Bösendorfer (Unternehmen)

Bösendorfer (Unternehmen)
L. Bösendorfer Klavierfabrik GmbH
Bösendorfer.svg
Rechtsform GmbH
Gründung 1828
Sitz Wien
Leitung Brian Kemble
Branche Herstellung und Großhandel von Klavieren
Website www.Boesendorfer.com

Die Wiener Klavierfabrik Bösendorfer ist ein Hersteller von Klavieren. Die Flügel von Bösendorfer haben im 19. und 20. Jahrhundert die Entwicklung der Klaviermusik maßgeblich begleitet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gründer Ignaz Bösendorfer (1796–1859)
Sohn Ludwig Bösendorfer (1835-1919)
Franz Liszt gibt ein Konzert für Kaiser Franz Joseph I. auf einem Bösendorfer

Das Unternehmen wurde am 25. Juli 1828 von Ignaz Bösendorfer in Wien gegründet, der Lehrling bei Joseph Brodmann war und dessen Werkstatt übernahm. Innerhalb kürzester Zeit erwarb er sich durch seine sauber verarbeiteten und klangschönen Instrumente einen hervorragenden Ruf und erhielt 1839, als erster Klaviermacher überhaupt, vom Kaiser den Titel eines k.k. Hof-Claviermachers. 1858 folgte die Ernennung zum höher angesehenen Kammerlieferanten des Kaisers.

Als er 1859 starb, übernahm sein erst 24-jähriger Sohn Ludwig Bösendorfer das Unternehmen. Da die Titel der Hof- und Kammerlieferanten auf die Person bezogen waren, musste er erneut ein Gesuch beim Kaiser einreichen. Den Titel des k.u.k. Hoflieferanten erhielt er erst 1866, den des Kammerlieferanten Seiner Majestät 1869. Mit viel Geschick führte er das Unternehmen weiter und die Instrumente wurden bald in alle Welt exportiert. Franz Liszt, der Ausnahmepianist, dessen Klavierspiel bis dahin noch fast jedes Klavier ruiniert hatte, spielte vorwiegend auf Bösendorfer Klavieren, da diese Instrumente seinem Spiel standhielten.

1870 bezog das Unternehmen das Fabrikgebäude in der Graf-Starhemberg-Gasse 14 im IV. Wiener Bezirk, wo noch heute die Endfertigung der Klaviere vorgenommen wird. Zwei Jahre später fand das erste Konzert in der ehemaligen Reitschule des Palais Liechtenstein an der Herrengasse statt, dem Bösendorfer Saal mit seiner legendären Akustik.

Aufsehen erregte 1900 der Imperial-Flügel mit acht Oktaven Tonumfang (vom Subkontra-C bis zum c5), der auf Anregung von Ferruccio Busoni gebaut wurde. Mit seinen 290 Zentimetern war der Imperial bis zum Erscheinen des Modells 308 der Firma Fazioli der längste in Serie hergestellte Flügel und ist bis heute das einzige Klavier mit 97 Tasten.

In diese Zeit fiel die Hochblüte des Klavierbaus, an der Bösendorfer wesentlichen Anteil hatte. Die Instrumente waren technisch ausgereift, nur bestes Material fand Verwendung und in der Produktion war der Faktor Zeit noch nicht der entscheidende.

Ludwig Bösendorfer, der kinderlos blieb, verkaufte 1909 das Unternehmen seinem Freund Carl Hutterstrasser. 1913 fiel trotz zahlreicher Proteste der Bösendorfer Saal der Bauspekulation zum Opfer. Am Ende des Abschiedskonzertes verließ das Publikum schweigend den akustisch besten Saal Wiens. Das Gebäude wurde abgerissen und wie zum Hohn blieb der Platz im Zentrum von Wien für viele Jahre unbebaut.

Der Erste Weltkrieg brachte für das Unternehmen einen schweren Rückschlag, 1919 starb Ludwig Bösendorfer. Die Produktion lief nur schleppend wieder an. 1931 traten die Söhne Carl Hutterstrassers, Alexander und Wolfgang, in das Unternehmen ein, das eine OHG (Offene Handelsgesellschaft) wurde.

Der Zweite Weltkrieg brachte den nächsten großen Rückschlag, 1944 verbrannte nach einem Bombenangriff das Holzlager. Als nach dem Krieg die ersten Facharbeiter aus der Kriegsgefangenschaft zurückkamen, begann der mühevolle Neuanfang. Langsam konnte die Produktion wieder aufgenommen und gesteigert werden. In den Jahren der sowjetischen Besatzung konnte Steinway sozusagen ohne Konkurrent den Markt erobern.

Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Firma 1953 stiftete Bösendorfer einen goldenen Fingerring als Auszeichnung für den bedeutendsten Pianisten. Erster Träger des Bösendorfer-Rings wurde Wilhelm Backhaus. Der Ring wird weitergegeben nach dem Tode des Trägers an einen vorher von ihm bestimmten, würdigen Nachfolger. Zum 150-jährigen Firmenjubiläum wurde 1978 der Ring an Paul Badura-Skoda verliehen.

1966 wurde das Unternehmen Bösendorfer zur Aktiengesellschaft und zu 100 % von der US-amerikanischen Firma Kimball-International in Jasper (Indiana) übernommen. Diese Firma beschäftigte sich mit Holzverarbeitung im weitesten Sinn und baute auch Klaviere. Zwar konnte mit dem Engagement von Kimball die Produktion gesteigert und viele Instrumente in alle Welt exportiert werden, aber gravierende Managementfehler führten in den 1980er Jahren zu einem deutlichen Qualitätsverlust bei gleichzeitig stark steigenden Preisen für die Instrumente.

Im Jahre 1973 wurde die Fertigung zum Großteil in die neue Fabrik in Wiener Neustadt verlegt, 1983 für Konzerte ein neuer Bösendorfer-Saal im Fabrikgebäude in der Graf-Starhemberg-Gasse eingeweiht.

Mit dem Ende der 1990er Jahre gelang wieder eine deutliche Steigerung der Qualität der Instrumente auf ein angemessenes Niveau. 2001 erhielt das Unternehmen die Staatliche Auszeichnung und damit das Recht zum Führen des Bundeswappens im Geschäftsverkehr.

2002 kam Bösendorfer wieder in österreichische Hand, das Unternehmen wurde von der Bawag-Unternehmensgruppe übernommen. Nach den Turbulenzen der BAWAG und deren Übernahme durch den US-Fonds Cerberus wurde die traditionsreiche Klaviermanufaktur im Dezember 2007 an den japanischen Musikinstrumentenerzeuger Yamaha verkauft. Yamaha, selber einer der größten und bedeutendsten Klavierhersteller, der seine Instrumente zurzeit in Japan, England (bis Herbst 2009) und Indonesien produziert, hat für Bösendorfer eine Garantie für den Standort Österreich abgegeben.[1]

Mit der Eröffnung des neuen Auswahlzentrums, in dem die Instrumente unter Konzertsaalbedingungen ausprobiert werden können, in Wiener Neustadt am 19. Mai 2010 wurden auch Verwaltung und Verkauf aus Wien nach Wiener Neustadt an den Standort der Produktion übersiedelt, um so Einsparungen zu erzielen. In Wien bleibt der Stadtsalon im Musikvereinsgebäude erhalten. Seit Oktober 2010 gibt es im Mozarthaus Vienna in der Domgasse 5, nahe dem Stephansdom, wieder einen "Bösendorfer Saal", in dem regelmäßig Konzerte veranstaltet werden. [2][3]

Seit dem Bestehen des Unternehmens hat Bösendorfer noch nicht ganz 50.000 Instrumente gebaut, weniger als ein Zehntel der Stückzahl von Hauptkonkurrent Steinway.

Modelle

Bösendorfer 214CS Flügel

Zurzeit werden Flügelmodelle in folgenden Längen gebaut: 170, 185, 200, 214, 225 (Tonumfang Subkontra F - c5) mit 92 Tasten, 280 (Tonumfang Subkontra A - c5) mit - standardmäßig - 88 Tasten und 290 cm (Tonumfang Subkontra C - c5) mit 97 Tasten.

Weiterhin ist ein Pianomodell mit einer Höhe von 130 cm im Angebot.

Besonderheiten

Im Gegensatz zu anderen Herstellern bezieht Bösendorfer auch das Gehäuse in die Klangerzeugung ein. Der typische Bösendorferklang ist „gesanglich“, mit grundtonstarken Bässen. Ein guter Bösendorfer ist klanglich zu vielen Nuancen fähig und bietet sich besonders zu Kammermusik und Liedbegleitung an, sowohl im Bereich Klassik als auch beim Jazz.

Bis zum Ersten Weltkrieg baute Bösendorfer auch Flügel mit Prellzungenmechanik (Wiener Mechanik), Ende des 19. Jahrhunderts auch mit verschiedenen Spielarten der Stoßzungenmechanik (Englische Mechanik).

Der typische Bösendorfer-Klang steht mittlerweile von verschiedenen Unternehmen auch als Sample (in digitalisierter Form) für die elektronische Musikproduktion zur Verfügung.

Schauraum von Bösendorfer
auf der Rückseite des Musikvereins

Computerflügel

Erste Generation SE

1985 wurde ein Prototyp eines Computerflügels vorgestellt. Dieses Instrument wurde von dem amerikanischen Ingenieur Wayne Stahnke in Zusammenarbeit mit dem Massachusetts Institute of Technology und dem damaligen Eigentümer von Bösendorfer, der Kimball International, Inc., entwickelt. Es wurde in Lizenz von Stahnke seit 1986 als Bösendorfer SE290 angeboten. Das SE in der Typenbezeichnung steht für Stahnke Electronics, die 290 für die Länge des Flügels. Insgesamt wurden 33 solche Instrumente hergestellt. Das Instrument ist mit Infrarot-Sensoren ausgestattet, die die Hammerendgeschwindigkeit der 97 Töne, den Zeitpunkt des Anschlags und des Loslassens einer Taste sowie die Stellung der Pedale exakt aufnehmen[4][5].

Die dabei ermittelten Daten des Klavierspiels werden an ein externes Gerät, die sogenannte Blackbox, übermittelt. Diese Blackbox ist mit einem PC verbunden, die Daten lassen sich dort mit einem speziellen Editor bearbeiten. Die auf dem PC gespeicherten bzw. editierten Daten lassen sich auf dem Flügel über eine durch Magnetspulen gesteuerte Mechanik auch wiedergeben. Die Blackbox enthält zusätzlich eine MIDI-Schnittstelle. Das Instrument wird einerseits als Kompositionswerkzeug benutzt, andererseits als Reproduktionsklavier eingesetzt. Beispielsweise kann ein Pianist mit sich selber vierhändig spielen: Er spielt zuerst den einen Part ein, lässt ihn anschließend durch den Computer abspielen und spielt den zweiten Part dazu. Auch ist es möglich, dass ein Pianist irgendwo auf der Welt auf dem Computerflügel ein Konzert gibt und die Daten auf einen anderen Computerflügel an einem anderen Ort übertragen werden, wo dieser Flügel dann alleine spielt.

Zweite Generation CEUS

Nachdem der SE über mehrere Jahre nicht hergestellt wurde, entschied sich Bösendorfer, ein völlig neues System zu entwickeln. Mit der Wiener Firma TVE und unter Mitarbeit der Technischen Universität Wien wurde ein komplett neues System mit der Bezeichnung CEUS entwickelt. Es kann in alle Flügelmodelle, auch nachträglich, eingebaut werden. Es ist zurzeit das aufwendigste und beste System seiner Art weltweit. Der erste CEUS-Flügel wurde Ende 2005 an das kanadische Musik-Forschungszentrum BRAMS nach Montreal ausgeliefert.

Breites Künstlerspektrum

Seit Bestehen des Unternehmens haben eine Reihe von Komponisten, Pianisten und anderen Musikern ihre Vorliebe für die Klaviere von Bösendorfer gezeigt. Beginnend mit Franz Liszt kann das Unternehmen auf eine lange Kundenliste verweisen. Béla Bartók hat beispielsweise ein Klavier des Herstellers verwendet. Er nutzt in seinem zweiten Klavierkonzert auch die zusätzlichen Töne bis zum Subkontra-F einiger Bösendorfer-Modelle, die auf Flügeln anderer Hersteller nicht vorhanden sind.

Die Bandbreite reicht von Vertretern der klassischen Musik wie Anton Bruckner und Wilhelm Backhaus bis zum Jazz und zur Popmusik, wie sie etwa Jazz-Pianist Oscar Peterson, der in seinem Buch A Jazz Odyssee eine seitenlange Hommage an Bösendorfer verfasste oder Rhythm and Blues- Sänger Lionel Richie repräsentieren. Frank Zappa, Georg Kreisler, Peter Gabriel spielten Bösendorfer-Flügel, und die Sängerin Tori Amos ist bekannt für die Verwendung eines Bösendorfer bei ihren Live-Konzerten.[6]

Literatur

  • Reinhard Engel und Marta Halpert: Luxus aus Wien II. Czernin, Wien 2002, ISBN 3-7076-0142-0.
  • Ingrid Haslinger. Kunde – Kaiser. Die Geschichte der ehemaligen k. u. k. Hoflieferanten. Schroll, Wien 1996, ISBN 3-85202-129-4.

Weblinks

 Commons: Bösendorfer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bösendorfer wird an Yamaha verkauft auf ORF
  2. Verena Kainrath: "Sehe wenig Zukunft für Bösendorfer". In: Der Standard. 28. März 2009, abgerufen am 28. März 2009.
  3. Bösendorfer kündigt Zusammenlegung von Produktion und Vertrieb an. Vom 25. März 2009, abgerufen am 10. April 2009
  4. Moog RA, Rhea TL (1990) Evolution of the keyboard interface: The Bösendorfer 290 SE recording piano and the Moog multiply-touch-sensitive keyboards. Computer Music Journal 14: 52–60
  5. Goebl, W., and Bresin, R. (2003). Measurement and reproduction accuracy of computer-controlled grand pianos, Journal of the Acoustical Society of America 114(4), 2273–2283.
  6. Leo Szemeliker: Das Bösendorfer-Klavier. Der Standard, 28. März 2009, abgerufen am 28. März 2009.

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