Bund Artam

Bund Artam

Als Artamanen bezeichneten sich die Mitglieder des 1923 in München gegründeten „Bund Artam e. V.“, einer Jugendorganisation im deutschnationalen Flügel der Deutschen Jugendbewegung und radikal-völkischen Siedlungsbund.

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnung

Die Namensgebung bezog sich unmittelbar auf einen Aufruf von Willibald Hentschel, der in den Blättern aus Niegard 2 (1923) gefordert hatte: „Eine ritterliche deutsche Kampfgemeinschaft auf deutscher Erde – ich nenne sie Artam.“ Spätere Deutungen versuchten die Namensgebung auf die althochdeutschen Wörter 'art' (Ackerbau) und 'manen' (Männer) zurückzuführen. Jedoch hatte Hentschel bereits vor 1910 und später in verschiedenen Auflagen von "Varuna" 'Artam' angeblich aus dem Persischen abgeleitet, aber in den verschiedenen Auflagen mit unterschiedlichen Deutungen. Das legt nahe, dass es sich um ein von ihm geschaffenes Kunstwort handelt. Die Parole der Artamanen lautete: „Gläubig dienen wir der Erde und dem großen Stirb und Werde.“

Tätigkeit

Die Gruppe hatte zeitweise rund 2 000 Mitglieder. Sie vertrat eine völkische, agrarromantische Blut-und-Boden-Ideologie und propagierte einen freiwilligen Arbeitsdienst in der Landwirtschaft. Nach ihrem Selbstverständnis bedeutete „Artam“ „die Erneuerung aus den Urkräften des Volkstums, aus Blut, Boden, Sonne und Wahrheit“. Die Artamanen strebten an, in den deutschen Ostprovinzen in einer möglichst autarken Gemeinschaft zu leben, auf dem Lande und von bäuerlicher Tätigkeit, um auf diese Weise einen Wall gegen das Eindringen und die Beschäftigung von polnischen Saisonarbeitern zur Erntezeit zu bilden. Die Gemeinschaft der Artamanen war seit 1927 hierarchisch nach dem Führerprinzip gegliedert. Nach ihrer Überzeugung würde sich das Schicksal Deutschlands nicht im Westen entscheiden, nicht an Rhein und Ruhr, sondern an der Weichsel und Memel.

Die Großgrundbesitzer im Osten bezahlten die Freiwilligen jedoch oftmals nicht, gaben ihnen schlechte Unterkünfte und behandelten sie auch schlecht. Deshalb ging der Bund Artam daran, die Einkünfte der Mitglieder bis auf ein kleines Taschengeld in eine gemeinsame Kasse einzuzahlen. Aus diesen Mitteln wurden Güter aufgekauft, die dann in einzelne Höfe zu durchschnittlich 15 Hektar aufgeteilt wurden.

Mitglieder

Hentschel leitete den Verein bis 1927, dann übernahm das NSDAP-Mitglied Hans Holfelder das Amt. Hauptsitz war Halle/Saale. Weitere führende Köpfe im Verein waren: Bruno Tanzmann von der Deutschen Bauernhochschule, Wilhelm Kotzde-Kottenrodt, Gründer und Führer der Adler und Falken, und August Georg Kenstler, Herausgeber der Zeitschrift Blut und Boden. 1927 gründete Georg Wilhelm Schiele eine „Gesellschaft der Freunde der Artamanenbewegung“ und warb in finanzkräftigen Kreisen um Unterstützung.[1]

Zu den Mitgliedern der Artamanen gehörten einige später prominente Nationalsozialisten wie der spätere Reichsbauernführer Richard Walther Darré, der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß und der Reichsführer-SS Heinrich Himmler, der am 21. Dezember 1929 auf dem Reichsthing der Artamanen in Freyburg an der Unstrut als Gauführer des Bundes Artam in Bayern bestätigt wurde, als der er Mitte 1928 von Holfelder ernannt worden war. Als Redner auf der Veranstaltung in Freyburg waren versammelt: Der völkische Schriftsteller Georg Stammler, Max Robert Gerstenhauer, Hans Severus Ziegler, Ernst Niekisch, Friedrich Muck-Lamberty, Kleo Pleyer, Alfred Rosenberg und Baldur von Schirach.[2]

Niedergang

Auf dem Reichsthing 1929 kam es zur Spaltung der Artamanen. Die Mehrheit um die Bundesführung schloss die Minderheit aus, die sich daraufhin als eigener Bund mit Fritz Hugo Hoffmann als Bundesführer konstituierte. ('Die Artamanen. Bündische Gemeinden für Landarbeit und Siedlung'.) Damit beginnt der Niedergang der Bewegung.[3] Die noch im Anfang stehende Siedlungstätigkeit der Artamanen kam zu Ende.

Nach der Auflösung und dem Verbot aller übrigen Organisationen der bündischen Jugend und der freien Jugendbewegung im Zuge der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten wurde der „Bund der Artamanen“ als einzige Ausnahme im Oktober 1934 korporativ in die Hitlerjugend (HJ) übernommen und bildete später den Kern des Landdienstes der HJ.

Rezeption

Die Gesamtzahl junger Menschen, die im Laufe der 12 Jahre ihres Bestehens in der Artamanenbewegung tätig gewesen sind, liegt zwischen 25.000 und 30.000.[4]

In der Form von alternativen Geschichten und in der Science fiction wurden die völkischen Ideen von Artam durch Volkmar Weiss wieder aufgegriffen.

Quellen

  1. Wolfgang Schlicker: „Freiwilliger“ Arbeitsdienst und Arbeitsdienstpflicht 1919-1933. Die Rolle militaristischer und faschistischer Kräfte in den Arbeitsdienstbestrebungen der Weimarer Republik. Dissertation an der Pädagogischen Hochschule Potsdam, 1968, hier: Artamanenbewegung, Landwerk und „Ostmärkische Landarbeiter- und Siedlerschule“ - Vorläufer des faschistischen Arbeitsdienstes und Zentren des aggressiven Nationalismus und Faschismus auf dem Lande, Seite 82-105.
  2. Hans-Christian Brandenburg: Die Geschichte der HJ. Wege und Irrwege einer Generation. 2. Auflage. Köln 1982, Verlag Wissenschaft und Politik, 1982, hier: Die Artamanen, Seite 77-80.
  3. Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, hier: Völkische Jugend, Seite 218-220.
  4. Werner Kindt (Hrsg.): Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. Die bündische Zeit. Eugen Diederichs, Düsseldorf 1974, hier: Artamanen, Seite 909-930.

Literatur

  • Stefan Brauckmann: Artamanen als völkisch-nationalistische Gruppierung innerhalb der deutschen Jugendbewegung 1924–1935. In: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung NF Band 2/05. Seite 176–196. Wochenschau-Verlag, Schwalbach 2006. ISBN 978-3-89974-310-4.
  • Stefan Brauckmann: Die Artamanenbewegung in Mecklenburg. In: Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern, Heft 2/08, S. 68 - 78, Rostock 2008. ISSN 1434-1794.
  • Walter Dietrich: Artam Siedler, Siedlungen, Bauernhöfe. Versuch einer Dokumentation über die Siedlungsgebiete der Artamanen in den Jahren 1926-1945, Selbstverlag, Witzenhausen 1982.
  • Michael H. Kater: Die Artamanen - Völkische Jugend in der Weimarer Republik. In: Historische Zeitschrift. Band 213, 1971, Seite 577-638.
  • Alwiß Rosenberg: Bäuerliche Siedlungsarbeit des Bundes Artam. Ein agrarpolitischer Versuch bündischer Jugend. In: Jahrbuch des Archivs der Deutschen Jugendbewegung. Band 9, 1977, Seite 199-229.
  • Peter Schmitz: Die Artamanen : Landarbeit und Siedlung bündischer Jugend 1920 - 1945. Bad Neustadt an der Saale 1985, ISBN 3-922923-36-4.

Weblinks


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