Bremer Presse

Bremer Presse

Die Bremer Presse war eine Privatpresse in Bremen, später in Bad Tölz und München, die sich von 1911 bis 1934 der Herstellung bibliophiler Handpressendrucke in bestmöglicher Ausstattung und Verarbeitung widmete. Stilistisch an den Leistungen der englischen Doves Press orientiert, traf sie über lange Zeit den Geschmack ihres Publikums. Sie gilt als erfolgreichste deutsche Privatpresse und hat die deutsche Buchkunst stilistisch stark geprägt. Drucke der Bremer Presse sind heute gesuchte antiquarische Kostbarkeiten.

Inhaltsverzeichnis

Gründung und Programm

Im Zuge der aufkeimenden Buchkunstbewegung in Deutschland kam Rudolf Alexander Schröder auf die Idee, dem herzkranken Bankierssohn Ludwig Wolde die Gründung einer bibliophilen Privatpresse zu empfehlen. Und so begann Ludwig Wolde zusammen mit seinem Schulfreund Willy Wiegand in Bremen, zunächst unter der Anleitung eines sogenannten „Schweizerdegens“, mit ersten Versuchsdrucken. Die erste Werkstatt wurde in einem Landhaus der Familie Wolde in dem Bremer Vorort St. Magnus (Haus Schotteck) eingerichtet und im Herbst des Jahres 1911 in die Schillerstraße 31 in Bremen verlegt, wo sie zunächst als Bremer Buchwerkstätten firmierte. Mitgründer waren Rudolf Alexander Schröder, Rudolf Borchardt, Hugo von Hofmannsthal und der Bremer Sammler und Buchliebhaber Leopold Otto Heinrich Biermann. Laut dem von Schröder verfassten Gründungsmanifest sollten jährlich eine beschränkte Anzahl schöner Bücher in einer Auflage von bis zu 250 Exemplaren erscheinen. Satz, Druck und Einband sollten handwerklich in einer eigenen Werkstatt besorgt werden. Ihr Programm war bewusst bibliophil, hatte wissenschaftlichen Anspruch und sollte sich auf ältere Texte für ein kunstinteressiertes Publikum beschränken.

Geschichte bis zur Einstellung der Presse

Der Erste Weltkrieg unterbrach die Arbeit der Bremer Presse, die mit ihrem ersten Druck von Hofmannsthals Die Wege und die Begegnungen im Jahre 1913 begonnen hatte. Der darauf folgende Tacitus wurde im Jahr 1914 fertiggestellt, konnte aber erst nach dem Krieg ausgeliefert werden. Während des Ersten Weltkrieges zog die Werkstatt in das heute noch existierende ehemalige Landhaus von Thomas Mann in der Heißstraße 31, Bad Tölz, wo sie die Arbeit im Jahr 1919 wieder aufnahm. Allerdings war das Landhaus für die Werkstatt auf Dauer zu klein. Um der beengten räumlichen Situation zu entkommen und Nähe zu einer Universität herzustellen, wurde der Betrieb Ende 1920 erneut verlegt, diesmal in ein Atelierhaus in der Münchener Georgenstraße 16a. Dieses Haus diente einige Zeit zuvor Anton Ažbe als Malschule; hier studierte unter anderem Kandinsky. Die Bremer Presse entwickelte hier ihre Haupttätigkeit. Die gewandelte soziale Realität und zunehmenden wirtschaftlichen Probleme in der Nachkriegszeit führten zu einer Abkehr von der bisher verfolgten Vertriebspolitik. Den Vertrieb der bibliophilen Kleinserien übernahm nun der Rowohlt Verlag. Der Presse wurde 1922 der Verlag der Bremer Presse angegliedert, der in Textauswahl und Ausstattung den Grundsätzen der Bremer Presse treu blieb, das Programm jedoch erweiterte, um einen größeren Leserkreis zu erreichen und die Typen und Ideen der Bremer Presse weiter zu popularisieren. Bereits zu Beginn der Dreißigerjahre zeichnete sich ab, dass die Bremer Presse nicht mehr rentabel arbeiten konnte. In den Jahren 1930–1934 erschienen nur noch 5 Bände der Bremer Presse, alle anderen Veröffentlichungen waren Auftragsdrucke wie sie schon vor dieser Zeit aufgelegt wurden (zum Beispiel die Drucke der Marées Gesellschaft oder die Edition Lacensis – nach der Abtei Maria Laach – des Missale Romanum aus 1931). Das letzte offizielle Werk der Privatpresse, Andreas Vesals Icones anatomicae, erschien im Jahr 1934. 1935 wurde das Unternehmen liquidiert, die bestehenden Vertragsaufträge wurden zum Großteil von dem von Ludwig Roselius gegründeten Angelsachsen-Verlag übernommen. Wiegand bearbeitete bis 1939 noch einige Auftragsdrucke in der Werkstatt der Bremer Presse. Auch der Verlag der Bremer Presse wurde aufgelöst und seine Restbestände in einem Berliner Warenhaus veräußert. Das Atelierhaus in der Georgestraße mit seinem reichhaltigen Archiv fing während eines Bombenangriffs am 13. Juli 1944 Feuer und brannte nieder.

Der Verlag der Bremer Presse

Der 1922 von Hugo von Hofmannsthal angekündigte Verlag hatte zum Ziel die Arbeit der Bremer Presse zu ergänzen und ein ökonomisches Standbein für die Bremer Presse zu werden. Bei der Gestaltung der Drucke wurde auf die Typen der Bremer Presse zurückgegriffen, die Titel und Initialen wurden weiterhin von den Mitarbeitern der Presse entworfen. Im Unterschied wurden diese Gebrauchsbücher auf der Schnellpresse gedruckt. Das literarische Programm wurde zuerst von Wolde geleitet, auch die weiteren Unterzeichner der Gründungsakte sagten ihre Mitarbeit zu. So wurden weitere Werke der lateinischen und griechischen Literatur, der Lyrik des Mittelalters, der deutschen, französischen, englischen und italienischen oder orientalischen Literatur in Urtext oder Übersetzung ausgewählt. Die Übersetzungen wurden unter anderem von Rudolf Borchardt und Rudolf Alexander Schröder geliefert. Es sollten jährlich 20 Werke zu einem Preis von 10 bis 20 Mark erscheinen. Einige der herausgegebenen Drucke wurden auf Büttenpapier auf der Handpresse gedruckt. In dem Verlag erschienen auch die Zeitschriften Neue Deutschen Beiträge und die Corona.

Die künstlerischen Mitarbeiter

Willy Wiegand oblag die künstlerische Leitung der Presse. Die literarische Leitung hatte bis zu seinem Ausscheiden 1922 Ludwig Wolde inne, es folgten an seiner Stelle ein Lektoren-Kuratorium: Hofmannsthal, Schröder und Borchardt, die ebenfalls die Überwachung des Verlagsprogramms übernahmen. Am Anfang der Presse war der Setzer Franz Voßwinkel an den ersten Drucken beteiligt, allerdings starb er im Ersten Weltkrieg. Initialen und Titelholzschnitte wurden anfangs von Rudolf Alexander Schröder besorgt, nach dem Esten Weltkrieg wurden über 1.400 davon von der Schriftkünstlerin Anna Simons, später unterstützt von ihrer Assistentin Franziska Kobell, entworfen, und von Josef Lehnacker in Buchsbaumholz geschnitten. Fast alle Einbände der Drucke wurden von Frieda Thiersch besorgt, deren Werkstatt sich ebenfalls in der Georgenstraße 16a befand.

Schriftschöpfungen

Die Schriften wurden alle von Willy Wiegand gezeichnet, von Louis Hoell geschnitten und in der Bauerschen Gießerei in Frankfurt am Main für den Handsatz gegossen. Die erste entworfene Antiqua orientierte sich an den Inkunabeln von Adolf Rusch und Johann von Speyer. Die 16-Punkt-Antiqua wurde bei den ersten Drucken der Bremer Presse und deren Ankündigung verwendet. Es gab sogar mehrere Varianten eines einzelnen Buchstabens, um die Zeilen gleichmäßig auszuschießen. Dieses Prinzip wurde ebenfalls für die nächsten Schriften angewandt. Ebenso wurde für das gleichmäßige Verteilen Zeichenabstände und Wortzwischenräume Papierspazien verwendet. Für die folgende Drucke wurden zwei kleinere Antiquaschnitte in 12 Punkt und 11 Punkt entworfen. Für die fünfbändige Lutherbibel 1926 wurde eine Fraktur entworfen. Schließlich waren für die Originalsetzung der Ilias eine Graeca vonnöten, so entstand die sogenannte Homer-Type der Bremer Presse, die ebenfalls für den Prometheus verwendet wurde, einer der wenigen illustrierten Drucke der Bremer Presse. Für den Auftragsdruck des Missale Romanum, das auf der Schnellpresse gedruckt wurde, schuf Willy Wiegand die Liturgica der Bremer Presse, von der vier Schriftgrößen geschnitten wurden.

Handpressendrucke und ihre Besonderheiten

Für die Bemühungen um das schöne Buch profitierten die Drucke neben ihrer hochqualitativen Schrift- und Satzgestaltung auch in der Verwendung von handgeschöpften Papier, das zuerst von der Firma van Gelder aus Holland, danach von J. W. Zanders in Bergisch-Gladbach mit dem Wasserzeichen der Presse geliefert wurde. Gelegentlich wurde auch Pergament bedruckt. Die akribisch durchdachten Handeinbände von Frieda Thiersch sind weitere typische Kennzeichen der Bremer Presse. Ihre Drucke waren die einzigen, die neben der Cranach-Presse ernstlich Weltrang erreicht haben, sie sind im Vergleich zur Cranach-Presse eher von Einfachheit und Ausgewogenheit, man kann auch sagen von Gleichförmigkeit geprägt, da sie – mit ganz wenigen Ausnahmen – nicht illustriert sind und meist die gleichen Schriften verwenden. Der erste Druck war ein Duodez-Format, das allerdings ein Unikum bleiben sollte. Die üblicheren Formate waren von da an Großoktav, Quart und Folio. Die einzelnen Drucke im zeitlichen Überblick:

Versuchsdrucke: a) Die Wege und die Begegnungen von Hugo von Hofmannsthal b) Prolog von Rudolf Alexander Schröder c) Agricola von Tacitus d) Bibliotheksverzeichnis e) Achilleis von Goethe

  • 1913: Hugo von Hofmannsthal: Die Wege und die Begegnungen. Erster veröffentlichter Druck der Bremer Presse
  • 1914: De situ moribus et populis Germaniae que fertur libellus von Publius Cornelius Tacitus
  • 1919: Ödipus der Tyrann von Sophokles
  • 1919: Robert Guiskard, Herzog der Nordmänner von Heinrich von Kleist
  • 1920: Albii Tibulli elegiae
  • 1920: The essays of Fracis Bacon
  • 1920: Urfaust von Johann Wolfgang von Goethe
  • 1920: Ritter Gluck von E.T.A. Hoffmann (Druck der Marées-Gesellschaft)
  • 1921: Chansons d’amour. Ausgewählt und herausgegeben von Josef Hofmiller
  • 1921: La Divina Comedia von Dante
  • 1922: Reden an die Deutsche Nation von Fichte
  • 1922: Iphigenie auf Tauris von Johann Wolfgang von Goethe
  • 1922: Lieder der deutschen Mystik. Ausgewählt und herausgegeben von Josef Bernhart
  • 1922: Lieder der Sappho
  • 1923: Ilias von Homer
  • 1924: Odyssee von Homer
  • 1925: De civitate Dei von Augustinus
  • 1925: Widmungen und Opfer. Gedichte von Rudolf Alexander Schröder
  • 1925: Grundlegung zur Metaphysik von Immanuel Kant
  • 1926: Prometheus von Aischylos. Illustrierter Druck von Ludwig von Hoffmann
  • 1926: Odysse von Homer. Vosssche Übersetzung.
  • 1926–1929: Luther-Bibel in fünf Bänden (Bd. 1: Fünf Bücher Mose; Bd. 2: Die historischen Bücher des AT; Bd. 3: Die poetischen Bücher und die Apokryphen; Bd. 4: Die Propheten; Bd. 5: Das Neue Testament)
  • 1929: Der Psalter von Martin Luther
  • 1929: Die Verfassung des Deutschen Reichs
  • 1929: Nature von Ralph Waldo Emerson
  • 1929: Gedichte von Geerten Gossaert
  • 1929: Pensées von Blaise Pascal
  • 1930: Ballads and Songs of Love. Ausgewählt von Josef Hofmiller
  • 1931: Sonnets. Herausgegeben von Josef Hofmiller und Robert Spindler
  • 1931: Gedichte von Walter von der Vogelweide. Herausgegeben von Karl von Kraus
  • 1931: Réflexions et Maximes von La Rochefoucauld, Vauvenargues und Chamfort
  • 1931: Missale Romanum (Auftragsdruck in Zusammenarbeit mit dem Herder Verlag)
  • 1931: Ausgewählte Gedichte aus den Jahren 1902–1917 von Rainer Maria Rilke (Privatdruck)
  • 1934: Humani corporis fabrica Vesalius

Literatur

  • Bernhard Zeller und Werner Volke (Hrsg.): Buchkunst und Dichtung: zur Geschichte der Bremer Presse und der Corona; Texte und Dokumente. Bayerische Akademie der Schönen Künste, München 1966
  • Josef Lehnacker: Die Bremer Presse. Königin der deutschen Privatpressen. Typographische Gesellschaft, München 1964
  • Heinrich Bachmair: Die Bremer Presse. In: Gutenbergjahrbuch 1950. S. 336–344

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Bremer Presse — Bremer Presse,   deutsche Privatpresse, 1911 in Bremen von L. Wolde und W. Wiegand gegründet. Die Bremer Presse zog 1919 nach Bad Tölz, 1921 nach München und erlosch 1934. Die im Handsatz und auf der Handpresse hergestellten Bücher gehören zu den …   Universal-Lexikon

  • Bremer Presse-Club — Der Bremer Presse Club wurde 1971 in Bremen als gemeinnütziger Verein gegründet. Geschichte Eingang zum Bremer Presse Club Der Bremer Kaufmann Waldemar Koch, Senior der Firma Schmidt + Koch und seine Frau Louise stifteten 1971 durch die Waldemar… …   Deutsch Wikipedia

  • Bremer — bezeichnet: einen Einwohner der deutschen Stadt Bremen oder des Landes Freie Hansestadt Bremen ein Burger mit Fisch statt Fleisch (als Pendant zum Hamburger) ein County in Iowa, Vereinigte Staaten, siehe Bremer County umgangssprachlich die… …   Deutsch Wikipedia

  • Bremer Zeitungswesen — Die Bremer Zeitungen erschienen seit dem 17. Jahrhundert zumeist regelmäßig. In chronologischer Folge wird die Herausgabe von periodisch erscheinenden Zeitungen in Bremen und Bremerhaven sowie im Bremer Territorium bei einem Bezug auf Bremen …   Deutsch Wikipedia

  • Bremer Verlagswesen — Das Bremer Verlagswesen ist der wirtschaftliche Sektor der Bremer Medien Unternehmen, welche Werke aus Literatur und Wissenschaft sowie Zeitungen und Zeitschriften als Verleger oder in einem Verlagssystem in und um Bremen und Bremerhaven… …   Deutsch Wikipedia

  • Bremer Tageszeitungen AG — mit Weser Kurier und Bremer Nachrichten und Verdener Nachrichten Beschreibung Bremer Tageszeitungen Verlag Bremer Tageszeitungen AG Erstausgabe 14. Januar& …   Deutsch Wikipedia

  • Presse und Sprache — (Deutsch als Fremdsprache) ist eine Zeitung für alle, die Deutsch lernen und unterrichten. Sie gehört zu den Sprachzeitungen des Bremer Verlags Carl Ed. Schünemann KG. Seit 1956 erscheint die Zeitung einmal im Monat, zunächst in der Eilers… …   Deutsch Wikipedia

  • Bremer Räterepublik — Verkündung der Machtübernahme durch den Arbeiter und Soldatenrat am 15. November 1918 am Bremer Rathaus. Die Bremer Räterepublik wurde infolge der Novemberrevolution am 10. Januar 1919 ausgerufen. Kennzeichnend für die Idee der Räterepubliken ist …   Deutsch Wikipedia

  • Bremer Künstlerstreit — Der Bremer Künstlerstreit – auch Bremer Kunststreit genannt – war eine Kontroverse um den Stellenwert der modernen Kunst und um den Einfluss von Galerieleitern, Kunstkritikern und händlern auf die Entwicklung der deutschen Malerei zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Bremer Bürger-Zeitung — Die Bremer Bürger Zeitung war ein von 1890 bis 1974 erscheinendes Parteiblatt der SPD. Sie war zeitweilig eine der führenden sozialdemokratischen Zeitungen im Deutschen Reich und repräsentierte hierbei vor allem den linken Flügel der… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”