British-European-Airways-Flug 609

British-European-Airways-Flug 609
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British-European-Airways-Flug 609
Zusammenfassung
Datum 6. Februar 1958
Typ Abkommen von der Startbahn
Ort München-Riem
Getötete 23
Verletzte 21
Flugzeug
Flugzeugtyp Airspeed AS 57
Fluggesellschaft British European Airways
Kennzeichen G-ALZU
Passagiere 40
Besatzung 4
Überlebende 21
Airspeed Ambassador, 1965

British-European-Airways-Flug 609 war ein Charterflug der British European Airways von Belgrad über München nach Manchester. Nach dem Auftankstopp in München am 6. Februar 1958 kam das Flugzeug beim dritten Startversuch von der Startbahn ab und explodierte. Unter den Passagieren der Airspeed Ambassador G-ALZU („Lord Burghley“) des Typs „Elizabethan“ befanden sich die Fußballmannschaft Manchester United sowie Begleitpersonal, Fans und Sportjournalisten. Von 44 an Bord befindlichen Personen kamen 23 ums Leben, die anderen 21 wurden verletzt. Im englischen Sprachraum ist das Unglück vor allem als „Munich Air Disaster“ oder „Munich Air Crash“ bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Ablauf

Die zerstörte Airspeed Ambassador

Nach dem planmäßigen Auftankstopp auf dem Flughafen München-Riem stellte Flugkapitän James Thain mit Co-Pilot Ken Rayment während der ersten beiden Startversuche unregelmäßigen Ladedruck in beiden Motoren fest und brach beide Startversuche ab. Die Passagiere wurden daraufhin aufgefordert die Maschine zu verlassen und begaben sich in die Flughafen-Lounge. Bereits 15 Minuten später wurden sie jedoch in das Flugzeug zurückgeholt, da sich die beiden Piloten doch für einen letzten Startversuch ohne Neujustierung der Triebwerke entschieden.

Um 15:03 Uhr rollte das Flugzeug mit gleichmäßig laufenden Motoren erneut auf die Startbahn. Nachdem mit 117 Knoten die Geschwindigkeit erreicht war, ab der ein Start mangels verbleibender Bremsstrecke nicht mehr sicher abgebrochen werden konnte, fiel die Geschwindigkeit des Flugzeugs plötzlich auf 105 Knoten ab. Für einen sicheren Start wären 119 Knoten erforderlich gewesen.[1] Aufgrund der zum Abheben zu niedrigen Geschwindigkeit rutschte die AS 57 über das Landebahnende hinaus, durchbrach den Begrenzungszaun des Flughafens und streifte mit der linken Tragfläche ein nahestehendes Wohnhaus. Bei dieser Kollision wurde die Tragfläche mit dem Heck vom Rest des Flugzeugs abgerissen und das Haus geriet in Brand – die Bewohnerin überlebte mit ihren drei Kindern.

Im weiteren Verlauf stürzte das Cockpit gegen einen Baum und die Steuerbordseite des Rumpfs gegen eine Holzgarage, in der neben einem Lastwagen auch Benzin und Reifen gelagert waren. Durch den Aufprall wurde eine Explosion ausgelöst.

Hintergründe

Die Mannschaft von Manchester United war in ihrer Heimat unter dem Namen „Busby Babes“ bekannt, eine Anspielung auf ihren Trainer Matt Busby und den ungewöhnlich niedrigen Altersdurchschnitt der Spieler.

Der europäische Landesmeisterwettbewerb war im Vereinsfußball erstmals in der Saison 1955/56 ohne englische Beteiligung ausgetragen worden. Ein Jahr später war es Manchester United, das erstmals an diesem Turnier teilnahm, auf Anhieb das Halbfinale erreichte und dort am späteren Sieger Real Madrid scheiterte. Auch in der Spielzeit 1957/58 nahm die Mannschaft, die zum zweiten Male in Folge die englische Meisterschaft gewonnen hatte, am Europapokal der Landesmeister teil und zählte zu den Favoriten auf den Gewinn des stetig an Bedeutung gewinnenden Wettbewerbs. Die heimischen Ligaspiele wurden jeweils an einem Samstag ausgetragen und die Europapokalspiele fanden innerhalb der Woche statt. Obwohl der Flugverkehr zu dieser Zeit als riskant galt, bestand in diesem Reisevehikel die einzige praktische Lösung, damit die „Busby Babes“ beide Aufgaben miteinander kombinieren konnten. Bereits bei einem Spiel gegen Athletic Bilbao hatten die Spieler am eigenen Leib erfahren, mit welchen Widrigkeiten die Luftfahrt zu kämpfen hatte. So mussten die Kicker die Tragflächen der beiden gecharterten Flugzeuge eigenhändig vom Eis befreien, um diese flugtauglich zu machen.

Der Verein hatte ein Flugzeug gechartert, das die Mannschaft nach dem erfolgreichen Viertelfinalrückspiel bei dem jugoslawischen Klub Roter Stern Belgrad (United gewann durch das 3:3-Remis mit insgesamt 5:4 Toren nach Hin- und Rückspiel) nach Manchester zurückbringen sollte. Der Flug aus Belgrad fand mit einstündiger Verspätung statt – Johnny Berry hatte seinen Reisepass verlegt – und machte in München zum Zweck der Wiederbetankung eine Zwischenlandung.

Auswirkungen für Manchester United

Gedenkplakette am Old Trafford

Bei der Kollision starben sieben der Spieler sofort, Duncan Edwards erlag seinen Verletzungen am 21. Februar im Münchener Klinikum rechts der Isar, wo die Überlebenden von einem Team unter der Leitung von Georg Maurer betreut wurden. Johnny Berry und Jackie Blanchflower wurden so schwer verletzt, dass sie nie wieder spielen konnten. Matt Busby wurde schwer verletzt und musste für zwei Monate im Krankenhaus behandelt werden, vor seiner Genesung erhielt er zweimal die Krankensalbung.

Obwohl bereits öffentlich über das Ende des Vereins spekuliert wurde, spielte die geschwächte Mannschaft die Saison 1957/58 zu Ende. Co-Trainer Jimmy Murphy, der nicht nach Belgrad mitgereist war, da er zu dieser Zeit parallel die walisische Nationalmannschaft betreute, sprang als Cheftrainer ein und stellte eine Mannschaft zusammen, die hauptsächlich aus Ersatz- und Jugendspielern bestand. Diese United-Mannschaft besiegte im ersten Spiel nach der Katastrophe Sheffield Wednesday überraschend mit 3:0. Im Stadionheft zu der Begegnung waren dabei genau die Stellen, an denen normalerweise die United-Spieler aufgeführt wurden, mit Leerraum ausgefüllt.

Manchester United gewann nach dem Unglück in dieser Saison nur noch ein einziges Ligaspiel, wodurch sie auf den neunten Tabellenplatz abrutschten und ihre Titelchancen verloren. Trotzdem erreichten sie das Finale des FA Cups, wo sie 0:2 gegen die Bolton Wanderers verloren. Matt Busby übernahm in der folgenden Saison den Trainerposten und erstellte schließlich eine zweite Generation von „Busby Babes“, darunter George Best und Denis Law, die ein Jahrzehnt nach dem Unglück, gemeinsam mit den Überlebenden Bobby Charlton und Bill Foulkes, Europapokalsieger wurden.

Verantwortung

Nachrichtenaufnahmen des Unglücks

Nachdem zunächst menschliches Versagen des Piloten als Ursache für die Katastrophe ausgemacht worden war, wurde später bei der Rekonstruktion ermittelt, dass vielmehr der Schneematsch am Ende der Start- und Landebahn eine Verlangsamung verursacht und das Erreichen der sicheren Abhebegeschwindigkeit verhindert hatte. Während des Startvorgangs hatte das Flugzeug zunächst auf 117 Knoten (217 km/h) beschleunigt, erreichte dann aber auf dem Schneematsch nur noch eine Geschwindigkeit von 105 Knoten (194 km/h). Damit war das Flugzeug einerseits zu langsam für einen Flug, hatte andererseits aber auf der Startbahn auch nicht mehr den nötigen Platz, um den Startlauf abbrechen zu können. Flugzeuge mit Spornradfahrwerken hatten zwar aufgrund ihrer geometrischen Eigenschaften im Verhältnis zum Schwerpunkt normalerweise keine großen Probleme mit matschigen Oberflächen, neuere Typen wie die Ambassador mit einem Bugradfahrwerk (ein Bugrad vor und Haupträder hinter dem Schwerpunkt) wurden jedoch als anfällig eingeschätzt. Im Nachgang führte dies zu einer Diskussion über die zulässigen Schneemengen auf Start- und Landebahnen.

Trotz dieses Ergebnisses machte die Flughafenverwaltung, die für den Zustand der Start- und Landebahn verantwortlich war, aber über die Gefahr von Schneematsch für Flugzeuge wie die Ambassador keine Kenntnis besaß, den überlebenden Kapitän Thain für das Unglück verantwortlich. Ihm wurde zum Vorwurf gemacht, dass er die Tragflächen der Maschine nicht enteisen lassen hatte und daher die Verantwortung bei ihm alleine zu suchen war. Obwohl Zeugen dieser These widersprachen, stützte sich die Version der deutschen Behörde auf eine in zahlreichen Zeitungen veröffentlichte Fotografie, auf der scheinbar Schnee auf der Tragfläche zu sehen war. Als dann aber die Negative des Fotos untersucht wurden, konnte auf ihnen weder Eis noch Schnee entdeckt werden. Die Ermittlungen gegen Thain setzten sich bis 1968 fort, bevor er schließlich von den Vorwürfen vollständig freigesprochen wurde. Als offizielle Unfallursache gaben die britischen Behörden schließlich die Menge des schmelzenden Schnees auf der Startbahn an, die die Elizabethan daran hinderte, die erforderliche Abhebegeschwindigkeit zu erreichen. Thain, der kurz nach dem Unglück von der BEA entlassen worden war und nicht mehr in seinen Beruf zurückkehren konnte, zog sich zurück und widmete sich seiner Geflügelfarm in Berkshire. Im Alter von nur 53 Jahren starb er 1975 an einem Herzinfarkt.

Gedenken

Gedenkstein im Münchener Stadtteil Trudering
Gedenkuhr vor Old Trafford

Im Jahr 2004 hat die Stadt München am Absturzort 48.12583333333311.676819444444 im Stadtteil Trudering einen Gedenkstein errichtet, der ein Fußballfeld mit den Namen der Opfer zeigt. Entworfen und finanziert wurde der Gedenkstein von Manchester United. Die Plakette auf dem Stein ähnelt der, die in Manchester am Stadion Old Trafford angebracht ist.[2] Der Platz wurde am 28. April 2008 anlässlich des 50. Jahrestages des Unglücks zum Gedenken an die Opfer als Manchesterplatz benannt.[3]

Der in Manchester geborene Sänger Morrissey veröffentlichte 2004 "Munich Air Disaster, 1958" auf der B-Seite der Single "Irish Blood, English Heart".[4]

Todesopfer

Spieler von Manchester United

Weitere Opfer

  • Walter Crickmer – Vereinssekretär bei Manchester United
  • Bert Whalley – Chef-Assistent von Matt Busby
  • Tom Curry – Ausbilder bei Manchester United
  • Alf Clarke – Journalist des Manchester Evening Chronicles
  • Don Davies – Journalist des Manchester Guardians
  • George Follows – Journalist des Daily Heralds
  • Tom Jackson – Journalist der Manchester Evening News
  • Archie Ledbrooke – Journalist des Daily Mirrors
  • Henry Rose – Journalist des Daily Express'
  • Eric Thompson – Journalist der Daily Mail
  • Frank Swift – Journalist der News of the World, zudem ehemaliger englischer Nationaltorhüter und Spieler von Manchester City
  • Captain Kenneth „Ken“ Rayment – Britischer Kopilot (überlebte zunächst das Unglück, erlag aber drei Wochen später seinen zahlreichen Verletzungen, insbesondere seinen Kopfverletzungen)
  • Bela Miklos – Reisefachmann, der den Flug organisiert hatte
  • Willie Satinoff – Anhänger des Vereins, Rennbahnbesitzer und enger Freund von Matt Busby
  • Tom Cable – Flugbegleiter

Überlebende

Spieler von Manchester United

Sonstige Überlebende

  • Matt Busby – Trainer von Manchester United († 1994)
  • Frank Taylor – Journalist († 2002)
  • James Thain – Flugkapitän († 1975)
  • George (Bill) Rodgers – Funkoffizier († 1997)
  • Peter Howard – Fotograf († 1996)
  • Margaret Bellis – Flugbegleiterin († 1990er)
  • Ted Ellyard – Fotograf
  • Vera Lukić und Tochter Venona – Passagiere
  • Frau Miklos – Ehefrau von Bela Miklos
  • Nebojsa Bato Tomašević – Passagier

Quellen

Literatur

  • Ulrich von Berg: Von Babes und Engeln. In: 11 Freunde. Nr. 75 (Februar 2008), S. 32–49.
  • Michael Crick: Manchester United: The Betrayal of a Legend. Pan Books, 1990
  • Stanley Stewart: Flugkatastrophen, die die Welt bewegen. Bernard&Graefe Verlag, 1989

Weblinks

 Commons: British-European-Airways-Flug 609 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bericht beim Aviation Safety Network, mit kurzem Wochenschau-Bericht der Universal International News
  2. Der Manchester-United-Gedenkstein in der Denkmalliste der Landeshauptstadt München
  3. Artikel in der SZ Online Münchner Straßennamen - Von Stachus bis Manchesterplatz Seite 3, abgerufen am 6. Dezember 2010
  4. Irish Blood, English Heart (Single). Amazon.com. Abgerufen am 11 Oktober 2008.

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