Bordiga

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Amadeo Bordiga (* 13. Juni 1889 in Resina (Provinz Neapel); † 23. Juli 1970 in Formia) war Gründer und erster Vorsitzender der Kommunistischen Partei Italiens.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1926 hielt er Stalin in Moskau von Angesicht zu Angesicht vor, die Revolution verraten zu haben. 1930 aus der KPI ausgeschlossen, weil er sich gegen die Repressalien gegen Trotzki ausgesprochen hatte, stand er (vom Faschismus in Verbannung und später unter Hausarrest gestellt) bis 1943 abseits des politischen Lebens. Die 1943 in Mailand von seinen Anhängern gegründete Internationalistische Kommunistische Partei, die sich 1961 im Zuge ihrer internationalen Expansion in Internationale Kommunistische Partei umbenannte, wurde zu seinem Betätigungsfeld. Hier entstanden zahlreiche theoretische Arbeiten, vor allem zur Frage der russischen Revolution und der Entwicklung in der Sowjetunion. 1968 zog er sich altersbedingt mehr und mehr aus dem Parteileben zurück und verstarb 1970 in Formia nach einem Schlaganfall.

Im Alter von 18 Jahren las er im Gymnasium das „Kommunistische Manifest“ unter Anleitung seines Philosophielehrers. Er eignete sich nach und nach die marxistische Theorie an und verkehrte in den sozialistischen Kreisen Neapels. 1910 erfolgte die Aufnahme des Ingenieursstudiums in Neapel und der Eintritt in die Sozialistische Partei Italiens (PSI), der italienischen Sozialdemokratie. Bereits zwei Jahre später gründete er in Neapel den „Circolo Carlo Marx“ („Karl-Marx-Kreis“), der sich gegen den Reformismus in der Partei stemmte. Er wurde Leiter der Zeitung L’Avanguardi, die sich vor allem gegen das italienische Militärabenteuer in Libyen einsetzte. Auf dem 1912 stattfindenden Kongress der PSI in Reggio Emilia agierte er als Führer der „Revolutionären Jugend“.

1914 wandte er sich mit der Zeitung Il Socialista gegen die Kriegsbefürworter, wie gegen die offizielle neutralistische Haltung der PSI. Dann wurde er mit 27 Jahren 1916 zum Militär einberufen, kam jedoch nicht zum Fronteinsatz. Nach dem ersten Weltkrieg erfolgte die Heirat mit Ortensia De Meo, mit der er später zwei Kinder hatte. Sie war eine kämpferische Sozialistin, die er schon aus dem „Circolo Carlo Marx“ kannte. Im Dezember 1918 gründete er die Zeitung Il Soviet, die sehr bald zum Organ der kommunistischen Strömung in der PSI wurde und den Reformismus der Partei schärfstens kritisierte. Auf dem 15. Kongress der PSI verlangte er die Unterstützung der Thesen Lenins über die internationale Revolution und war Sprecher der Abstentionistischen Kommunistischen Fraktion.

1920 nahm Bordiga am 2. Kongress der Kommunistischen Internationale teil. Hier unterstützte er Lenin und trug zur Ausarbeitung der „21 Bedingungen“ bei. Er sprach sich gegen die Teilnahme der kommunistischen Parteien an den Wahlen innerhalb der industrialisierten Länder aus, weil dies der revolutionären Entwicklung eher hinderlich wäre. Im Oktober legte er das Manifest der „Kommunistischen Fraktion“ vor. An den Diskussionen um eine eventuelle Abspaltung von der PSI nahmen auch Antonio Gramsci und Umberto Terracini teil.

Im Januar auf dem Kongress der PSI 1921 in Livorno erklärte Bordiga die Unmöglichkeit der Zusammenarbeit zwischen den Revolutionären, den Reformisten und den Maximalisten. Die Kommunisten verließen das Gebäude und gründeten in einem anderen Lokal die Kommunistische Partei Italiens (KPI) als Sektion der Kommunistischen Internationale. Die Partei verlegte ihren Sitz nach Mailand und startete unter Bordigas Vorsitz ihre Aktivitäten. Bordiga schrieb nun in allen vier regelmäßig erscheinenden Zeitungen, Il Soviet, Il Comunista (dessen Leitung er übernimmt), L’Ordine Nuovo (unter Leitung von Antonio Gramsci) und dem theoretischen Organ Rassegna Comunista. Er vertrat unter anderem die Auffassung, dass die Kommunistische Internationale nicht Föderation nationaler Parteien sondern einheitliche Weltpartei werden solle. Im Dezember nahm er auf dem Kongress der PCF in Marseille als Vertreter der Internationale teil.

Auf dem 4. Kongress der Kommunistischen Internationale Ende November 1922 vertrat Bordiga die Kommunistische Partei Italiens. Der faschistische Marsch auf Rom lag gerade zwei Wochen zurück. Im Frühjahr 1923 wurde er von der Polizei verhaftet und angeklagt wegen „Komplotts gegen den Staat“. Im Juni wurde die verhaftete Leitung der Partei durch Togliatti und Terracini ersetzt.

Nach Prozess und Gefängnisaufenthalt forderte im Dezember die Kommunistische Internationale Bordiga auf, wieder seinen Platz im Exekutivkomitee der Partei einzunehmen. Er lehnte ab mit der Begründung, dass er aus Disziplin dort Positionen vertreten müsse, die nicht die seinen seien, was ein Fehler gegenüber der Organisation wäre. Im Januar 1924 gab er in Neapel die Monatszeitschrift Prometeo heraus, um der Parteilinken ein Sprachrohr zu geben. Im März desselben Jahres, auf der Konferenz von Como, unterstützte der Großteil der Partei die Thesen der Linken. Bordiga weigerte sich, zu den Wahlen aufgestellt zu werden. Auf dem 5. Kongress der Kommunistischen Internationale legte er Thesen über die Taktik vor, die insbesondere gegen den rechten Revisionismus gerichtet waren, der die russische Partei bedrohte. Die Thesen werden abgelehnt. Auf dem (geheimen) Kongress der KPI in Neapel geriet er mit den auf Linie der Komintern stehenden Parteiführern aneinander.

1925 verteidigte er Trotzki gegenüber den Angriffen der Stalinisten. Sein Hauptanliegen war der Kampf gegen den Opportunismus innerhalb der Komintern wie der KPI. Im Dezember wurde sein Aktionsprogramm der Linken in der Zeitung Unitá veröffentlicht. 1926 nahm er klandestin am 3. Kongress der KPI in Lyon in Frankreich teil. Die Lyoner Thesen der kommunistischen Linken wurden von der inzwischen stark veränderten Partei abgelehnt. Im März erfolgte die Teilnahme an den Sitzungen des 6. erweiterten Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, (EKKI). Er entwickelte eine Korrespondenz mit Linkskommunisten anderer Länder, zum Beispiel Karl Korsch. Im November 1927 wurde Bordiga von den Faschisten ohne Prozess zu drei Jahren Verbannung verurteilt. In seiner Abwesenheit wurde sein Haus verwüstet. 1927 erfolgte seine Verbannung auf Ustica und später auf Ponza, kleine Inseln vor der italienischen Küste. Zusammen mit Antonio Gramsci organisierte er Kurse für die Gefangenen zu wissenschaftlichen Themen. Dort schrieb er eine philosophische Abhandlung über ein Studium der Schriften Friedrich Engels’ und die kleine Einführung in Das Kapital von Karl Marx, Elemente der marxistischen Ökonomie. Ende des Jahres 1929 wurde Bordiga entlassen und unter Hausarrest gestellt.

1930 erfolgte sein Ausschluss aus der Kommunistischen Partei Italiens wegen „trotzkistischer Fraktionstätigkeit“. Er widmete sich seinem Beruf als Brückenbauingenieur, da der von 1930–1943 andauernde Hausarrest unter ständiger Bewachung durch die politische Polizei der Faschisten ihm eine anderweitige Betätigung kaum möglich machte.

1943 wurde in Norditalien von Linkskommunisten und Anhängern Bordigas die Internationalistische Kommunistische Partei (Partito Comunista Internazionalista) gegründet. Nach dem Vorrücken der anglo-amerikanischen Truppen 1944 nahm er erste politische Kontakte mit alten Genossen in Süditalien auf.

Von 1945 bis 1968 arbeite Amadeo Bordiga als führender Theoretiker in der Internationalistischen Kommunistischen Partei (später der Internationalen Kommunistischen Partei) mit, auch durch zahlreiche Veröffentlichungen in den Zeitungen der Partei Battaglia Comunista, Prometeo und Il Programa Comunista. Krankheits- und altersbedingt zog er sich 1968 aus dem Parteileben zurück. Amadeo Bordiga starb am 23. Juli 1970 in Formia an den Folgen eines Schlaganfalls.

Werke

  • Scritti 1911-1914, Graphos, 1996.
  • Scritti 1914-1918, Graphos, 1998.
  • Storia della Sinistra Comunista, Ediz. Il programma comunista, 1964.
  • Struttura economica e sociale della Russia, Ediz. Il programma comunista, 1976.
  • Dialogato con Stalin, Ediz. Prometeo, 1953.
  • Dialogato coi morti, Ediz. Il programma comunista, 1956.
  • In difesa della continuità del programma comunista, Ediz. Il programma comunista, 1971.
  • Partito e classe, Ediz. Il programma comunista, 1972.

Literatur

  • Christian Riechers, Brief von Amadeo Bordiga an Karl Korsch. Übersetzt aus dem Italienischen und kommentiert von Christian Riechers, in: Jahrbuch Arbeiterbewegung 1. Frankfurt 1973, Brief S. 243-247, Kommentar S. 248-263.
  • Christian Riechers, Arbeiterbewegung und Faschismus: das Beispiel Italien, in: Jahrbuch Arbeiterbewegung 4. Frankfurt 1976, S. 90-108.
  • Christian Riechers, Die Ergebnisse der „Revolution“ Stalins in Rußland: romantischer Sozialismus in der Ideologie, gesellschaftlicher Kolonialismus anstelle der klassenlosen Gesellschaft. Informationen über die Entwicklung der Analyse der russischen Verhältnisse bei Bordiga nach 1945, in: Jahrbuch Arbeiterbewegung 5. Frankfurt 1977, S. 137-168;
  • Helmut König, Lenin und der italienische Sozialismus 1915-1921. Ein Beitrag zur Gründungsgeschichte der Kommunistischen Internationale, Tübingen 1967

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