Briganten

Briganten
Ungefähres Siedlungsgebiet der Briganten

Als Briganten, lateinisch und im Bretonischen Brigantes, wird ein loser Zusammenschluss keltischer Volksstämme bzw. wohl eher Volksgruppen im nordöstlichen Britannien bezeichnet. Sie siedelten in der Nähe von Eboracum (heute York), grob umschrieben in der Gegend zwischen den Flüssen Humber und Tyne. „Hauptstadt“ oder besser Verwaltungszentrum wurde nach der römischen Eroberung Isurium Brigantum, das heutige Aldborough. Sie sollen eine dem Walisischen verwandte Sprache gesprochen haben.

Von ihren weiter südlich lebenden keltischen Verwandten unterschieden sie sich, was archäologische Funde belegen, durch eine rustikalere, bäuerliche Kultur. Sie sind lose verwandt mit dem Volksstamm der Brigantier. Die Brigantier, lateinisch Brigantii, siedelten in Zentral-Rätien am Bodensee („Brigantinus Lakus“) auf dem Gebiet des heutigen österreichischen Vorarlbergs. Ob die Brigantier von Rätien aus nach Britannien oder umgekehrt die englischen Briganten ans Festland gezogen sind, lässt sich durch Quellen nicht eindeutig belegen. Beide Gruppen sollen jedoch als Zentralgottheit eine gewisse Brigid, lateinisch Brigantia, verehrt haben.

Alle Angaben über die Briganten, die über die archäologischen Funde hinausgehen, sind mit äußerster Vorsicht zu genießen, da sie nahezu ausschließlich auf Schilderungen römischer Historiker, vor allem Tacitus zurückgehen. Dieser verfasste in erster Linie politische Propaganda und taugt als Quelle eher für innerrömische ideologische Auseinandersetzungen um das Jahr 100. Es ist noch nicht einmal belegbar, ob die Brigantes sich selber so oder so ähnlich nannten, da die Römer die Neigung hatten, alles ihnen Unbekannte und Fremde zu latinisieren und sowohl sprachlich als auch ideologisch ihrem Weltbild anzupassen. Dies trifft in besonderem Maße auch auf die namengebende sogenannte „MuttergottheitBrigid oder Brigantia zu, deren Kult historisch nicht zweifelsfrei zu klären ist. Brica oder Briga soll im Sprachgebrauch keltischer, im Gebiet des späteren Galliens und Germaniens siedelnder Volksgruppen „Siedlung am Wasser“ geheißen haben, wie Sprachforscher durch Rückleitung feststellen konnten. Eine Schriftkultur der Brigantes ist nicht überliefert.

Der Begriff tritt ohne Keltenbezug im romanischen Sprachraum auch als Synonym für „Streuner“, „Obdachloser“ oder „Bettler“ (frz. brigants) und auch als Räuber, Bandit oder Rebell (Brigant von italienisch brigare, kämpfen, streiten), auf.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vor dem Einfall der Römer waren die Briganten die vorherrschende Volksgruppe im heutigen Nordostengland, allerdings keine indigene Bevölkerung in diesem Gebiet: Dies waren mutmaßlich wegen ihrer Körperbemalungen später von den Römern Pikten genannte vor-indoeuropäische Kulturen gewesen, die von den Briganten nach Norden gedrängt worden waren.

Die Briganten wurden im Jahr 43 n. Chr. von den Truppen des Kaisers Claudius besiegt, aber zunächst nicht besetzt und in die römische Provinz Britannia eingegliedert: Anders als andere keltische Stämme auf der Insel und vor allem auch die Pikten suchten die Briganten früh den politischen Ausgleich mit Rom als Verbündete, um die eigene Vormachtstellung nicht zu gefährden; so berichtet es zumindest Tacitus. Besonders hervor tat sich dabei die Fürstin Cartimandua, die Rivalitäten innerhalb der verschiedenen Gruppen der Briganten und anderer mit ihnen verbundener Volksgruppen geschickt auszunutzen wusste: Mit einem Trick lockte sie im Jahr 51 laut Tacitus den walisische Kelten im Kampf gegen die Römer anführenden General Caratacus in eine Falle und lieferte ihn den Römern aus. Das sicherte ihr die Wertschätzung des römischen Provinzstatthalters Publius Ostorius Scapula, der der innerhalb der Briganten-Föderation umstrittenen Cartimandua immer wieder mit Truppen zur Hilfe kam.

Erst als nach Cartimanduas Entmachtung um 70 die Aufstände einzelner Brigantenführer sich häuften, beendete Kaiser Vespasian den Sonderstatus der aus neun Machtzentren bestehenden Briganten-Föderation und ließ durch den Statthalter Gnaeus Iulius Agricola das Gebiet 79 endgültig in die römische Provinz Britannia eingliedern. In dieser Zeit bildete sich Isurium Brigantum als Verwaltungszentrum heraus. Die alten Forts der Briganten-Föderation wurden geschleift.

Im Verlauf des 2. Jahrhunderts kam es immer wieder zu Briganten-Aufständen, die jedoch von den Römern stets niedergeschlagen wurden, worauf römische Münzfunde aus dieser Zeit hinweisen. Der griechische Geograf Pausanias berichtet von der Unterdrückung und Vertreibung der Briganten vor allem unter Kaiser Antoninus Pius. Die Konföderation wurde endgültig zerschlagen und einzelne Stämme bzw. Gruppen zwangsumgesiedelt oder vertrieben. In dieser Zeit sollen einige Briganten-Gruppen nach Irland geflohen sein, wie ein Eintrag auf einer Landkarte des hellenischen Geographen und Kartologen Ptolemäus nahe legt. Ausgrabungen auf der südostirischen Insel Lambay Island, die der brigantischen Kultur zuzurechnende Artefakte aus dem späten 2. Jahrhundert zu Tage förderten, scheinen diese These zu bestätigen.

Als die Römer bis 410 aus Britannien nach und nach abzogen, fielen um 409 die nie völlig zurückgedrängten Pikten wiederholt in das Stammgebiet der Briganten ein, die aber mit Hilfe der Sachsen zurückgeworfen wurden. Später, als Sachsen und andere Germanen Britannien unterwarfen, zogen sich viele Briganten nach Norden zurück. Das Königreich Strathclyde soll auf sie zurückgehen.

Kultur der Briganten

Über die Kultur der Briganten ist wenig bekannt. Als Hauptgöttin der Briganten nennen die Quellen Brigantia (auch Brigid oder Brigindo). Sie soll Göttin des Heilens und der Fruchtbarkeit, aber auch des Krieges gewesen sein. Diese Annahmen sind jedoch reine Spekulation und weder durch Funde noch durch sonstige Quellen sicher belegt.

Es könnte auch sein, dass eine personalisierte Gottheit Brigantia eine für sie typische Erfindung der Römer ist, so wie sie auch das Glück als Fortuna oder gar Britannia selber als Gottheit verehrt und angebetet haben. Römische Inschriften aus der alten Briganten-Gegend kennen eine mit Victoria oder Minerva gleichgesetzte Gottheit Brigantia (eventuell die bei den Römern als Verbündete geachtete Cartimandua) , eine andere nennt eine Brigantia als Quellnymphe, was ebenfalls eine Übertragung eigener Religionsvorstellungen auf keltische Glaubensformen darstellt. Ob die in römischen Kreisen verkehrende Cartimandua und der nach Rom verbrachte und dort später als freier Mann lebende brigantische Rebell Caratacus Wissen um ihre Religion weiter gegeben haben, ist nicht überliefert. Vermutlich haben die römischen Besatzer, die den Religionen der von ihnen eroberten Kulturen in der Regel gleichgültig, aber tolerant gegenüber standen, die ihnen fremde Religion einfach nach ihrem Verständnis "zurechtgebogen".

Geht man von der Wortbedeutung briga oder brica = "Siedlung am Wasser" - eine bei keltischen Siedlungsgründungen in ganz Europa weit verbreitete Vorsilbe - aus, dann wären die Briganten einfach die "Siedler am Wasser" und Brigid die wie auch immer geartete Gottheit dieser Siedler, vermutlich eines Wasserheiligtums. Diese Interpretation ist die weiteste, die nach Quellenlage machbar ist. Alle weiteren Kenntnisse über angebliche Brigid-Kulte der Briganten sind durch die Brille der Römer, christlicher Missionare oder mystifizierender Neokelten gesehen oder gar bewusste Fälschungen.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Briganten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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