht so die Möglichkeit, dass viele Unternehmen eine gemeinsame Funkinfrastruktur verwenden, anstatt dass jede einzelne Firma eine eigene Infrastruktur mit Funktürmen, Feststationen usw. aufbauen muss. Um den Ansprüchen möglichst vieler Nutzer in einer Region zu genügen, werden zur Erhöhung der Funkreichweite (Abdeckung) häufig mehrere Funktürme über Standleitung oder Richtfunkstrecken zusammengeschaltet, so dass ein Funksystem entsteht, das sich über einen kompletten Wirtschaftsraum erstreckt.

MPT-1327

Siehe auch: Funkrufnetz#Chekker

Bereits vor der Einführung der GSM-Netze hatten verschiedene Staaten landesweite oder regionale analoge Bündelfunknetze auf Basis des MPT-1327 Standards in Betrieb. In Deutschland gab es mehrere Anbieter von denen die Deutsche Telekom, die ihre Bündelfunksysteme unter dem Namen Chekker vermarktet hat, der größte war. Der Gesetzgeber hatte bei der Planung ein regionales Netzwerk im Sinn – als Abgrenzung zum schon vorhandenen C-Netz-Funktelefonnetz. Die Regionalität war aber auf lange Sicht auch das größte Problem der Netze. Zum einen musste für jede Wirtschaftsregion ein eigener Antrag gestellt werden. Viele A4-Ordner mit teuren Planungsunterlagen mussten eingereicht werden. Zum anderen mussten beim Anwender, wenn er seine Fahrzeuge in eine andere Region schickte (zur Baustelle dort), die Funkgeräte mit den dort verwendeten Funkkanälen neu programmiert werden. Für die zusätzliche Region wurde dann auch eine zusätzliche Nutzungsgebühr fällig. Ein Roaming, wie in Funktelefonnetzen üblich, gab es nicht. War Bündelfunk im Vergleich mit dem C-Netz noch wettbewerbsfähig, so kam mit dem Sinken der Gebühren im D-Netz für viele Netzbetreiber rasch das Aus. Die Betreibergesellschaften wechselten sehr oft. Eine Zentralisierung setzte ein und der letzte – damals bundesweite – Betreiber hieß Dolphin Telecom. Dieser versuchte noch einen Umbau auf digitalen Bündelfunk. Als jedoch die Umstellung auf einen US-Funktelefonstandard von der Bundesnetzagentur verweigert wurde, zog sich der kanadische Investor aus Europa zurück. Die Betreibergesellschaft wurde abgewickelt und viele Funknetze wurden abgeschaltet. Einige Teilnetze wurden von lokalen Betreibern weiter in Betrieb gehalten und sind noch heute in Betrieb.

Schlüsselfunktionen

Der größte Unterscheid zu herkömmlichen Mobiltelefonen, mit denen nur Punkt-zu-Punkt Telefonate möglich sind, ist bei PMR die sogenannte Point-to-Multipoint Communication (Gruppenruf), bei der ein Gerät gleichzeitig mit mehreren anderen kommunizieren kann. Üblicherweise sind die Funkgeräte leicht zu bedienen – zum Sprechen wird ein Knopf gedrückt (push-to-talk) und innerhalb weniger 100 Millisekunden der Ruf aufgebaut, zum Zuhören wird er wieder losgelassen (release-to-listen). Die Reichweiten der verschiedensten Standards variieren. Beim derzeit wachstums- und leistungsstärksten Bündelfunksystem TETRA, sind je nach Geländebeschaffenheit zum Beispiel bis zu 83 Kilometer möglich. Allerdings ist dieser theoretische Wert aufgrund von Planungsparametern wie Teilnehmerdichte, Nutzungsverhalten und Geländetopographie wenig relevant. Zudem kann ein einziges Funkgerät als mobile Relaisstation für andere Geräte eingesetzt werden, um den Funkversorgungsbereich auszudehnen. Grundsätzlich arbeiten die innerhalb eines Bündelfunknetzes zusammengeschlossenen Gruppen vollständig unabhängig voneinander. Der Wechsel von einer Gruppe in die andere ist im digitalen System der Bündelfunknetze in der Regel ohne größere Umstände möglich. Dazu muss der Systemadministrator die gewünschten Gruppenzugänge „freischalten“. Meist wird das schon beim Einrichten des Systems erledigt. Von den Nutzern wird genau diese Tatsache als sehr wohltuend empfunden: Nicht jeder muss mit dem System alles mithören, sondern kann sich, die entsprechende Berechtigung vorausgesetzt, in die jeweiligen Gruppenfunknetze einwählen, die für ihn von Belang sind.

Einsatzbereiche

Anders als beim Mobilfunk wie GSM ist der Einsatz von Bündelfunk typischerweise auf eine bestimmte Region beschränkt. Bündelfunk-Systeme zeichnen sich aber gegenüber herkömmlichem GSM-Systemen durch eine wesentlich verbesserte Sprachqualität im Falle von lauten Umgebungsgeräuschen und eine höhere Frequenzökonomie aus. PMR-Systeme, wie zum Beispiel der Standard TETRA bieten gegenüber GSM-Netzen, die bei 200 kHz Kanalabstand acht Kommunikationskanäle bereitstellen, eine vierfach bessere Frequenznutzung (vier Kommunikationskanäle bei 25 kHz Kanalabstand). Zusätzlich findet auch ein Frequenzmultiplex durch die Paarung jedes HF-Kanals in eine uplink- und eine downlink-Frequenz, statt. Dadurch wird die hohe Kanalkapazität erreicht. Die neueste TETRA-Generation heißt TETRA Enhanced Data Service. Datenraten von bis zu 300 kBit/s sind mit diesem System möglich, was etwa einer Verzehnfachung der Geschwindigkeit bedeutet. Damit können nun auch visuelle Informationen wie Karten, Bilder oder Videosequenzen in Echtzeit übertragen werden. Für Bereiche der öffentlichen Sicherheit bieten Bündelfunksysteme Dienstmöglichkeiten wie dynamische Gruppenbildung oder die Möglichkeit, dass zwei oder mehrere Mobilstationen ohne eine zwischengeschaltete Basisstation direkt miteinander kommunizieren können (Direktmodus). Wie vom Büro aus können die Einsatzkräfte dabei auf Info-Systeme und Datenbanken zurückgreifen und Informationen abfragen: Landkarten, Lagepläne, Informationen über chemische Produkte oder Wasserschutzgebiete, Kapazitäten der umliegenden Krankenhäuser oder die Standorte bestimmter Spezialfahrzeuge in der Region. Interessant sind PMR-Systeme deshalb besonders für Organe der öffentlichen Sicherheit wie Polizei, Feuerwehr oder Katastrophenschutz. Denn mit Hilfe des Digitalfunks wird die gesamte Sprach- oder Datenübertragung abhörsicher an die jeweiligen Einsatzkräfte übermittelt. Genauso werden PMR-Systeme aber auch als Betriebsfunknetz installiert. Bei großen Unternehmen wie BMW, Audi oder M.A.N. gehören sie schon längst zur Grundausstattung. Solche Funk-Kommunikationssysteme können beispielsweise Mitarbeiter der Bereiche Werksschutz, Werkfeuerwehr, Instandhaltung oder aus dem Hochregallager über Digitalfunk miteinander verbinden. Bisher mussten die Mitarbeiter eine ganze Reihe unterschiedlicher Benachrichtigungssysteme nutzen.

Kommunikationsdienste

  • Direkt-, Gruppen-, Notruf mit kurzen Rufaufbauzeiten
  • Datenübertragung (Statusmeldungen, Kurzdatendienst, IP-Paketdaten)
  • Telefax, E-Mail, Datenbankabfragen
  • Rufumleitung, Rufweiterleitung, Konferenzschaltung, Rufprioritäten
  • Authentisierung und Verschlüsselung

Lizenzen

In Deutschland wurden die Lizenzen für den Betrieb eines Bündelfunksystems von der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA, vormals Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post) in folgenden Klassen vergeben:

  • A Ballungsräume, Regionen mit hoher Nachfrage
  • B kleinere Gebiete
  • C einzelne Grundstücke (z. B. Flughäfen, Hafengelände)
  • D gesamtes Bundesgebiet

Inzwischen wird diese Unterscheidung jedoch nicht mehr vorgenommen. Alle vergebenen Lizenzen sind gleichrangig.

Systemarchitektur

Ein Bündelfunksystem besteht aus:

  • Vermittlungssystem: MSC, Master Systems Controller
  • Netzmanagementsystem: NMC, Network Management Center
  • Basisstationen: BS, Base Station

Analog

Im analogen Bündelfunk wird (in Deutschland) vor allem der Standard MPT-1327 im Frequenzband von 410 bis 430 MHz genutzt. Die Frequenzen von 410 bis 420 MHz für den Uplink, 420 bis 430 MHz für den Downlink. Die Datenübertragung auf dem Organisationskanal erfolgt mit bis zu 1,2 kbit/s.

Digital

Nachfolger des analogen Bündelfunks ist das digitale „terrestrial trunked radio“ TETRA bzw. „digital mobile radio“ DMR. Beides sind offene Standards des Europäischen Instituts für Standardisierung in der Telekommunikation ETSI und arbeiten unter anderem auch im Frequenzband von 410 bis 430 MHz. TETRA ermöglicht eine Datenübertragung mit bis zu 28,8 kbit/s, nach Einführung des TETRA Enhanced Data Service TEDS mehrere 100 kbit/s. Es sind Vollduplex-Verbindungen möglich.

Sendemasten

Die Sendemasten für den Bündelfunk sind meist kaum von den bekannten GSM-Sendern zu unterscheiden. Lediglich die Antennenform ist variabel.

Weblinks


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