Buchverbrennung

Buchverbrennung
Gustave Doré: "Paulus in Ephesus" (um 1866). Magier verbrennen nach ihrer Bekehrung durch den Apostel Paulus in Ephesus ihre heidnischen Bücher.

Eine Bücherverbrennung ist die demonstrative Zerstörung von Büchern oder anderer Schriften durch Feuer. Es handelt sich dabei um die bekannteste Form des Biblioklasmus. Die meist öffentlich durchgeführten Verbrennungen erfolgten wegen moralischer, politischer oder religiöser Einwände gegen den Inhalt der Schrift und kamen sowohl als staatlich inszenierte oder geduldete Maßnahme als auch als Mittel öffentlichen Protestes gegen staatliche Gewalt vor. Mißliebige Bücher wurden u.a. als blasphemisch, häretisch, ketzerisch, unmoralisch, obszön, aufrührerisch und hochverräterisch sowohl symbolisch als auch tatsächlich verbrannt.

Am bekanntesten sind die Bücherverbrennungen der römisch-katholischen Kirche, die seit den Anfängen stattfanden, ihren Höhepunkt in der Inquisition erreichten. Im 20. Jahrhundert sind es die Bücherverbrennungen 1933 im nationalsozialistischen Deutschland, bei denen im Zuge einer „Aktion wider den undeutschen Geist“ der Deutschen Studentenschaft zehntausende Bücher in ritualisierten Demonstrationen öffentlich verbrannt wurden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

"Bücherhinrichtungen" sind ein die Entwicklung der Menschheit begleitendes Phänomen, das sich durch die gesamte erfahrbare Geschichte zieht. Erste Buchexekutionen sind bereits aus der Antike bekannt, prägten aber vor allem die Epoche des 17. und 18. Jahrhunderts, die Blütezeit der Bücherhinrichtungen in Europa. Ungenau ist die Terminologie "Bücherverbrennung", die sich im deutschsprachigen Raum weitestgehend unabhängig etabliert hat, denn sie spiegelt nur einen kleinen Teil des weitläufigen Spektrums der Hinrichtung unliebsamen Gedankengutes (Katja Lehman). Im öffentlichen Bewusstsein hat sich der Begriff "Bücherverbrennung" festgesetzt, da Bücherhinrichtungen (tatsächlich und vornehmlich) durch das Feuer vollzogen wurden.

Bereits Kaiser Diokletian ließ in Konstantinopel die Schriften der Christen verbrennen. Im Mittelalter bezeichnet Autodafé die Verbrennung ketzerischer Bücher als Vollstreckung eines Urteils der Inquisition. In der Neuzeit bedienten sich französische Revolutionäre und britische Truppen in Nordamerika dieses extremen Mittels ihrer Politik und brannten Teile der Bibliothèque Nationale bzw. die Library of Congress nieder. Die Gründe blieben über Jahrhunderte die gleichen: Die Aussagen der Bücher seien politisch untragbar, falsch, gefährlich, verleumderisch, obszön oder verderblich. Die Versuche, unerwünschte Bücher zu verbieten, gipfelten dabei oft in publikumswirksam inszenierten öffentlichen Bücherverbrennungen. Das Zeremoniell paßte sich den jeweiligen Gepflogenheiten an. Während bis zum Ende des 18. Jahrhunderts noch die Kirchenglocken läuteten und ein Scharfrichter die Strafe vollstreckte, indem er das Buch auf einen Scheiterhaufen warf, geht man heute gewöhnlicher leiser vor und entzieht sich - bedingt durch die negative Assoziationskraft zur Bücherverbrennung 1933 - oft der Aufmerksamkeit der Medien. In moderner Zeit werden neben Büchern auch andere missliebige Publikationsformen wie Tonbänder, Schallplatten, CDs oder Videobänder verbrannt.

Frühzeit und Mittelalter

  • Der chinesische Kaiser Qin Shihuangdi griff im Zuge der Reichseinigung zu rigorosen Maßnahmen. So wurde die Vielfalt widerstreitender philosophischer Schulen abgeschafft und verboten. Lediglich die staatstragende Philosophie wurde gebilligt. 213 v. Chr. wurden die Bücher aller anderen Schulen verbrannt.
  • Das Neue Testament schildert eine Bücherverbrennung, mit der bestimmte Kirchen und Christengruppen bis zur Gegenwart immer wieder ihr Vorgehen gegen abweichende Meinungsdarstellungen verglichen und begründet haben: „Viele aber, die Zauberei getrieben hatten, brachten ihre [Zauber-]Bücher zusammen und verbrannten sie öffentlich und berechneten, was sie wert waren und kamen auf fünfzigtausend Silberdrachmen”. (Apostelgeschichte 19,19 ) Diese neutestamentliche Überlieferung beschreibt das Wirken des Apostels Paulus in Ephesos, wo er auf seiner dritten Missionsreise für zwei Jahre Station machte. Die Wirkung seines missionarischen Eifers soll nicht zuletzt darin bestanden haben, dass bekehrte Magier ihre Bücher zusammentrugen und verbrannten. Die spektakuläre Aktion zeichnete sich offenkundig durch Freiwilligkeit aus, was bei späteren kirchlichen Bücherverbrennungen nicht immer der Fall war. John Milton beschrieb dies als Beispiel eines persönlichen und freiwilligen Vorgangs: “It was private act, a voluntary act, and leaves us to a voluntary imitation: the men in remorse burnt those books which were their own; the Magistrat by this example is not appointed“.
Die Bücherverbrenn-Probe zwischen St. Dominikus und den Albigensern in Albi, 1207 (Illustration von Berruguete, um 1495)
  • 325 wurden die Bücher des Arius und seiner Schüler nach dem Ersten Konzil von Nicäa als häretisch verbrannt. Nach ähnlichen Anordnungen in Konzilien 381, 431 und 451 wurde die Verbrennung häretischer Schriften „sub conspectu judicum“ angeordnet.
  • Ab dem 4. Jahrhundert gibt es Nachweise für die Verbrennung von „Zauberbüchern“ im Rahmen christlicher Bekehrung. Von ca. 350 bis ins Mittelalter hinein gibt es Schilderungen, dass „Zauberbücher“ aufgesucht und vernichtet wurden. Zwischen 350–400 konnten Besitzer von „Zauberbüchern“ auch mit dem Tode bestraft werden.
  • Die "Res gestae" des Ammianus Marcellinus (ca. 330 bis ca. 395) berichten von der Verfolgung und Hinrichtung von Personen, denen der Besitz von Büchern mit verbotenem Inhalt vorgeworfen wurde. Ihre Codices und Rollen wurden in großer Zahl öffentlich verbrannt. Bei den Büchern soll es sich vor allem um Werke der „artes liberales“, der klassischen antiken Wissenschaften gehandelt haben. Infolgedessen hätten in den „östlichen Provinzen“ „aus Furcht vor ähnlichen Schicksalen die Besitzer ihre ganzen Bibliotheken verbrannt“.
  • 371-372 (oder 374) befahl Kaiser Valens eine der größten Büchervernichtungen. Zum konfiszierten und vernichteten Material gehörten dabei mehr Schriften der Artes liberales und des Rechts als der Magie, dabei ließ der Kaiser die Bücher der Verdächtigten in ihren Häusern aufspüren - ein besonders schwerer Verstoß gegen römisches Recht. Die Bücherverbrennung fand in Verbindung mit der Hinrichtung vieler angesehener Männer wie etwa Philosophen statt.
  • 391 ging das Serapeum in Alexandria, Gelehrtensitz und Bibliothek vieler Jahrhunderte, in Flammen auf; die größere Bibliothek, das Museion, erlitt bereits 47 v. Chr. bei der Eroberung Alexandrias durch Caesars Soldaten Schäden, die letzte Bezeugung des Gebäudes datiert um 380.
  • Ende des 5. Jahrhunderts fanden Studenten in Beirut bei einem „Johannes mit dem Beinamen ‚Walker‘ aus dem ägyptischen Theben“ im Zuge einer Hausdurchsuchung Zauberbücher. Nachdem er sie verbrannt hatte, wurde er gezwungen, die Namen von anderen Besitzern anzugeben. Daraufhin begannen die Studenten „unterstützt vom Bischof und der weltlichen Obrigkeit“, eine größere Suchaktion. Sie fanden bei anderen Studenten und einigen namhaften Personen derartige Bücher und verbrannten sie vor der Kirche. (Siehe: Bücherverluste in der Spätantike)
  • 562 ließ der römische Imperator Justinian I. heidnische Bücher, Bilder, Götterstatuen im Kynegion verbrennen, an dem Ort, „wohin die Leiber der Hingerichteten geworfen wurden“, eine besonders verachtende Form der „damnatio memoriae“, der Auslöschung der Erinnerung.
  • 641 sollen einer als unhistorisch eingeschätzten Legende aus dem 13. Jahrhundert zufolge die Büchern des Museion in Alexandria vom muslimische Eroberer Emir Amr ibn al-As auf Befehl des Kalifen aus Konstantinopel verbrannt, sechs Monate lang die 4000 Bäder von Alexandria damit geheizt worden sein.
  • 1207 übergab der mit der Ketzerbekämpfung beauftragte Dominikus in Albi die Schriften der Albigenser den Flammen. Dominikus prüfte derart die Schriften der Albigenser, die im Feuer liegen bleiben und verbrannten, während die rechtgläubig katholischen Bücher in den Himmel emporgehoben wurden.
  • 1242 kam es zur Pariser Talmudverbrennung, bei der sämtliche in Frankreich, England, Portugal und im nicht-almohadischen Teil Spaniens entdeckten jüdische Bücher konfisziert und vernichtet wurden. Unter Aufbietung des königlichen Beamtenapparates wurden 24 Wagenladungen jüdischer Bücher aus dem ganzen französischen Königreich zusammengetragen, die Scheiterhaufen brannten zwei Tage lang. Mit dem Flammengericht wurden zum ersten Mal in Paris die Bücher „in maxima multitudine“ in Form des Scheiterhaufens aufgeschichtet und verbrannt. Diese Bücherverbrennung ging auf eine Anweisung von Papst Gregor IX. an die dortigen Bischöfe zurück, denen es gelang Ludwig IX. zu überreden, zwölftausend Exemplare des Talmud in Paris verbrennen zu lassen. Weitere Päpste taten es ihm gleich, so Innozenz IV. (1243-1254), Clemens IV. (1256-1268), Johannes XXII. (1316-1334), Paul IV. (1555-1559), Pius V. (1566-1572) und Clemens VIII. (1592-1605), denen es fast gelang, das gesamte jüdische Schrifttum zu vernichten. Die Talmudverbrennung gilt als eines der größten Kulturverbrechen des Mittelalters.
  • 1256 ordnete der Mongolen-Khan Hülägü die Verbrennung der großen Bibliothek an, welche die Assassinen auf Alamut zusammengestellt hatten. Lediglich alle Koran-Handschriften und wissenschaftlichen Werke wurden zuvor aussortiert.

Neuzeit

Martin Luther verbrennt 1520 in Wittenberg die Päpstliche Bulle. (Gemälde von Paul Thumann, 1872/73)
Titelblatt zum Index Librorum Prohibitorum, Kupferstich von 1711
Verbrennung des „Book of Sports“ (Declaration of Sports) durch englische Protestanten (um 1618)
  • 1415 wurde der böhmische Reformator Jan Hus an seinem Geburtstag am 6. Juli in Konstanz zum Feuertod verurteilt. Auf dem Weg zur Hinrichtung wurde er am Friedhof jener Kirche vorbeigeführt, wo zur selben Stunde seine Bücher „in Anwesenheit des Klerus und johlenden Volkes“ verbrannt wurden.
  • Am 7. Februar 1497 und am 17. Februar 1498 ließ der Dominikanermönch Girolamo Savonarola in Florenz durch eine „Kinderpolizei“ in Haus- und Straßensammlungen die „Herausgabe aller unehrbaren Schriften, Figuren und Gemälde“ erzwingen und verbrannte in einem „Scheiterhaufen der Eitelkeiten” pornographische und heidnische Bücher, Glücksspiele, Kosmetik, obszöne Bilder, Boccaccios Decamerone und alle Werke des Ovid, die in der Stadt gefunden werden konnten.
  • Im 15. Jahrhundert gab es zahlreiche derartige Aktionen auch schon vor den „bruciamenti“ Savonarolas, die ebenfalls oft von Bußpredigern initiiert wurden, etwa in Bologna, Augsburg, Nürnberg, Bamberg und Wien.
  • 1499/1500 verfügte der Erzbischof von Toledo, Francisco Jiménez de Cisneros, im Rahmen der Zwangsbekehrung der muslimischen Granadinos, dass deren Bücher, nicht zuletzt die ausgeforschten Koran-Exemplare, verbrannt werden. 1821 machte Heinrich Heine dieses Ereignis zum Sujet seiner Tragödie "Almansor" (siehe unten).
  • 1501 wurde die Bücherverbrennung papstfeindlicher Schriften in der Päpstlichen Bulle angeordnet
  • 1520 erließ Papst Leo X. die BulleExsurge Domine“ gegen Martin Luther mit der Androhung des Bannes. Die Verbrennung seiner Schriften, die zwar vielerorts von der Kanzel herab angeordnet aber nur in wenigen deutschen Städten (darunter Löwen, Lüttich, Trier und die Bistümer Mainz und Köln) im Oktober tatsächlich befolgt wurde, veranlasste Luther dazu, seinerseits Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Er verbrannte am 10. Dezember die kanonischen Rechtsbücher (Codex Iuris Canonici) und die päpstliche Bannandrohungsbulle vor dem Elstertor in Wittenberg. Mit diesem Akt vollzog Luther die symbolische Loslösung von Rom, mit einer lateinischen Verdammungsformel warf er die Bulle ins Feuer: „Weil Du getilgt hast die Wahrheit Gottes, so tilge Dich heute der Herr. Hinein mit Dir hier ins Feuer!“.
  • 1534 (am 24. Dezember) wurde der französische Typograph und Verleger Antoine Augereau, der Lehrmeister Garamonds, auf dem Scheiterhaufen mit seinen Schriften verbrannt. Hintergrund war ein theologischer Streit mit der katholischen Kirche.
  • Am 12. Juli 1561 ließ der Bischof von Yucatán, Diego de Landa, vor dem Franziskanerkonvent in Mani alle Götzen und Objekte, von denen er meinte, dass sie den Maya zur Teufelsanbetung dienten, auf einem Scheiterhaufen verbrennen. So wurden auch sehr viele Bücher der Maya ein Opfer der Flammen. Nur vier Codices überlebten die Vernichtung und geben uns heute einen kleinen Einblick in die Lebenswelt der Maya.
  • 1562 verurteilte Papst Leo X. Pietro Pomponazzis „Tractatus de immortalitate animae“ (Abhandlung über die Unsterblichkeit der Seele) von 1516. Es wurde öffentlich verbrannt. Pomponazzi wies in seinem Werk die Unsterblichkeit der Seele als unhaltbar zurück.
  • Um 1618 verbrannten Protestanten in England durch den Henker das „Book of Sports“, das nach puritanischer Ansicht der Heiligung des Sabbath widersprach. („10 of May the Boocke of Sportes upon the Lords day was burnt by the Hangman in the place where the Crosse stoode & at Exhange“)
  • 1634 fand in Madrid eine "Buchhinrichtung" statt
  • 1650 fand die erste nachgewiesene Bücherverbrennung auf US-amerikanischem Boden auf dem Marktplatz von Boston statt, wo religiöse Schriften dem Feuer übergeben wurden. Dies begründete eine lange Tradition von Bücherverboten und Bücherverbrennungen in des USA.
  • 1682 ließ Fjodor III. von Russland Ahnenbücher der Nobilität verbrennen.
  • 1793 orderte der französische Revolutionsführer Robespierre die Verbrennung religiöser Bibliotheken und der Bücher verherrlichender Literatur der französischen Könige an. Er forderte am 8. Januar 1794 in einer Sitzung des Klubs der Jakobiner, sämtliche Ausgaben der Zeitung „Vieux Cordelier“ in der Saalmitte zu verbrennen.
Burschenschaften verbrennen am 18. Oktober 1817 Bücher auf dem Wartburgfest
Siegel der „Gesellschaft zur Bekämpfung des Lasters“ in New York City (1873)
  • Die 1873 gegründete berüchtigte New York Society for the Suppression of Vice (Gesellschaft zur Bekämpfung des Lasters) des selbsternannten Zensors Anthony Comstock (1844–1915) führte die Abbildung einer Bücherverbrennung auf ihrem Siegel. Die „Erfolgsbilanz“ Comstocks, der sich den viktorianischen Grundregeln verpflichtet sah, wird auf die Verbrennung von etwa 120 Tonnen Bücher sowie die Zerstörung unzähliger Druckerplatten und fast vier Millionen Bilder geschätzt. Dazu kommen weitere 80 Tonnen Literatur von Autoren wie John Dos Passos oder Ernest Hemingway, deren Werke noch nach Comstocks Tod verbrannt wurden. Comstock ist damit der „größte Bücherverbrenner“ der Geschichte. Er hatte bis zu seinem Tod fünfzehn Verleger und Privatleute in den Selbstmord getrieben und 4000 Verhaftungen veranlasst. Seit 1871 führte er einen Kreuzzug gegen alles, was seiner Puritanermoral zuwiderlief und initiierte 1873 das berüchtigte „Comstock Law“, das das Versenden „obszönen Materials“ – sei es erotische Literatur, Nacktfotos oder „Gummiartikel“ – bis heute unter Strafe stellt. Mehr als zweihundert private Organisationen in etlichen Bundesstaaten üben heute mit aktiver Unterstützung und finanzieller Förderung der Regierungen Druck auf Verlage, Buchhandlungen und Bibliotheken aus und machen Hetzjagd auf ihnen mißliebige Schriftsteller, Lehrer und Bibliothekare.

20. Jahrhundert

  • Als die USA 1917 in den Ersten Weltkrieg eintraten, wurden in mehreren Bundesstaaten unter dem Absingen patriotischer Lieder wahllos aus den Bücherregalen herausgegriffene deutsche Bücher verbrannt.
  • Am 10. Mai 1933 fanden im nationalsozialistischen Deutschland im Zuge einer „Aktion wider den undeutschen Geist“ der Deutschen Studentenschaft Bücherverbrennungen statt, wobei in 22 Universitätsstädten, beginnend mit dem Opernplatz in Berlin, öffentlich zehntausende Bücher von jüdischen, marxistischen und pazifistischen Schriftstellern konfisziert und verbrannt wurden. Im Juni 1933 und in den Monaten danach folgten zahlreiche weitere Aktionen. Die Inszenierung und das Kultisch-Rituelle, das Systematische der Durchführung haben diesem Autodafé den Rang der Einmaligkeit in der Kontinuität der geschichtlichen Reihe von der Antike bis zur jüngsten Gegenwart gegeben. (siehe: Bücherverbrennung 1933 in Deutschland und Liste der verbrannten Bücher).
Bücherverbrennung 1933 im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist
  • Im März 1938 organisierten die deutschen Nationalsozialisten der NSDAP, Landesgruppe Mexiko, unter Rüdt von Collenberg, in Mexiko-Stadt ein „Fest für den vollzogenen Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, dem man auch eine kleine Bücherverbrennung anschloss. (Mexiko war der einzige Staat, der den „Anschluss“ politisch verurteilt hatte.)
  • 1938 wurden von den Nazis in vielen Städten und Dörfern Bücher jüdischer Gemeinden verbrannt (z.B. in den fränkischen Ortschaften Hagenbach, Karlstadt und Steinach).
  • 1941 wurden im nationalsozialistisch besetzten Elsass im Rahmen einer „Entwelschungsaktion“ mehrere Bücherverbrennungen durchgeführt.
  • Im Juni 1956 wurden Werke des Psychoanalytikers Wilhelm Reich im Zusammenhang mit seinen Theorien zur Orgon-Energie nach einer Anklage der amerikanischen U.S. Food and Drug Administration auf richterliche Anordnung auf seinem Anwesen in Rangeley (Maine) verbrannt. Ende desselben Jahres und im März 1960 wurden weitere sechs Tonnen von Reichs Veröffentlichungen, Büchern und Zeitschriften in der Gansevoort-Verbrennungsanlage in New York verbrannt. Bis in die 60er Jahre war jeder Besitz von Schriften von Wilhelm Reich in den USA verboten und wurde verfolgt.
  • 1962 wurden die ersten studentischen „Botschafter“, die nach Ost-Berlin einreisen durften, gezwungen, alle ihre mitgebrachten Bücher und Manuskripte vor der Einreise zu verbrennen.
  • Am 3. Oktober 1965 verbrannte eine Gruppe Jugendlicher des Düsseldorfer EC (Entschiedene Christen) Groschenromane, Sex-Magazine und Bravo-Hefte, aber auch Bücher namhafter Autoren, wie Grass, Kästner oder Nabokow unter feierlichem Rezitieren von Bibelstellen, um Schriften zu vernichten, „die negative Wirkung auf sie gehabt hätten”. Die Idee kam den Jugendlichen nach der Lektüre der Apostelgeschichte, wo es heißt: „Viele aber, die da Zauberei getrieben hatten, brachten die Bücher zusammen und verbrannten sie öffentlich.” (19,19).
  • Seit der Machtübernahme der Kommunistischen Partei in der Volksrepublik China werden öffentlich „anti-kommunistische” Bücher und Medien vernichtet. Dazu gehören vor allem Bücher und digitale Medien von verfolgten Gruppen wie Demokraten und Menschenrechtlern. Auch Medien von verbotenen religiösen Gruppen, wie Falun Gong, werden öffentlich vernichtet.
  • 1975 kamen in Kambodscha die Roten Khmer an die Macht, deren Führer Pol Pot auf kommunistischer Basis eine reine Agrargesellschaft schaffen wollte, in der jeglicher Intellekt verboten war. Geld wurde abgeschafft, Bücher wurden verbrannt, Lehrer, Händler und beinahe die gesamte intellektuelle Elite des Landes wurde ermordet, um den Agrarkommunismus zu verwirklichen.
  • Im Mai 1981 wurde die Jaffna Public Library in Sri Lanka gestürmt und niedergebrannt, wobei mehr als 95.000 Bücher den Flammen zum Opfer fielen.
  • 1992 griffen im Bosnienkrieg Serbische Truppen das Orientalische Institut in Sarajevo an, der gesamte Archivfonds wurde zerstört: ca. 250.000 laufende Meter, meistens Original-Dokumente, die Sammlung Manuscripta turcika (7.156 Dokumente), die Sammlung von Sidschilen (66 Sidschilen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert), das Archiv vom Vilajet (ca. 220.000 Dokumente aus dem 19. Jahrhundert), die Sammlung von Tapien, die Sammlung mit den handschriftlichen Manuskripten (5.236 Kodeke). Auch die Universitätsbibliothek mit einigen zehntausend Büchern wurde komplett zerstört.

21. Jahrhundert

  • Die wahrscheinlich erste Bücherverbrennung im 21. Jahrhundert betraf J. K. RowlingsHarry Potter“. Pastor George Bender und Mitglieder der amerikanischen christlichen „Harvest Assembly of God“-Kirche in Pittsburgh verbrannten während eines „book burning“-Gottesdienstes im März 2001 Harry Potter-Bücher mit der Begründung, der neue Held unzähliger Leser verherrliche Zauberei und Hexentum. Ebenfalls auf dem Scheiterhaufen landeten CDs und Videos von Foreigner, AC/DC, Bruce Springsteen, Pearl Jam, Iron Maiden und Black Sabbath sowie die Walt-Disney-Videos „Herkules“ und „Pinocchio“. Weitere Verbrennungen fanden in Alamogordo (New Mexico), Charleston (South Carolina) und Cedar Rapids (Iowa) statt.
  • Im Januar 2001 ließ das Ägyptische Kulturministerium auf Druck islamischer Fundamentalisten 6000 Exemplare homoerotischer Poesie von Abu Nuwas verbrennen.
  • 2002 Tiflis: Bei einer Bibelverbrennung in Gestalt eines Brandanschlages auf ein Gebäude der georgischen Bibelgesellschaft vernichtete eine extremistische Gruppe der georgisch-orthodoxen Kirche vor laufenden Kameras zehntausende „protestantischer” Bibeln.
  • Am 30. März 2005 ordnete der türkische Landrat Mustafa Altinpinar in der südtürkischen Provinz Isparta an, alle Bücher des späteren Nobelpreisträgers Orhan Pamuk aus den öffentlichen Büchereien zu entfernen und zu verbrennen. Pamuk war und ist ein scharfer Kritiker der türkischen Kurdenpolitik und der offiziellen Haltung zum Genozid an den Armeniern im Jahre 1915. Der Landrat begründete seine Entscheidung mit dem Recht der türkischen Nation auf Notwehr gegen Verleumdungen. In den Buchregalen befand sich jedoch kein einziges Werk des Autors, da er schon vorher stark angefeindet wurde. Die Verbrennungsaktion fiel aus. Der Gouverneur der Provinz Isparta, Isa Parlak, hob wenig später die Entscheidung des untergebenen Landrats auf.
  • Am 21. Mai 2006 verbrannten zwei Politiker in Ceccano (Italien) ein Exemplar des Buches „Sakrileg“ von Dan Brown. Einer der beiden, Stefano Gizzi, begründete sein Handeln damit, „Jesus verteidigen“ zu wollen. Der Auslöser für die Verbrennung war die Tatsache, dass in dem Buch „Sakrileg“ die These aufgestellt wird, dass Jesus und Maria Magdalena ein Ehepaar waren und gemeinsame Kinder hatten.
  • Am 11. Juli 2007 strahlte die ARD den Dokumentarfilms „Die Hardliner des Herrn“ von Tilman Jens aus, der vom HR produziert wurde und in dem eine Bibel verbrannt wird, was zu Kontroversen führte, da dies in einigen Kreisen als Verhöhnung sowohl der Christen als auch der Juden, denen die fünf Bücher Mose (Tora) ebenfalls heilig sind, empfunden wurde. Jens erklärte: “Es geht darum, die Bibel als drohendes, als Angst machendes Instrument und gleichzeitig als Feuerschwert Gottes darzustellen”, [1]
  • Im Mai 2008 sind in der in der israelischen Stadt Or Yehuda mehrere hundert Neue Testamente von orthodoxen Talmudschülern eingesammelt und anschließend aufgeschichtet und verbrannt worden. Die Bücher waren einige Tage zuvor von Messianischen Juden, einer Glaubensrichtung, die Jesus als den den Juden versprochenen Messias betrachtet und von allen anderen jüdischen Glaubensrichtungen als christlich angesehen wird, in dem Ort verteilt worden. Jerusalem Post

Heinrich-Heine-Zitat

Heinrich Heine (1797-1856)

„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.”

Dieses Zitat Heinrich Heines aus seiner Tragödie Almansor (1821, erschienen 1823) behandelt – entgegen einem weit verbreiteten Glauben – nicht die vier Jahre zuvor durchgeführte Bücherverbrennung während des Wartburgfestes 1817, sondern eine Verbrennung des Korans während der Eroberung des spanischen Granada durch christliche Ritter unter dem inquisitorischen Kardinal Mateo Ximenes de Cisneros 1499/1500 (siehe oben). In Heines Toleranzstück spricht der Moslem Almansor ben Abdullah mit Hassan, der verzweifelt gegen die christliche Besatzung kämpft:

Almansor:
Wir hörten daß der furchtbare Ximenes,
Inmitten auf dem Markte, zu Granada –
Mir starrt die Zung im Munde – den Koran
In eines Scheiterhaufens Flamme warf!
Hassan:
Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher
Verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.

Heines Zitat wird allerdings als prophetisch für die Bücherverbrennung im Mai und Juni 1933 im nationalsozialistischen Deutschland angesehen und ist auf vielen Mahnmalen und Gedenkstätten zu lesen (siehe auch Bücherverbrennung 1933 in Deutschland).

Zur Bücherverbrennung auf dem Wartburgfest äußerte sich Heine an anderer Stelle:

»Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren! (…) Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wußte als Bücher zu verbrennen! Ich sage Unwissenheit, denn in dieser Beziehung war jene frühere Opposition, die wir unter dem Namen »die Altdeutschen« kennen, noch großartiger als die neuere Opposition, obgleich diese nicht gar besonders durch Gelehrsamkeit glänzt. Eben derjenige, welcher das Bücherverbrennen auf der Wartburg in Vorschlag brachte, war auch zugleich das unwissendste Geschöpf, das je auf Erden turnte und altdeutsche Lesarten herausgab: wahrhaftig, dieses Subjekt hätte auch Bröders lateinische Grammatik ins Feuer werfen sollen!« (Heinrich Heine: Ludwig Börne. Eine Denkschrift. Viertes Buch, 1840)

Bücherverbrennung in der Literatur

"A book is a loaded gun in the house next door. Burn it. Take the shot from the weapon. Breach men's mind. Who knows who might be the target of the well-read man. Me?" (Fahrenheit 451)
  • In George Orwells Roman "1984" werden nicht regime-konforme Werke eingeäschert und die Verbrennung "aller Bücher vor 1960" propagiert.
  • In "Soll man de Sade verbrennen?" ("Faut-il brûler Sade?", veröffentlicht in Les Temps modernes, Dezember 1951 und Januar 1952), griff Simone de Beauvoir den Begriff der Bücherverbrennung polemisch für eine Literaturkritik zu Marquis de Sade auf.
  • In Heinrich Heines Tragödie "Almansor" (1821) wird von der Verbrennung des Koran während der Eroberung des spanischen Granada 1499/1500 durch christliche Ritter unter dem inquisitorischen Kardinal Mateo Ximenes de Cisneros berichtet. (siehe oben)
  • In Don Quijote von Miguel de Cervantes verbrennen der Pfarrer und der Barbier Nikolas einen großen Teil der Bücher Don Quixotes, da ihn diese um seinen Realitätssinn gebracht haben. Als zusätzliche Maßnahme wird das Bücherzimmer zugemauert.
  • Im 2. Teil des Dramas "Tamburlaine" von Christopher Marlowe (1587) verbrennt der Protagonist Tamburlaine nach der Eroberung der Türkei, Kleinasiens und Ägyptens ein Exemplar des Koran, um seine Unabhängigkeit zu bekunden.

Literatur

  • Dietmar Damwerth: verbrannt - verfolgt - vertrieben, Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Gebiet des heutigen NRW zur NS-Zeit. Eine Dokumentation zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennung, 2003. ISBN 3-937183-11-6.
  • Hermann Haarmann, Walter Huder & Klaus Siebenhaar (Hg.): „Das war ein Vorspiel nur...“ - Bücherverbrennung Deutschland 1933: Voraussetzungen und Folgen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung der Akademie der Künste (Berlin) 1983. Berlin/Wien: Medusa Verlagsgesellschaft, 1983. ISBN 3-88602-076-2.
  • Mona Körte, Cornelia Ortlieb (Hrsg.): Verbergen - Überschreiben - Zerreißen. Formen der Bücherzerstörung in Literatur, Kunst und Religion. Schmidt Erich Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-503-09811-8.
  • Christian Graf von Krockow: Scheiterhaufen. Größe und Elend des deutschen Geistes. 2. Aufl.; Berlin 1983. ISBN 3-88680-042-3.
  • Hermann Rafetseder: Bücherverbrennungen: Die öffentliche Hinrichtung von Schriften im historischen Wandel. Böhlau Verlag, Wien 1988. ISBN 3-205-08858-1.
  • Carola Schelle (Hrsg.): Stichtag der Barbarei. Anmerkungen zur Bücherverbrennung 1933. Hannover 1983, ISBN 3-922382-16-9.
  • Jürgen Serke: Die verbrannten Dichter. Weinheim 2002, ISBN 3-407-80899-2.
  • Armin Strohmeyr: Verlorene Generation. Zürich: Atrium-Verlag, 2008. ISBN 978-3-85535-721-5.
  • Werner Treß: „Wider den undeutschen Geist!” Bücherverbrennung 1933. Berlin 2008 (2. Aufl.), ISBN 3-932529-55-3.
  • Theodor Verweyen: Bücherverbrennungen. Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-1082-5
  • Ulrich Walberer (Hrsg.): Zehnter Mai 1933. Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen. Frankfurt 1983, ISBN 3-596-24245-2.
  • Hans-Albert Walter: Deutsche Exilliteratur 1933-1950. Bd. 1: Bedrohung und Verfolgung bis 1933. Darmstadt [u. a.] 1972.
  • Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008. ISBN 978-3-462-03962-7.
  • Thomas Werner : Den Irrtum liquidieren. Bücherverbrennungen im Mittelalter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. ISBN 978-3-525-35880-1

Siehe auch

Quellen

Weblinks


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