Brüder Sass

Brüder Sass

Die Brüder Sass waren zwei Berliner Einbrecher, die in der Weimarer Republik große Popularität erlangten.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Franz (* 1904) und Erich (* 1906) Sass (beide am 27. März 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen vom späteren Auschwitzkommandanten Rudolf Höß ermordet[1]), waren zwei von insgesamt fünf Söhnen des Lohnschneiders Andreas Sass und der Wäscherin Marie Sass aus Berlin-Moabit. Sie wuchsen in ärmlichen Verhältnissen auf, die Wohnung der Familie im Hinterhaus der Birkenstraße 57 hatte gerade 40 m² Fläche. Dem Milieu entsprechend kamen sie seit ihrer Jugend immer wieder mit Jugendamt und Polizei wegen geringerer Delikte in Berührung.

„Geldschrankknacker“

1926 entschlossen sich die Brüder, sich neuen Methoden der kriminellen Geldbeschaffung zuzuwenden. Dazu nutzten sie modernste Methoden, die inzwischen für ihr „Gewerbe“ als prototypisch gelten, damals allerdings ein Novum darstellten: das Öffnen von Banktresoren mit Schneidbrennern.

Nach Beschaffung eines Schneidbrenners der Fa. Fernholtz versuchten sie sich erstmals im März 1927 an der Depositenkasse der Deutschen Bank im heimatlichen Moabit. Der erste Versuch scheiterte allerdings am nicht einkalkulierten Sauerstoffverbrauch des Schneidbrenners, der ihnen im engen Kellerraum die Luft zum Atmen nahm.

Eine Reihe weiterer Versuche bei der Dresdner Bank an der Budapester Straße, der Reichsbahndirektion am Schöneberger Ufer und schließlich am 20. Mai 1928 beim Landesfinanzamt Moabit schlugen allesamt fehl. Dafür war inzwischen Kriminalsekretär Fabich auf die Spur der erfolglosen Einbrecher angesetzt worden.

Der Diskonto-Einbruch

Am 27. Januar 1929 drangen die Brüder in die Stahlkammer der Diskontobank am Wittenbergplatz (Kleiststraße 23) ein. In wochenlanger Arbeit hatten sie einen Tunnel vom Nachbarhaus zum Keller der Zweigstelle gegraben. Durch einen Luftschacht gelangten sie dann an die Außenwand des Tresorraums, die aufgebrochen wurde. Dort öffneten sie in aller Ruhe 179 der 181 Schließfächer und räumten sie aus.

Der Raub wurde erst nach drei Tagen entdeckt, da die Tür von innen blockiert war. Der Kassierer, der am 28. Januar vergeblich versuchte, die Tür zu öffnen, vermutete erst ein defektes Schloss. Daraufhin rief man Spezialisten der Firma Arnheim, aus deren Produktion der Tresor stammte. Arnheim-Tresore waren wegen ihrer Stabilität damals weltberühmt und auch die Firmenspezialisten konnten die Tür nicht öffnen. Erst am Mittwoch den 30. Januar gelang zwei Maurern der Durchbruch durch die Betonwand.

Im Chaos der geplünderten Tresorräume fanden die Bankangestellten auch noch zwei leere Weinflaschen, die von den Einbrechern zur Feier des gelungenen Bruchs geleert worden waren. Der Schaden wurde grob auf 2 bis 2½ Millionen Reichsmark geschätzt. Genauere Angaben machten die Schließfachinhaber nicht, vermutlich weil viele Werte dort vor der Steuerbehörde versteckt worden waren.

Berühmtheiten

Kriminalsekretär Fabich kam die Machart des Einbruchs bekannt vor, also wurden die Brüder observiert, ihre Moabiter Wohnung durchsucht und schließlich beide festgenommen. Kurz darauf, am 6. April 1929, mussten sie allerdings aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen werden, woraufhin die Brüder zur Pressekonferenz in das Nobelrestaurant Lutter & Wegner am Gendarmenmarkt luden, wo sie den Journalisten unter anderem von bereits eingegangenen Filmangeboten erzählen konnten. Sie scheuten sich weiterhin nicht, ihren Reichtum offen zur Schau zu tragen. Zu ihrer Popularität trug neben dieser offen gezeigten Chuzpe auch bei, dass sie in Robin-Hood-Manier bedürftigen Moabitern Geldscheine in die Briefkästen steckten.

Kopenhagen

Bis 1932 konnte ihnen gerichtlich nichts nachgewiesen werden. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 erschien es ihnen aber klüger, nach Dänemark umzuziehen. Die Kopenhagener Polizei registrierte recht bald darauf eine Serie von Einbrüchen und geknackten Tresoren. 1934 fand Kriminalassistent Christian Bjerring, auch bekannt als Christian der Reizbare, bei einer Durchsuchung ihres Hotelzimmers Beweise für begangene Einbrüche und versteckte Devisen. Dafür wurden sie in Dänemark zu vier Jahren Haft verurteilt, die sie bis 1938 absitzen mussten.

Auslieferung, Urteil und Tod

Nach Haftentlassung wurden sie sofort nach Deutschland ausgeliefert. Der von Bjerring informierte Fabich hatte in der Zwischenzeit in einer gründlichen Durchsuchung der Moabiter Wohnung, in der diesmal auch die Dielenbretter aufgerissen wurden, Beweismaterial für vergangene Einbrüche, nicht aber den in der Diskontobank entdeckt. Nach zwei Jahren Untersuchungshaft wurden sie wegen gemeinschaftlich begangenen schweren Diebstahls und Devisenvergehen verurteilt. Die Urteile waren hart: Franz Sass wurde zu 13, Erich Sass zu 11 Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 27. März 1940 wurden sie bei der Überstellung ins KZ Sachsenhausen getötet. Die NS-Presse meldete tags darauf, sie seien „bei Widerstand erschossen“ worden.

Romane und filmische Verwertung

Paul Gurk: Tresoreinbruch; Berlin 1935

Verfilmungen:

  • Banktresor 713; 1957
  • Auf Befehl erschossen – Die Brüder Sass, einst Berlins große Ganoven; 1972
  • Sass; 2001

Trivia

In den ersten Jahren der NS-Diktatur machte folgender Witz die Runde:

Frage: „Wie buchstabiert man Deutschlands bekannteste Verbrecher?“ – Antwort: „S-A-S-S“  (SA & SS)

Einzelnachweise

  1. Süddeutsche Zeitung: 5. September 2009: Schatzsucher: Die Gebrüder Sass. Verbuddelt im Grunewald

Literatur

  • Klaus Schönberger (Hg.): Vabanque. Bankraub, Theorie, Praxis, Geschichte; Berlin, Göttingen 2000
  • Ekkehard Schwerk: Die Meisterdiebe von Berlin: Die „goldenen Zwanziger“ der Gebrüder Sass; Berlin 1984

Weblinks


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