Bernhard Mathäus Pfau

Bernhard Mathäus Pfau

Bernhard Pfau (Bernhard Mathäus Pfau) (* 1. Juni 1902 in Wolfach (Baden); † 30. Juli 1989 in Düsseldorf) war ein deutscher Architekt, Ingenieur und Fachautor.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Bernhard Pfau wird am 1. Juni 1902 in Wolfach als drittes von fünf Kindern des Bernhard Pfau und dessen Ehefrau Katharina geboren. Der Vater ist Bierbrauer, betreibt später eine Gaststätte. 1908 wird Pfau in die Volksschule eingeschult, 1912 wechselt er zur Realschule. Pfau beginnt früh zu zeichnen und zu malen. Daneben erhält er – durch einen Soldaten der französischen Besatzungsarmee – Unterricht im Geigenspiel. Seine lebenslange Begeisterung für dieses Instrument vermittelt ihm schon früh die Grundlagen für jene „Musikalität des Bauens“ (Pfau), die er nach seinen eigenen Worten während seines späteren Aufenthaltes in Wien kennen- und schätzen lernen sollte. Im Herbst des Kriegsjahres 1916 nimmt Pfau ein Studium an der „Grossherzoglich Hessischen Kunstgewerbeschule Mainz“ auf. Als sein Vater 1918 stirbt, seine Familie auseinanderbricht, muss Pfau – nun völlig mittellos – sein Studium als Stehgeiger oder mit Gelegenheitsarbeiten finanzieren. Während seines Studiums war Pfau auf die Arbeiten Bruno Pauls aufmerksam geworden. Bruno Paul war 1907 als Direktor der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums nach Berlin gekommen und galt als einer der führenden Möbelgestalter seiner Zeit, arbeitete aber auch als Illustrator der Zeitschriften „Jugend“ und „Simplicissimus“. Pfau bewirbt sich bei Bruno Paul und wird 1921 in dessen Atelier aufgenommen. Nach eigenen Angaben erlernt Pfau in Pauls Atelier „Sinn für Einfachheit, Proportion und technisch-handwerkliche Sauberkeit“. Nach zweieinhalb Jahren verlässt Pfau das Atelier Brunos, ist kurze Zeit bei Hermann Muthesius tätig, bereist Italien und die Schweiz – das Winterhalbjahr 1923/24 verbrachte er in Bern und in Gunten am Thunersee – um sich 1924 für zwei Jahre in Wien niederzulassen. Hier lernt er die Bauten Otto Wagners – der führenden Architekturpersönlichkeit Wiens kennen, arbeitet bei Josef Frank, Josef Hoffmann, Ernst Lichtblau und Walter Sobotka.

Nach seinem Wiener Aufenthalt arbeitet Pfau in einem Planungsbüro für Schiffsinterieurs in Bremen. Dort fällt er Emil Fahrenkamp auf, der ihn dann in sein Büro nach Düsseldorf holt. 1927 heiratet er die Künstlerin Lotte Fink (geb. Katharina Theresia Anna Fink, * 12. Oktober 1898 in Wien; † 17. Januar 1984 in Düsseldorf-Wittlaer) mit der er in Zukunft zahlreiche gemeinsame Arbeiten durchführt (z. B. Innenausstattung des Café Monopol in Köln).

1930–1944

1930 macht sich Bernhard Pfau in Düsseldorf selbständig. Das Haus Kaiser (für den Kaffeegroßhändler Walter Kaiser) ist dann eines der ersten Wohnhäuser, die Pfau zu Beginn seiner Selbständigkeit errichtet. 1930 erteilt der Optiker Gustav Ziem Pfau den Auftrag für ein Wohn- und Geschäftshaus am Hindenburgwall (heute: Heinrich-Heine-Allee). Pfau selbst wohnt im „Haus Ziem“ von 1931 bis 1934. Sein Büro ist dort noch bis nach dem Krieg untergebracht.

Mit der „Machtergreifung“ der Nazis im Januar 1933 gerät auch Pfau in den Strudel der politischen Entwicklung. Eine große Anzahl seiner Auftraggeber waren jüdischen Glaubens und damit dem Nazi-Terror ausgesetzt. Aber auch Pfaus unmittelbares Umfeld bleibt nicht von den „Säuberungen“ der Nazis verschont. Künstler aus dem Umkreis der Düsseldorfer Kunsthändlerin „Mutter Ey“, die den avantgardistischen Künstlervereinigungen „Das Junge Rheinland“ oder „Rheinische Sezession“ angehörten, wurden als „entartet“ diffamiert. Pfau, zu dieser Zeit Vorsitzender der „Rheinischen Sezession“ wird abgesetzt. Nur wenige Tage nach der Annahme des „Ermächtigungsgesetzes (23. März 1933) greifen die Nazis nach der Düsseldorfer Kunstakademie. Akademiedirektor Walter Kaesbach wird aus dem Amt gejagt, aber auch andere Kunstschaffende wie der Bildhauer Jupp Rübsam – einer der allerersten Bauherren Pfaus – oder die Professoren Paul Klee und Ewald Mataré werden entlassen. Die für Pfau bedeutsamen Berufsverbände, wie der „Bund Deutscher Architekten“ (BDA) oder der „Deutsche Werkbund“ wurden noch im Laufe des Jahres 1933 „gleichgeschaltet“, das Führerprinzip durchgesetzt. Mit der Bildung der Reichskammer der bildenden Künste (RkbK) innerhalb der zu Joseph Goebbels Propagandaministeriums gehörenden Reichskulturkammer, dem Aufgehen des BDA in der RkbK, findet die berufsständische Gleichschaltung einen vorläufigen Abschluss. Sämtliche nicht-arischen oder „politisch unzuverlässigen“ Architekten erhalten Berufsverbot, sind gezwungen im Ausland eine neue Existenz aufzubauen, oder gehen - wenn sie Deutschland nicht verlassen können oder wollen – in die „innere Emigration“. Pfau tritt zwar nicht der NSDAP bei, ist aber gezwungen Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste bzw. der Reichskulturkammer zu werden. Die Nichtaufnahme in die Reichskammer - oder die Entlassung aus ihr - kam einem Berufsverbot gleich, da auf allen Entwürfen die Mitgliedsnummer angegeben werden musste. Trotz seines Beitritts wird Pfau – vermutlich wegen seiner Kontakte zu jüdischen Bauherren, oder auch nur weil er als moderner Architekt gilt – von der Gestapo bespitzelt, seine Frau verhört. Um sich der wachsenden Kontrolle des öffentlichen und privaten Lebens in der Stadt zu entziehen, baut er 1934 im ländlichen Düsseldorf-Wittlaer ein Haus für seine Familie. Nach 1934 liegt der Schwerpunkt von Pfaus Betätigung – bedingt durch die nun einsetzende Förderung des Wohnungsbau, mit denen die Nazis privates Kapital zur Wohnraumbeschaffung aktivieren, gleichzeitig die immer noch sehr hohe Arbeitslosigkeit abbauen wollen - zunächst bei der Errichtung von innerstädtischen Mietwohnhäusern, Läden und deren Ausstattung (Interieurs). Als ab 1936 Kriegsvorbereitungen und Rüstungsproduktion ganz in den Vordergrund treten, die Wehrmacht – durch die nun forciert betriebene Errichtung von Rüstungs- und Militärbauten – zu einem der größten Auftraggeber des Bauschaffens im so genannten Dritten Reich wird, erhält auch Pfau neue Aufgaben. Gerhard Fieseler, der zunächst nur einen Architekten für sein neues Wohnhaus suchte, beauftragt Pfau mit der Planung und Realisierung des Werkes II der Fieseler-Flugzeugbau GmbH. Die Fieseler-Flugzeugbau GmbH hatte sich nach der Machtübernahme der Nazis – dank zahlreicher Rüstungsaufträge - zu einem der bedeutendsten Unternehmen im Kasseler Raum mit circa 5.300 Beschäftigten entwickelt. Außer dem Bau von Werk II – nebst Kameradschaftshaus als Mittelpunkt des Werkes - wird Pfau die Aufgabe übertragen für die ständig anwachsende Zahl der Werktätigen eine - bereits seit 1935 bestehende Werksiedlung – in mehreren Baustufen erheblich auszuweiten (bis Ende 1940 sollen rund 280 Kleinsiedlerhäuser entstehen). Die verschiedenen Lebensbereiche der Fieseler-Arbeiter sollen möglichst vollständig abgedeckt werden: Arbeit in für die Produktion optimal konditionierten Hallen aus Stahl und Glas, Mittagspause in der verordneten Gemütlichkeit des Kameradschaftshauses, Wohnen im kleinbürgerlich-romantisierenden Idyll der Kleinsiedlerhäuser. Die Umsetzung dieser Vorstellungen gelingt derart gut, dass die Fieseler-Flugzeugbau GmbH 1938 als NS-Musterbetrieb ausgezeichnet wird.

Auch in der nachfolgenden Zeit betätigt sich Pfau für die Luftwaffe. Nach der Fertigstellung der Anlagen für die Fieseler-Flugzeugbau GmbH im Frühjahr 1938, beginnt er noch im selben Jahr mit Planungen für das Nationalsozialistische Fliegerkorps (NSFK) - eine dem Reichsluftfahrtministerium unterstellte Gliederung der NSDAP, einer Art militärischer „Vorschule“ für deutsche Flieger. Mit diesen Arbeiten - Werkstattgebäude, Segelfliegerhallen und – lager in Eifel (Schaephuysen, Schwerfen), Oberbergischem Land, Bonn, Krefeld, Duisburg-Walsum) ist er bis Ende 1941 beschäftigt. Er wird dann als „Privatarchitekt“ zur Luftwaffe eingezogen, entgeht so nur knapp einem Stellungsbefehl. Bis 1944 setzt man ihn innerhalb der Feldbauleitungen zur Tarnung von Anlagen der Luftwaffe in Creil (nördlich von Paris) und in Mont-de-Marzan (unweit der spanischen Grenze) ein. Er unterhält ein Büro mit mehreren deutschen Mitarbeitern. Die Arbeiten werden von zwangsrekrutierten Franzosen und Marokkanern ausgeführt.

1944–1949

Nach der Landung der Alliierten wird Pfau von den „Forces Françaises de L'Intérieur“ (FFI) in der Nähe von Paris unter Spionageverdacht verhaftet, zunächst ins Internierungslager von Charenton, dann – am 8. Januar 1945 – ins Internierungslager nach Drancy gebracht, wo er bis zum 23. Februar 1945 in Haft bleibt. Er wird dann jedoch entlastet, entlassen und arbeitet ab Anfang 1946 für das Französische Wiederaufbauministerium, kann – durch die hierdurch bestehenden Reisemöglichkeiten in die britische und französische Besatzungszone – Kontakt mit seinem Büro in Düsseldorf halten. Gleichzeitig arbeitet er – als angestellter Architekt – für den Architekten Maxime Verdeaux in Melun, realisiert kleinere Projekte in Paris und Umgebung. Größtes Projekt in dieser Zeit ist ein Industriebau für die Firma PPK in Paris-Courbevoie. Pfau beantragt im Mai 1947 die Aufnahme in der französischen Berufsorganisation für Architekten, was aber abgelehnt wird. Er fasst Pläne zur Auswanderung in die USA, nimmt Kontakt mit seinem ehemaligen Lehrer Walter Sobotka auf, der – 1938 aus Österreich emigriert – sich in Pittsburgh niedergelassen hatte, oder auch mit Richard Neutra in Los Angeles. Pläne, die – ebenso wie der Versuch nach Brasilien auszuwandern – zu keinem konkreten Ergebnis führen. Als sich dann auch Pläne für eine Zusammenarbeit mit dem französischen Architekten Marcel Lods, der 1947 von der französischen Militärregierung mit der Erstellung eines Generalbebauungsplans für die Stadt Mainz beauftragt worden war, zerschlagen, beschließt Pfau Frankreich den Rücken zu kehren.

1949–1960

Im April 1949 kehrt Pfau mit seiner neuen Lebensgefährtin Simone Baillon und den beiden in Frankreich geborenen Kindern nach Düsseldorf zurück. Unmittelbarer Auslöser für die Rückkehr ist wohl ein Auftrag der Glasindustrie für einen neuen Verwaltungssitz („Haus der Glasindustrie“), mit dem er große – auch internationale – Anerkennung erlangt. Düsseldorf ist zu dieser Zeit eine der durch Kriegseinwirkungen am stärksten zerstörten Städte Deutschlands. 38 Prozent des Wohnraums sind zerstört, in der Innenstadt sind 85% der Gebäude nicht mehr vorhanden oder beschädigt, die Altstadt so gut wie vollständig vernichtet, so dass Trümmerbeseitigung, die Wiederherstellung der Infrastruktur, die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum, Nahrungsmitteln und Brennstoffen zunächst ganz im Vordergrund steht. Lichtblick – im Hinblick auf die Zukunft der Stadt – ist allerdings die Tatsache, dass im Jahre 1946 Düsseldorf zur Landeshauptstadt für das von den britischen Besatzungsbehörden aus den ehemaligen Provinzen Nordrhein, Westfalen und dem ehemaligen Land Lippe neu gebildete Nordrhein-Westfalen erhoben worden ist, und zu erwarten ist, dass die Stadt – schon Verwaltungszentrum der Ruhrindustrie, Sitz von Großbanken und der Rheinisch-Westfälischen Börse – als neue Landeshauptstadt und Regierungssitz bald für weitere führende Wirtschafts- und Interessenverbände attraktiv werden wird.

Der Düsseldorfer Architekturstreit

Pfau muss jedoch schon bald feststellen, dass zentrale Positionen im Bereich der Stadtplanung und –entwicklung bereits von Architekten besetzt sind, die im so genannten Dritten Reich an herausragender Stelle gearbeitet hatten, denen aber – getragen durch ein Netz von Verbindungen und persönlichen Beziehungen - eine nahezu bruchlose Fortsetzung ihrer Tätigkeit zu gelingen schien. Schlüsselfigur ist hierbei Friedrich Tamms, der bereits im April 1948 seine Arbeit als Leiter des Düsseldorfer Planungsamtes aufgenommen hatte und Konzeptionen für die städtebauliche Neuordnung Düsseldorfs entwickelt, denen Vorstellungen zugrunde liegen, die schon zur Zeit des so genannten Dritten Reichs (ab Oktober 1943) für den Wiederaufbau deutscher Städte entwickelt worden waren. („Arbeitsstab Wiederaufbauplanung“ beim „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“ (GBI) Albert Speer). Dies wird von jungen Düsseldorfer Architekten, die sich um Pfau versammeln, zunehmend kritisiert. Am 27. Oktober 1949 schließt sich eine Zehner-Gruppe zum „Düsseldorfer Architektenring“ zusammen, um ihrer Kritik das notwendige Gehör zu verschaffen.Mitglieder des „Rings“ sind neben Bernhard Pfau - als primus inter pares - W.Brink, G.Benninghofen, Josef Lehmbrock, W. Plücken, H. Plum, K. Schweflinghaus, E. Stelmaczyk, Alfred Vietze, B. Weil (In der amtlichen Eintragung als Vereinigung vom 21. Januar 1950, sind an die Stelle von Alfred Vietze und B. Weil, Louis Schoberth und Maximilian Reisinger getreten). Im Dezember 1949 verfassen sie ein Grundsatzprogramm,in dem es heißt, dass im Mittelpunkt von Stadtplanung nicht ein gestalterischer Ordnungsanspruch zu stehen habe, sondern der lebendige Mensch mit allen seinen Bedürfnissen. In der Baurundschau 23/1949 formulieren sie ihre Grundsätze: „Die wesentlichen Prinzipien: Erfordernisse des Einzelmenschen, das Milieu, das auf dem Gepräge einer Stadt beruht, und somit auch die Lage, ferner das Klima, das die Organisation der Wohnungen und Freiflächen wie auch die Verbindung mit der umliegenden Landschaft bestimmt, die Funktionen einer Wohngemeinschaft, die sich in Verwaltung, Arbeitsplätzen und Stätten der Erholung und Kultur usw. auswirken, vor allem auch Verkehrsbewegungen und Gesamtaussehen, sind Grundlagen einer jeden Stadtplanung. Der heutige Städtebau kann sich nicht in der Neuauflage von Korridorstraßen erschöpfen. (...) Eine mit allen Kräften geformte Stadt muß nicht aus Hochhäusern allein bestehen. Sie entwickelt sich aus dem wundervollen Gegensatz von niedrigen und hohen Bauten, von bisher üblichen Straßenformen und offenen Verkehrswegen mit zurückspringenden Geländefreiflächen, zwischen vom Verkehr unberührten Fußgängerwegen und Kreuzungen, die der Fußgänger nicht betritt. (...) Von diesen Grundsätzen ist bei der Düsseldorfer Stadtplanung so gut wie nichts zu bemerken. Die schönsten Freiflächen sind für Parkplätze reserviert, anstatt Hoch- oder Tiefhausgaragen vorzusehen. Der Verkehr muß sich so entwickeln, als gäbe es in der Zukunft keine Fußgänger. Der Versuch, ein Kulturzentrum und eine City zu schaffen, ist überhaupt nicht gemacht.“ Insbesondere in der beabsichtigten neuen Verkehrsführung, der „Düsseldorfer Durchbruchsplaner“, die brutale Durchschneidungen historisch gewachsener Stadtteile vorsieht, erkennen die Kritiker den in der Nazi-Zeit bereits hinlänglich propagierten „Achsen-Fetischismus“ (siehe etwa die Planungen für die neue Welthauptstadt „Germania“).

(Lücke - wird noch ergänzt)

Der Architektenring entwickelt einen Gegenentwurf zu den Plänen Tamms, stellt den von Tamms vorgestellten Plänen der „axialen Stadtdurchschneidung“ eine „hierarchisierte Ringstraßenerschließung“ (mit drei konzentrischen Ringstraßen und der Bildung verkehrsberuhigter Stadtteile) als Alternative gegenüber. (Gegenüberstellung der beiden Entwürfe in: Werner Durth 1986/2001, S. 285 Abb. 98) Am 24. April 1950 wird dieser Gegenentwurf in den Räumen des Deutschen Werkbundes der Öffentlichkeit vorgestellt. Die erhoffte Wirkung auf die Entscheidungsgremien der Stadt bleibt jedoch aus. Am 28. April 1950 werden die Pläne Friedrich Tamms als „Neuordnungsplan“ für Düsseldorf beschlossen.

Hierauf wird die Kritik des Architektenrings um Pfau massiver beziehungsweise detaillierter. Man setzt sich nun mit der in der NS-Zeit wurzelnden Herkunft der Einzelplanungen des Tamms-Entwurfes auseinander, auch mit der braunen Vergangenheit der Architekten, die sich in Düsseldorf so zahlreich versammelt hatten, und die immer wieder, aufgrund ihrer ganz ausgezeichnet funktionierenden Beziehungen untereinander, mit öffentlichen Aufträgen versorgt werden. Man geht verstärkt auf die personellen Verflechtungen und Beziehungen dieser Architekten ein, die sich teilweise schon seit ihrer Studentenzeit kannten, sich dann in der Dienststelle des „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“ (GBI), Albert Speer, bzw. in dem - seit Oktober 1943 geschaffenen - „Arbeitsstab Wiederaufbau“ für die im Krieg zerstörten Städte – zusammenfanden, und dieses Netzwerk - über den Zusammenbruch des so genannten Dritten Reiches hinweg - weiter aufrecht halten.

Düsseldorf ist nach Ansicht des Architektenrings ein „Zentrum der ehemaligen Nazi-Prominenz“ (zitiert nach: Werner Durth 1986/2001, S. 296). Als dann am 1. Januar 1952 Julius Schulte-Frohlinde, der als Leiter des Baubüros der Deutschen Arbeitsfront Projekte von Robert Ley umsetzte und unter anderem das Schloss Erwitte in Westfalen zu einer NS-Schulungsburg umgebaut hatte, zum Direktor des Düsseldorfer Hochbauamtes ernannt wird, veröffentlicht der Architektenring eine Stellungnahme (Stellungnahme zur Besetzung der Baudirektorenstelle in Düsseldorf im Februar 1952): „Unter den großen Städten Deutschlands hat Düsseldorf den traurigen Ruhm, diese Kulturspitzen des damaligen Systems in seine Aufbauarbeiten einzuspannen. Es geht hier nicht darum, etwa einem Menschen wegen der Zugehörigkeit zur Partei oder sonst einer Organisation den Prozess zu machen, sondern darum, ob wir erkannt haben, wie tief die nationalsozialistische Vorstellung von Baukultur sich von der der Demokratie unterscheidet. Die Baulöwen der Parteibauten haben sich in ihrer Baugesinnung nicht geändert. Sie haben – wenn sie alt genug sind – diese Gesinnung schon vor dem Auftreten Hitlers gehabt und werden sie auch heute nicht ablegen. Wäre es nicht besser, sich bei der neuen Gestaltung unserer Städte jener Männer zu bedienen, die mit Hitlers Kommen emigrieren oder untergrund gehen mußten, und deren kulturpolitische Vergangenheit keine Zweifel aufkommen läßt? Die Liste der vor uns vorliegenden germanischen Kulturritter, die in oder für Düsseldorf tätig sind, beängstigt uns sehr. Wir sehen darin ein Symptom unserer Zeit und möchten verhindern, daß sich diese Clique über den Weg einer Rehabilitierung des unglückseligen Entnazifizierungsverfahrens wieder in die leitenden Stellungen drängt. Wir protestieren darum dagegen, daß der Erbauer der NS-Schulungsburg Erwitte und Schöpfer des Reichsparteitagsgeländes, Professor von Hitlers Gnaden, Schulte-Frohlinde, die Geschicke der Düsseldorfer Bauverwaltung lenken soll.“ (zitiert nach: Werner Durth 1986/2001, S. 298)

Außer Friedrich Tamms und Julius Schulte-Frohlinde werden in der Stellungnahme weitere Architekten und Stadtplaner mit „brauner Vergangenheit“ genannt:

  • Helmut Hentrich und Hans Heuser – „früher Rasthäuserbauten und Planungen Achse Berlin. Jetzt ein Dutzdendmal Wettbewerbspreisträger, sofern Tamms Preisrichter war“,
  • Karl Piepenburg – „früher Bauleiter der Reichskanzlei, jetzt Bauleiter der Heuser- und Hentrichbauten“,
  • Rudolf Wolters – „früher Arbeitsstab Speer und Architektur-Schriftsteller von ‚Kunst im Dritten Reich’, heute Preisträger im Altstadtwettbewerb Düsseldorf (Preisrichter Tamms) und Unterstadtplaner für einzelne Stadtteile“,
  • Hanns Dustmann – „früher Chefarchitekt der HJ, jetzt erster Preisträger in den Wettbewerben Gemeinschaftsbank und Kreishochhaus (Preisrichter Tamms)“ und
  • Kurt Groote – „früher Architekturmitarbeiter beim ‚Schwarzen Korps’, heute städtischer Sachwalter der Altstadtpflege“.

Der Architektenring führt Unterschriftenaktionen durch, sucht Unterstützung im In- und Ausland. Breiteren Konsens findet er, als im Sommer 1950 Julius Schulte-Frohlinde die Planung für die Erweiterung des Düsseldorfer Rathauses ohne Wettbewerb übertragen bekommt und sein dann in die Öffentlichkeit gelangter Entwurf deutlich macht, dass er sich den baulichen Idealen des Nationalsozialismus immer noch eng verbunden fühlt. („Düsseldorfer Klassizismus triumphiert – Warum restauratives Bauen in einer fortschrittlichen Stadt?“ – „Düsseldorfer Nachrichten“, 6. März 1952). Nun tritt auch der BDA, die „Rheinische Sezession“, der „Deutsche Werkbund“ und der „Architekten- und Ingenieurverein“ auf den Plan, man veröffentlicht – zusammen mit dem „Architektenring“ - eine gemeinsame Erklärung: „Einspruch gegen den Rathausneubau in Düsseldorf“. Alle Versuche auf die städtebauliche Entwicklung der Stadt und der damit einhergehenden Kontinuität des Personals einzuwirken, bleiben jedoch ohne Wirkung. Im Gegenteil: Die Architekten des „Düsseldorfer Architektenrings“ werden quasi geächtet, bei der zukünftigen Vergabe öffentlicher Aufträge nicht mehr berücksichtigt. Pfau selbst erhält keinen einzigen Auftrag von seiten der Stadt Düsseldorf.

Der Spiegel“ zitiert im Oktober 1952 - in einem Bericht über die Hintergründe und personalpolitischen Verflechtungen der Stadtentwicklung in Düsseldorf – einen damals kursierenden Spottvers:

Aller Anfang ist der Ziegel

Und dann später der Zement,

Aber nichts hält so zusammen

Wie ’ne Clique, die sich kennt.

1960–1989

Werke

Düsseldorfer Schauspielhaus
  • Laden oha, Düsseldorf 1929/30
  • Umbau Haus Dr. Loeb, Düsseldorf 1929/30
  • Haus (Walter) Kaiser (Haus Kaiser I), Viersen 1930/31
  • Wohn- und Geschäftshaus Ziem, Düsseldorf 1930/31
  • Kaufhaus Hartoch, Düsseldorf 1931
  • Mehrfamilienhaus Beethovenstraße, Düsseldorf 1932/33
  • Laden Schmuckkasten, Düsseldorf 1933 (mit Lotte Fink-Pfau)
  • Zweifamlienhäuser Wittelsbachstraße, Düsseldorf 1933
  • Mehrfamilienhaus Reeg, Düsseldorf 1933
  • Mehrfamilienhaus Dr.Heuveldopp, Düsseldorf 1933/34
  • Wohn- und Geschäftshaus Leistenschneider, Düsseldorf 1933-35
  • Haus Pfau, Wittlaer 1934/35
  • Werkssiedlung der Fieseler-Flugzeugbau GmbH, Kassel 1936
  • Wohnhaus Gerhard Fieseler, Kassel-Wilhelmshöhe 1936/37
  • Haus Schlick, Düsseldorf 1936/37
  • Pressehaus Düsseldorf 1936-38 (mit Lotte Fink-Pfau)
  • Werk II der Fieseler-Flugzeugbau GmbH, Kassel 1936–38
  • WK-Möbelprogramme, 1936–42
  • Debro-Werke Paul de Bruyn KG, Düsseldorf 1937/38
  • Verwaltungsgebäude der „Türkiye Seker Fabrikalari A.S.“, Eskisehir und Ankara 1938–40
  • Wohnhausbauten am Bosporus, Istanbul 1939
  • Fabrik A.Himmelreich, Porz a. Rhein 1939
  • Geschäftshaus Fa. Noll, Düsseldorf 1940–42
  • Fabrik PPK, Paris-Courbevoie 1947
  • Hotel Bouvier, Melun 1947
  • Haus der Glasindustrie, Düsseldorf 1948–51
  • Haus Vogelsang, Krefeld 1949
  • Wohn- und Geschäftshaus Dörseln, Essen 1949–51
  • Umbau der Vereinigten Glaswerke (Vegla), Aachen 1950
  • Wohnhaus und Atelier Pfaus, Stephanienstraße 26, Düsseldorf 1950-1961
  • Textilingenieurschule mit Textilforschungsanstalt (heute: Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West e. V.), Krefeld 1951–58
  • Haus (Walter) Kaiser (Haus Kaiser II), Viersen 1952/53
  • Freiherr-vom-Stein-Haus, Düsseldorf 1952/53
  • Jugendhaus Düsseldorf, Düsseldorf 1952–54
  • Mehrfamilienhaus Dr.Heuveldopp, Düsseldorf 1952–56
  • Büro- und Fabrikgebäude Fa. Himmelreich, Porz 1954–57
  • Verwaltungs- und Laborgebäude der Titan GmbH, Leverkusen 1958
  • Wohnblock Wilhelm-Raabe-Straße, Düsseldorf 1959–62
  • VHS-Studienhaus Düsseldorf, Düsseldorf 1959–68
  • Düsseldorfer Schauspielhaus, Düsseldorf 1959–70
  • Staatliche Maschinenbau-Ingenieurschule, Wuppertal-Elberfeld 1965–72

Literatur

  • Werner Durth: Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900–1970. Braunschweig 1986 Neuausgabe Stuttgart + Zürich 2001, ISBN 3-7828-1141-0
  • Fachhochschule Düsseldorf, Fachbereich Architektur (Hrsg.): Hommage à Bernhard Pfau. Dokumentation eines Seminars über das Werk Bernhard Pfaus im SS 1996. In: ad. 25, Juni 1999, ISBN 3-923669-56-9 (Studienarbeit von Marion Hüllinghorst u. Roland Ratzel/Lehrstuhl Prof. Niklaus Fritschi; Dipl.Ing. Norbert Ebel)
  • Julius Niederwöhrmeier: Das Lebenswerk des Düsseldorfer Architekten Bernhard Pfau 1902–1989. Stuttgart 1997, ISBN 3-7828-4033-X (Dissertation Technische Hochschule Darmstadt 1996)

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