Biedermeierweltwunder

Biedermeierweltwunder
Johann Erdmann Hummel: Die Granitschale im Berliner Lustgarten, 1831, Alte Nationalgalerie Berlin (links: Bauinspektor und Steinmetz Cantian mit Zylinder)

Die Große Granitschale im Lustgarten vor dem Alten Museum im Berliner Lustgarten mit einem Durchmesser von 6,91 Metern und einem Gewicht von etwa 75 Tonnen wird auch als Biedermeierweltwunder [1][2] bezeichnet. Die Schale aus Granit befindet sich im Eigentum des Deutschen Historischen Museums. Mit einem Umfang von 69 1/7 Fuß (ca. 21,7 Meter) handelt es sich um die größte aus einem einzelnen Stein gefertigte Schale.[3]
Die Granitschale, die der Preußische König Friedrich Wilhelm III. bestellte, sollte zunächst in der Rotunde des Museums aufgestellt werden. Da sie größer wurde als ursprünglich geplant, musste sie vor dem Museum Platz finden. Die Schale war in jener Zeit nicht nur ein viel bestauntes und beachtetes technisches Wunderwerk, das der Maler Johann Erdmann Hummel in mehreren Skizzen und Gemälde abbildete, sondern galt als vaterländisches Symbol, Kultgestein und Mythos.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Rest des Großen Markgrafensteins heute

Auf der Akademie-Ausstellung in Berlin von 1826 zeigte der Bauinspektor und Steinmetz Christian Gottlieb Cantian eine kreisrunde Granitschale mit 6 Fuß (1,83 Meter) Durchmesser und zwei weitere kleinere Schale aus Stein, an denen der englische Gesandte, der Herzog von Devonshire, Gefallen fand und die ihn veranlassten, eine solche steinerne Schale zu ordern.[4] Als der preußische König Friedrich Wilhelm III. dies erfuhr, beauftragte er 1826 Cantian ebenfalls, eine solche Granitschale anzufertigen.[5] Diese sollte die englische Schale übertreffen und größer werden, und der König fügte hinzu, dass „das größte Produkt der Art im Lande bleiben soll“.[6] Cantian sicherte die Lieferung einer Schale mit 17 Fuß (5,34 Meter) Durchmesser zu und betonte, dass sie noch beeindruckender ausfallen werde, als „die herrliche Porphyrschale aus Neros Goldenem Haus in der Sala Rotunda des Vatikans“.[7] Der preußische Oberlandesbaurat Karl Friedrich Schinkel plante daraufhin, diese Schale in der Rotunde des im Bau befindlichen Alten Museums aufzustellen, um dort „für den Genuss und die Erkenntnis“ (sic!) der Sammlung „empfänglicher zu machen“.[8]

Nachdem er zunächst einen Granitblock bei Schulamt Neuendorf/Bezirk Oderberg für geeignet gehalten hatte, entschied sich Cantian für den Großen Markgrafenstein, einen riesigen Findling von schätzungsweise 700 bis 750 Tonnen Gewicht. Diesen aus rotem Granit bestehenden Findling hatte die Saale- oder Weichseleiszeit aus Karlshamn in Schweden bis auf den Sandberg in den Rauenschen Bergen transportiert, wo sich eine Reihe weiterer großer Steine befindet.

Der Rohling für die Granitschale wurde im September 1827 aus dem größeren der beiden Markgrafensteine abgespalten. Cantian teilte dem König nach erfolgreicher Spaltung mit, dass nach ersten Untersuchungen eine Größe der Schale von 22 Fuß (6,90 Meter) möglich sei und er möge befehlen, wie er vorzugehen habe. Der König ordnete die Größe von 22 Fuß an.[9] Die Schale in dieser Größe passte nunmehr nicht mehr in die Rotunde und brachte Schinkel in eine schwierige Situation, weil einerseits die Schale den Mittelpunkt der Rotunde bilden sollte, andererseits die Raumästhetik von einer solch großen Schale negativ beeinträchtigt werden könnte. Schinkel schlug deshalb vor, die Schale vor der Freitreppe des Museums in ein Halbrund zu stellen, und legte dem König zur Entscheidungsfindung Zeichnungen der Rotunde mit den unterschiedlich großen Schalen vor.[10] Nach mehrfachen Vortrag Schinkels konnte er den König überzeugen und dieser genehmigte schließlich am 21. Februar 1829 die Aufstellung im Freien.[11]

Granit als Vaterländisches Symbol, Kultgestein und Mythos

Granitschale und Museum vor 1854
Lustgarten mit Schale im Jahre 1913, im Hintergrund das Stadtschloss

Mit der Ausprägung der Nationalstaaten in den vor- und nachnapoleonischen Zeiten entwickelten Herrscher öffentlich sichtbare Symbole von Macht, Einfluss und Größe. Entsprechend dieser Denkweise wurden in Ägypten und anderen antiken Regionen alte Baudenkmale abgebaut und in europäischen Metropolen aufgestellt und wenn man davon nichts abbekam oder noch mehr haben wollte, wurden neue Objekte geschaffen; eben auch die Berliner Schale. Eine Autorin aus Berlin, Sybille Einholz, die den Auftrag 1997 erhielt, die Eigentumsverhältnisse der Granitschale zu klären, stellt das Biedermeierweltwunder in einen umfassenderen Zusammenhang. Die bisherige Betrachtung der Großen Granitschale als Biedermeierweltwunder, als technisches Wunderwerk der Bearbeitung und des Transports der Schale durch Cantian und dessen künstlerische Würdigung durch den Maler Hummel reiche nicht aus. Sie wertet Granit darüber hinaus als Bedeutungsträger in der Biedermeierzeit, als „vaterländisches Symbol“, „Kultgestein und Mythos“. Ferner hat der Aufstellungsort der Schale eine besondere Bedeutung.

Vaterländisches Symbol

Neben der Faszination des äußeren Erscheinungsbildes von Granit in seinen unterschiedlichen Farben und glänzenden Reflexionen wurden in der Biedermeierzeit diesem Gestein menschliche Eigenschaften zugeordnet, so Einholz. Granit ließ sich mit den damals üblichen Arbeitsweisen und Werkzeugen kaum bearbeiten und wenn es gelang, dann nur unter allergrößten Anstrengungen. Granit bildete somit ein Symbol für Festigkeit und Standhaftigkeit. Diese These wird dadurch belegt, dass Friedrich Wilhelm III. am 1. September 1818 bei der anstehenden Entscheidung über den Entwurf des Lutherdenkmals in Wittenberg auf einem Sockel aus Granit beharrte, weil nur dieses Material für ihn an den Charakter Luthers von unerschütterlicher Festigkeit gleichkomme.[12]
Sie weist daraufhin, dass den Granitfindlingen nicht nur menschliche Eigenschaften verliehen wurden, sondern auch das Adjektiv vaterländisch. Hierfür werden Nachweise geführt: Johann Gottfried Schadow schrieb 1818 an Goethe über das geplante Blücher-Denkmal in Rostock, dass „...das Piedestal von neun Fuß (2,82 Meter) aus vaterländischem Granit...“ für ihn nur in Mecklenburger Granit zur Ausführung kommen könne.[13] Des Weiteren bot Cantian in Akademie-Ausstellungskatalogen seine Arbeiten als „vaterländischen Granit“ an.[14] Die Devise bzw. der „nationale Index“ war, die „größte Schale aus größtem Granitfund“, so Einholz.[15] Wie übertrieben diese Geisteshaltung war, zeigte sich des Weiteren am geplanten Bau des Blücher-Mausoleums, das von einer Kuppel mit dem Durchmesser von 4,25 Metern nach dem Vorbild des Theoderichgrabmals in Ravenna aus einem Granitfindling namens „Blücherstein“ vom schlesischen Berg Ślęża (Zobten) überdacht werden sollte. Das misslang gänzlich, weil sich der 650 Tonnen schwere Granitblock wegen technischer Schwierigkeiten nicht transportieren ließ.
Die regional aufzufindenden Granitfindlinge wurden in der Biedermeierzeit zu Nationalsymbolen überhöht und die daraus größte entstandene Granitschale zum Weltwunder verklärt. Die Verklärung des Granits führte unter anderem dazu, dass der König von Preußen Granit ohne Angabe eines Verwendungszwecks aufkaufte. Hierfür gibt es Hinweise und alle Teile des Markgrafensteins fanden im Übrigen prominente Verwendungszwecke.[16]

Kultgestein, Mythos und Aufstellungsort

Des Weiteren wird Granit zum „Kultgestein“ Anfang des 19. Jahrhunderts hochstilisiert. Einholz belegt dies damit, dass es im Biedermeier eine feststellbare Ambivalenz zu überkommenen Kulten gab. Die beiden Porphyrwannen aus den Trümmern der Diokletiansthermen, die Wilhelm von Humboldt 1810 in Rom für das Museum erworben hatte, sollten als Sarkophage der Königsfamilie dienen. Die Anknüpfung an die Bestattungstraditionen der Römischen Antike und der florentinischen Medici war beabsichtigt. Diese These wird an anderer Stelle bestätigt:

Sowohl der Stein Porphyr als auch die Farbe Purpur waren relativ selten und somit bereits bei den Römern den Kaisern vorbehalten (z.B. für Sarkophage aus Porphyr). Diese Tradition hat sich in vielen späteren Kulturkreisen vererbt, z. B. Byzanz, deutsches Kaiserreich unter den Staufern, z. B. Bischöfe der chr. Kirche und, vielleicht zuletzt, bei den Mediciern in Florenz.[17]

Des Weiteren haben Granit und Porphyr einen identischen Mineralbestand, sind damit auf dieser Ebene vergleichbar und sie sind beide rötlich gefärbt. Die Parallelen liegen auf der Hand, zudem war die Porphyrschale Cantian bekannt, der ja bekanntlich eine noch herrlichere herstellen wollte.
Ferner wurde der „Heilige Berg Schlesiens“, der Zobten, als Ort des Blücher-Denkmals vorgeschlagen, auf dem sich seit dem 5. Jahrhundert keltische und germanische Kultstätten befanden. Schadow hatte hierfür einen Entwurf gefertigt, der sich nicht verwirklichen ließ.[18] Einholz leitet aus Goethes Schrift über Granit von 1828 ab,

dass der Granit als Keimzelle, als Träger einer Ur-Information über die Gestaltungsregel der Erde zu begreifen ist. Der Dichter spricht von der Würde des Gesteins, das nicht nur die Grundfeste unseres Planeten, sondern zugleich das Höchste und das Tiefste sei. Dem edlen Gestein - Edelstein - ist nur eine Verarbeitung zum exquisiten Solitär angemessen.[19]

Zunächst war die Aufstellung der Schale an der exponiertesten Stelle innerhalb des Museums geplant und der Wechsel direkt vor den Eingang des Museums lässt vermuten, dass es einen tiefen Bezug zu diesem Ort gibt. Die Schale ist nicht nur Teil der Architektur des Museums, sondern transferiert Inhalte. Einholz interpretiert Goethe dahingehend,

dass er an anderer Stelle das Museum als eine Art neuen Heiligtums begriff, zu dem der Mensch, einem Pilger gleich wallfahre, so müssen wir an den ausgestellten Gegenständen eine besondere Aura zusprechen.

Darüber hinausgehend sieht sie einen überzeitlichen Zusammenhang:

Dem in der Vorhalle geplanten Bilderzyklus Literatur über die Entwicklung des Lebens auf der Erde [..] entspräche der in einen Granitsolitär gefasste Grundgedanke über die Gestalt der Erde als geologische Quintessenz - ob nun in der Rotunde oder vor der Freitreppe, bleibt sich gleich.[20]

Anfertigung der Granitschale

Großer Markgrafenstein: S = ursprüngliche Lage, N = nach der 90° Drehung, ac bzw. bd = 5 Fuß (1,57 Meter) dicker Rohling
Profil der Schale
Das Umdrehen der Schale in Berlin nach dem Polieren der Unterseite (Cantian mittig vor der Schale)
Abbildung der Schleifanlage (rechts Cantian mit Zylinder)

Die Arbeiten an der Schale begannen im Mai 1827. Arbeitstäglich waren zwanzig Steinmetzen beschäftigt. Ein bis zwei Schmiede waren mit Härten und Formen der Steinmetzwerkzeuge an den Markgrafensteinen angestellt.

Zunächst wurde der große Markgrafenstein unter Einsatz von zehn Winden bis Mitte Juni erstmals um etwa 90 Grad gewendet (Abb.: von S nach N). Dieser Vorgang war die Voraussetzung dafür, dass ein entsprechend großes Steinstück am 24. August 1827 durch Verwendung von 95 Eisenkeilen optimal abgespalten werden konnte. Dabei wurde mehrtägig kräftig mit dem Hammer auf die Eisenkeile geschlagen.
Die erste Spaltung gelang nicht optimal und es mussten größere Steinüberstände mit Handwerkzeugen mühselig abgeschlagen werden. Die zweite Spaltung wurde während des Abarbeitens der Überstände vorbereitet. Dies dauerte bis Anfang November und die zweite Spaltung gelang ebenso nicht optimal. Erneut musste weiterer Steinüberstand durch Abkeilen großer Steinstücke und mittels Steinmetzarbeit mit Fäustel und Meißel abgeschlagen werden. Es dauerte noch bis zum 23. Dezember 1827 um die 5 Fuß (1,57 Meter) dicke Steinplatte (Abb.: bd-ac) zum Bearbeiten der Schalenunterseite zu wenden (Abb.: ba nach unten). Nach Fertigstellung der Unterseite musste die Platte mit 23 Hebezeugen und mit Hilfe von 100 Beschäftigten erneut gewendet werden. Dieser Vorgang wurde am 26. April 1828 abgeschlossen; anschließend erfolgte die Aushöhlung der Schale bis zum 4. August.
Weitere Arbeiten an der Steinschale, wie das Herstellen der profilierten Schalenaußenseite und spezielle Arbeiten für den Transport, wie zum Beispiel der Bau eines Holzbalkenrahmens für die Schale, wurden Mitte September 1828 abgeschlossen. Während der Arbeiten konnten zum Frühstück auf dem Schalenrand vierundvierzig Arbeiter Platz finden.[21]
Der Transport aus den Bergen bis zum Schiff dauerte 6 Wochen. Täglich kam man 600 Fuß (188 Meter) voran. Das Transportschiff aus Holz war 126 Fuß (39,5 Meter) lang, 17 Fuß (5,3  Meter) breit und etwa 5 Fuß (1,6 Meter) hoch und speziell für diesen Transport ausgesteift.[22] Die Schale, die zu diesem Zeitpunkt zwischen 70 und 75 Tonnen wog, wurde mit Hilfe von Holzrollen zur Spree transportiert. Eine Bohlenbahn und eine Straße durch den Wald bis an die Spree wurden angelegt, die Trasse ist heute (2008) noch erkennbar. Anschließend verluden vierundfünfzig Personen die ungeschliffene raue Schale auf das Schiff.
Eine fertig polierte Granitschale hätte auf dem langem Transportweg mit großem Aufwand gegen Kratzer oder gegen Beschädigungen gesichert werden müssen, deshalb wurde sie lediglich in ihrer äußeren Form mit rauer Oberfläche transportiert. Außerdem war die speziell konstruierte Schleifanlage in Berlin aufgebaut worden.

Bevor die Schale am 6. November 1828 in Berlin ankam, musste die Grünstraßenbrücke erheblich abgestemmt werden, damit der Weitertransport möglich war. Unweit vom Ausstellungsplatz am Alten Museum in der Nähe des Flusses wurde der Stein in ein dafür eigens errichtetes Gebäude am Packhof transportiert. Darin befand sich eine Dampfmaschine mit zehn Pferdestärken (PS) Leistung, mit deren Hilfe die Schale in zweieinhalb Jahre dauernden Schleif- und Poliervorgängen verrundet und bis zum Hochglanz geglättet wurde.
Das Polieren von Granit in Handarbeit ist eine ungemein schwere und sehr zeitraubende Arbeit. In jener Zeit war es in Deutschland erstmals möglich, im großen Stil dieses Hartgestein mit Maschinenunterstützung zu polieren, wobei das Polieren von Rundungen und Aushöhlungen eine zusätzliche Erschwernis darstellt.
Beim Schleifen stellte sich heraus, dass die Schale drei Risse hatte. Diese Risse waren entweder natürlichen Ursprungs oder sie waren beim Spalten in den Rauenschen Bergen entstanden. Namhafte Naturforscher jener Zeit, wie von Klöden und Wöhler, untersuchten 1831 die Schale und auf Drängen Cantians wurde sie im Winter unter ein Schutzdach gestellt.[23] Einer dieser Risse, die durch Frosteinwirkung im Laufe der Zeit vertieft wurden, führte vermutlich 1981 ursächlich zum Bruch der Schale.

Das Museum wurde 1830 eröffnet. Cantian wollte die Schale auf hohe Säulen stellen. Dem widersprach Schinkel, der die Schale bodennah vor der Museumstreppe auf schlichten Granitsockeln aufstellen wollte. Der König gab dem Gesuch Schinkels statt. Damit wurde die Schale frei auf drei Sockeln aufgestellt und ein Blick ins Schaleninnere möglich. Die Schale wurde am 14. November 1831 zunächst provisorisch aufgestellt und am 10. November 1834 offiziell an das Kgl. Museum übergeben. Der Preis für die Schale war mit 12.000 Talern veranschlagt und betrug letztendlich 33.386 Taler. Eine Summe, die erst nach einer Revision offiziell genehmigt wurde.[24]

Die Bearbeitung des Rohlings, der Transport und das Schleifen in Berlin wurden von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt. Mit der Dokumentation wurde der Maler Johann Erdmann Hummel beauftragt, der mehrere Ölgemälde und Skizzen schuf. Einige sind erhalten, ein Bild vom Wenden der halbfertigen Schale in Berlin ist im Zweiten Weltkrieg im Märkischen Museum verbrannt. Hummel interessierte sich nicht für die Symbolik der Schale. Neben der Präzision des gemalten Bildes in der Darstellung der Perspektive und der Spiegelungen[25] auf der Schalenunterseite ist bemerkenswert, dass sich Cantian, der Herr mit dem Zylinder und die Söhne Hummels und deren Cousine auf dem Bild befinden.[26]

Zustand und Namensgebung

Schale im Jahr 2004 (v. links: Palast der Republik und Staatsratsgebäude der DDR)

Da die Schale wegen ihrer Größe nicht an ihrem ursprünglich geplanten Aufstellungsort in der Rotunde innerhalb des Alten Museums aufgestellt werden konnte, war sie zum einen der Verwitterung ausgesetzt und wurde zum anderen zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen, weil dieser Platz in der Weimarer Republik auch Ort zahlreicher Kundgebungen und Aufmärsche war. Dabei wurde die Schale als Aussichtsplattform betreten und die Oberfläche zerkratzt. 1934 wurde die Schale nördlich des Doms versetzt, weil sie den Nazis für ihre Aufmärsche im Wege war und sie den Platz pflasterten. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie durch Granatentreffer beschädigt, und nach dem Krieg war der Lustgarten Teil des neu entstandenen Marx-Engels-Platzes. Bei ihrem Rücktransport an ihren früheren Platz im Jahre 1981 anlässlich des 200. Geburtstags von Schinkel [27] brach sie auseinander. Sie wurde zwar wieder zusammengefügt, dennoch ist der verkittete Riss deutlich sichtbar. Nach etwa 180 Jahren im Freien hat die Politur gelitten. Das Ölbild der fertiggestellten Schale von Johann Erdmann Hummel aus dem Jahr 1831 zeigt die ursprünglich spiegelglatte Oberfläche. Die Schale steht heute unter Denkmalschutz.

Die Berliner geben der Schale den Spitznamen „Suppenschüssel“. Johann Wolfgang von Goethe erwähnte das Polieren von Granit, äußerte sich bewundernd über die 22 Fuß (6,9 Meter) messende Granitschale und nannte sie „Granitbecken“.[28]

Verwendetes Gesteinsmaterial

Die Granitschale und die drei Schalensockel bestehen aus Karlshamn-Granit (Präkambrium); aus Schweden; die Sockelumrahmung aus Rose de la Clarté-Granit (Karbon) aus Frankreich. Das Pflaster, das die Schale umgibt ist aus dem Ort Oberdorla in Thüringen, dem Oberdorlaer Muschelkalk (Trias), und aus Chinesischer Grauwacke.

Weitere große Steinschalen

Die Berliner Schale im Lustgarten ist keineswegs ein Solitär aus jener Zeit.

  • In der Eremitage in Sankt Petersburg ruht eine ovale Schale aus Revnev-Jaspis in einer Größe von 5,04 × 3,22 Metern auf einem zirka 2,0 Meter hohen Sockel. Die Herstellung der Jaspis-Schale dauerte von 1820 bis 1843. Bemerkenswert an dieser Schale ist, dass sie aus dem weltgrößten Jaspisstück, einem Halbedelstein, aus dem sonst Schmuckgegenstände gefertigt werden, produziert wurde. Der Umfang der Schale beträgt knapp 40 Fuß (12,55 Meter).
  • Die Porphyrschale aus einem Stück im Vatikanmuseum, die aus Neros Goldenen Haus stammt, ist mit einem Umfang von 44,5 Fuß (13,97 Meter) etwa ein Drittel kleiner als die in Berlin.

Literatur

  • Sybille Einholz: Die Große Granitschale im Lustgarten. Zur Bedeutung eines Berliner Solitärs. Hrsg. v. Geschichtsverein Berlin: Der Bär von Berlin. Jahrbuch des Vereins Geschichte für Berlin 1997.
  • Dietmar Reisch: Natursteinkunde. Eine Einführung für Bauingenieure, Architekten, Denkmalpfleger und Steinmetze, Enke, Stuttgart 1991.
  • Galerie der Romantik. Hrsg. von der Nationalgalerie Berlin Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1986; S. 148–150 ISBN 3-87584-188-3.
  • Johann Wolfgang von Goethe: Über Kunst und Altertum. Sechsten Bandes zweites Heft, 1828.
  • Ludwig Scherhag: Der Steinmetz und sein Material. Natursteinarbeiten in Deutschland. Beispiel Berlin. (Ausstellungskatalog) Hrsg. vom Bundesinnungsverband des Deutschen Steinmetz-, Stein- und Holzbildhauerhandwerks, Ulm: Ebner 1978.
  • Ludwig Friedrich Wolfram: Lehre von den Baustoffen. Erste Abtheilung. Von den natürlichen Bausteinen, Hoffmann: Stuttgart, Wien 1833

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.dhm.de/sammlungen/zendok/lustgarten/index.html
  2. http://www.luise-berlin.de/bms/bmstext/9811reza.htm#seite114
  3. http://www.berlin1237.de/werdn.php
  4. Es ist allerdings nicht bekannt, ob Cantian den Auftrag des Engländers ausführte und eine zusätzliche Schale angefertigt wurde.
  5. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 41 (siehe Literatur)
  6. Acta Geh. Preuß. Staatsarchiv Nr. 20471, pag. 1. Zit. n. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 41 (siehe Literatur)
  7. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 41, (siehe Literatur)
  8. Bestätigung Schinkels am 25.11.1826; er schlug weiter vor, die Schale in der Mitte des Raumes auf bronzene Löwen zu stellen. Zit. n. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 58, Anmerk. 5 (siehe Literatur)
  9. Acta Nr. 20471, pag. 46. Zit. n. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 58, Anm. 6 (siehe Literatur)
  10. Zeichnung Schinkels in Acta Nr. 20471, pag, 13 vom 4.9.1827. Zit. n. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 58, Anm. 7 (siehe Literatur)
  11. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 43 (siehe Literatur)
  12. Einholz, Jahrbuch 1997, S. 52, (siehe Literatur)
  13. Einholz, Jahrbuch 1997, S. 52, (siehe Literatur)
  14. Einholz, Jahrbuch 1997, S. 59, Anm. 21 und 22 (siehe Literatur)
  15. Einholz, Jahrbuch 1997, S. 59, Anm. 22 (siehe Literatur)
  16. Acta Nr. 20471, pag. 145. Zit. n. Einholz, Jahrbuch 1997, S. 59, Anm. 23 (siehe Literatur)
  17. Dietmar Reisch: Natursteinkunde, S. 124 (siehe Literatur)
  18. Einholz, Jahrbuch 1997, S. 53 (siehe Literatur)
  19. Einholz, Jahrbuch 1997, S. 55 (siehe Literatur)
  20. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 56 (siehe Literatur)
  21. Ausstellungskatalog Geschichte in Stein, S. 57 f. (siehe Literatur)
  22. Ludwig Friedrich Wolfram, Lehre, S. 117f (siehe Literatur)
  23. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 45f (siehe Literatur)
  24. Acta Nr. 20471, pag. 126. Zit. n. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 59, Anm. 17 (siehe Literatur)
  25. Vergleich des Spiegelglanzes von Granitschale in Berlin und Porphyrschale in Rom
  26. Einholz: Jahrbuch 1997, S. 51 (siehe Literatur)
  27. http://www.bildhauerei-in-berlin.de/_html/_katalog/details-1858.html
  28. J. W. v. Goethe: Kunst und Altertum (siehe Literatur)

52.519106513.39916297Koordinaten: 52° 31′ 8,78″ N, 13° 23′ 56,99″ O


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