Brennerbasistunnel

Brennerbasistunnel
Erkundungstunnel bei Aicha

Als Brennerbasistunnel (BBT, manchmal auch Brenner-Basistunnel oder Brenner Basistunnel; (ital. Galleria di base del Brennero)) wird ein österreichisch-italienisches Gemeinschaftsprojekt zum Bau eines Eisenbahntunnels für gemischten Personen- und Güterverkehr unter dem Brennerpass bezeichnet. Der BBT soll die Alpen entlang der Achse MünchenVerona unterqueren und ist als Teil der insgesamt 2200 km langen Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsachse Berlin–Palermo im TEN-Programm der EU eingereiht. Mit einer Länge von 55 km zwischen Innsbruck und Franzensfeste gilt der Durchstich als künftiger zweitlängster Tunnel der Welt nach dem Gotthard-Basistunnel. Mit der bestehenden Eisenbahnumfahrung Innsbruck misst der BBT 64 km.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Erste Machbarkeitsstudien gehen auf das Jahr 1989 zurück.[1]

Am 10. April 1994 nimmt der EU-Rat von Essen den Ausbau der Brennerachse in die Liste der prioritären TEN-Projekte auf.

1999 gründen die Verkehrsminister Österreichs und Italiens eine Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung (EWIV) zur Projektierung des Brenner Basistunnels und die Planungsphase beginnt.

Am 30. April 2004 unterzeichneten die Verkehrsminister Österreichs und Italien, Hubert Gorbach und Pietro Lunardi in Wien einen Vertrag zum Bau des Tunnels.[1]

Am 16. Dezember 2004 wird die Errichtergesellschaft "Galleria di Base del Brennero - Brenner Basistunnel BBT SE" gegründet.

Am 12. Juli 2005 beschloss die österreichische Bundesregierung, 12,5 Prozent der geplanten Kosten für den Pilotstollen von 430 Millionen Euro zu übernehmen. Die Tiroler Landesregierung sagte zu, sich mit 54 Millionen Euro daran zu beteiligen. Die Schächte und Erkundungsstollen mit einer Gesamtlänge von 52 km sollten bis 2010 fertiggestellt werden. Die Inbetriebnahme des Fahrtunnels war zu diesem Zeitpunkt noch für 2015 geplant.[2] Ein 5,73 km Erkundungsstollen führt vom Nordportal bis in den Bereich der Überleitstelle Ahrntal, ein 12,82 km langer Stollen vom Überholbahnhof Steinach bis auf Höhe von Gries am Brenner. In Italien führt ein 23,75 km langer Stollen vom Brennerbad zunächst entlang der Tunnelachse (bis km 51,5) und von dort weiter bis Aicha an der Pustertalbahn. Die Stollen weisen einen Ausbruchsquerschnitt von 25 m² auf.[3]

Am 30. Juni 2006 erfolgte der symbolische Spatenstich und am 3. Dezember 2007 die erste Sprengung für einen Erkundungsstollen in Aicha.

Die Absicht zum Bau des Tunnels wurde mehrfach in zwischenstaatlichen Vereinbarungen zwischen Österreich und Italien bekräftigt, so am 15. Juli 2007 mit einem von den Infrastrukturministern Werner Faymann und Antonio Di Pietro in Wien unterzeichneten Memorandum. Die schwierige Frage der Finanzierung blieb dabei noch offen. Am 18. Mai 2009 unterzeichneten die Verkehrsminister von Österreich, Italien und Deutschland schließlich in Rom eine Grundsatzvereinbarung zum Bau des Brennerbasistunnels.[4]

Der Interministerieller Ausschuss für Wirtschaftsplanung (CIPE) genehmigt die Finanzierung des BBT in Italien am 18. November 2010.

Am 1. Februar 2011 beschloss der Ministerrat in Österreich die Finanzierung des Projekts mit rund 1,3 Mrd Euro bis 2016. Während dieser Zeit sollen die ersten Kilometer des Tunnels gebohrt und parallel dazu Erkundungsstollen für den Haupttunnel in den Berg getrieben werden. Ab 2016 soll dann mit Tunnelbohrmaschinen am Hauptteil (Ahrental - Trens) begonnen werden. Derzeit geplanter Fertigstellungstermin ist im Jahr 2025.[5]

Ausgangslage und Zielsetzung

Der Personen- und Güterverkehr über die Alpen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Im Güterbereich werden rund 40 % des Transitaufkommens des zentralen Alpenbogens über die Brennerachse abgewickelt, und zwar zu etwa drei Vierteln auf der Straße. 45 t Güter rollten 2010 über die Brennerautobahn. Seit langem kämpfen Anrainer für eine Entlastung von den starken damit verbundenen Emissionen. Der Bau eines Basistunnels wird von dessen Verfechtern als wichtige Voraussetzung einer Verlagerung des Transitgüterverkehrs von der Straße auf die Schiene betrachtet.

Die Eisenbahnstrecke von Innsbruck nach Bozen wurde in den Jahren 1860–1867 erbaut. Enge Kurvenradien und Steigungen bis 25 Promille erschweren den Betrieb. Bis zu zwei Lokomotiven sind zum Ziehen der Güterzüge und bis zu drei Loks zum Bremsen notwendig. Zwischen Innsbruck und Steinach verkehrten 2010 im Schnitt 242 Züge am Tag. Dadurch wird die Kapazitätsgrenze nahezu erreicht. Auf italienischer Seite fand in den letzten Jahren eine Optimierung der Bestandsstrecke statt, welche Ende 2008 abgeschlossen wurde und womit die Strecke theoretisch 240 Züge pro Tag aufnehmen kann. Die Steigungen wurden dadurch aber nicht wesentlich entschärft.

Auf der neuen Brennerbahn ist eine maximale Steigung von 12 Promille und im Basistunnel von 4-6 Promille geplant. Dadurch kann eine Lokomotive mehr als die doppelte Masse ziehen. Dank der Neubaustrecke (Basistunnel sowie neue Südzufahrt WaidbruckFranzensfeste) soll sich die Reisezeit von Innsbruck nach Bozen von heute gut zwei Stunden auf weniger als die Hälfte reduzieren.

Projekt

Haupttunnel

Der etwa 55 km lange, zweiröhrige Haupttunnel soll in Innsbruck-Wilten in den Berg eindringen und von dort auf einer Höhe von etwa 840 m ü. A. bei einer Gebirgsüberlagerung von bis zu 1800 m die Alpen unterqueren, bis die Strecke bei Franzensfeste in Südtirol wieder ans Tageslicht tritt. Da die neue Planung von einem zweiröhrigen Basistunnel ausgeht, kann die beim Bau des Inntaltunnels bereits vorbereitete Abzweigung nicht verwendet werden; stattdessen wird eine aufwendige Abzweigung mit mehreren Ästen geplant. Die Ausbruchsmenge an Gestein beim Bau des Tunnels wird auf 11,1 Mio. m³ geschätzt, wovon etwa 6,8 Mio. m³ in Österreich anfallen werden, da rund 60 % des Tunnels in Österreich liegen. Von der gesamten Ausbruchsmenge sollen 6 Mio. m³ als Schüttmaterial verwendet werden, 2,35 Mio. m³ sollen als Betonzuschlagstoff dienen und 2,75 Mio. m³ werden für Aufschüttungen und Rekultivierungen gebraucht. Die Haupttunnelröhren weisen einen kreisrunden Querschnitt mit einem Durchmesser von 9,6 m auf.

Nach derzeitiger Planung soll sich der Scheitelpunkt des Tunnels bei der Staatsgrenze auf einer Höhe von ca. 810 m ü. M. befinden. Ein Scheitelpunkt weiter im Süden hätte tiefer gelegt werden können. Der Staatsvertrag zwischen Österreich und Italien verlangt den Scheitelpunkt aber an der Stelle der Staatsgrenze. Als Begründung für diese Wahl des Scheitelpunkts wird angeführt, dass österreichisches Wasser im Tunnel nach Österreich und italienisches Wasser nach Italien laufen müsse. Auf österreichischer Seite erhält der Tunnel damit 7,4 Promille, auf italienischer Seite 5,0 Promille Steigung.

An drei Überleitstellen, die als Multifunktionsstellen bezeichnet werden, sollen Nothaltestellen mit Evakuierungsmöglichkeiten über die anschließenden Zugangsstollen angeordnet werden. Beim Tunnelkilometer 21 sollen ein Überholbahnhof, einschließlich eines Gleiswechsels zwischen den Streckengleisen, entstehen. Für die Überholgleise werden separate Röhren ausgebrochen. Am Tunnelportal bei Innsbruck sollen Überwerfungsbauwerke den Wechsel vom Rechtsverkehr (Österreich) auf Linksverkehr (Italien) vermitteln.[3]

Geologie

Seit dem Jahr 2000 werden vertiefte geologische und hydrogeologische Untersuchungen zur Erkundung des BBT durchgeführt. Das Projektgebiet wurde von den Universitäten Padua und Innsbruck gemeinsam mit der Geologischen Bundesanstalt geologisch und hydrogeologisch kartiert. Insgesamt wurden rund 150 geologische Erkundungsbohrungen durchgeführt; 25 Bohrungen mit mehr als 1.350 m Tiefe. Bisher wurden um die 30.000 lfm Gestein aus den Bohrungen gewonnen, viele Bohrkerne wurden im Versuchslabor untersucht. Zusätzliche Erkenntnisse zur Geologie und Hydrogeologie wird der Erkundungsstollen liefern, der seit Anfang 2008 vorgetrieben wird. Der parallele Verlauf zu den beiden Hauptröhren ermöglicht eine genaue Prognose für diese, vorhandene Unsicherheiten können so bereits vorab festgestellt und analysiert werden.

Hydrologie

Die Hydrogeologie stellt einen besonderen Schwerpunkt in der Planung und im Bau des Brennerbasistunnels dar. Die geplante Trasse des Tunnels durchquert die Einzugsgebiete zahlreicher Wasserquellen. Aufgrund des Vorprojekts von 2002 wurde befürchtet, dass durch die Bohrungen mehrere Quellen versiegen oder vermindert Wasser liefern könnten. In Österreich gehört zu den möglicherweise gefährdeten Quellen jene von Vals, welche rund 60 % der ansässigen Bevölkerung versorgt.

Um den Wasserhaushalt zu untersuchen, werden seit über sechs Jahren Quellen, Brunnen und Gewässer im gesamten Projektgebiet periodisch gemessen; derzeit sind ca. 1000 Messorte vorhanden. Alle vier Wochen wird im Zuge der wasserwirtschaftlichen Beweissicherung die Wassermenge, die Wassertemperatur und die Leitfähigkeit des Wassers untersucht. Mit Hilfe der Bohrlöcher konnte die Wasserdurchlässigkeit der Gesteine auch auf Tunnelniveau ermittelt werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden als Hinweis gewertet, dass die geologischen Verhältnisse speziell in den schwierigen Zonen günstiger seien als im Vorprojekt angenommen. Das gesamte Monitoring Programm über den Wasserhaushalt soll über die gesamte Bauzeit weiter fortgeführt werden.

Finanzierung

Die prognostizierten Gesamtkosten zum 1. Januar 2010 betragen 8,062 Mrd. Euro. Darin sind neben den Baukosten, der Bahntechnik, Studien, Planungen und Projektmanagement auch über eine Milliarde Euro für Risiken berücksichtigt.

Die Kosten werden von Österreich und Italien jeweils zur Hälfte getragen. Am 18. November 2010 hat Italien den CIPE-Beschluss für das Projekt Brennerbasistunnel gefasst und 4,6 Mrd. Euro genehmigt. Österreich hat am 1. Februar 2011 den Rahmenplan Infrastruktur verabschiedet und dort 5,2 Mrd. Euro für das Projekt Brennerbasistunnel vorgesehen. Seitens der Regierungen in Wien und Rom ist damit die Finanzierung gesichert. Bis 2011 hat die EU 50% der Planungskosten und der Baukosten des Erkundungsstollens übernommen. Auf Österreich und Italien fielen somit je 25 % der Ausgaben. Für die Hauptbaumaßnahmen (Phase III) wird ein EU-Beitrag in Höhe von 27 % erwartet. Das Land Tirol leistet einen Kostenbeitrag in Höhe von 190 Millionen Euro.

Mitte 2006 lagen die geschätzten Kosten zwischen 4,5 und 12 Milliarden Euro. Davon sollte die EU höchstens 900 Millionen Euro übernehmen.[3]

Zulaufstrecken

Nördliche Zulaufstrecke

Bahnanlagen im Raum Innsbruck
BBT Erkundungsstollen in der Innsbrucker Sillschlucht am 18. April 2011 dem Tag des Beginns der Hauptbauphase III
Fertiger Rohbau einer Galerie der neuen Unterinntalbahn

Der BBT weist im Norden zwei Zulaufstrecken auf, die einige Kilometer vor dem Einmünden in den Haupttunnel bereits unterirdisch verlaufen und ebenfalls im Zuge des Brennerbasistunnelbaus errichtet werden müssen. Die eine Strecke führt ab dem Hauptbahnhof Innsbruck am Bergisel unterirdisch zum BBT, und die andere ist eine Umgehungsstrecke von Innsbruck. Diese ist mit acht Tunnelkilometern etwas länger als die Verbindungsstrecke vom Hauptbahnhof. Mit dieser eingerechnet wird der BBT mit 62,7 km der längste durchgehende Eisenbahntunnel der Welt sein. Werden jedoch auch beim Gotthard-Basistunnel die Zugangsstrecken in der Variante Berg lang und dem Axentunnel hinzugerechnet, wäre dieser mit insgesamt 75 km Länge wiederum der längste Tunnel der Welt – diese beiden Projekte sind derzeit allerdings sistiert und die Realisierung nicht gesichert.

Der Nordzulauf von München bis Innsbruck beträgt über die Route GrafingRosenheim–Kufstein 165 km. Ideen, den Fernverkehr zwischen München und Innsbruck auf eine direktere Route zu verlegen und beispielsweise über Garmisch-Partenkirchen, Mittenwald und Seefeld zu führen, wurden nicht weiterverfolgt, obwohl die Strecke München–Innsbruck dadurch auf 129 km verkürzt werden könnte.

In Österreich ist der Bau einer zweiten Doppelspur der Unterinntalbahn zur Entlastung des Abschnittes KundlBaumkirchen im Gang. Die Neubaustrecke soll auf etwa 37 km unterirdisch verlaufen und bis Ende 2011 fertig gestellt werden. Ob dieser Ausbau nur zusammen mit dem BBT seinen vollen Nutzen entfalten kann, oder ob er bereits durch die Überlagerung der bestehenden Brennerachse mit dem innerösterreischischen Ost-West-Schienenverkehr gerechtfertigt ist, bleibt umstritten.

Ebenfalls vierspurig ausgebaut wurde auf deutscher Seite der Abschnitt zwischen München und Grafing, wodurch die Züge der Münchener S-Bahn vom Fernverkehr getrennt werden konnten. Letzterer verfügt damit über eine Kapazität von 275 Zügen pro Tag. Für den bayerischen Teil der Inntaltrasse gibt es noch keine Ausbauplanungen. Der damalige deutsche Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee sagte auch bei der Unterzeichnung der Grundsatzvereinbarung am 18. Mai 2009 lediglich vage zu, „gegebenenfalls“ für einen Ausbau zu sorgen. Dieser würde davon abhängig gemacht, ob nach der Realisierung des BBT das Verkehrsaufkommen tatsächlich deutlich steige.[4]

In Österreich wurde zur Errichtung der notwendigen Infrastruktur bereits 1996 die Brenner Eisenbahn GmbH (BEG) gegründet, die derzeit die Bautätigkeiten im Abschnitt Kundl — Baumkirchen durchführt. Bis 2011 soll dieser Abschnitt fertig sein; die Strecke von Baumkirchen bis Radfeld (Verknüpfungsstelle Wörgl Radfeld) wird dann viergleisig, der Abschnitt Wörgl Radfeld über Wörgl Kundl bis Wörgl Terminal Süd (vorerst) dreigleisig und der Abschnitt Wörgl Terminal Süd bis Wörgl Hauptbahnhof viergleisig ausgebaut sein. Zwischen Wörgl Kundl und Wörgl Hbf ist die Strecke bereits heute drei- bzw viergleisig. In Wörgl Hbf zweigt die Strecke nach Salzburg bzw. Graz und Klagenfurt (Giselabahn als Teil der Österreichischen Westbahn) ab, weswegen die Strecke von Wörgl über Kufstein und Rosenheim nach München deutlich entlastet ist. Mit Inbetriebnahme des zweigleisigen Neubauabschnittes Radfeld–Verknüpfungsstelle Wörgl Schaftenau–Brannenburg (ca. 2016) bestehen im Raum Wörgl dann bis zu sechs parallele Gleise; Wörgl wird als größter Eisenbahnknotenpunkt mit Traktionsstandort und Werkstätten an der Neubaustrecke auf beiden Seiten angebunden.

Südliche Zulaufstrecke

Südzulauf
Legende
   
von Innsbruck Hbf
Tunnel – Ende
Brennerbasistunnel Südportal
Abzweig – in Gegenrichtung: nach links
Brennerbahn von Brenner/Brennero
Bahnhof, Station
Franzensfeste/Fortezza
Abzweig – in Fahrtrichtung: nach links
Brennerbahn nach Brixen/Bressanone
Tunnel
Brücke über Wasserlauf (groß)
Eisackbrücke
Planfreie Kreuzung – oben
Brennerbahn
Tunnel – Anfang
   
Ausfahrt nach Waidbruck/Ponte Gardena
   
Verbindung zum Kardauntunnel
Tunnel – Ende
Abzweig – in Gegenrichtung: nach links
Brennerbahn von Bozen/Bolzano
Strecke – geradeaus
Brennerbahn nach Verona PN

Die südliche Zulaufstrecke des BBT soll 189 km lang werden und vom Südportal des Tunnels in Franzensfeste bis Verona reichen. Für einzelne Streckenabschnitte liegen erste Planungsunterlagen vor, so etwa für die Teilstrecke Franzensfeste–Waidbruck oder die Umfahrung Bozen. Die italienische Regierung veranschlagt für die gesamte Südstrecke ca. 6 Mrd. Euro an Baukosten. Kritiker halten diese Schätzung für allzu optimistisch und befürchten, dass die Pläne an den zu hohen Baukosten scheitern werden.

Meinungen

Kritische Stimmen

Einige Bürgerinitiativen in Nord- und Südtirol sind gegenüber dem BBT kritisch eingestellt. Sie argumentieren, dass es keinerlei Garantien gäbe, dass der Schwerverkehr auch tatsächlich von der Straße auf die Schiene verlagert werde und der Tunnel nicht zur Geld verbrennenden Bauruine werde, und fordern als ersten und wichtigsten Schritt die Einführung von Beschränkungen für den Straßentransit, etwa im Rahmen einer Alpentransitbörse.

Das Institut für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien kommt in einer im Mai 2006 veröffentlichten Studie zum Schluss, dass das Projekt des Brennerbasistunnels auf falschen Verkehrsannahmen und Kostenschätzungen basiere und der Bau keinerlei Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene zur Folge habe.[6][7] Die zweifelhafte Wirtschaftlichkeit der Projekts schwäche die Position der Bahn gegenüber der Straße und entziehe nur sinnvolleren Infrastrukturprojekten Geld, so die von Prof. Sebastian Kummer, Philipp Nagl und Jan-Philipp Schlaak erstellte Studie. Ähnliche Bedenken zur Wirtschaftlichkeit des Brennerbasistunnels äußerten Prof. Hermann Knoflacher von der Technischen Universität Wien[8] sowie – in einer Studie vom Juni 2006 – die Münchener Verkehrsberater Vieregg und Rössler (Vieregg-Rössler GmbH). In einer Erklärung zu dieser Studie schloss sich die Deutsche Bahn den Kritikern des Vorhabens an.

Für die Kritiker verläuft die Trasse des BBT in einer Zone mit extrem schwierigen geologischen Verhältnissen, der so genannten Periadriatischen Naht. Die Naht stellt die plattentektonische Grenze zwischen der Europäischen- und der Adriatischen Platte dar. Täler wie auch tiefliegende Pässe – der Brennerpass ist der niedrigste Pass des Alpenhauptkamms in den Zentralalpen – hätten sich immer dort ausgebildet, wo weiches, wasserführendes Gestein vorhanden sei und wo mehrere geologische Schichten aufeinanderträfen. Eine solche Beschaffenheit des Gesteins sei aber für einen Tunnelbau äußerst ungünstig.

Allerdings stößt die Leistungsfähigkeit der Strecke durch den geplanten Mischbetrieb von Personen- und Güterzügen an eine prinzipielle Grenze. Je größer der Geschwindigkeitsunterschied zwischen dem schnellsten und langsamsten Zug ist, umso weniger Züge können die Strecke je Stunde befahren. Ein wesentlicher Teil der Streckenkapazität geht somit von vornherein verloren. Neuere Analysen kommen zum Schluss, dass ein Wiederaufschwung des Schienengüterverkehrs (neben organisatorischen Maßnahmen) auch getrennte Infrastrukturen für Güter- und Personenverkehr entlang der wichtigsten Hauptachsen voraussetzen würde.[9]

Brenner Corridor Platform

Im Rahmen der Brenner Corridor Platform (BCP) werden zwischen den Ländern Bayern, Nordtirol, Südtirol, Trentino und Verona, den drei Infrastrukturministerien in Berlin, Wien und Rom, den drei Betreibergesellschaften DB, ÖBB und RFI gemeinsam mit der BBT SE unter dem Vorsitz der Europäischen Union in neun Arbeitsgruppen Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssituation im Raum München–Verona erarbeitet. Im Juli 2008 wird in Brüssel vom ehemaligen TEN-Koordinator Karel van Miert ein entsprechender Aktionsplan vorgestellt. Berücksichtigt werden in den Arbeitsgruppen unter anderem die Optimierung der Bestandsstrecke, die Querfinanzierung Straße–Schiene, die Untersuchung des Verkehrsraumes, die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene und die entsprechende Organisation von Verladeterminals.

Siehe auch

Literatur

  • Jutta Kußtatscher (Hrsg.): Tunnelblick. Der Brennerbasistunnel. Fakten – Argumente – Meinungen. 1. Auflage. Studien Verlag, Innsbruck 2007, ISBN 978-3706544993
  • Gerd Millmann: Das Milliardengrab am Brenner. In: DIE ZEIT Nr. 15 vom 3. Apr. 2008, S. 13
  • Konrad Bergmeister: Brenner Basistunnel – Lebensräume und Verkehrswege. 1. Auflage, Tappeiner, Innsbruck 2008

Weblinks

 Commons: Brenner Basistunnel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Meldung Brenner-Basistunnel. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 6/2004, ISSN 1421-2811, S. 270.
  2. Meldung Pilotstollen für Brenner-Basistunnel. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 10/2005, S. 483.
  3. a b c Helmut Petrovitsch: Erkundungsstollen für den Brenner-Basistunnel. In: Eisenbahn-Revue International. Heft 8–9/2006, ISSN 1421-2811, S. 396.
  4. a b Stefan Menzel, Peter Thelen
  5. http://tirol.orf.at/stories/496375/
  6. Sebastian Kummer, Philipp Nagl und Jan-Philipp Schlaak: Die Effizienz von Schieneninfrastrukturbauvorhaben am Beispiel des Brennerbasistunnels. Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 77/2 (2006).
  7. Sebastian Kummer, Philipp Nagl und Jan-Philipp Schlaak: Überlegungen zur Effizienz des Brennerbasistunnels. Österreichische Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 53/2 (2006), 6-21.
  8. Vortrag von Prof. Knoflacher zum Thema Brennerbasistunnel, Sterzing (17. April 2007)
  9. vgl. Eufranet, NewOpera: TRKC, Website, Präsentation Castagnetti (2,5 MB)

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