Biotechnik

Biotechnik

Als Biotechnologie wird die Umsetzung von Erkenntnissen aus der Biologie und der Biochemie in technische oder technisch nutzbare Elemente verstanden. Die Kurzform Biotech wird meist auf kommerzielle Betriebe angewandt, die in diesem Bereich forschen und produzieren.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Die Biotechnologie nutzt Erkenntnisse aus Biochemie, Mikrobiologie und Verfahrenstechnik für die Produktion bestimmter Stoffe. Hierzu bedient man sich der Enzyme, die die eingesetzten Organismen bilden. Im Zuge der Entwicklung neuer Produktionsmethoden musste man sich verschiedener Techniken bedienen, die vorher ausschließlich in der biochemischen oder mikrobiologischen Forschung bekannt wurden. So konnten die benutzten Organismen zunächst analysiert und mitunter so modifiziert werden, dass sie den industriellen Anforderungen besser gerecht wurden.

Geschichte

Die ältesten Anwendungen der Biotechnologie, die schon seit 5.000 Jahren bekannt sind, sind die Herstellung von Brot, Wein oder Bier (alkoholische Gärung) mit Hilfe von Hefe. Auch die Herstellung von Milchprodukten wie Käse, Joghurt, Sauerteig oder Kefir fällt in den Bereich der Biotechnologie. In den letzten Jahrzehnten ist man zusätzlich dazu übergegangen, in sogenannten Bioreaktoren chemische Verbindungen wie Enzyme, Biopharmaka und andere Proteine herzustellen, die durch klassische chemische Verfahren nur schwer oder gar nicht herzustellen sind.

Produktionsmethoden

Moosbioreaktor

Bioreaktoren

Zur Produktion werden Mikroorganismen in sogenannten Bioreaktoren oder auch Fermenter kultiviert, in denen genau die Bedingungen herrschen, bei denen die Organismen die gewünschten Stoffe bilden. Dies müssen jedoch nicht zwangsläufig die Bedingungen sein, bei denen der Organismus am besten gedeiht. Die Reaktoren können durch verschiedene Parameter, wie pH-Wert, Temperatur, Sauerstoffzufuhr, Stickstoffzufuhr, Glukosegehalt oder Rührereinstellungen geregelt werden. Eingesetzte Reaktortypen sind etwa: Rührkesselreaktoren, Schlaufenreaktoren oder Airliftreaktoren. Photosynthetisch aktive Organismen wie Algen oder Pflanzen werden in Photobioreaktoren kultiviert.

Organismen

In der modernen Biotechnologie werden mittlerweile sowohl Bakterien als auch höhere Organismen wie Pilze, Pflanzen oder tierische Zellen verwendet. Häufig verwendete Organismen sind oft bereits genau erforscht, wie etwa das Bakterium Escherichia coli oder die Backhefe Saccharomyces cerevisiae. Einfache Organismen können zudem relativ einfach modifiziert werden.

Trotzdem versucht man sich in neuerer Zeit höherer Organismen (mehrzellige Eukaryoten) zu bedienen. Grund hierfür ist etwa die Fähigkeit posttranslationale Veränderungen an Proteinen vorzunehmen. Ein Beispiel für ein solches Protein ist etwa Erythropoetin. Allerdings wachsen etwa tierische Zellen langsamer als Bakterien und sind in puncto Kultivierung sehr viel anspruchsvoller. Alternativ hierzu können Pharmapflanzen im Feld, im Gewächshaus oder im Photobioreaktor kultiviert werden, wo sie komplexe Biopharmazeutika produzieren können. [1]

Molekulare Biotechnologie

Die molekulare Biotechnologie ist gewissermaßen die Schnittmenge der Molekularbiologie und der klassischen Biotechnologie. Man verwendet in der molekularen Biotechnologie zum Beispiel Techniken, mit denen Organismen gentechnisch verändert werden können, um die neuen Eigenschaften der Organismen zu nutzen. Beispiele hierfür sind Transformationen von Bakterien mit Hilfe von Plasmiden oder Viren, die Gene in Organismen einschleusen.

Weitere Einsatzgebiete der molekularen Biotechnologie sind analytische Methoden, zum Beispiel zur Identifikation und Sequenzierung von DNA- oder RNA-Fragmenten.

Einteilung

Einteilung der Biotechnologie in verschiedene Zweige
Zweig Anwendungsgebiete
Grüne Biotechnologie Landwirtschaft, Pflanzenbiotechnologie
Rote Biotechnologie Medizin/Pharmazeutik
Weiße Biotechnologie Biotech-Produkte/Industrieprozesse
Blaue Biotechnologie Produkte aus dem Meer
Graue Biotechnologie Abfallwirtschaft
Braune Biotechnologie Technische/Umwelt- Biotechnologie
Gelbe Biotechnologie Herstellung von Lebensmitteln und Grundstoffen

Die moderne Biotechnologie zeichnet sich dadurch aus, dass sie vor allem mit Methoden der Gentechnik und der Molekularbiologie arbeitet. Dabei werden Mikroorganismen derart genetisch verändert, dass sie gewünschte Eigenschaften aufweisen, um ein gewünschtes Produkt wie z. B. Insulin herzustellen. Die theoretischen Grundlagen dieser Methoden sind vor allem die Ergebnisse der Genforschung und der Genomforschung, da die grundlegenden Mechanismen biologischer Vorgänge durch Gene gesteuert werden. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass man mit einem harmlosen Organismus ein gewünschtes Produkt herstellen kann und somit auf Pathogene (krankheitserregende Keime) verzichten kann. Des Weiteren wird erst durch biotechnologische Prozesse die Herstellung kompliziert aufgebauter Substanzen wie Hormone oder Enzyme ermöglicht, da chemische Prozesse hier oftmals zu teuer oder nicht sinnvoll sind.

Als konventionelle Formen der Biotechnologie bezeichnet man die Abwasserreinigung oder das Kompostieren sowie weitere ähnliche Anwendungen.

Da Biotechnologie ein sehr weit gefasster Begriff ist, wird versucht nach Anwendungsgebieten zu unterscheiden. Neben der Grünen Biotechnologie (landwirtschaftliche Anwendung), welche sich auf Pflanzen einschließlich ihrer gentechnischen Veränderung bezieht, gibt es die Rote Biotechnologie (medizinisch-pharmazeutisch), welche sich mit der Herstellung von Medikamenten und Diagnostika befasst, die Blaue Biotechnologie, welche sich mit der Nutzung von Organismen aus dem Meer befasst, die Weiße Biotechnologie, welche sich mit biotechnologisch-basierten Produkten und Industrieprozessen - beispielsweise in der Chemie-, Textil- oder Lebensmittelindustrie befasst, und die Graue Biotechnologie, welche sich mit biotechnologischen Prozessen im Bereich der Abfallwirtschaft (Kläranlagen, Dekontamination von Böden und ähnliches) befasst. Diese farbliche Einteilung ist aber keineswegs offiziell und noch nicht allgemein verbreitet. Insbesondere die Farben blau, braun, grau und gelb werden selten oder auch in anderer Bedeutung genutzt.

Forschungszweige

In den Bereich der Biotechnologie und angrenzender Arbeitsbereiche lassen sich eine Reihe moderner Forschungszweige einordnen:

Produkte

Unternehmen

Im Jahr 2005 sah die Liste der Top Ten-Unternehmen im Bereich Biotechnologie so aus:

  1. Amgen Inc.
  2. Genentech, Inc
  3. Serono Inc.
  4. Genzyme Corporation
  5. Biogen Idec Inc.
  6. Chiron Corporation
  7. Gilead Sciences, Inc
  8. MedImmune, Inc
  9. InterMune, Inc
  10. Millennium Pharmaceuticals, Inc

Zusammen erwirtschafteten diese Firmen 2004 57,1% der Einnahmen der gesamten US-amerikanischen Biotechbranche.

Literatur

  • Moselio Schaechter, John Ingraham, Frederick C. Neidhardt: Microbe: Das Original mit Übersetzungshilfen. Spektrum Akademischer Verlag 2006. ISBN 3-8274-1798-8
  • Reinhard Renneberg, Darja Süßbier: Biotechnologie für Einsteiger. Spektrum Akademischer Verlag 2005. ISBN 3-8274-1538-1
  • R. Ulber, K. Soyez: 5000 Jahre Biotechnologie: Vom Wein zum Penicillin, in: Chemie in unserer Zeit 2004, 38, 172–180; doi:10.1002/ciuz.200400295.
  • G. Festel, J. Knöll, H. Götz, H. Zinke: Der Einfluss der Biotechnologie auf Produktionsverfahren in der Chemieindustrie, in: Chemie Ingenieur Technik 2004, 76, 307–312; doi:10.1002/cite.200406155
  • K. Nixdorff, D. Schilling, M. Hotz: Wie Fortschritte in der Biotechnologie missbraucht werden können: Biowaffen, in: Biologie in unserer Zeit 2002, 32, 58–63.
  • Björn Lippold: Der Regenbogen der Biotechnologie. bionity.com
  • Knoepffler, Nikolaus / Schipanski, Dagmar / Sorgner, Stefan Lorenz (Hrsg.): Humanbiotechnologie als gesellschaftliche Herausforderung. Alber Verlag, Freiburg i. B. 2005.
  • Volkart Wildermuth: Biotechnologie. Zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und ethischen Grenzen. Parthas Verlag 2006. ISBN 978-3-86601-922-5
  1. Eva L. Decker, Ralf Reski (2007): Moss bioreactors producing improved biopharmaceuticals. Current Opinion in Biotechnology 18, 393-398. [1]

Siehe auch

Weblinks


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