Bundespräsident (Österreich)

Bundespräsident (Österreich)
Der amtierende österreichische Bundespräsident Heinz Fischer

Der Bundespräsident ist das gemäß Art. 60 Abs 5 Bundes-Verfassungsgesetz auf sechs Jahre gewählte Staatsoberhaupt der Republik Österreich. Seit 1951 findet die Wahl direkt durch das Bundesvolk statt. Er kann für die unmittelbar folgende Funktionsperiode nur einmal wiederbestellt werden und in Summe zwölf Jahre ununterbrochen im Amt sein. Er ist neben den Bundesministern, den Staatssekretären und den Mitgliedern der Landesregierungen ein oberstes Organ der Vollziehung nach Art. 19 Abs 1 B-VG. Als Staatsoberhaupt steht er im Protokoll der Republik Österreich vor dem Nationalratspräsidenten und dem Bundeskanzler an erster Stelle. Die Stellung des Bundespräsidenten und seine Kompetenzen definieren Österreich als sogenannte parlamentarische Semipräsidialrepublik. Das Staatsoberhaupt hat seine Amtsräume im Leopoldinischen Trakt der Hofburg in Wien. Derzeitiger Bundespräsident ist Heinz Fischer.

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung

Heinz Fischer, während des Nationalfeiertages 2006 in der Wiener Hofburg beim Bürgerempfang

In den Beratungen zum Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) hatten vor allem die Christlichsozialen auf einem gesonderten Staatsoberhaupt bestanden. Bis dahin hatten die Präsidenten der Konstituierenden Nationalversammlung diese Funktionen wahrgenommen. Die Sozialdemokratie hingegen präferierte eine Variante in der der Nationalratspräsident die Aufgaben eines Staatsoberhauptes wahrnehmen sollte, da sie keinen „Ersatzkaiser“ schaffen wollten. Als Kompromiss wurde mit dem Bundespräsidenten zwar ein separates Staatsorgan geschaffen, seine Kompetenzen waren jedoch nur sehr schwach ausgeprägt.[1] Der Bundespräsident wurde von der Bundesversammlung gewählt.[2] Mit der Verfassungsnovelle 1929 erhielt die Position des Bundespräsidenten unter dem Druck autoritärer Kräfte eine beträchtliche Aufwertung. Zwar wurde ein von autoritärer Seite gefordertes präsidentielles Regierungssystem nicht eingeführt, wohl aber als Kompromiss die Volkswahl des Bundespräsidenten, sowie die Ernennung des Bundeskanzlers und auf dessen Vorschlag der Bundesminister durch den Bundespräsidenten. Ferner wurde ein Auflösungsrecht des Bundespräsidenten gegenüber dem Nationalrat eingeführt (Art. 29 B-VG). Bestehen blieb jedoch die Bindung an Vorschlag und Gegenzeichnung (siehe sogleich).[2] Da bei der Gründung der Zweiten Republik die Verfassung in der Fassung von 1929 wiedereingesetzt wurde, hat der Bundespräsident auch heute noch in der Theorie eine starke Machtposition. Seine Rechtsstellung und Aufgaben sind im Prinzip größer als diejenigen der Bundespräsidenten in Deutschland und der Schweiz. In der Praxis übten sich die Bundespräsidenten der Zweiten Republik aber in Zurückhaltung und konzentrierten sich auf ihre repräsentativen Aufgaben, dies wird auch als der „Rollenverzicht“ bezeichnet. Autorität fließt ihnen unter diesen Umständen hauptsächlich kraft ihrer Persönlichkeit zu.

Rechtsakte des Bundespräsidenten

Grundsätzliches

Rechtsakte des Bundespräsidenten werden als Entschließungen bezeichnet. Sie bedürfen grundsätzlich der Gegenzeichnung (siehe dazu unten). Während bei der Ernennung und Angelobung einer neuen Regierung sogenannte Bestallungsurkunden ausgestellt werden, bedarf die Entlassung der Regierung keiner verschriftlichten Form, sondern muss den Betroffenen lediglich zur Kenntnis gebracht werden.

Bindung an Vorschlag und Gegenzeichnung

Obwohl die Bundesverfassung dem Bundespräsidenten weit reichende Befugnisse einräumt, wird dessen Handlungsfähigkeit durch die Bindung an Vorschlag und Gegenzeichnung eingeschränkt (Art. 67 B-VG). Dies bedeutet, dass der Bundespräsident grundsätzlich nur auf Vorschlag der Bundesregierung (oder eines von der Bundesregierung ermächtigten Bundesministers) aktiv werden kann. Außerdem sind die meisten Akte des Bundespräsidenten nur gültig, wenn sie vom Bundeskanzler oder vom zuständigen Bundesminister gegengezeichnet werden. Dies schränkt die Möglichkeit des Bundespräsidenten, aus eigener Initiative tätig zu werden, beträchtlich ein. Ausnahmen von dieser Bindung sind nur durch Verfassungsbestimmungen möglich (sowohl gänzliche Ausnahmen von der Vorschlagsgebundenheit als auch eine Bindung an den Vorschlag anderer Organe als der Bundesregierung bzw eines Bundesministers).

Folgende Akte des Bundespräsidenten bedürfen keines Vorschlags:

  • die Ernennung des Bundeskanzlers (Art. 70 Abs 1 B-VG)
  • die Entlassung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung (Art. 70 Abs 1 B-VG; zur Entlassung einzelner Bundesminister ist jedoch ein Vorschlag des Bundeskanzlers erforderlich)
  • die Bestellung einer einstweiligen Bundesregierung (Art. 71 B-VG)
  • die Angelobung des Bundeskanzlers, der Bundesminister, Staatssekretäre, Landeshauptleute etc[3]
  • strittig ist die Vorschlagsgebundenheit von Akten des Oberbefehls über das Bundesheer[3]
  • die herrschende Lehre und Praxis nimmt auch reine Repräsentationsaufgaben vom Vorschlagsprinzip aus[3]

Folgende Akte des Bundespräsidenten bedürfen keiner Gegenzeichnung:

  • die Entlassung der Bundesregierung (Art. 70 Abs 1 B-VG)
  • die Entlassung einzelner Bundesminister[3] (Gem. Art. 70 B-VG bedarf es hierfür des Vorschlags des Bundeskanzlers aber keine formelle Gegenzeichnung)
  • die Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Nationalrates (Art. 70 Abs 2 B-VG)
  • Weisungen im Rahmen einer Exekution von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs (Art. 146 Abs 2 B-VG)

Kompetenzen

Präsidentschaftskanzlei im Leopoldinischen Trakt der Hofburg

Ernennung der Bundesregierung

Der Bundespräsident ernennt gemäß Art. 70 Abs 1 B-VG den Bundeskanzler und auf dessen Vorschlag die weiteren Mitglieder der Bundesregierung und die Staatssekretäre. Der Bundespräsident ist bei der Ernennung des Bundeskanzlers rechtlich an keine Vorgaben gebunden. Da jedoch der Nationalrat durch ein Misstrauensvotum einzelnen Regierungsmitgliedern oder der gesamten Bundesregierung jederzeit das Vertrauen entziehen kann, ist der Bundespräsident in der politischen Praxis gezwungen, die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat zu berücksichtigen. Bis zum Jahr 2000 galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass der Bundespräsident nach Neuwahlen des Nationalrats den Spitzenkandidaten der mandatsstärksten Partei mit der Bildung einer Regierung beauftragte. Wie jedoch die Regierungsbildung 2000 gezeigt hat, kann der Bundespräsident gegen eine Mehrheit im Nationalrat keine stabile Regierung durchsetzen. Die Initiative zur Regierungsbildung kann daher auch gänzlich von den interessierten Parteien ausgehen. Da die einzelnen Mitglieder der Bundesregierung jedoch vom Bundespräsidenten - auf Vorschlag des Bundeskanzlers - ernannt werden müssen, kann er einzelne Minister oder Staatssekretäre auch ablehnen. Bisher sind nur drei Fälle bekannt geworden, in denen ein Bundespräsident sich weigerte ihm vorgeschlagene Regierungskandidaten zu ernennen. Einmal lehnte Karl Renner einen unter Korruptionsverdacht stehenden Minister zur erneuten Ernennung ab, ein anderes Mal weigerte sich Thomas Klestil zwei Minister zu ernennen. Gegen einen von diesen lief zur Zeit der Regierungsbildung ein Strafverfahren, ein andere war mit extremen ausländerfeindlichen Stellungnahmen im Wahlkampf aufgefallen.[4]

Entlassung der Bundesregierung

Der Bundespräsident ist nach Art. 70 Abs 1 B-VG in der Entlassung der gesamten Bundesregierung oder nur des Bundeskanzlers nicht an einen Vorschlag der Bundesregierung gebunden. Er kann diese also nach freiem Ermessen entlassen. Lediglich zur Entlassung einzelner Mitglieder der Bundesregierung ist ein Vorschlag des Bundeskanzlers nötig. Bisher ist eine Entlassung der gesamten Regierung gegen deren Willen nicht vorgekommen.

Auflösung des Nationalrats

Nach Art. 29 Abs 1 B-VG kann der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung den Nationalrat auflösen, allerdings nur einmal aus gleichem Anlass. Die Rechtsfolgen einer Parlamentsauflösung durch den Bundespräsidenten sind dabei andere als jene der Selbstauflösung des Nationalrates. Wird die Legislaturperiode durch Entschließung des Staatsoberhauptes beendet, ist der Nationalrat mit sofortiger Wirkung aufgelöst und damit handlungsunfähig. Der ständige Unterausschuss des Hauptausschusses bleibt als Notstandsausschuss jedoch jedenfalls bestehen, bis der neu gewählte Nationalrat zusammentritt. Davor kann der Bundespräsident gegebenenfalls mit dessen Zustimmung und auf Antrag der Bundesregierung Notverordnungen erlassen. Im Falle der Selbstauflösung tagt der alte Nationalrat bis zum Zusammentreten des neu gewählten. Bisher hat nur Wilhelm Miklas 1930 vom Auflösungsrecht gebrauch gemacht, nachdem die Christlichsozialen ihre Koalitionspartner und damit die Parlamentsmehrheit verloren hatten. Auch da die folgende Nationalratswahl nicht im Interesse der Regierung – die die Neuwahlen betrieben hatte – ausging, wurde das Instrument der präsidialen Parlamentsauflösung in der Folge nicht mehr angewandt.

Auflösung eines Landtages

Gemäß Art. 100 Abs 1 B-VG kann der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats jeden Landtag auflösen. Dies darf er allerdings, wie bei der Auflösung des Nationalrates, nur einmal aus dem gleichen Anlass tun. Der Bundesrat muss der Auflösung mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. An der Abstimmung dürfen die Vertreter des Landes, dessen Landtag aufgelöst werden soll, nicht teilnehmen. Die Auflösung eines Landtages stellt einen unmittelbaren Eingriff des Bundes in die Autonomie der Länder dar. Es handelt sich dabei um ein bundesexekutives Verfahren. Wie im Falle der Auflösung des Nationalrates durch den Bundespräsidenten ist nach herrschender Meinung auch ein Nach Art 100 Abs 1 aufgelöster Landtag bis zum Zusammentreten seines neu gewählten Nachfolgers handlungsunfähig. Auch dieses Recht ist bisher von keinem Bundespräsidenten wahrgenommen worden.

Beurkundung von Gesetzen

Der Bundespräsident beglaubigt als „Staatsnotar“ nach Art. 47 Abs 1 B-VG im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens das verfassungsgemäße Zustandekommen von Gesetzen. Ist dies der Fall, muss er unterschreiben. Ob und inwieweit dem Bundespräsidenten auch eine inhaltliche Prüfkompetenz im Hinblick auf die Verfassungskonformität des Aktes zukommt, ist umstritten. Die herrschende Meinung nimmt bei schwerer und offenkundiger Verfassungswidrigkeit des vorgelegten Aktes an, dass der Bundespräsident die Beurkundung zu versagen hat. Dies ist bisher nur einmal geschehen, als Heinz Fischer es ablehnte ein Gesetz zu unterschreiben, das eine rückwirkende Strafbestimmung enthielt. Eine Unterschriftsverweigerung trotz verfassungsgemäßen Zustandekommens könnte zu einer Anklage beim Verfassungsgerichtshof führen.

Oberbefehlshaber

Mit der B-VG-Novelle von 1929 ging mit Art. 80 B-VG der Oberbefehl über das Bundesheer vom Hauptausschuss des Nationalrates auf den Bundespräsidenten über. Die Kompetenz ist eher formeller Natur. Der Bundespräsident besitzt in der Regel keine unmittelbare Befehls- und Verfügungsgewalt. Er kann außergewöhnliche Rekrutierungsmaßnahmen anordnen und verfügt über ein umfassendes Informationsrecht. Im Falle einer Exekution von Verfassungsgerichtshofserkenntnissen kann das Staatsoberhaupt jedoch uneingeschränkt über das Heer verfügen.

Vertretung der Republik nach außen

Der Bundespräsident vertritt die Republik Österreich – also den Gesamtstaat als Völkerrechtssubjekt – nach außen und schließt Staatsverträge ab (Art 65 Abs 1 B-VG), von denen gemäß Art. 50 B-VG einige der Zustimmung des Nationalrates bedürfen. Beim EU-Beitritt Österreichs kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Bundespräsident und Bundeskanzler, wer Österreich im Rat der Europäischen Union vertreten darf. Materiell hat sich die Rechtsansicht des Bundeskanzlers durchgesetzt, wobei der damalige Bundespräsident Thomas Klestil der Ansicht war, er habe dieses Recht nur an den Bundeskanzler delegiert.

Notverordnungsrecht

Der Bundespräsident ist nach Art. 18 Abs 3 B-VG befugt „zur Abwehr eines offenkundigen, nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Allgemeinheit“, in einer Zeit, in der der Nationalrat nicht versammelt ist und nicht rechtzeitig versammelt werden kann, auf Antrag der Bundesregierung und mit Zustimmung des ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses des Nationalrats gesetzesändernde bzw. gesetzesvertretende Verordnungen zu erlassen. Durch solche Notverordnungen sind Verfassungsrecht und andere wichtige Bestimmungen nicht abänderbar. Sobald der Nationalrat wieder tagt, sind sie von diesem in Gesetzesform zu bestätigen oder - wenn der Nationalrat dies ablehnt - sofort aufzuheben. Das Notverordnungsrecht ist bisher noch nicht angewendet worden.

Exekution von Verfassungsgerichtshofserkenntnissen

Art. 146 Abs 2 B-VG betraut den Bundespräsidenten in jenen Fällen mit der Exekution von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes, die nicht den ordentlichen Gerichten obliegen. Der Antrag auf Exekution wird vom Verfassungsgerichtshof selbst gestellt. Die Regelung des Art 146 Abs 2 B-VG stattet das Staatsoberhaupt mit umfassenden Durchgriffsbefugnissen aus. Die Exekution kann sich sowohl gegen Landes- als auch gegen Bundesorgane, sowie gegen ein Land oder den Bund als Ganzes richten. Der Bundespräsident kann dabei allen Organen des Bundes und der Länder, einschließlich des Bundesheeres, direkte Weisungen erteilen. Ist ein Organ des Bundes oder der Bund insgesamt betroffen, bedarf die Entschließung des Bundespräsidenten keiner Gegenzeichnung nach Art. 67 B-VG.

Staatspersonalbefugnisse

Der Bundespräsident ernennt die Bundesbeamten, einschließlich der Offiziere des Bundesheeres und Richter, sowie weitere Bundesfunktionäre nach Art. 65 Abs 1 lit a B-VG. Diese Befugnisse sind aufgrund der entsprechenden Ermächtigung durch Art. 66 B-VG meist an die Ressortminister delegiert. Oberste Organe werden aber vom Bundespräsidenten selbst ernannt (Art. 65 Abs 2 lit a B-VG). Gemäß Art. 147 Abs 2 B-VG ernennt er auch die Richter des Verfassungsgerichtshofes. Den Präsidenten, den Vizepräsidenten, sechs weitere Mitglieder und drei Ersatzmitglieder ernennt er auf Vorschlag der Bundesregierung, drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder auf Vorschlag des Nationalrates und drei Mitglieder und ein Ersatzmitglied werden durch den Bundesrat nominiert.

Weitere Rechte

Dem Bundespräsidenten kommen außerdem etliche weitere Rechte zu, die typischerweise zu den Aufgaben eines Staatsoberhauptes gehören. Dazu zählt etwa Schaffung und Verleihung von Ehren- und Berufstiteln nach Art. 65 Abs 2 lit a B-VG, das Recht Strafverfahren niederzuschlagen oder Häftlinge zu begnadigen (Art. 65 Abs 2 lit c B-VG iVm § 510 StPO), sowie das de facto bedeutungslose Recht uneheliche Kinder auf Ansuchen der Eltern zu ehelichen zu erklären (Art. 65 Abs 1 lit d). Zu den präsidialen Rechten, die sich aus einfachen Bundesgesetzen ergeben, gehört etwa das der „Promotio sub auspiciis Praesidentis rei publicae“ bei der Doktoranden mit besonderen Leistungsnachweisen vom Bundespräsidenten einen Ehrenring erhalten.

Immunität und Verantwortlichkeit

Immunität

Gemäß Art. 63 B-VG genießt der Bundespräsident während seiner Amtszeit Immunität vor gerichtlicher und anderer behördlicher Verfolgung. Der Bundespräsident darf ausnahmslos nur mit Zustimmung der Bundesversammlung behördlich verfolgt werden.[3] Beabsichtigt eine Behörde die Verfolgung des Bundespräsidenten, hat sie ein „Auslieferungsbegehren“ (Antrag auf Verfolgung des Bundespräsidenten) an den Nationalrat zu richten. Spricht sich der Nationalrat durch Beschluss für eine Verfolgung aus, hat der Bundeskanzler sofort die Bundesversammlung einzuberufen, die sodann über die Auslieferung entscheidet.

Anklage beim Verfassungsgerichtshof (Rechtliche Verantwortlichkeit)

Der Bundespräsident kann beim Verfassungsgerichtshof wegen „Verletzung der Bundesverfassung“ angeklagt werden (Art. 142 Abs 2 B-VG). Dafür erforderlich ist ein Beschluss des Nationalrates oder des Bundesrates; auf einen solchen Beschluss hin hat der Bundeskanzler die Bundesversammlung einzuberufen, welche sodann über die Anklage entscheidet. Die Abstimmung der Bundesversammlung hat in Anwesenheit jeweils der Hälfte der Abgeordneten von Nationalrat und Bundesrat stattzufinden; erforderlich ist eine zwei Drittel-Mehrheit (Art. 68 B-VG).

Absetzung (Politische Verantwortlichkeit)

Der Bundespräsident kann nur durch Volksabstimmung abgesetzt werden (Art. 60 Abs 6 B-VG). Dafür erforderlich ist ein Antrag des Nationalrats auf Einberufung der Bundesversammlung (Beschluss mit gleichen Quoren wie bei Bundesverfassungsgesetzen, also Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und zwei Drittel-Mehrheit). Hat der Nationalrat den Antrag beschlossen, hat der Bundeskanzler die Bundesversammlung einzuberufen, welche sodann über den Antrag (also über die Frage der Durchführung einer Volksabstimmung) entscheidet. Bereits ab der Beschlussfassung des Nationalrats ist der Bundespräsident „an der ferneren Ausübung seines Amtes verhindert“ und wird von den drei Präsidenten des Nationalrats vertreten (Art. 64 Abs 1 B-VG). Die Ablehnung der Absetzung durch die Volksabstimmung gilt als neue Wahl und hat die Auflösung des Nationalrates zur Folge; auch in diesem Fall darf die gesamte Funktionsperiode des Bundespräsidenten nicht mehr als zwölf Jahre dauern.

Strafrechtlicher Schutz

Der Bundespräsident wird durch spezielle strafrechtliche Bestimmungen besonders geschützt. Dazu gehört insbesondere § 249 StGB „Gewalt und gefährliche Drohung gegen den Bundespräsidenten“. Das Delikt zählt zum fünfzehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches, „Angriffe auf oberste Staatsorgane“:

Wer es unternimmt (§ 242 Abs. 2), mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung den Bundespräsidenten abzusetzen oder durch eines dieser Mittel zu nötigen oder zu hindern, seine Befugnisse überhaupt oder in einem bestimmten Sinn auszuüben, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

Auch ist die Beleidigung des Bundespräsidenten im Gegensatz zu den sonstigen Beleidigungsdelikten kein Privatanklage-, sondern ein Ermächtigungsdelikt. Das Staatsoberhaupt muss also nicht persönlich als Ankläger auftreten, jedoch der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen. Ein Beispiel für die Anwendung dieser Bestimmung ist die sogenannte „Hump-Dump-Affäre“.

Verhinderung

Wenn der Bundespräsident für kurze Zeit (bis zu 20 Tagen) verhindert ist, wird er durch den Bundeskanzler, ab dem 21. Tag durch ein Kollegium bestehend aus den drei Nationalratspräsidenten vertreten. Dieses Kollegium vertritt den Bundespräsidenten auch bei einer „dauernden Erledigung der Stelle des Bundespräsidenten“ (z. B. im Todesfall) sowie im Falle eines Beschlusses des Nationalrats, die Bundesversammlung mit der Frage einer Volksabstimmung über die Absetzung des Bundespräsidenten zu befassen (Art. 64 Abs 4 BV-G). Bis zur Änderung des Art. 64 Abs 1 BV-G 1977 war der Bundeskanzler in jedem Fall zu Vertretung des Bundespräsidenten berufen.

Wahl des Bundespräsidenten

Hauptartikel: Bundespräsidentenwahlgesetz und Wahlergebnisse österreichischer Bundespräsidentenwahlen

Der Bundespräsident wird vom Bundesvolk auf Grund des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, geheimen, freien und persönlichen Wahlrechts gewählt. Die verfassungsrechtliche Grundlage bildet der (Art. 60 B-VG), die einfachgesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Durchführung der Wahl werden im Bundespräsidentenwahlgesetz dargelegt.

Habsburgerverbot

Bis zum Inkrafttreten der Wahlrechtsreform, die am 16. Juni 2011 vom Nationalrat beschlossen wurde[5], sind gemäß einer in der Bundesverfassung und im Bundespräsidentenwahlgesetz angeführten Bestimmung zum Ausschluss vom passiven Wahlrecht auf Grund der Herkunft, „Mitglieder regierender oder ehemals regierender Häuser“, von der Kandidatur für das Bundespräsidentenamt ausgeschlossen. Die Bestimmung war in die Verfassung aufgenommen worden, um die Familie Habsburg-Lothringen vom Amt des Staatsoberhauptes auszuschließen.

Wahlergebnis der Bundespräsidentenwahl 2010

Der Amtsinhaber Heinz Fischer wurde mit knapp 80 Prozent der gültigen Stimmen im Amt bestätigt und setzte sich damit gegen seine Mitbewerber Rudolf Gehring (CPÖ) und Barbara Rosenkranz (FPÖ) durch.

Österreichische Bundespräsidenten

Bundespräsidenten der Ersten Republik (1918–1938)
Nr. Name Lebensdaten Amtszeit (Beginn) Amtszeit (Ende) Partei Bild
1 Karl Seitz 1) 1869–1950 5. März 1919 9. Dezember 1920 SDAP Karl Seitz cropped.JPG
2 Michael Hainisch 1858–1940 9. Dezember 1920 10. Dezember 1928 parteilos Michael Hainisch.jpg
3 Wilhelm Miklas 1872–1956 10. Dezember 1928 13. März 1938 CS/VF WilhelmMiklas37840v.jpg
Bundespräsidenten der Zweiten Republik (seit 1945)
Nr. Name Lebensdaten Amtszeit (Beginn) Amtszeit (Ende) Partei
1 Karl Renner 1870–1950 20. Dezember 1945 31. Dezember 1950 (Tod) SPÖ Karl Renner 1905.jpg
2 Theodor Körner 1873–1957 21. Juni 1951 4. Jänner 1957 (Tod) SPÖ
3 Adolf Schärf 1890–1965 22. Mai 1957 28. Februar 1965 (Tod) SPÖ Adolf Schärf (cropped).JPG
4 Franz Jonas 1899–1974 9. Juni 1965 24. April 1974 (Tod) SPÖ Franz Jonas.jpg
5 Rudolf Kirchschläger 1915–2000 8. Juli 1974 8. Juli 1986 parteilos
Vorschlag der SPÖ
Rudolf Kirchschläger.jpg
6 Kurt Waldheim 1918–2007 8. Juli 1986 8. Juli 1992 ÖVP Bundesarchiv Bild 183-M0921-014, Beglaubigungsschreiben DDR-Vertreter in UNO new.png
7 Thomas Klestil 1932–2004 8. Juli 1992 6. Juli 2004 (Tod) ÖVP 2) Thomas Klestil.jpg
8 Heinz Fischer * 1938 8. Juli 2004 2016 (reguläres Ende der 2. Amtszeit) 1. SPÖ 3)
2. unabhängig
Bundespräsident Heinz Fischer.jpg
1) Seitz war Präsident des Staatsrates und damit das erste republikanische Staatsoberhaupt Österreichs, führte aber nicht die Bezeichnung Bundespräsident.
2) Klestil wurde 1998 von SPÖ, ÖVP und FPÖ unterstützt.
3) Fischer wurde 2004 für die 1. Amtszeit von der SPÖ aufgestellt. Zur Wahl 2010 wurde er von der SPÖ und den Grünen mit Wahlempfehlung unterstützt.

Siehe auch: Wahlergebnisse österreichischer Bundespräsidentenwahlen

Zeitleiste: Bundespräsidenten
der Republik Österreich:


Wissenswertes

  • Mit dem Tod von Kurt Waldheim im Juni 2007 ist kein ehemaliger Bundespräsident mehr am Leben.
  • In der Zweiten Republik starben fünf von sieben Bundespräsidenten noch vor Ablauf ihrer Amtszeit. Thomas Klestil starb nur zwei Tage vor dem Ablauf seiner zweiten Amtszeit am 6. Juli 2004.
  • Rudolf Kirchschläger ist der bisher einzige Bundespräsident, der zwei volle Amtszeiten absolviert hat. Kurt Waldheim hat zwar seine erste Amtszeit überlebt, zu einer zweiten kam es jedoch nicht, da er sich gegen eine erneute Kandidatur entschieden hat.
  • Wilhelm Miklas behielt sein Amt - ohne Wahl - während der Zeit des Ständestaates inne.
  • Auf dem Dach der Präsidentschaftskanzlei im ersten Wiener Gemeindebezirk befinden sich zwei Fahnenmasten. Sind beide Flaggen (die europäische und die österreichische) gehisst, bedeutet dies, dass der Bundespräsident sich im Land befindet. Sind die Flaggen jedoch eingeholt, so hält er sich zur Zeit im Ausland auf.
  • Für die Koordination der Sicherheitsbelange, die den Bundespräsidenten betreffen, ist der Adjutant des Bundespräsidenten, ein Generalmajor des Bundesheeres, zuständig. Die Bewachung in der Hofburg, wie z. B. auch die Zutrittskontrolle, erfolgt durch die Polizei, die Sicherstellung des Schutzes des Bundespräsidenten bei Reisen im In- und Ausland erfolgt je nach Verfügbarkeit durch Exekutivbedienstete bzw. durch ausländische Sicherheitsorgane.
  • Bei Fahrzeugen, die zur Verwendung für Fahrten des Bundespräsidenten bei feierlichen Anlässen bestimmt sind, dürfen die Kennzeichentafeln durch Tafeln mit dem Bundeswappen oder durch das Kennzeichen A 1000 verdeckt oder ersetzt werden.
  • Der Eid, den der Bundespräsident bei Amtsantritt vor der Bundesversammlung leistet, lautet: „Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.“ (Art. 62 Abs. 1 B-VG). Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig (Abs. 2).
  • Das Gehalt des Bundespräsidenten beläuft sich mit Stand 2011 auf 334.069,2 Euro im Jahr gemäß § 2 Abs 1 und 2 BBezG iVm § 3 Abs 1 BezBegrBVG und § 3 Abs 1 Z 1 BBezG.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Karl Ucakar, Stefan Gschiegl: Das politische System Österreichs und die EU. 2. Auflage. 2010, S. 125 f.
  2. a b Theo Öhlinger: Verfassungsrecht. 7. Auflage. 2007, Rz 346 ff.
  3. a b c d e Theo Öhlinger: Verfassungsrecht. 7. Auflage. 2007, Rz 483 ff.
  4. Karl Ucakar, Stefan Gschiegl: Das politische System Österreichs und die EU. 2. Auflage. 2010, S. 132.
  5. Nationalrat repariert Briefwahl. In: Der Standard. 16. Juni 2011.
Dieser Artikel existiert auch als Audiodatei.

Literatur

  • Christian Dickinger: Der Bundespräsident im politischen System Österreichs. Innsbruck/Wien 1999.
  • Christian Dickinger: Österreichs Präsidenten. Von Karl Renner bis Thomas Klestil. Wien 2000.
  • Richard Kurdiovsky (Hrsg.): Die Österreichische Präsidentschaftskanzlei in der Wiener Hofburg. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2008. (Mit Beiträgen von Herbert Karner, Richard Kurdiovsky, Marcus Langer, Hellmut Lorenz, Anna Mader, Florian Steininger und Manuel Weinberger; Photographien von Manfred Seidl)
  • Die Präsidentschaftskanzlei, der Amtssitz des österreichischen Bundespräsidenten in der Wiener Hofburg. Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, 1961.
  • Die Präsidentschaftskanzlei, der Amtssitz des österreichischen Bundespräsidenten in der Wiener Hofburg. Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, Wien 1958.

Weblinks

 Commons: Bundespräsident (Österreich) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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  • Österreich — Republik Österreich …   Deutsch Wikipedia

  • Österreich — Ostmark (veraltet, 1938 1942) * * * Ös|ter|reich [ ø:stərai̮ç], s: Staat in Mitteleuropa: das heutige Österreich; sie ist aus Österreich. * * * Ös|ter|reich; s: Staat im südlichen Mitteleuropa. * * * Österreich,     Kurzinformation:   Fläche: 83… …   Universal-Lexikon

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