Bundestagswahl 1972

Bundestagswahl 1972
Bundestagswahl 1972
(Zweitstimmen in %) [1]
 %
50
40
30
20
10
0
45,8
44,9
8,4
0,9
Sonst.
Gewinne und Verluste
Im Vergleich zu 1969 [2]
 %p
   4
   2
   0
  -2
  -4
  -6
+3,1
-1,2
+2,6
-4,5
Sonst.

Die Bundestagswahl 1972 fand am 19. November 1972 statt. Die Wahl zum 7. Deutschen Bundestag war die erste vorgezogene Bundestagswahl in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Willy Brandt (SPD) und Walter Scheel (FDP) am Wahlabend
Rainer Barzel, Kandidat von CDU/CSU, im Wahlkampf

Notwendig wurde die Wahl, nachdem die Mehrheit der Sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt im Lauf der Legislaturperiode nach und nach durch Mandatswechsel bröckelte, wie beispielsweise durch Erich Mende, der die Politik der Koalition nicht mehr unterstützen wollte.

Im April 1972 scheiterte ein Konstruktives Misstrauensvotum gegen Willy Brandt, bei welchem Rainer Barzel zum Bundeskanzler gewählt werden sollte, an zwei fehlenden Stimmen. Dabei war mindestens eine Stimme gegen Barzel (Julius Steiner, CDU) durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gekauft worden (Steiner-Wienand-Affäre). Des Weiteren war wohl auch Bestechung im Spiel, die genauen Hintergründe sind dauerhaft unbekannt (Misstrauensvotum 1972). Trotzdem besaß die Koalition keine handlungsfähige Mehrheit mehr, sodass Bundespräsident Gustav Heinemann nach einer negativ beantworteten Vertrauensfrage von Bundeskanzler Brandt den Bundestag auflöste.

Obwohl bereits unmittelbar nach dem gescheiterten Misstrauensvotum feststand, dass die Koalition ihre Mehrheit verloren hatte, zögerte Brandt in Übereinkunft mit der Opposition die notwendige Vertrauensfrage bis zum Herbst hinaus. Offizieller Grund waren die Olympischen Sommerspiele im August/September, deren Organisation man weder durch einen Wahlkampf, eine Regierungsbildung oder gar einen Regierungswechsel überlagern wollte. Auch organisatorische Fragen spielten bei allen Parteien eine Rolle. Für die SPD kam überdies hinzu, dass die Umfragewerte im Frühjahr katastrophal ausfielen und erst durch die von Albrecht Müller maßgeblich geplante Kampagne ein Stimmungsumschwung möglich wurde.

Für die Unionsparteien trat der CDU-Parteichef und Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Rainer Barzel als Kanzlerkandidat an. Es war ein emotional geführter Wahlkampf mit hoher Wahlbeteiligung, denn es ging um die Bestätigung oder Ablehnung der ersten Sozialliberalen Koalition der Bundesgeschichte und ihrer kontrovers aufgenommenen Ostpolitik. Die SPD profitierte von ihrer guten Mitgliederstruktur und Stärke auf Basis der Ortsvereine, die die CDU noch nicht besaß.[3]

Erstmals durften auch junge Menschen im Alter von 18 bis 20 Jahren an der Bundestagswahl teilnehmen, nachdem im Juli 1970 das Wahlalter gesenkt worden war.

Die Wahl endete mit dem größten Erfolg für die SPD in ihrer Geschichte.

Endergebnis

Die Wahlbeteiligung betrug 91,1 % und war damit die höchste jemals bei Bundestagswahlen verzeichnete Beteiligung.

Das Endergebnis lautete:[1]

Partei Zweitstimmen Prozent Sitze¹ Verschiebung Wahlkreise Überhangmandate Bemerkungen
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 17.175.169 45,8 230 (12) + 6 152 erstmals stärkste Bundestagsfraktion
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) 13.190.837 35,2 177 (9) - 16 65 erstmals als CDU/CSU nicht die stärkste Bundestagsfraktion
Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU) 3.615.183 9,7 48 - 1 31
Freie Demokratische Partei (FDP) 3.129.982 8,4 41 (1) + 11
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 207.465 0,6
Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 113.891 0,3
Europäische Föderalistische Partei (EFP) 24.057 0,1
Freisoziale Union (FSU) 3.166 0,0

¹in Klammern: Zahl der am gleichem Tag vom Abgeordnetenhaus von Berlin gewählten, nicht stimmberechtigten Berliner Bundestagsabgeordneten

Konsequenzen

Das Brandt-Kabinett beim Amtsantritt.

Willy Brandt wurde im Dezember 1972 als Bundeskanzler von der SPD/FDP-Mehrheit im Bundestag wiedergewählt, die Koalition hatte dieses mal, im Gegensatz zur Wahl von 1969, die Mehrheit der Wählerstimmen und eine klare Mehrheit im Bundestag erreichen können. Barzel blieb zunächst CDU/CSU-Oppositionsführer, trat aber bereits ein halbes Jahr später zurück. Mit Annemarie Renger (SPD) wurde erstmals eine Frau zur Bundestagspräsidentin gewählt; sie war gleichzeitig das erste SPD-Mitglied, das diesen Posten innehatte.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Wahl zum 7. Deutschen Bundestag am 19. November 1972 Der Bundeswahlleiter
  2. Wahl zum 6. Deutschen Bundestag am 28. September 1969 Der Bundeswahlleiter
  3. spiegel.de: Ex-Kanzlerkandidat Barzel - Absturz eines Blitz-Karrieristen, 11. März 2007, abgerufen am 17. September 2011

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