Boualem Sansal

Boualem Sansal
Boualem Sansal auf der Frankfurter Buchmesse 2011

Boualem Sansal (* 15. Oktober 1949 in Tenient el-Had, Algerien) ist ein frankophoner algerischer Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Boualem Sansal auf der Frankfurter Buchmesse 2011

Sansal durchlief eine gymnasiale Ausbildung mit den Fächern Latein und Altgriechisch. In den 1970er Jahren studierte er Ingenieurswesen und Ökonomie und promovierte in Volkswirtschaftslehre. Ab 1992 arbeitete er als hochrangiger Beamter im algerischen Industrie-Ministerium und veröffentlichte zwischen 1992 und 1994 zwei technische Fachbücher.

Erst 1999 erschien in Paris sein erster Roman Le serment des barbares (dt. Der Schwur der Barbaren), für den er zwei Auszeichnungen, den Prix Tropiques und den Prix du Premier Roman, erhielt. Bis 2006 folgten vier weitere Romane, die alle ins Deutsche übersetzt wurden, und 2003 das Journal intime et politique, Algérie 40 ans après (Persönliches und Politisches Tagebuch, Algerien, 40 Jahre danach). Nach der Veröffentlichung dieses Buches mit seiner Kritik an den algerischen Zuständen wurde Sansal im Industrie-Ministerium gekündigt.

Seit er ausschließlich als Schriftsteller tätig ist, beschäftigte sich Sansal zunehmend mit historischen Stoffen. So ist das 2007 in Paris erschienene Petit éloge de la mémoire ein episches Erzählwerk über die Epoche der Berber-Herrschaft. Der 2008 herausgekommene Roman Le village de l’allemand ou Le journal des frères Schiller (dt. Das Dorf des Deutschen)[1] erzählt von der Beteiligung eines früheren deutschen Nazis an der Ausbildung der Befreiungsbewegung FLN im algerischen Unabhängigkeitskrieg und beschreibt die Auswirkungen des Bürgerkrieges der 1990er Jahre auf ein Dorf.

In der Debatte zu einem militärischen Eingreifen in den Bürgerkrieg in Libyen 2011 widersprach er Bernard-Henri Lévy. Dass die Verhinderung eines Massakers am libyschen Volk das Ziel des französischen Militäreinsatzes in Libyen sei, glaubte er „nicht wirklich“. Der Grund sei seiner Meinung nach, dass Sarkozy ein „Imageproblem in der arabischen Welt“ habe, weil sein Premierminister und seine Außenministerin sich Urlaube von Diktatoren finanzieren ließen und weil er selbst Mubarak und Gaddafi in Paris hofierte. Sarkozy versuche lediglich seine Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Sansal kritisierte die europäische Doppelmoral und meinte: „Es wäre großartig, wenn die arabische Revolution auch zu einer Revolution in Europa führen würde. Europa und seine Führer müssen sich eingestehen: Wir haben uns geirrt.“[2]

Am 16. Oktober 2011 wurde Sansal mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Die Preisrede hielt Peter von Matt.[3]

Sansal ist Muslim.[4] Er lebt heute mit seiner Frau und zwei erwachsenen Töchtern in Boumerdès bei Algier.

Werke (Auswahl)

  • Le serment des barbares. Roman. Paris 1999 (deutsch 2003: Der Schwur der Barbaren).
  • L’enfant fou de l’arbre creux. Roman. Paris 2003 (mit dem Michel-Dard-Literaturpreis ausgezeichnet, deutsch 2003: Das verrückte Kind aus dem hohlen Baum).
  • Journal intime et politique, Algérie 40 ans après. Zusammen mit Maïssa Bey, Mohamed Kacimi, Nourredine Saadi, Leïla Sebbar. Gallimard, 2003 (deutsch etwa (bisher nicht erschienen): Persönliches und Politisches Tagebuch, Algerien, 40 Jahre danach).
  • Dis-moi le paradis. Roman. Paris, 2003 (deutsch 2004: Erzähl mir vom Paradies).
  • Harraga. Roman. Paris 2005 (deutsch 2007: Harrara).
  • Poste restante: Alger. Lettre de colère et d’espoir à mes compatriotes. Essay. Paris 2006 (deutsch 2008: Postlagernd Algier).
  • Petit éloge de la mémoire. Essay. Gallimard, 2007.
  • Le village de l’allemand ou Le journal des frères Schiller. Gallimard, 2008 (deutsch 2009: Das Dorf des Deutschen oder das Tagebuch der Brüder Schiller).
  • Rue Darwin. Roman. Gallimard, 2011, ISBN 978-2-07013460-1.

Deutschsprachige Ausgaben
  • Das verrückte Kind aus dem hohlen Baum. Roman. (Originaltitel: L’enfant fou de l’arbre creux, übersetzt von Riek Walther). 2. Auflage. Merlin, Gifkendorf 2011 (deutschsprachige Erstausgabe 2002), ISBN 978-3-87536-293-0.
  • Der Schwur der Barbaren. Roman. (Originaltitel: Le serment des barbares, übersetzt von Regina Keil-Sagawe), 2. Auflage, Merlin, Gifkendorf 2010 (deutschsprachige Erstausgabe 2003), ISBN 978-3-87536-280-0.
  • Erzähl mir vom Paradies. Roman. (Originaltitel: Dis-moi le paradis, übersetzt von Regina Keil-Sagawe), 2. Auflage, Merlin, Gifkendorf 2011 (deutschsprachige Erstausgabe 2004), ISBN 978-3-87536-229-9.
  • Harraga. Roman. (Originaltitel: Harraga, übersetzt von Riek Walther). 2. Auflage. Merlin, Gifkendorf 2011 (deutschsprachige Erstausgabe 2007), ISBN 978-3-87536-294-7.
  • Postlagernd: Algier. Zorniger und hoffnungsvoller Brief an meine Landsleute. Gefolgt von Unser Herz schlägt in Tunis. Vier Essays und ein Interview aus Anlass des arabischen Frühlings. (Originaltitel: Poste restante: Alger, übersetzt von Ulrich Zieger, Daniel Eckert, Rainer Haubrich; Interviewer Reiner Wandler), 3., erweiterte Auflage, Merlin, Gifkendorf 2011 (deutschsprachige Erstausgabe 2008), ISBN 978-3-87536-292-3.
  • Das Dorf des Deutschen oder das Tagebuch der Brüder Schiller. Roman. (Originaltitel: Le village de l’allemand ou le journal des frères Schiller, übersetzt von Ulrich Zieger), 2. Auflage, Merlin, Gifkendorf 2010 (deutschsprachige Erstausgabe 2009), ISBN 978-3-87536-281-7.

Literatur

Videoporträt
  • Boualem Sansal: Literatur kein Krieg. Filmporträt von Alan de Sedouy, Erstausstrahlung arte 17. Oktober 2011, DVD 52 Minuten, Merlin, Gifkendorf 2011, ISBN 978-3-87536-288-6.

Weblinks

 Commons: Boualem Sansal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Roland Kaufhold: Das Dorf des Deutschen. Ein großes Werk des algerischen Schriftstellers Boualem Sansal. Buchbesprechung auf haGalil vom 19. September 2011. Abgerufen am 20. September 2011.
  2. Kathrin Moser: Was kommt dann? Boualem Sansal zum Krieg in Libyen. In: 3sat/Kulturzeit vom 30. März 2011. Abgerufen am 22. Juni 2011.
  3. Boualem Sansal erhält Friedenspreis. In: Spiegel online vom 9. Juni 2011. Abgerufen am 9. Juni 2011.
  4. Einer Bemerkung in seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2011 zufolge: „[…] dass ich nicht als Algerier, als Muslim, als misstrauischer und stolzer Nationalist geschrieben habe […]“.

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