Burschikos

Burschikos
Naturgeschichte - Homo studens: Der Bursch, ein Student von echtem Schrot und Korn, der sich lässig gibt, die Obrigkeit provoziert und sich mit den verbotenen Insignien seiner Verbindung schmückt, wird hier dem Obskuranten gegenübergestellt, einem braven Studenten, der ordentlich seine universitären Veranstaltungen besucht. Anonymer Holzstich von 1845.

Bursche ist ein Wort, das heute in mehreren getrennten Bedeutungen aus einer gemeinsamen Wurzel steht:

  1. ein Vollmitglied einer Studentenverbindung
  2. oberdeutsch‚ junger Mann, Jüngling, Junge‘
  3. Gehilfe

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Das Wort Bursche leitet sich wohl lat. bursa ‚Beutel‘ ab, und bezeichnet ursprünglich allgemein eine finanzielle Gemeinschaft. Das Wort findet sich für Stipendiaten ebenso wie für bursgesell als Söldner, burs als Mitbelehntem. Derselben Bedeutung liegt auch der Börse, der finanziellen Interessengemeinschaft, zugrunde.

Bursche im Studentenwesen

In den Bursen lebten und arbeiteten im Mittelalter die Studenten einer Hochschule. Die Gesamtheit der Bewohner einer Burse, Bursarii, Bursanten oder Bursgesellen, Bursale, auch Bursalis, Bursgesell und Bursenknecht) wurde auch als die Bursch bezeichnet. Erst allmählich ist dieser Ausdruck auf den einzelnen Bewohner übertragen worden. Im 17. Jahrhundert tritt neuerlich ein Bedeutungswandel ein: Der Bursch(e) wurd allgemeiner Ausdruck für einen Studenten, beinahe synonym. Während der Ausdruck Student sich jedoch mehr auf den Aspekt des studierenden jungen Menschen bezog, beleuchtete der Ausdruck Bursch(e) mehr die Lebensart der Studenten in ihrer Freizeit und die damit verbundene sehr spezielle Kultur. Als „echter Bursch“ galt nur, wer sich in den Sitten und Gebräuchen der Studenten auskannte.

Trotzdem galt noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts das Wort Burschenschaft als Synonym von Studentenschaft, wie man aus Reden auf dem Wartburgfest 1817 ersehen kann:

„Eben deßhalb müsst ihr euch keine Namen geben, welche dieser Universalität widersprechen. Nicht weiße, schwarze, rothe, blaue usf. müsst ihr euch nennen; denn das sind auch andere; auch nicht Teutonen müsst ihr euch nennen; denn Teutonen sind auch die andern. Euer Name sey, was ihr allein und ausschließlich seyd, nehmlich S t u d e n t e n s c h a f t oder B u r s c h e n s c h a f t. Dazu gehört ihr alle, und niemand anders.

Redner auf dem Wartburgfest[1]

Bedeutungswandel in den Studentenverbindungen

Diese Bezeichnung steht im Gegensatz zu der Bezeichnung Fuchs bzw. Fux, mit der ein Student in etwa den ersten beiden Semestern belegt wird, der sich als Neuling diese Kultur erst aneignen muss und sich entsprechend unsicher benimmt.

Eine Bedeutungsverengung in der Studentensprache des 19. Jahrhunderts machte aus dem Begriff Bursche eine Bezeichnung für ein Vollmitglied einer Studentenverbindung, der seine Probezeit als Fuchs bzw. Fux erfolgreich hinter sich gebracht hat. Damit bezeichnet man mit Burschenschaft die ganze Studentenverbindung, als Burschenschafter ihre Mitglieder, aktive Studenten wie alte Herren.

Bedeutungswandel in der Allgemeinsprache: Junggeselle, Knabe

Im Gegenzug machte eine Bedeutungserweiterung in der deutschen Standardsprache, in die das Wort mittlerweile eingedrungen war, hieraus eine Bezeichnung für einen jungen unverheirateten Mann im Allgemeinen (Dorfburschen, Handwerksburschen etc.), wie das in Süddeutschland, Österreich und Südtirol noch heute üblich ist: Hier spicht man allgemein von Burschen und Madeln (Dim. zu Maid ‚Jungfrau‘), und meinte damit ursprünglich die Junggesellen beiderlei Geschlechts, heute spezieller ‚Knaben und Mädchen‘. Auch ‚Knabe‘ aus Knappe zeigt Parallelen in der Herkunft zu ‚Bursche‘.

Bedeutungswandel in der Militärsprache: Ordonnanz

Als Bursche wurde früher auch der Diener eines Offiziers bezeichnet, seine Ordonnanz (franz. ordonnance, ‚Befehl‘, ‚Anordnung‘). Er stand unter seinem Befehl, und wurde ursprünglich auch aus der Tasche des Offiziers bezahlt (wie das Anfangs mit allen Untergebenen eines regiments üblich war). Später konnten Offiziere auch eine individuelle Ordonanz zur eigenen persönlichen Entlastung beanspruchen, aus der sich der Ordonnanzoffizier entwickelt. Daneben wurde einem Offizier im Felde auch eine Ordonnanz auch zur Befehlsübermittlung abkommandiert (Gefechtsordonnanz): Als Gefechtsmelder war er der Laufbursche, in Friedenszeiten das persönliche Faktotum des Offiziers (Hausbursche), oder Stallbursche.

Berühmt geworden ist diese Funktion in der Rolle des braven Soldat Schwejk.

Ableitung als Dienstleitungsberuf: Zimmerbursch, Hausbursch

Vom Hausburschen des Offiziers geht der Begriff auf den des gehobenen Haushalts, und dann speziell auf die Hotellerie über. Hier bleibt das Wort in Gleichbedeutung mit dem Ausdruck Page ‚Hoteldiener‘ – das ebenfalls militärischen Ursprungs ist, als Schildknappe eines Ritters.

Heute verwendet man Zimmerbursche als Maskulinum von Zimmermädchen, Hausbursche als Maskulinum zu Hausmädchen als Dienstleistungsberuf.

Bedeutungswandel zum Pejorativ

Adlige und Ritter gebrauchten das Wort Bursche, als Inbegriff des Dienstboten wie Kerl auch als Schimpfwort, um etwa einen „üblen Burschen“ als solchen zu bezeichnen.

Denselben pejorativen Weg geht auch Maid zu Magd ‚Dienstmädchen‘, bleibt aber vor der Degradation zum Schimpfwort (wie Weib) verschont. Bube, synonym zu ‚Bursche, Knabe, Junge‘, zeigt sich aber ebenfalls als „Spießbub, böser Bube“.

Adjektivierung: Burschikos

Das abgeleitete Adjektiv burschikos bezeichnete ein Verhalten oder Aussehen, das als typisch und angemessen für einen „ordentlichen“ Studenten betrachtet wurde. Burschikos stand auch im Gegensatz zu philiströs. Damit wurde das Verhalten oder Aussehen der Philister, also der nicht studierenden Bürger bezeichnet, auf die die „echten“ Burschen herabsahen.

Im Laufe der Sprachentwicklung änderte sich die Bedeutung in Richtung jungenhaft, knabenhaft, formlos, unkompliziert im Verhalten. Dieses Wort wird oft in Hinblick auf das Äußere und das Verhalten von Frauen verwendet und weist in diesem Sinn auf eine eher maskuline, jungenhafte Erscheinung hin.

Literatur

Quellen

  1. zitiert nach Lorenz Oken in Isis oder Encyclopädische Zeitung, erschienen zum Wartburgfest 1817, siehe http://www.burschenschaft.de/geschichte/studentika/isis-encyclopaedische-zeitung.html

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