Britische Unterhauswahlen 2005

Britische Unterhauswahlen 2005
Wahllokal in einer Bezirksbibliothek in Nord-Cambridge
Verhältnis der Stimmen (How you voted) und der Zusammensetzung des Parlamentes (What you got).

Die britischen Unterhauswahlen 2005 fanden am 5. Mai statt. Gewählt wurde in 646 (vorher 659) Wahlkreisen nach einem reinen Mehrheitswahlverfahren. In England und Nordirland fanden am gleichen Tag Lokalwahlen statt. Wahlgewinner war bei einer um 2,0 Prozentpunkte gesteigerten Wahlbeteiligung von 61,3 % die britische Labour Party, die mit 35,2 % der abgegebenen Stimmen aufgrund des bei den Unterhauswahlen geltenden einfachen Mehrheitswahlrechts erneut eine absolute Mehrheit der Sitze errang. Der bisherige Premierminister Tony Blair wurde damit in seinem Amt bestätigt:

Die Labour Party büßte bei ihrem historisch-statistischen Sieg – noch nie zuvor konnte Labour drei Wahlen in Folge gewinnen – allerdings (umgerechnet auf die neue Wahlkreiseinteilung) 47 Wahlkreise und damit Mandate im Unterhaus ein und kam auf 356 Sitze. Für den Sieg nötig waren 324 Sitze. Drei jüngere Minister des Blair-Kabinetts verloren ihre Unterhaussitze an die Konservativen: Schulminister Stephen Twigg in Enfield Southgate, Chris Leslie, Constitutional Affairs Minister, in Shipley und Gesundheitsministerin Melanie Johnson in Welwyn Hatfield. Der Konservativen Partei unter Herausforderer Michael Howard gelang es nicht, ihre Stimmenzahl signifikant zu steigern (32,3 % der Stimmen); allerdings gewann seine Partei 33 Sitze im Parlament dazu und kam damit auf 197 Mandate. Die Liberaldemokraten unter ihrem Vorsitzenden Charles Kennedy steigerten ihren Stimmenanteil mit 22,0 % deutlich, jedoch stieg die Zahl ihrer Mandate im Parlament lediglich von 51 auf voraussichtlich 62. Damit erreichten die Liberalen ihre höchste Zahl an Sitzen seit 1923.

Bei den kleineren Parteien ergaben sich leichte Gewinne von zwei Sitzen für die Scottish National Party (jetzt 6 Mandate) und der Verlust eines Mandates für die walisische Regionalpartei Plaid Cymru (jetzt noch 3 Mandate). Ein ehemaliger Labour-Abgeordneter errang in Wales gegen seine vormalige Partei ein Mandat als Unabhängiger. Dem ehemaligen Labour-Abgeordneten George Galloway gelang es mit einem sehr kämpferische Wahlkampf, in dessen Mittelpunkt die Ablehnung des Irakkriegs stand, im mehrheitlich von Einwanderern bevölkerten Londoner East End einen Sitz für die neu gegründete Partei Respect zu erlangen. Insgesamt waren im neuen Unterhaus drei unabhängige Abgeordnete vertreten, nachdem auch Richard Taylor von der Independent Kidderminster Hospital and Health Concern (IKKH) seinen Sitz verteidigt hatte. Diesen hatte er 2001 mit dem Protest gegen die beabsichtigte Teilschließung eines Krankenhauses im Wahlkreis Wyre Forest (bei Birmingham) gewonnen.

In Nordirland gelangen der radikal-protestantischen DUP unter dem Prediger Ian Paisley erhebliche Stimmen und Mandatsgewinne. Mit nunmehr 9 von 18 nordirischen Sitzen (+ 4) war die DUP die mit Abstand stärkste Kraft dort. Die andere protestantische Partei, die UUP des Friedensnobelpreisträgers David Trimble verlor fünf ihrer sechs Sitze, darunter den Wahlkreis von Trimble selbst. Auf katholischer Seite gewann lediglich der politische Arm der IRA, die Sinn Féin einen Sitz hinzu und stellte somit fünf Sitze. Die gemäßigte SDLP gewann weiterhin drei Wahlkreise.

Insgesamt wurden in Großbritannien mehr als 27 Millionen Stimmen abgegeben, die Wahlbeteiligung betrug damit 61,3 % und lag um 2,0 % höher als im Jahr 2001.

Inhaltsverzeichnis

Wahlergebnisse

Im Wahlkreis Staffordshire South konnte am landesweiten Wahltag nicht gewählt werden, da die Kandidatin der Liberaldemokraten nach Anmeldeschluss verstorben war. Die Wahl wurde am 23. Juni 2005 nachgeholt.

Karte mit den regionalen Mandatsträgern im Vereinigten Königreich. Die Farben zeigen die Parteizugehörigkeit
Partei Stimmen Sitze +/− Wähleranteil
in %
+/−
  Labour Party 9.556.183 356 − 47 35,2 − 5,5
  Conservative Party 8.772.598 198 + 33 32,3 + 0,6
  Liberal Democrats 5.982.045 62 + 11 22,0 + 3,7
  Democratic Unionist Party 241.856 9 + 4 0,9 + 0,2
  Scottish National Party 412,267 6 + 2 1,5 − 0,3
  Sinn Féin 174,530 5 + 1 0,6 − 0,1
  Plaid Cymru 174,838 3 − 1 0,6 − 0,1
  Social Democratic and Labour Party 125,626 3 0,5 − 0,1
  Parteiunabhängige Einzelpersönlichkeiten 1 + 1 0,7
  Ulster Unionist Party 127.314 1 − 5 0,5 − 0,3
  Respect 68,065 1 + 1 0,3 + 0,3
  Independent Kidderminster Hospital and Health Concern 18,739 1 0,1
  United Kingdom Independence Party 617,917 2,3 + 0,8
  Green Party of England and Wales 257.758 1,0 + 0,3
  British National Party 192.850 0,7 + 0,5
  Scottish Socialist Party 43.514 0,2 − 0,1
  Scottish Green Party 25.760 0,1 + 0,1
  Liberal Party 19.068 0,1
  Weitere Parteien

Wahldatum

Laut Gesetz wird das Datum des Wahltages nicht von vornherein festgelegt, so dass die amtierende Regierung die Wahl sehr kurzfristig und vor Ende der Amtszeit ankündigen kann. Am 5. April gab der Premierminister bekannt, dass die Wahlen am 5. Mai stattfinden werden und bat Königin Elisabeth II. um die Auflösung des Parlaments. Neuwahlen hätten spätestens im Juni 2006 stattfinden müssen. Es ist jedoch allgemein üblich, dass die amtierende Regierung bereits nach vier Jahren Neuwahlen ankündigt. Dies vor allem, wenn sie eine komfortable Mehrheit besitzt oder von einer wohlwollenden Grundstimmung in der Bevölkerung profitieren will.

Reduzierung der Sitze in Schottland

Die Anzahl der Wahlkreise in Schottland war für diese Wahl erstmals von 72 auf 59 reduziert worden. Schottland war bis dahin im Vergleich zu den übrigen Landesteilen stark übervertreten, um das Fehlen eines eigenen Parlaments zu kompensieren. Nach der Wiedereinführung des Schottischen Parlaments im Jahr 1999, das über zahlreiche regionale Kompetenzen verfügt, entfiel der Grund für die Sonderbehandlung. Ab 2005 wurden somit im ganzen Land die Wahlkreise gleichmäßig aufgrund der Bevölkerungszahl ermittelt.

Wahlanalyse

Laut BBC-Berichterstattung haben 22 % der Wahlberechtigten diesmal New Labour gewählt, was als relativer Anteil von 36 % in das Wahlergebnis eingeht. Dabei haben Briten diesmal Labour nicht wegen Tony Blair, sondern trotz Blair eine Mehrheit der Sitze geschenkt. Selbst 53 % der Labour-Wähler sagten laut Wahlumfrage, dass die Partei Blairs eine verringerte Mehrheit verdient habe und sie sie nur als kleineres Übel bevorzugten, weil die Alternativen noch fürchterlicher seien. Er selber gab zu, das Irakkriegsthema habe die Wählerschaft gespalten und am meisten zu den Sitzverlusten beigetragen. Die Liberaldemokraten (+ 11 Sitze) und Unabhängige (+ 2) konnten davon profitieren.

Als zweite große Wählerbewegung wurde die Abwanderung der jüngeren Wähler im Alter zwischen 18 und 34 Jahren weg von Labour hin zu den LibDems herausgearbeitet. Dies beruhte außer auf der umstrittenen Kriegsbeteiligungsfrage auf der Verärgerung über die stark gestiegenen Studiengebühren (Student Tuition Fees). Ebenso verlor die Labour Party wegen des Irakkrieges auch unter den britischen Muslimen, einer ihrer traditionellen Wählergruppen, an Zustimmung.

Als dritte Verschiebung gab es vor allem in London und im Südosten Englands eine Wählerwanderung, der vor allem die Tories ihren Zugewinn an 33 Wahlkreisen verdankten. Dennoch konnten diese unter ihrem Vorsitzenden Michael Howard auch zum zweiten Mal in Folge nicht signifikant über das desaströse Ergebnis der Unterhauswahlen von 1997 vorstoßen. Dies war auch der entscheidende Grund für die Ablösung Howards durch David Cameron.

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