Braune Nachtbaumnatter

Braune Nachtbaumnatter
Braune Nachtbaumnatter
Braune Nachtbaumnatter (Boiga irregularis)

Braune Nachtbaumnatter (Boiga irregularis)

Systematik
Unterordnung: Schlangen (Serpentes)
Überfamilie: Nattern- und Vipernartige (Xenophidia)
Familie: Nattern (Colubridae)
Unterfamilie: Land- und Baumnattern (Colubrinae)
Gattung: Boiga
Art: Braune Nachtbaumnatter
Wissenschaftlicher Name
Boiga irregularis
(Merrem, 1802)

Die Braune Nachtbaumnatter (Boiga irregularis) ist eine auf Neuguinea, den Salomonen, vielen Inseln des Südpazifiks sowie in Australien heimische Natter der Gattung Nachtbaumnattern (Boiga). Wie die anderen Arten der Gattung ist die Natter giftig, wird also gemeinhin den Trugnattern zugeordnet. Als Neozoon mit starker, negativer Wirkung auf das Ökosystem verschiedener Inseln, insbesondere auf Guam, wird sie als invasive Spezies eingeordnet.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Jungtier mit hervorstehenden Augen

Körperbau und Größe

Der Kopf ist proportional zum Körper sehr breit und stark abgesetzt; der Kopf ist für eine Schlange dieser Länge jedoch nicht ungewöhnlich groß, sondern der Rumpf ungewöhnlich schlank. Die Schnauze ist kurz, und die Pupillen sind typisch für nachtaktive Schuppenkriechtiere schlitzförmig. Die proportional großen Augen, die besonders bei Jungtieren stark hervorstehen, brachten der Braunen Nachtbaumnatter in Australien den umgangssprachlichen Namen Doll’s Eye ("Puppenauge") ein. Der Schwanz macht nur 21% der Gesamtlänge aus und ist somit für baumbewohnende Schlangen verhältnismäßig kurz. In den Körperproportionen ist kein Geschlechtsdimorphismus ersichtlich.[1]

Die Körpergröße jedoch ist zwischen den Geschlechtern stark unterschiedlich. Das größte je vermessene Männchen von Guam war ca. 3,1 m lang, das längste bekannte Weibchen nur 1,9 m. Dies sind jedoch Ausnahmen, die durchschnittliche Länge der Männchen auf Guam beträgt 2,1 m, die der Weibchen 1,5 m. Hinzu kommt, dass die Population auf Guam offenbar überdurchschnittlich großwüchsig ist - das längste bekannte Männchen aus Australien war nur rund 1,8 m lang. Das Gewicht ist aufgrund des schlanken Körperbaus vergleichsweise niedrig. Bei 1 m langen Exemplaren beträgt es im Schnitt 1 kg.[1]

Die Zähne sind mittellang. Die hintersten Zähne im Oberkiefer sind verlängert und haben eine Rille zur Giftübertragung (opistoglyphe Zähne). Daher gehört die Braune Nachtbaumnatter zu den Trugnattern, die jedoch kein monophyletisches Taxon darstellen.[1]

Färbung

Das Artepitheton irregularis ("unregelmäßig") bezieht sich auf die extrem variable Färbung der Art. Normalerweise zeigt die Art einenen variablen, einheitlichen Braunton. Bei nicht wenigen Exemplaren gibt es eine undeutliche bis klar abgegegrenzte, dunkle Bänderzeichnung. In Australien kann die Bänderung jedoch auch weiß, rot oder blau sein.[1]

Beschuppung

Braune Nachtbaumnattern haben fast immer nur ein Präoculare, auf den Solomonen gelegentlich auch 2; Postoculare sind stets vorhanden. Das Frontale ist etwa so weit von der Schnauzenspitze entfernt, wie es lang ist. Außerdem finden sich am Kopf 1-4 Temporale, 8-12 Supralabiale und 10-16 Infralabiale sowie eine Lorealschuppe, die Nasale von Präoculare trennt. Quer um den mittleren Körper sind 17-25 Schuppenreihen ausgebildet, an anderen Partien des Körpers weniger. Das Anale ist meist ungeteilt, auf Neuguinea wurden Nachtbaumnattern sowohl mit geteilten als auch ungeteilten Analen gefunden. Subcaudale gibt es 65-130. Sie sind bei allen Braunen Nachtbaumnattern in den Solomonen und den meisten Exemplaren in Australien geteilt, ansonsten sind sie nicht geteilt.[2]

Zur Terminlogie der Schuppen siehe auch den Artikel Schlangenbeschuppung.

Verbreitung und Lebensraum

Die Art ist die am weitesten südlich und östlich vorkommende Vertreterin der Nachtbaumnattern. Die westlichsten Vorkommen liegen auf den Molluken, und östlich der Wallace-Linie erstreckt sich das Verbreitungsgebiet über Sulawesi, Neuguinea und die nördlichen und östlichen Teile Australiens bis auf die Salomonen. Braune Nachtbaumnattern fehlen jedoch auf den Kleinen Sunda-Inseln. Am häufigsten ist die Art feucht-warmen Wäldern und im Regenwald, sie kommt jedoch auch in Gras- und Buschlandschaften vor, wenn auch deutlich seltener.[2] Braune Nachtbaumnattern dringen auch in suburbane und urbane Räume vor.[1] Die Verbreitung wird durch klimatische Faktoren beschränkt: In Australien dringt die Schlange weder ins Landesinnere noch nach Westen vor, da es dort zu trocken und zu heiß ist. Die südlichste Grenze der Verbreitung in Australien ist bei Sydney, wo auch erstmals Frost vorkommen kann. In Neuguinea kommt sie bis in Höhen von 1.375 m vor, danach setzt die Möglichkeit von Frost ein.[2]

Ernährung

Braune Nachtbaumnatter auf Guam pirscht sich an einen Rotkehlanolis (Anolis carolinensis) an. Dieser Anolis stammt ursprünglich aus dem Südosten der USA, und wurde ebenfalls auf Guam eingeführt.

Braune Nachtbaumnattern sind keine Nahrungsspezialisten, und ernähren sich von Echsen, Fröschen, kleinen Säugetieren (Nagetiere und Fledertiere), Vögeln und Vogeleiern. Jungtiere bevorzugen kleine Echsen, während die ausgewachsenen Nattern vor allem endothermer Beute (Säuger, Vögel) nachstellen. Große Nachtbaumnattern auf großen Inseln oder dem Festland (Neuguinea, Australien) erjagen vor allem Säugetiere, während große Exemplare auf kleinen Inseln meist Vögel erbeuten. Dies hängt wahrscheinlich mit der Verfügbarkeit der jeweiligen Beute im Habitat zusammen. Auf Guam wurden in Mägen von Braunen Nachtbaumnattern im Regenwald fast keine Vögel mehr gefunden, da diese schon nahezu komplett ausgerottet sind. Den absoluten Hauptanteil machen nun kleine Echsen aus, meist kleine Geckos, ebenso wie die Natter eingeführte Anolis und bei auf dem Boden jagenden Schlangen vor allem der Skink Carlia fusca. In urbanen Lebensräumen steigt der Anteil von Vögeln (oft Hühner und Küken) und Säugetieren wie Ratten wieder an, da sich diese Arten hier besser behaupten können oder bessere Lebensbedingungen vorfinden.[2]

Die Braune Nachtbaumnatter sucht nachts nach Nahrung, meist in Bäumen. Nur sehr große Exemplare suchen am Boden nach Nahrung, womöglich weil sie für die Jagd auf Bäumen zu schwerfällig sind. Schnelle, aktive Beute wie Geckos und Ratten werden aus dem Hinterhalt angegriffen. Sehr gerne greifen Braune Nachtbaumnattern tagaktive Echsen an, die ohne Deckung auf Bäumen schlafen - die in der natürlichen Verbreitung der Nachtbaumnatter vorkommenden Echsen suchen sich deshalb meist Verstecke. Der ebenfalls auf Guam eingeführte Rotkehlanolis gehört zu den wichtigsten Beutetieren, da er ohne Deckung schläft, und sich annähernde Nattern nicht bemerkt. Er ist in einigen Regionen von Guam nur noch in urbanen Räumen zu finden. Um inaktive Echsen und Vogeleier zu finden, suchen die Schlangen langsam kriechend und züngelnd großflächige Gebiete ab.[2]

Das Gift spielt beim Beutefang generell keine Rolle; kleine Beutetiere werden direkt geschluckt, große Beutetiere erwürgt.[2] Wie die großen Augen andeuten, spielt die visuelle Wahrnehmung bei der Braunen Nachtbaumnatter neben dem Züngeln eine wichtige Rolle bei der Jagd.[1]

Die Braune Nachtbaumnatter kann Beutetiere von bis zu 70% ihres eigenen Gewichts verschlingen, und benötigt im Monat etwa 40 % ihres eigenen Gewichts an Nahrung.[2]

Bedeutung als Neozoon

Nach der Einschleppung nach Guam, wahrscheinlich durch Truppentransporte während des Zweiten Weltkrieges, kam es durch das Fehlen von natürlichen Feinden zu einer starken Vermehrung der Schlangen. Heute leben auf der Insel etwa 10.000 bis 13.000 Individuen dieser Art pro Quadratkilometer. Dies hatte eine verheerende Wirkung auf die Fauna und Flora der Insel: Innerhalb weniger Jahre waren die meisten Vogelarten und andere Kleintiere der Insel, die als Beutetiere der Schlange in Frage kamen, ausgestorben. Bis heute (Stand 2008) sind zehn der zwölf auf Guam ansässigen Vogelarten ausgestorben, die beiden verbleibenden Arten wurden durch das schädliche Einwirken der Schlange jeweils bereits auf weniger als 200 Exemplare dezimiert. Als Folge der weitreichenden Ausrottung der Vögel ist nun auch die Flora Guams bedroht, da Vögel für einen großen Teil der Pflanzen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung ihrer Samen spielen.[3] Momentan wird versucht, die Schlangen mittels aus Helikoptern abgeworfenen toten Mäusen zu bekämpfen. Diese Köder werden zuvor mit Paracetamol versehen; der Wirkstoff ist für Schlangen bereits in geringen Dosen tödlich, und der Tod tritt weitgehend schmerzfrei ein.[4][5]

Schlangengift

Die Braune Nachtbaumnatter ist wie die anderen Arten der Nachtbaumnattern giftig. Sie verfügt über vergrößerte Zähne im hinteren Bereich des Oberkiefers, die mit einer Rinne für das Gift aus den Giftdrüsen versehen ist (ophistoglyphe Giftzähne). Die Schlange ist als aggressiv bekannt und beißt bei Bedrohung häufig ohne Warnung zu und zieht sich direkt danach meistens wieder zurück.

Das Gift ist ein Neurotoxin, welches zu leichten Lähmungen und zu einer Ptosis beim Menschen führen kann, Todesfälle sind nicht bekannt.

Literatur

  • G. H. Rodda et al (1999): An Overview of the Biology of the Brown Tree Snake (Bioga irregularis), a Costly Introduced Pest on Pacific Islands. In: G. H. Rodda, Y. Sawai, D. Chiszar & Hiroshi Tanaka (Hrsg.): Problem Snake Management: The Habu and Brown Treesnake. Cornell University Press, Ithaca. ISBN 0801435072 (Volltext)
  • G. H. Rodda & J. A. Savidge (2007): Biology and Impacts of Pacific Island Invasive Species. 2. Boiga irregularis, the Brown Tree Snake (Reptilia: Colubridae). Pacific Science 61(3), S. 307–324 (Volltext)

Weblinks

 Commons: Boiga irregularis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. a b c d e f G. H. Rodda & J. A. Savidge (2007): Biology and Impacts of Pacific Island Invasive Species. 2. Boiga irregularis, the Brown Tree Snake (Reptilia: Colubridae). Pacific Science 61(3), S. 307–324
  2. a b c d e f g G. H. Rodda et al (1999): An Overview of the Biology of the Brown Tree Snake (Bioga irregularis), a Costly Introduced Pest on Pacific Islands. In: G. H. Rodda, Y. Sawai, D. Chiszar & Hiroshi Tanaka (Hrsg.): Problem Snake Management: The Habu and Brown Treesnake. Cornell University Press, Ithaca. ISBN 0801435072
  3. Hill, J. E. et al. (2008), in einem Beitrag auf dem Jahrestreffen der Ökologischen Gesellschaft von Amerika, Milwaukee. (siehe auch: Bericht in wissenschaft.de)
  4. J. A. Shivik, P. J. Savarie & L. Clark (2002): Aerial delivery of baits to brown treesnakes. Wildlife Society Bulletin 30(4), S. 1062-1067.
  5. Mice join fight against invasive snakes on Guam

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